5. Über eine Superheldin ohne Superkräfte
Es war spät am Abend als ich von meiner langen Erledigungstour durch New York zurückkam und durch das Seitenfenster in Peters Wohnung einstieg. Er hatte mir immer noch keinen Schlüssel gegeben, ich hatte immer noch nicht gefragt und irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt. Seit meinem Treffen mit Steve waren schon einige Tage vergangen und der Tag, an dem ich im Avengerstower aufzutauchen hatte, rückte erschreckend schnell näher.
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder davor fürchten sollte, meine Familie wiederzusehen. Es war schon so lange her, dass ich ein richtiges Gespräch mit so vielen von ihnen geführt hatte, so viele Jahre, seit alles in Ordnung gewesen war, dass ich nicht einmal mehr richtig wusste, wie es sich angefühlt hatte. Ich hatte so viele von ihnen vor den Kopf gestossen, hatte so viele von ihnen ausgenutzt und alleine gelassen, nur, um immer noch so schrecklich wütend auf den Rest zu sein, nachtragend, weil sie mich damals zurückgelassen hatten, weil sie kein Recht gehabt hatten, alles, was wir über die Jahre aufgebaut hatten, einfach so zu zerstören, dass ich nicht wusste, wie sie reagieren würden, wenn ich sie wiedersah. Nicht zu Schweigen davon, dass ich die schreckliche Befürchtung hatte, dass es ähnlich enden würde wie mit Steve, mit dem ich mich beinahe sofort wieder zerstritten hatte. Ein Streit, den ich hätte verhindern können, wäre ich nicht so verdammt empfindlich, so unglaublich unversöhnlich. Meine Schuld. Wie immer.
Da ich auch noch befürchtete, dass der Plan der Avengers kaum mehr sein würde, als reinzustürmen, die CIA-Agenten zu verprügeln, Clint zu schnappen und wieder zu verschwinden, suchte ich ausserdem verzweifelt nach einem Plan B. Nach einem Weg, das Ganze zu schaffen, ohne die Welt noch mehr gegen die Avengers aufzubringen, ohne der CIA einen Grund zu geben, sie weiter zu jagen. Ich ging zu diesem Treffen, um wenigstens zu versuchen, die Avengers dazu zu bringen, logisch zu denken, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass das nicht funktionieren würde. Es ging hier schliesslich um einen von ihren und sie waren noch nie logisch vorgegangen, wenn es um Rettungsaktionen ging. Damals war das ihre grösste Stärke gewesen: Heute war es ihre grösste Schwäche. Eine noch grössere Schwäche, wenn man bedachte, dass ich einfach keine alternative Lösung fand.
Anders als erwartet war das Apartment nicht leer, keineswegs. Leise Popmusik kam aus der winzigen Küche und das Licht war an, was nur heissen konnte, dass Gwen und Peter früher zurückgekommen waren als vermutet: Gwen hatte ihren Matschmonsterfilm beendet und sie waren mit der Crew und Peter noch was trinken gegangen. Ich nahm meine Baseballmütze ab und schob die Kapuze meines Hoodies zurück, endlich in der Lage, wieder aufrecht gehen zu können und nicht den Blick konstant auf den Boden zu richten, aus Angst, dass jemand mich erkennen würde, und schloss leise das Fenster hinter mir. Wer auch immer in der Küche war, er reagierte nicht, also war es wahrscheinlich nicht Peter, denn der hätte mich sicher schon gehört. Vielleicht hätte sein Spinnensinn sogar Alarm geschlagen, auch wenn er das früher nie hätte. Als ich noch sicher war, eine Vertraute, sein Partner. Ein Privileg, dass ich nicht länger genoss.
