6. Familientreffen
"Ich glaube nicht, dass sie kommen wird." Steve's Stimme wurde durch die Tür zum Treppenhaus gedämpft, aber ich konnte ihn trotzdem klar und deutlich hören.
"Natürlich kommt sie!" Tony hörte sich so selbstsicher wie immer an, wenn auch ein wenig ungläubig über Steve's Worte. "Warum sollte sie nicht kommen? Wir haben uns seit Jahren nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen und Clint ist ihr wichtig, sie..."
"Sie hat den Kontakt zu dir abgebrochen, Tony! Seit einem halben Jahr nichts als Funkstille! Du hast sie nicht gesehen. Sie war... Tony, das ist nicht mehr die Kayla, die du kennst. Sie ist... sie hat sich verändert. Und nicht zum Besseren." Steve hörte sich entsetzt an. Traurig. Vollkommen überzeugt von seinen Worten. Und er hatte auch Recht. Jedenfalls in fast allem. Ich würde nie jemanden aus meiner Familie im Stich lassen. Trotzdem blieb ich neben der Türe sitzen, den Kopf eingezogen und den Atem angehalten.
Ich hatte nicht vorgehabt, zu lauschen, natürlich nicht, aber es war einfach so passiert. Ich war zu spät gekommen, weil Peter meine Hilfe gebraucht hatte und ich eingesprungen war, wenn auch nur als seine Augen und Ohren und nicht als Heldin. Wir waren beide noch nicht bereit dafür, wieder zusammen zu kämpfen und es war mir sowieso zu gefährlich. Vor allem, weil ich mich tatsächlich gewagt hatte, mit Gwen auszugehen.
Ich hatte nicht lauschen wollen. Es war einfach so passiert. Ich war durch eine Sicherheitslücke ins System des Bürogebäudes gekommen, dass immer noch auf den Stark Industries Systemen aufbaute und hatte eine elektrisch gesicherte Türe im Erdgeschoss aufbekommen. Ich war so sicher gewesen, dass ich schon lange über alles hinweg gewesen war, aber die lange Treppe zu Tonys altem Penthouse hatte gereicht, um Erinnerungen hochzuholen, Erinnerungen an bessere Zeiten, in denen ich noch hier gelebt hatte, mit einer Familie, die seit Jahren nicht mehr existierte. Es tat weh, zu sehen, dass mein altes Stockwerk zu einer riesigen Abstellkammer geworden war. Es tat weh, Bürotische in Nat's Stockwerk, Reihen um Reihen von Regalen voller Akten in Steve's zu sehen.
Zu dem Zeitpunkt, an dem ich bei Tonys altem Penthouse angekommen war, war ich komplett ausser Atem gewesen, zu meiner eigenen Überraschung noch nicht in der Mitte eines Hustenanfalls. Wie durch ein Wunder noch kein komplettes Wrack, das nichts tun konnte, als nach Luft zu ringen und zu hoffen, dass es bald vorbei sein würde.
Ich hatte nicht lauschen wollen. Es war einfach so passiert. Tonys Stimme hatte ausgereicht, um mich vollkommen aus der Bahn zu werfen. Ich hatte den Türknauf schon in der Hand gehabt, war schon im Begriff gewesen, hereinzugehen, aber dann hatte ich ihn gehört und war zusammengebrochen. Ich wusste nicht einmal, was er gesagt hatte, seine Stimme war genug gewesen, mich zu einem zitternden Haufen Elend zu machen, der sich auf der Treppe zusammenkauerte, nur Millimeter von einer Panikattacke entfernt.
Es war nicht seine Schuld. Natürlich nicht. Wie könnte es jemals Tonys Schuld sein? Dass Tony hier war, hiess, dass ich mit ihm reden müsste. Dass er mich zu sehen bekommen würde, so, wie ich jetzt war, vollkommen fertig und total am Ende und ihn würde ich nicht mit einem schiefen Lächeln abspeisen können. Er kannte mich viel zu gut. Er kannte diese Taktik viel zu gut, um darauf reinzufallen und das wusste ich. Vielleicht war es genau deswegen so beängstigend, ihn wiederzusehen. Vielleicht war es auch, weil ich ihm nie alles gesagt hatte. Weil da immer noch Dinge waren, die er nicht wusste, schreckliche Dinge, die ich getan hatte, Dinge, über die selbst ich nicht nachdenken wollte. Dinge, die ich damals, nach Civil War versprochen hatte, mit ihm zu teilen, egal, ob sie meine schlimmsten Geheimnisse waren oder meine brutalsten Fehler. Dinge, die vor einem halben Jahr geschehen waren. Dinge, die ihn dazu bringen würden, mich als das Monster zu sehen, für das die Welt mich schon viel zu lange hielt. Für das sogar Steve mich hielt.
