Kapitel 60

Kroatien 9

Den zweiten Teil seiner Drohung allerdings machte er wahr. Zum Schlafen kam sie nicht in dieser Nacht.
Sie waren beide randvoll mit Adrenalin, fanden kein Ende damit, sich in höchste Höhen zu schicken. Zwei neue Stellungen probierte er aus, beide klappten wunderbar.
Sie. War. Ein. Verdammt. Heißer. Käfer!
Und. Er. War. Verdammt. Hungrig. Auf. Sie! Als Alessia sich meldete, hatten sie noch kein Auge zugemacht.

„Was war heute Nacht mit uns los?" fragte er aufgedreht.
Lena lachte leise. „Endorphin? Adrenalin? Selen in der Luft? Liebe?"
„Alles!" antwortete er und sah sie liebevoll an.
Sie schien zu überlegen. „Vielleicht aber auch das Gefühl, etwas Gutes getan und Belohnung verdient zu haben?"

Er drückte sie an sich. „Kann sein!"
„Du bist ein guter Mensch, Alex! Du bist wirklich ein guter Kerl!"
„Das bin ich aber erst durch dich geworden, Süße!" gab er zu bedenken.
„Nein! Das warst du schon immer! Wie du dich um deine Mutter und Olivia gekümmert hast! Da warst du 20! Dein Vater wäre sehr stolz auf dich!"

„Danke!" brachte er gerade noch heraus. Dann hatte er damit zu tun, die Tränen weg zu schlucken.
Sein Vater! Er wäre vor allem glücklich, dass er eine so tolle Frau gefunden hatte!
Aber wäre er der Selbe geworden, wenn das Unglück ihn damals nicht so geforderthätte?

Wäre er eines der verwöhnten Söhnchen geworden, die das Leben nie herausgefordert hatte?
Denen alles zugeflogen war?
Wäre er so zielstrebig seinen Weg gegangen, wenn er nicht immer das Gefühl gehabt hätte, seinen Vater ersetzen zu müssen, zu Hause und in der Firma?
Hätte er Lena kennen gelernt?
Hätte er sie erobern können?
Hätte er sie verdient?

Gut, er war in einem von Liebe geprägten Elternhaus aufgewachsen, er war schon auch mit 20 ziemlich gut geraten gewesen, hatte nie Probleme mit Alkohol, Drogen oder falschen Freunden gehabt.
Aber - wie wäre er geworden, wenn sein Vater nicht diesen fürchterlichen Unfall gehabt hätte, der ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen hatte? Alessia verschärfte den Ton, mit dem sie Aufmerksamkeit einforderte.

Er wischte sich die letzten Tränen aus den Augen und sprang aus dem Bett.
„Komme schon, Süße! Bin schon unterwegs!" rief er, und seine Worte schienen sie zu beruhigen.

Sie schliefen am Tag abwechselnd immer wieder eine Stunde, die Nacht forderte ihren Tribut.
Aber keiner von beiden hätte sie missen wollen!

Zwei besuchslose Wochen folgten, in denen sie eine Menge schafften. Dann meldeten sich Olivia und Bill an. Sie brachten sie in einem Hotel unter, weil Mirko mit dem Neubau begonnen hatte.
Alex war überglücklich, als er miterlebte, wie sehr der junge Engländer seine Schwester liebte. Er trug sie auf Händen, wie er es mit Lena machte.

Die Beiden machten viele Ausflüge alleine, sagten sie zumindest.
Lena hatte die Freundin in Verdacht, dass sie viel aus einem Reiseführer zitierte, weil sie die Tage hauptsächlich im Hotelzimmer verbrachten!
An dem einen oder anderen Abend saßen sie in der Bucht am Lagerfeuer, nachdem sie bei Mirko gegessen hatten.

Um alles schon fast an den Rand von Kitsch zu bringen, hatte Bill seine Gitarre mitgebracht und sang Liebeslieder für seine Angebetete.
Alex und Lena bezogen die Texte auch auf sich, summten leise mit, während sie sich im Arm hielten oder sich im Sand zu den Melodien drehten.

Es waren losgelöste Tage und Stunden. Eine Woche nach der Abreise von Bill und Olivia meldete sich ihr Vater wieder an. Er hatte die Sehnsucht nach seiner Tochter nicht lange ausgehalten. Auch er musste ins Hotel ziehen, doch er verbrachte die meiste Zeit mit der kleinen Familie.

Er spielte mit Alessia im Sand, während die beiden arbeiteten oder sich auch einmal eine Stunde „hinlegten". Dann stand unangemeldet Alex' Mutter vor dem Häuschen, als sie vom gemeinsamen Frühstück zurückkamen.