Gwen bemerkte mich zuerst gar nicht, als ich leise die Küchentür aufschob und mich gegen den Türrahmen lehnte. Sie war viel zu vertieft darin, kaum hörbar mitzusummen und sich im Takt der Musik hin und herzuwiegen, die Augen geschlossen, die Kaffeemaschine leise neben ihr rumpelnd. Sie hatte einen friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht, zufrieden, wenn auch ein wenig schläfrig. Um ihre Lippen spielte ein leichtes Lächeln. Sie sah schön aus, auf eine Art, wie ich es nie sein könnte, und einmal mehr verstand ich genau, was Pete in ihr fand. Der Moment verstrich als sie sich den Ellbogen an einem der vielen Schränke stiess und leise fluchte, die Augen aufschlug und mich entdeckte. Sie schien nicht sonderlich überrascht zu sein, dass ich da stand, aber trotzdem war es mir irgendwie unangenehm, dabei erwischt zu werden, sie beobachtet zu haben.
"Ich war gerade dabei, etwas zu sagen!", log ich und Gwen lachte leise.
"Wär' auch okay gewesen, hättest du nichts gesagt." Sie drehte sich zur Kaffeemaschine um und steckte sie vorsichtig aus, ihre Bewegungen seltsam abgehackt, als würde sie sich besonders Mühe geben, alles richtig zu machen. Sie seufzte erleichtert, als sie die Tasse herausholte und einen grossen Schluck nahm. "Du bist erst jetzt wieder zurückgekommen." Es war keine Frage, eher eine Feststellung, neugierig, aber trotzdem zurückhaltend. Sie wollte mich nicht drängen und das rechnete ich ihr hoch an.
"Hatte noch ein paar Dinge zu erledigen."
"Hm." Gwen nahm einen weiteren Schluck, dann stellte sie das kleine, uralte Radio aus und plötzliche Stille löste die plärrende Popmusik ab. "Hast du Lust, noch ein wenig zu reden? Mir ist noch nicht nach schlafen." Ich bemerkte erst jetzt, wie seltsam sie die Worte betonte. Sie schienen beinahe ein wenig miteinander zu verschwimmen, als würde sie nuscheln oder den Mund nicht richtig aufmachen.
Mir auch nicht, hätte ich ihr am liebsten gesagt, aber ich hielt mich zurück. "Hast du getrunken?", fragte ich stattdessen und auf einmal war es erschreckend offensichtlich, dass Gwen beschwipst war.
"Ein bisschen", gab sie zu und grinste. "Ich hab wenigstens nicht versucht, Harry unter den Tisch zu trinken wie Flash. An Harry kommt nicht mal Pete mit seinem verschnellerten Metabolismus ran."
"Harry ist auch Alkoholiker." Es fühlte sich vertraut an, diese Worte zu sagen. Vertraut auf eine Weise, die mir den Magen umdrehte, denn ich hatte Harry seit Jahren nicht mehr gesehen und trotzdem hörte es sich nur an, als wäre seine Abhängigkeit schlimmer statt besser geworden.
Gwen nickte nur und bestätigte damit meine schlimmsten Vermutungen. "Das stimmt. Und seinen Vater, den Dreckskerl, interessiert das kein bisschen. Kein Wunder, dass er damit angefangen hat." Sie hörte sich wütend an, aber nicht auf Harry. Als würde sie ihn nicht dafür verurteilen, was er getan hatte, als würde sie ihn verstehen. Als wäre sie nur traurig darüber, dass er so sein Leben zerstörte.
Mit etwas schwankenden Schritten ging sie an mir vorbei und setzte sich auf die Couch, nur, um mir ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen und etwas unsicher auf den Platz neben sich zu weisen. Ich tat ihr den Gefallen und setzte mich zu ihr. Eine ganze Weile sagte keine von uns etwas und wir sassen nur da, während sie ihren Kaffee schlürfte und ich ins Nichts starrte. "Ich habe dich vorgestern gesehen."
Ich sah überrascht auf, geschockt, obwohl ich genau wusste, von was sie sprach. "Bitte?"