Das Monster, zu dem ich mich selbst gemacht hatte.
Meine Finger zitterten so stark wie schon lange nicht mehr und ich verfluchte mich dafür, so verdammt schwach zu sein, so verdammt labil, dass sogar die Stimme meines eigenen Vaters mich an den Rand eines Zusammenbruchs brachte. Tony war früher einmal mein Fels in der Brandung gewesen, unbeweglich, unausweichlich und immer für mich da, immer da, um mich vor der Flut zu beschützen. Aber der Ozean liess sich nicht betrügen und irgendwann vor drei Jahren waren die Wellen zu hoch gewachsen, über Tony's Kopf hinweg, und hatten mich aus meinem Versteck gezerrt, ins Licht und in die unendliche Weite der See, wo ich mich verloren hatte und kaum noch über Wasser halten konnte.
Es wurde immer schwerer, Luft zu bekommen und ich rang nach Atem, verzweifelt versuchend, mich zusammenzureissen, um so auszusehen, als würde mich das Ganze nichts angehen, als wäre ich nur aus Pflichtgefühl aufgetaucht, aber ich konnte nicht, konnte nicht, wollte nicht mehr, denn das war meine Familie, die auf der anderen Seite der Türe auf mich wartete, meine Familie, die ich enttäuscht hatte, meine Familie, die niemals so auseinandergebrochen wäre, hätte ich mehr getan, meine Familie, die die Wahrheit nicht kannte, meine Familie, die ich in den letzten Jahren behandelt hatte, als wäre sie unwichtig, der ich Dinge an den Kopf geworfen, aber mich nie entschuldigt hatte. Ich hatte Nat nie gesagt, wie leid es mir tat, sie damals so angefahren, so angelogen zu haben, als ich noch nach dem Winter Soldier gesucht hatte, ich hatte Steve nie gesagt, dass es mir leidtat, wie ich auf Bucky reagiert hatte und... ich hatte Wanda nie dafür gedankt, dass sie mir die Wahrheit über Sokovia gesagt hatte. Ich hatte nicht einmal ein paar Worte mehr mit ihr gewechselt, obwohl ich sie gerne kennengelernt hätte. Und Sam, der wahrscheinlich auch gekommen war, hatte mich noch nie sprechen gehört. Rhodey... Oh Mann, Rhodey hatte ich auch schon so lange nicht mehr gesehen und das Einzige, was er von mir gehört haben würde, wäre, dass mir die verdammte Staatsbürgerschaft entzogen worden war.
Ich grub meine Fingernägel in meine Handflächen, verzweifelt versuchend, sie am Zittern zu hindern, aber es wurde nur noch schlimmer, wanderte meine Arme herauf, bis ich am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub und sogar ohne Spiegel wusste ich, wie verdammt erbärmlich, so verflixt armselig ich aussah. Ich hatte mir geschworen, dass ich niemanden jemals sehen lassen würde, wie fertig ich wirklich war. Es war so unglaublich wichtig, dass die Avengers tatsächlich dachten, ich sei in Ordnung, ich sei okay. Es war so unglaublich wichtig, weil der Plan, den wir heute ausheckten, die Welt verändern würde, unsere Welt, unsere Geschichte formen und wenn sie zu sehr damit beschäftigt waren, wie es mir ging, wie kaputt ich war, was mir zugestossen war, dann würde dieser Plan niemals der Richtige sein. Dann würde ich niemals in der Lage sein, ihn zu verändern, sie dazu zu bringen, mir zuzuhören, sollte etwas schieflaufen.