Zum Glück gab es in einem anderen Hotel noch ein einfaches Zimmer. Sabine war überrascht, wie toll sich Alessia entwickelt hatte.
„Sie ist aber weit über ihr Alter hinaus!" stellte sie fest.
Lena und Alex nahmen sich glücklich in die Arme. Sabine war ja die Einzige, die wirklich Ahnung von kleinen Kindern hatte.

Da hatten sie wohl alles richtig gemacht.
Die Kleine hatte sich aber auch zu einem echten Wonneproppen entwickelt. Sie schien die destruktive Phase hinter sich gelassen haben, verfiel immer seltener in alte Verhaltensschemen. Nur noch hin und wieder räumte sie Tische ab, riss sie Haare aus oder donnerte Brillen durch die Gegend.

Eigentlich nur, wenn sie zu wenig Aufmerksamkeit bekam. Immer öfter beschäftigte sie sich mit den Spielsachen, die sich mittlerweile im Wohnzimmer türmten. Aber nur, wenn der Papa oder die Mama dabei saßen, was die beiden leidenschaftlich gerne taten.
Und da nun sowohl ein Opa als auch eine Oma zur Verfügung standen, war es ein Leichtes, die Kleine zu beschäftigen.

Nach zwei Tagen beschlossen Roman und Sabine, gemeinsam mit Alessia einen Ausflug zu machen.
Alex und Lena sahen sich tief in die Augen, als das Auto mit den beiden abgefahren war.
„Musst du arbeiten?" fragte sie.
„Ja!" antwortete er und zog sie an sich. „Schwer!"
Er küsste sie leidenschaftlich.
„Sehr schwer!"
Er führte sie zum Schlafzimmer.
„Ich habe einen verdammt harten Job zu erledigen!"

Er legte sie aufs Bett.
„Einen Job, der mich ein Leben lang fordern wird!"
Er zog sie genüsslich aus.
„Aber einen Job, in dem du auch sehr gut bist!" hauchte sie.
„Das wollte ich wieder einmal hören!" stöhnte er und befasste sich mit all der Haut, die er frei legte.

Als Sabine und Roman zurückkamen, schien sich irgendetwas zwischen ihnen verändert zu haben.
Sie lachten viel, sahen sich länger an als vorher, lächelten sich zu, schienen glücklich zu sein.

Lena sah Alex vielsagend an. Die beiden verabschiedeten sich auch überraschend schnell.
„Wollen wir nicht zusammen zu Abend essen?" fragte Alex und grinste seineMutter an.

„Nein! Ich bin ziemlich müde!" antwortete sie und erwiderte sein Grinsen.
„Na, dann wünsche ich dir eine gute Nacht!" Es klang nur ein wenig anzüglich. Als die älteren weg waren, bekam Lena einen Lachanfall. „Die haben sich verknallt!" japste sie. „Deine Mutter und mein Vater! Ich glaub's nicht!"

Alex drehte sich mit ihr im Kreis. „Dann wird dein Vater mein Stiefvater und meine Mutter deine Stiefmutter!"
„Dann sind wir Stiefgeschwister!" Lena bekam kaum noch Luft vor Lachen.
Plötzlich hielt er inne. „Aber wir betreiben dann keinen Inzest, oder?"
„Nein! Wir betreiben weiterhin heiße Liebe und heißen Sex!" antwortete sie kokett. Er wischte sich theatralisch den Schweiß von derStirn.

„Gott sei Dank!" Er sah sie an, seine Augen waren schon wieder ziemlich dunkelgrün. „Apropos! Die Kleine scheint ordentlich geplättet zu sein!"

Sie fasste ihm zwischen die Beine, ein Angriff, den er zu lieben gelernt hatte. Es war so selbstverständlich, so locker, so fuckinggeil!
„Dein Freund wäre bereit für noch eine Runde!" knallte sie ihm hin. Er liebte diese freie, etwas frivole Seite an ihr! Sie ließ ihn sich unheimlich jung undaufgedreht fühlen!
„Und er bestimmt, was geschieht!" antwortete er genau so locker.

Irgendwann in dieser Nacht erinnerten sie sich, dass sie noch gar nichts gegessen hatten. Doch außer Eiern und ein bisschen Brot fanden sie nichts im Kühlschrank.
„Besser als nichts!" meinte Lena.
Er zauberte wider Erwarten perfekte Spiegeleier auf zwei Brotscheiben, und nie hatte ihnen etwas besser geschmeckt.
Ein Glas Wein genossen sie auf der Terrasse, noch ein paar Küsse im Bett, dann schliefen sie selig aneinander gekuschelt ein.
„Ich liebe sie so sehr!" war sein letzter Gedanke.


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