"Am Set. Ich hab' dich gesehen. Du hast uns von weitem zugeschaut und bist dann wieder verschwunden. Du hättest nur zu fragen brauchen! Du bist immer Willkommen. Ich wette, Harry hätte sich gefreut, dich ein wenig herumzuführen. Ich meine, wir waren an dem Tag total überfordert, weil der künstliche Matsch sich schon wieder durch die Plastikeimer gefressen hatte, aber für dich hätten wir uns Zeit gemacht."
"Ich... weiss. Und ich bin dir und... allen anderen wirklich sehr dankbar dafür. Aber ich kann nicht noch mehr Leute da mitreinziehen." Ich seufzte und schüttelte langsam den Kopf. "Ich... Ich habe schon ein schrecklich schlechtes Gewissen, dass du und Peter jetzt mitdrin steckt, ich kann das nicht auch noch... ich kann das nicht noch Anderen antun." Obwohl ich das schon getan hatte. Und noch tun würde.
"Wir haben uns entschieden, dir zu helfen, Kayla. Dafür musst du dir nicht die Schuld geben. Wir sind alle erwachsen, wir wissen, was wir tun. Und wir haben dich aufgenommen, weil du Peters Freundin bist, weil du Hilfe brauchst und weil die Avengers Hilfe brauchen. Und glaub mir, niemand will, dass Hawkeye für den Mord an Thaddeus Ross verurteilt wird. Alle, die ich gefragt habe, glauben sowieso, dass er es nicht war und man ihn nur den Kopf hinhalten lässt." Gwen nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Kaffee. "Also hör auf, dich für alles verantwortlich zu fühlen. Du musst nicht die ganze Welt retten. Momentan reicht es, wenn du dich darauf konzentrierst, einen Mann zu retten."
Ich sagte Gwen nicht, dass sie Unrecht hatte. Ich sagte ihr nicht, dass Clint Ross wirklich ermordet hatte, dass ich gesehen hatte, wie er danach ausgesehen hatte, dass ich wusste, warum er es überhaupt getan hatte, dass die Anklage, die ihn höchstwahrscheinlich auf den elektrischen Stuhl bringen würde, ganz sicher stimmte. Stattdessen blieb ich stumm und starrte weiterhin auf meine Hände, die ich sorgsam in meinem Schoss gefaltet hatte. "Zu was bin ich sonst gut, wenn ich die Welt nicht retten kann?", flüsterte ich schliesslich. Gwens bedeutsamen, wenn auch mitleidigen Blick in meine Richtung ignorierte ich.
"Du musst nicht zu etwas gut sein, um auf diese Welt zu gehören, Kayla. Das Leben braucht keinen Sinn zu haben, um Sinn zu machen. Ich weiss, dass du mir wahrscheinlich nicht glauben wirst, Pete tut das ja auch nicht, aber vielleicht solltest du einmal darüber nachdenken. Die Welt kommt gut alleine zurecht. Vielleicht solltest du den Dingen einfach ihren Lauf lassen."
In einem anderen Leben hätte ich ihr vielleicht zugehört. In einem anderen Leben wäre vielleicht genau das der Moment gewesen, in dem ich alles noch einmal überdachte und ihr recht gab, denn verdammt noch mal, die Welt hatte kein Recht an meinem Leben, sie hatte kein Recht, eine 9-Jährige zu einer Gefahr zu machen und sie aufzufordern, mit den Avengers zu kämpfen, sie hatte kein Recht auf den Schutz einer 13-Jährigen, die sich schlussendlich selbst in die Luft sprengte und keineswegs bereit war, schon zu sterben, der nicht einmal ihr eigener Tod gehörte, weil sie sich für eine Stadt aufopferte, für eine Welt, die es niemals schätzen würde. Die Welt hatte kein Recht daran, nach Rettung zu schreien und Opfer zu fordern, die sie nie verstehen würde, die Welt hatte kein Recht auf Superhelden, deren Leben sie zerstörten, wieder und wieder, nur um sie dann um Hilfe anzubetteln und zu erwarten, dass sie zurückgekrochen kämen wie getretene Hunde.