"Hört auf!" Ich sah auf, als eine neue Stimme die Diskussion zwischen Tony und Steve unterbrach, die ich schon lange nicht mehr verfolgt hatte. Natasha hörte sich genauso bestimmt an wie vor drei Jahren und für einen kurzen Moment vergass ich zu atmen, als mir klar wurde, was sie als nächstes sagen würde, einige Sekunden bevor sie es tatsächlich tat. "Wir sind nicht mehr allein."
Als Steve die Türe zum Treppenhaus aufriss, lehnte ich an der Wand und hatte meine Hände in meinen Hosentaschen vergraben, meine Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen und ein träges Lächeln auf den Lippen. "Schlechte Nachrede ist nicht sonderlich nett, Steve. Schon mal darüber nachgedacht, dass ich vielleicht auch Gefühle habe?"
Er zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt, die Augen weit aufgerissen, der Mund halb offen. "Kayla?," brachte er schliesslich heraus, viel zu überrascht für etwas anderes. "Ich dachte..."
"Dann hör auf zu denken, Grosser. Kommt sowieso nichts Gescheites dabei heraus." Als ich mich an ihm vorbei in Tonys altes Penthouse drängte, war ich sicher, dass er meinen Bluff erkennen würde, dass er mich davon abhalten würde, einzutreten, mich dazu bringen, ihm meine Hände zu zeigen, meine zitternden Hände, auf denen meine Fingernägel blutige Kratzer hinterlassen hatten, meine verräterrischen Finger, die alles zerstören könnten.
Aber er tat nichts dergleichen, sagte kein Wort mehr, schien es nicht einmal zu wagen, mir in die Augen zu sehen, den Blick auf den Boden fixiert. Als wünschte er sich, mein Gesicht nicht mehr sehen zu müssen, um vergessen zu können, dass ich das selbe kleine Mädchen war, das ihn breit angelächelt hatte, wenn er wieder einmal Pancakes gemacht hatte, das selbe kleine Mädchen, dass er hatte aufwachsen gesehen. Das selbe kleine Mädchen, dass er vor drei Jahren in den Scherben ihrer Welt zurückgelassen hatte.
Und dann, ehe ich etwas anderes sagen konnte, ehe ich weiter die Uninteressierte spielen, mit harten Worten um mich schlagen, weiterhin alles zerstören, was mir lieb war, nur, um zu verhindern, dass irgendjemand bemerkte, wie schlecht es mir wirklich ging, schlang jemand plötzlich die Arme um mich. Hätte ich auch nur eine Sekunde gezögert, hätte mich mein Kopf nicht so in den Wahnsinn getrieben, wäre meine Panik nicht so gross gewesen, ich hätte vielleicht eine Sekunde gezögert und bemerkt, wer es war, anstatt sofort zu reagieren, aber das tat ich nicht und ehe ich auch nur blinzeln konnte, packte ich den Unbekannten am Hemdkragen und rammte ihm den Ellbogen ins Gesicht, nur, um ihn dann über meine Schulter zu katapultieren und meine Ferse in seinen Bauch zu rammen, um ihn daran zu hindern, wieder aufzustehen. Die Bewegungen fühlten sich altbekannt an, so einfach wie Atmen und genauso notwendig, eine Aktion, die kein Nachdenken erforderte, pures Muskelgedächtnis.
Die Kraft, die ich aufwandte, um meinen Fuss in die Brust des Unbekannten zu stemmen, fühlte sich seltsam fremd an. Ich hatte beinahe gemeint, Kens leitenden Worte zu hören, als ich die Griffe ausgeführt hatte, aber jetzt fühlte ich mich seltsam leer, als wäre niemand mehr da, der mich anleiten, der mir sagen könnte, was zu tun war. Und es fühlte sich schrecklich an.
Mir ging erst auf, dass ich meinen eigenen Vater bedrohte, als ich ihm in sein blutig geschlagenes Gesicht sah und das Entsetzen in seinen Augen entdeckte. Und trotz allem was ich getan hatte, war es nicht Entsetzen darüber, zu was ich geworden war, sondern Entsetzen, dass ich so paranoid war, dass eine so einfache Geste wie eine Umarmung mit zu so einer Handlung brachte. Entsetzen darüber, dass er mich nicht davor hatte beschützen können, dass er mich zu so einem Leben verdammt hatte, aber niemals, niemals Entsetzen über mich. Denn egal, was ich tat, Tony Stark könnte mich niemals von sich weisen und die verdammte Besorgnis stand in seinem Gesicht geschrieben wie Tinte auf weissem Papier und vielleicht war es genau diese Besorgnis, seine verdammte Liebe, seine Loyalität, die Tatsache, dass er mich nach all den Jahren immer noch besser verstand, als alle anderen, die mich dazu brachten, mich noch ein bisschen mehr dafür zu verabscheuen, dafür, was aus mir geworden war.
Dafür, dass ihm Blut übers Kinn lief und seine Zähne rot färbte, als er mich so schrecklich traurig, so schrecklich hoffnungsvoll anlächelte. Dafür, dass ich ein noch schlimmeres Wrack war als nach Blue Phantom. Dafür, dass er schon wieder die Scherben zusammensuchen, mich wieder zusammensetzen musste, weil ich selbst als Erwachsene nicht stark genug war, mein Leben zu leben.
Ich biss mir auf die Lippe, als meine Finger, die ich bis jetzt zu Fäusten geballt und schützend vor mich genommen hatte, immer bereit, einen weiteren Schlag auszuteilen, einen weiteren Gegner zu besiegen, kaum dass ich die Fäuste geöffnet hatte, wieder anfingen zu zittern und trat einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, die Hände gesenkt, aber immer noch nicht ganz gelockert, komplett entspannt, aber wenigstens nicht mehr auf Tony gerichtet, nicht mehr in Gefahr, den Menschen zu verletzen, der mir alles bedeutete.
Würde er mich dafür hassen, was ich getan hatte? Würde er mich so sehr verabscheuen, wie ich mich selbst verabscheute? War nicht schon die Tatsache, dass ich um mich geschlagne hatte, genug, um ihm zu zeigen, dass Cap recht hatte?
"Kayla?"
Ich sah auf und war mir auf einmal schrecklich bewusst, wie sehr meine Finger zitterten. Dass die blutigen Kratzer sich von meinen bleichen Fingern abhoben wie die prominenten, hässlichen Narben, die sich über mein Gesicht zogen. Dass ich gerade genau das verletzliche, hilflose Bild abgab, dass sie nicht von mir sehen durften, wenn ich es schaffen wollte.
Dann blinzelte ich und auf einmal stand Tony vor mir. Ich konnte kaum ein erschrockenes Wimmern unterdrücken. Wann war er wieder auf die Beine gekommen?
"Hey, Kayla, schau mir an. Darf ich... Darf ich dich umarmen?" Er hörte sich so verständnisvoll an. So ruhig und beinahe mitleidig, aber das Einzige, an was ich denken konnte, war der Fakt, dass er die Kratzer nicht sehen durfte. Also versteckte ich meine Hände einmal mehr in meinen Hosentaschen, bereitete mich vor, einen Schritt zurückzuweichen und die Bitte zu verweigern, sicher, dass ich in tausend Teile zerspringen würde, wenn ich mich auch nur eine Sekunde zur Ruhe kommen liesse, tausend Teile, die ich kaum noch zusammenhalten konnte. Ich bemerkte zu spät, dass ich schon nickte, krampfhaft schnell, verzweifelt, wieder und wieder und wieder, denn das war Tony und ich brauchte ihn, brauchte ihn jetzt, wollte doch nichts mehr, als stillzustehen und Stille, als Ruhe und Frieden, einen Neuanfang, genauso wie ein altes Kapitel meines Lebens zu wiederholen und...
oh.
Tony zögerte keine Sekunde, mich in die Arme zu schliessen, drückte mich ganz fest an ihn, sein Kinn auf meiner Schulter, meine Finger in sein Shirt gekrallt und auf einmal war ich wieder ein Kind, für einige Sekunden war die Welt wieder in Ordnung und ich lebte mit Tony im Avengers Tower, Peter war noch mein bester Freund und wenn ich wollte, konnte ich Steve einige Stockwerke unter mir besuchen und mit ihm Star Wars schauen, für einige Sekunden gab es ANDREW noch, für einige Sekunden wusste ich nicht, wer der Winter Soldier war, oder wie man einen Iron Man Anzug steuerte, oder wie man jemanden bewusstlos schlug, hatte keine Ahnung von Bomben und Attentaten und Nanobots und wie es sich anfühlte, zu sterben. Für einige Sekunden durfte ich wieder Kayla Stark, die Tochter meines Vaters sein. Für einige Sekunden war Tony meine ganze Welt und ich war mir fast sicher, dass, wenn ich aufschauen würde, Pepper in der Türe stehen würde, einen gespielt beleidigten Gesichtsausdruck auf dem Gesicht und ebenfalls eine Umarmung fordernd.