Und trotzdem konnte ich nicht aufhören. Trotzdem konnte ich der Welt nicht den Rücken zukehren und sie aufgeben, endlich mein eigenes Leben leben, denn dann wäre alles Schlechte, was in der Welt geschah, erst recht meine Schuld. Es war eine verdadmmt toxische Beziehung und es gab niemanden, der mir helfen konnte, daraus auszubrechen. Oder besser gesagt, ich würde nie stark genug sein, sie hinter mir zu lassen. Ich war genauso abhängig von der Welt, wie die Welt von mir und anderen Superhelden. Und obwohl ich es so verdammt satt war, würde ich nie loslassen können. Genauso wenig wie Peter. Genauso wenig wie Cap. Wie die Avengers. Es zerstörte mein Leben, meine Gesundheit, sowohl geistig als auch körperlich, es zerstörte sämtliche Beziehungen, die ich je geführt hatte, aber ich konnte nicht aufhören. Zu gross die Verantwortung, zu blendend die wenigen guten Momente im Gegensatz zu den unendlich vielen schlechten, die Schuldgefühle zu erdrückend. Es war wie eine Droge, eine Sucht, mit der ich nicht aufhören konnte und die mich schlussendlich in den Tod treiben würde.
"Den Dingen ihren Lauf lassen?", fragte ich, statt Gwen einen Einblick in meine Gedanken zu geben. "Ich glaube nicht, dass ich das kann. Schau dir New York an! Wie unglaublich abhängig sie von Spider-Man geworden sind, obwohl sie ihn verfluchen, sobald er auch nur in Sichtweite kommt. Denk an Black Cat in Europa. Sie ist eine Diebin und alle wissen es, aber sie können trotzdem nicht ohne sie. Wann war das letzte Mal, das Peter frei genommen hat? Vor etwa zweieinhalb Jahren, vielleicht, als ich nach New York zurückgekommen bin, weil... nicht so wichtig. Weisst du, was damals passiert ist? Kaum war er für wenige Tage weg, haben sich die Sinister Six zusammengeschlossen und den Central Park in Schutt und Asche gelegt. Ganz New York hat nach Spider-Man gebrüllt und wir haben einen ganzen Monat gebraucht, um das Chaos zu beseitigen und die Verbrechensraten wieder unter Kontrolle zu bringen. Was auch immer alle behaupten, sie sind abhängig von allen, die auch nur im entferntesten Superkräfte haben. Sobald du irgendetwas besonderes kannst, das auch nur ein wenig aussergewöhnlich ist, bist du quasi gezwungen, etwas zu tun, zum nächsten Captain America zu werden, weil dich sonst ganz sicher die CIA aufspührt und einsperrt, weil du eine "Gefahr für die Allgemeinheit" bist. Und wenn du zum Superheld wirst, dann zerstörst du freiwillig dein Leben, weil du eben doch nur ein Mensch bist, aber die Welt dich für unsterblich hält, jemanden, der niemals Fehler macht und immer alle retten kann. Dessen Versagen Absicht ist. Sie machen Menschen zu Götzen aufgrund von Fähigkeiten, die sie nicht kontrollieren können, Fähigkeiten, die nichts mit ihrem Charakter zu tun haben. Du hast es ja selbst gesagt: New York würde sich liebend gerne von mir retten lassen und in den Augen der Öffentlichkeit bin ich nicht nur des Landes verwiesen worden, sondern auch eine Verbrecherin der schlimmsten Klasse, wahrscheinlich sogar eine Mörderin."
"Kayla..."