Aber anstatt nach Motoröl und Benzin, nach Metall und kaltem Kaffee, roch Tony nach einem Pfefferminz-After-Shave, das ich nicht kannte, nach Holz und Wiese, nach Wald und nach der stickigen Luft in einem Iron-Man Anzug.
"Es tut mir leid", flüsterte ich, kaum hörbar, auch wenn die Worte so schrecklich hohl klangen, als wäre ihnen jeder Sinn schon vor Jahren verloren gegangen, aber Tony drückte mich nur noch fester an sich, klammerte sich genauso an mich, wie ich mich an ihn geklammert hatte.
Vielleicht war es das, das mich dazu brachte, mich von ihm zu lösen, zurückzustolpern, denn es war eng, zu eng und was hatte ich getan, das war nicht, was ich hätte tun sollen, und Pepper war nirgends zu sehen. Stattdessen presste das Gewicht der Welt mir wieder die Luft aus den Lungen, brach mir beinahe den Rückgrat, denn das hier war kein Klassentreffen, kein Wiedersehen, sondern eine Rettungsaktion.
Und wenn ich jetzt zusammenbrach, dann würde Clint genauso sterben wie all die Anderen, die ich nicht retten konnte.
"Ich... Ist schon gut. Mir geht's gut." Der traurige Ausdruck in Tonys Augen verschwand nicht, selbst nach der Umarmung, aber er hielt seinen Abstand, schien allzu gut zu verstehen, was mir durch den Kopf ging, auch wenn er es gar nicht wissen, nicht verstehen konnte. Und erst, als sich meine Atmung etwas verbesserte, als ich nicht mehr meine Zunge blutig beissen musste, um einen Hustenanfall zu verhindern, als ich nicht mehr das Gefühl hatte, zu ersticken, sah ich mich um und bemerkte, dass ich von allen Seiten angestarrt wurde.
Alle waren gekommen. Natasha, Steve, Sam, Bucky, Wanda, Vision, sogar Bruce und natürlich Tony und alle sahen mich an, als würden sie bereits um mich trauern. Als hätte ich ihnen gesagt, dass ich nur noch wenige Wochen zu leben hätte, als wäre ihnen auf einmal klargeworden, dass sie einer lebendigen Leiche ins Gesicht sahen.
Die Stille war erdrückend, genauso wie die vielen Blicke, aber ich zwang mich, das Kinn hoch zu tragen und meine Finger noch tiefer in den Hosentaschen zu versenken, um wenigstens noch so tun zu können, dass niemand gesehen hatte, wie sehr sie zitterten. "Also, schweigen wir uns jetzt den restlichen Abend an oder planen wir tatsächlich, wie wir Clint da rausholen wollen?" Wie durch ein Wunder brach meine Stimme nicht, aber ich hörte mich trotzdem irgendwie falsch an, gezwungen und ich wusste, das Tony es hören würde. Ken hatte mir beigebracht, wie ich mein Pokerface aufrecht erhalten konnte, nicht, wie man seinem eigenen Vater ins Gesicht log.