"Nein! Ich mein's ernst! Sie machen Superhelden zu Vorbildern für Kinder und wir leben diesen Kindern unsere verkorksten Leben vor, Leben ihnen vor, dass man ein schlechter Mensch und trotzdem ein Held sein kann und erwarten, dass sie nicht total missverstehen, wie die Welt funktioniert? Sie machen Menschen, manchmal sogar schlechte Menschen, zu Göttern, zu denen sie aufjubeln und halten sie auch zu diesen Standarts. Und wenn diese Standarts nicht erfüllt werden, wird dieser Gott zu einem verdammten Prügelknaben und keiner denkt darüber nach, was das mit ihren Superhelden macht, wenn sie sie auf diese Art fertigmachen. Wir können das schon einstecken, wir stehen schliesslich immer wieder auf, egal, wie oft wird verprügelt, besiegt, gedemütigt und bespuckt werden. Die Welt wird niemals die sein, die sie war, bevor Superkräfte existiert haben, weil niemand mehr helfen wird, sondern nur noch erwartet, gerettet zu werden."
"Und du denkst, es ist nicht genauso schlimm, keine Kräfte zu haben?" Gwens plötzlicher Ausbruch liess mich zurückzucken. "Denkst du ernsthaft, es ist nicht genauso schlimm, nichts tun zu können, um zu helfen und niemand zu sein, nur, weil man keine Laser aus den Augen schiessen kann? Nichts erreichen zu können, weil man keinen fliegenden Hammer hat? Immer und immer wieder hören zu müssen: "Halt dich da raus, Gwen, das ist viel zu gefährlich für dich"? Eine verdammte Fussnote in der Geschichte eines, wie du es nennst, Gottes zu sein?"
In der plötzlichen Stille, in der Apartment lag, konnte ich Gwen schwer atmen hören. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir das niemals anvertraut hätte, wäre sie nüchtern gewesen, aber ihre Worte lagen mir schwer im Magen. War das wirklich, wie der Rest der Welt sich fühlte?
"Ich habe so viele Freunde, die genau das sind, was du beschreibst, selbstsüchtig und wie kleine Kinder, die erwarten, dass sie von allem und jedem gerettet werden, weil sie ja keine Superkräfte haben, aber ich will nicht dauernd gerettet werden und von Menschen abhängig sein, die, wie du gesagt hast, nicht einmal besonders moralisch sein müssen: Ich will mein eigenes Leben leben und helfen können und einen Unterschied machen! Ich will etwas erreichen und ich will für meine Sache kämpfen und ich will eines Tages für meine Ideale sterben, ich will, dass die Welt sich an mich erinnert, weil ich etwas bewirkt habe. Nicht, weil ich Spider-Mans Freundin war."
Gwen holte tief Luft und dieses Mal war ich es, die sie bedauernd, mitfühlend ansah. Denn ich verstand ganz genau, was sie meinte. Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber ich war sicher, dass ich mich genauso gefühlt hätte, wäre ich nicht von SHIELD aufgegabelt worden. Ich hätte mich genauso angehört, wäre ich als normales Mädchen aufgewachsen.
"Bevor ich Peter kennengelernt hatte, war ich... sagen wir so, ich war keine Superheldin, aber ich habe meine Nächte damit verbracht, den kleinen Leuten zu helfen." Gwen starrte auf ihre Finger und auf einmal bemerkte ich die kleinen Narben rund um ihre Knöcheln, Narben, die von Faustkämpfen und aufgeplatzter Haut stammten. Narben, die ich allzu gut kannte, weil Peter sie hatte, weil Nat sie hatte, weil Clint sie hatte, weil ich sie von jedem einzelnen Mitglied meiner Familie wiedererkannte. "Ich war in Kampfsportkursen seit ich vier war und oft an Wettkämpfen dabei. Ich war gut, weisst du? Echt gut." Sie schwieg für einen kurzen Moment und die Stille war erdrückend. "Als ich älter wurde, habe ich mit Parkour angefangen und es war echt nützlich, so als Beschützer der Nachbarschaft. Ich war schnell genug, um von einem Verbrechen zum nächsten zu kommen, ich konnte mich gut verteidigen und ich wurde langsam echt berühmt. Jedenfalls in der Nachbarschaft. Aus irgendeinem Grund haben sie angefangen, mich Spider-Woman zu nennen. Obwohl ich überhaupt nichts mit Spinnen am Hut hatte, aber was solls. Dann, als ich Peter kennengelernt hatte, ist Spider-Man irgendwann bei mir aufgetaucht und hat mir die Leviten gelesen. Es sei zu gefährlich für mich, sagte er, ich hätte schliesslich keine Superkräfte. Ich hab' ihm eine Runtergehauen."