Steve wechselte einen Blick mit Bucky, der sich schmerzhaft offensichtlich zurückhielt und im Schatten blieb, als wollte er mich nicht noch weiter herausfordern. "Zuerst müssen wir aber wissen, wer alles mitmacht." Ein weiterer Blickwechsel, dieses Mal mit Tony. "Wenn wir es so durchziehen, wie wir denken, dass es ablaufen wird, dann werden wir gejagt werden. Und zwar auf eine Art, die vollkommen unvergleichlich ist mit der, mit der sie uns jetzt verfolgen. Die Sokovia-Abkommen sind Jahre her und sie haben schon beinahe aufgegeben, aber sie werden uns bis ans Ende der Welt hetzen, wenn wir Clint rausholen. Sie werden vor Nichts und Niemandem halt machen, Nichts wird mehr sicher sein. Sie werden alles tun, um uns zu bekommen, weil wir damit beweisen, dass wir willig sind, gegen die Regierung zu arbeiten und zu handeln. Thaddeus Ross mag vielleicht Geschichte sein, aber das heisst noch lange nicht, dass sein Nachfolger irgendwie besser ist. Wenn ihr euch entscheidet, zu helfen, dann werft ihr euer Leben weg, also entscheidet euch weise. Wer nicht dabei sein möchte, sollte jetzt gehen. Je weniger ihr wisst, desto besser, wenn sie bei euch auftauchen sollten."
Niemand bewegte sich und Steve atmete kaum merklich durch. "Okay. Dann wäre das geklärt. Aber fühlt euch zu nichts gezwungen. Es ist wichtig, dass ihr mit euch selbst im Reinen seid, wenn ihr euch entscheidet. Es ist keine Schande, die Chance auf ein normales Leben nicht wegwerfen zu wollen."
Wieder bewegte sich niemand. Aber bevor Steve weitersprechen konnte, fuhr ich ihm ins Wort. "Das ist das Problem, oder? Wir lassen niemanden zurück und würden lieber neun Leben opfern, um eines zu retten, als auch nur darüber nachzudenken, es sein zu lassen. Wir sind verdammt berechenbar."
Ich zuckte zusammen, als Vision das Wort ergriff, mich fixierend, als versuchte er, herauszufinden, was in meinem Kopf vorging. Er hörte sich so schrecklich nach ANDREW an, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte, aber ich konnte nicht, durfte nicht schwach werden. ANDREW war tot und Vision war nicht meine KI, egal wie sehr ich es mir auch wünschte. "So leid es mir tut, es zu sagen, sie hat recht. Wir sind berechenbar und das macht uns schwach. Ich bin zu 84% sicher, dass die ganze Gerichtsanhörung eine Falle ist. Sie haben sich noch nie die Mühe gemacht, eine Anhörung zu machen, wenn sie wirklich etwas gegen jemanden hatten. Ich erinnere gerne an die Haft nach der Schlacht in Leipzig. Oder", ein weiterer, neugieriger Blick in meine Richtung, "Kaylas Inhaftierung vor der Eskalation der Situation."
Wanda, die neben Vision stand und bis jetzt keinen Ton gesagt hatte, legte eine Hand auf Visions Arm, als wollte sie ihn zurückhalten. "Ich weiss, dass einige von euch das nie mitgemacht haben, aber das Raft hat unglaubliche Möglichkeiten. Und das Raft gehört der CIA und es ist mittlerweile schon Jahre her, dass wir verhaftet wurden, was heisst, dass sie alles, was wir dort unten gesehen haben, nur noch verbessert haben. Sie haben damals schon mit Möglichkeiten zur Unterdrückung von Superkräften geforscht. Sie haben es ein paar Mal an mir ausprobiert und..." Sie zögerte. "Das wünsche ich niemandem. Aber es hat funktioniert. Es war... es war schrecklich und eine lange, schwierige Prozedur, aber es hat funktioniert. Und ich will nicht wissen, was sie in drei ganzen Jahren mit dem Wissen angestellt haben."
"Sie hat recht." Nats Blick in meine Richtung war gleichzeitig neugierig und durchdringend, als wäre sie sich einfach nicht sicher, was sie von mir halten sollte. "Es gibt Gerüchte. Gerüchte über Technologien, die kurzzeitig Superkräfte unterdrücken können. Ich habe sowohl von Handschellen, als auch von einem Gas gehört, es wird sogar von einem Kraftfeld gemunkelt. Wenn das... der Wahrheit entsprechen sollte. Und wenn das tatsächlich CIA-Technologie sein sollte, dann sollten wir unsere Chancen noch einmal deutlich überdenken."