Ich lachte trocken. "Ich wette, er hat dumm aus der Wäsche geschaut."
Das erste Mal seit einer ganzen Weile sah sie zu mir. "Woher wusstest du, dass er nicht ausgewichen ist?"
"Wenn du ihn vorher schon einmal getroffen hast und er dich mochte, was er ja definitiv getan hat, dann schlägt sein Spinnensinn nicht Alarm. Und ohne den ist er nicht halb so schnell wie normalerweise."
"Hm." Sie kaute unbewusst auf ihrer Unterlippe herum. "Und ich dachte immer, ich wär' schneller als Spidey gewesen." Sie hörte sich nicht enttäuscht an. Nur... nachdenklich. "Ich habe natürlich trotzdem weitergemacht. Jedenfalls, bis ich und Pete zusammengezogen sind. Ich habe über Spidey herausgefunden, er über Spider-Woman und dann hat er mich überredet, es zu lassen. Schliesslich wohnte ich ja auch nicht mehr in meiner alten Nachbarschaft und New York selbst ist tatsächlich ein Spielplatz für Superbösewichte, während die Suburbs noch einigermassen... normal sind."
"Hättest du aufgehört, wenn du Peter nicht getroffen hättest?" Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme ein wenig zitterte. Die Situation war mir zu vertraut, die Tatsache, dass jemand mich dazu brachte, damit aufzuhören, zu tun, was ich für richtig empfand, erinnerte mich an damals, als Blue Phantom noch Heilmittel und nicht Krankheit, Fluch selbst gewesen war, an Tony, der versucht hatte, mich dazu zu bringen, mit dem Superheldendasein aufzuhören, weil er der Meinung gewesen war, dass ich noch nicht bereit sei. Am Ende hatte er Recht gehabt. Aber ich kannte das Gefühl der Hilflosigkeit, das Gwen beschrieb, nur allzu gut. Vielleicht war es auch genau das, was Menschen wie mich in den Abgrund stürzte.
"Nein." Sie hörte sich so vollkommen sicher an, dass ich ihr einen überraschten Blick zuwarf. Sie starrte ins Leere und ein etwas wehmütiger Blick trat auf ihr Gesicht. "Ich wurde damals immer bekannter und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis irgendein Superbösewicht aufgetaucht wäre. Ich denke, ich wäre damals gestorben, hätte ich nicht aufgehört."
"Also... war es eine gute Sache, dass Pete dich...?"
"Nein." Gwen biss sich auf die Lippe und fluchte leise, als sie aufplatzte. "Ich meine... sicher, ich bin nicht gestorben und das ist eine gute Sache, versteh mich nicht falsch. Ich will mich nicht umbringen, oder so, aber... Kayla, ich will nicht sinnlos sterben. Ich will nicht... der verdammte tragische Tod sein, der Peter dazu motiviert, nie mit Spidey aufzuhören. Ich will nicht die Fussnote in seiner Geschichte sein, ich will nicht, dass ich wegen ihm sterbe." Sie holte tief Luft. "Gott, das hört sich absolut selbstsüchtig von mir an, oder? Ich will nicht, dass du... Ich würde für ihn sterben. Ohne Frage. Aber ich will nicht... wegen ihm... Ich will nicht ein Opfer von irgendeinem seiner Gegner werden, der über mich an ihn herankommen will. Ich habe kein Problem mit dem Risiko, mit ihm zu leben, aber... Und es wäre auch 'was ganz anderes, wenn der Superbösewicht es auf mich abgesehen hätte, wegen Spider-Woman und so, und ich so umkommen würde, aber... ich will nicht... Ich will nicht..." Sie schnaubte frustriert und fuhr sich durch die kurzen, blonden Haare. "Wahrscheinlich bin ich einfach besoffen und nichts, was ich sage macht einen Sinn. Tut mir leid, dass du dir das anhören musstest."
"Nein, nein, überhaupt nicht!", beeilte ich mich zu sagen, denn es stimmte und Gwen hatte Recht und verdammt noch mal, ich verstand sie so gut, aber... "Ich... danke."
Gwen sah auf, die Augen blutunterlaufen und ihr Blick wieder so verdammt weit weg. "Wofür? Dass du dir mein Gejammer anhören durftest?"
"Nein." Ich lehnte mich zurück gegen die Couch. "Dafür, dass du mir zugehört hast. Und ehrlich warst. Und... naja. Da bist. Ich kenne dich nicht gut, Gwen, aber ich wünschte, wir hätten uns früher kennengelernt. Unter anderen Umständen. Vielleicht..."
"Hätten wir mehr sein können als flüchtige Bekannte?" Gwen lachte leise, beinahe heiser. "Es ist mir ehrlich gesagt total egal, ob die Regierung es auf dich abgesehen hat, Kayla. Du bist... anders, als so ziemlich alle anderen, die ich je getroffen habe, und nicht unbedingt auf eine... schmeichelhafte Art? Erfrischend, ja, aber irgendwie auch... beunruhigend." Sie schnaubte. "Ich war immer schon ein Adrenalinjunkie. Ich meine, was erwartest du von der Frau, die mit Spidey zusammen ist? Lass uns in den nächsten Tagen mal einen Kaffee trinken gehen. Ich kenne da einen Laden, der zwar definitiv mehr als die Hälfte der Sicherheitsvorschriften missachtet, aber wenigstens günstig ist. Vielleicht schaffen wir sogar eine richtige Diskussion, wenn ich wieder nüchtern bin."
Es fühlte sich seltsam an, über ihr Angebot nachzudenken. Normal und gleichzeitig verrückt, ganz anders, als alles, was ich in den letzten Jahren gemacht hatte. Und irgendwie auch aufregend. Verboten. Schliesslich sollte ich mich vor der Öffentlichkeit verbergen und nicht Kaffee trinken gehen.
Gwen's Lächeln war genauso scharf wie meines, als ich zusagte. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie von Anfang an gewusst hatte, das es so kommen würde.
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Ist Gwen möglicherweise die coolste, beste, tollste Frauenfigur, die ich je geschrieben habe? Definitiv. Bin ich ein kleines bisschen verknallt in sie? Leider ja. Ist Kayla deswegen ein kleines bisschen verknallt in sie? Das war nie der Plan, aber das ist den Lesern überlassen. Also euch. Und, was denkt ihr? Findet ihr Gwen auch so enormst cool wie ich?
Dieses Kapitel bin ich definitiv mehr in Richtung Philosophische Betrachtung von Superhelden gegangen als normalerweise. Habt ihr verstanden, was ich damit sagen wollte? Hat es euch gefallen? Oder ist das eher nicht so euer Stil und ihr habt euch gedacht: "Was soll das denn jetzt?"
Weil ich in letzter Zeit eher auf AO3 unterwegs war und auch meine englische, sehr peinliche DSMP Fanfic dort schreibe (ich nehme meinen Profilnamen mit ins Grab), haben sich meine Kapitel deutlich verlängert. Ihr könnt also eher von einer Kapitellänge von 3000+ Wörtern ausgehen, als von 2500+. Was haltet ihr davon?
Habe ich übrigens je erwähnt, das ich Fanworks total cool finde? Also wenn irgendjemand Fanart oder sonst irgendetwas über diese Fic gemacht hat, schreibt mich doch auf Wattpad an! Ich würde mich riesig freuen. Das ist jetzt keine Aufforderung oder so, versteht mich nicht falsch und fühlt euch bitte nicht gezwungen. Ich wollte einfach nur sagen, dass es mich definitiv nicht stören würde.
Kritik, Kommentare, Ideen?
Bis in zwei Wochen
aeide_thea
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