"Die Handschellen stimmen." Bruce, der zwischen Cap und Vision fürchterlich fehl am Platz aussah, lächelte nervös. "Ich... Ich habe dabei geholfen, sie zu designen." Ehe irgendjemand anderes etwas sagen konnte, schob er den Ärmel seines violetten Hemds hoch und enthüllte ein auf den ersten Blick unscheinbares Armband. Als ich näher hinsah, bemerkte ich allerdings, dass es zu vibrieren schien, ein beinahe unhörbares Summen von sich gebend.
Nat brauchte nur zwei grosse Schritte, um neben ihm zu stehen und Bruce zuckte zusammen, als sie vorsichtig sein Handgelenk in ihre Hände nahm und das Armband betrachtete. Das Summen wurde kaum merklich lauter. "Warum?", hörte ich sie leise fragen und Bruce sah zu Boden, verzweifelt versuchend, sein Schuldbewusstsein zu verbergen.
"Weil er den Hulk nicht wirklich kontrollieren kann, oder, Bruce?" Tony hörte sich... traurig an. Als wäre ihm auf einmal klar geworden, wie schlecht die Chancen standen.
"Das weiss ich auch!", zischte Nat ohne den Blick abzuwenden. "Ich weiss selbst, dass er die vor Jahren erfunden hat. SHIELD wusste davon. Ich wollte wissen, warum er sie gebaut hat."
Bruce zog den Kopf ein und seufzte tief. "Sie hat recht. Ich habe die Dinger vor Jahren erfunden, um den Hulk... wegzusperren. Aber ich bin nie dazugekommen, sie zu bauen, also waren sie nie mehr als eine Idee, ein Konzept, das niemand verwirklichen konnte. Ein Konzept, mit dem die CIA gespielt hat, damals, im Raft." Er atmete tief durch. "Nachdem ihr euch in Leipzig die Köpfe eingeschlagen hattet, sind sie auch bei mir vorbeigekommen. Ich hatte die Abkommen nicht unterschrieben, also haben sie mich vor die Wahl gestellt. Entweder, ich trenne mich permanent von Hulk, oder ich lande selbst im Raft. Sie wussten sehr genau, dass das nur ginge, sollte ich meine Entwürfe zu Prototypen machen und das haben sie ausgenutzt. Sobald ich eine für mich angefertigt hatte, übernahmen sie das Konzept und... stellten mehr her. Das war schon einige Zeit nachdem ihr ausgebrochen wart, also hat es euch nicht mehr... betroffen. Deshalb hab' ich's gemacht. Und weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe, meinen Körper mit einem verdammten grünen Wutmonster zu teilen."
Der Raum versank in betroffenem Schweigen. "Also weisst du, wie man sie... ausschaltet?"
Sam hob die Hände, als einige genervte Blicke in seine Richtung geworfen wurden. "Hey, ich mein' nur. Klar, es ist mies, was dem Doktor passiert ist, aber wir haben alle harte Zeiten hinter uns. Wir können ja einen Verein der anonymen Superhelden machen, wenn wir Clint zurückhaben und über unsere Probleme reden, aber momenten sind wir immer noch daran, Clint zu retten."
"Deswegen bin ich hier." Bruce schien sogar noch mehr zu schrumpfen, als er bemerkte, dass er die komplette Aufmerksamkeit auf sich zog. "Ich denke, ich weiss, wie wir uns dagegen schützen können."
Okay, ich bin ein bisschen spät, aber hey, ich hab's noch geschafft! Und ich musste das halbe Kapitel umschreiben! Also, was haltet ihr davon?
Ja, wir sind endlich beim grossen Treffen angekommen, aber das ist erst der Anfang. Das echte Drama lässt noch auf sich warten. Nächstes Kapitel ist nur ein Vorgeschmack.
Und ich glaube, ich habe mich letztes Kapitel etwas... schlecht ausgedrückt. Keine Romanzen. Das gilt immer noch. Ich finde Gwen einfach cool, deswegen kann ich nicht anders, als Kayla so zu schreiben, dass sie sie auch cool findet. Das heisst aber nicht, dass sie Peter die Freundin ausspannen wird, bitte nicht. Ich schreibe Fanfiction, keine Reality TV Scripts.
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Aeide_thea
Edit: Einige kleine Dinge geändert, die noch aus dem ersten Draft übrig geblieben sind und nicht so wirklich ins Kapitel passten. Was meint ihr?
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