Kapitel 57
Kroatien 6
Am Abend am Strand erzählte sie ihm ihre Gedanken.
„Aber du könntest schon auch mal ein paar weibliche Namen auf diese Liste schreiben!" erklärte er lächelnd.
„Ich hab's nicht so mit den Frauen!" antwortete sie.
„Aha! Na gut! Dann stelle ich eine Liste mit Damen auf!" schlug er vor.
„In Ordnung! Ich such dir morgen ein paar Hässliche!" konterte sie.
Alex lachte auf. „Du kannst mir ruhig ein paar Schönheiten suchen. Das würde rein gar nichts ändern."
Sie sah ihn staunend an. „Wow! Herr Doktor Borchert! Heute haben Sie es aber drauf mit Worten."
Er zog sie in seine Arme. „Ich kann aber auch Taten folgen lassen!" hauchte er ihr ins Ohr. Er küsste sie zärtlich. „Zum Beispiel mit meinen Lippen. Die hätten ziemlich viele Ideen."
Er streichelte ihren Nacken. „Oder mit meinen Händen. Die könnten eine ganze Menge tun."
Sie war ein dahingeschmolzenes Bündel in seinen Armen.
„Und mein Freund phantasiert schon eine ganze Weile so vor sich hin."
Irgendwie schafften sie es beide, mit Knien aus Gummi hinauf und ins Schlafzimmer zu kommen.
Die Taten, die seinen heißen Worten folgten, waren nicht zu verachten. Dann folgten heiße Worte und wieder Taten, doch dieses Mal war sie die Täterin.
Am nächsten Tag begann Lena Serbisch zu lernen.
„Bist du mit Kroatisch schon durch?" fragte Alex überrascht.
„Yep! Ich habe einen Vortest zur Dolmetscherprüfung gemacht und bestanden!"erklärte sie, als wäre es da Normalste der Welt.
„Du spinnst!" entfuhr es ihm.
„Wenn du das jetzt zu mir gesagt hättest!" antwortete sie lachend.
„Entschuldige! Aber normal ist das nicht."
„Aber wenn man sich an einen Computer setzt und eine Maschine erfindet, die weltweit gekauft wird, das ist dann normal, oder was?" konterte sie.
Er zog sie in die Arme. „Klar, das ist mein Job." Doch ein wenig stolz war sein Grinsen schon.
„Freilich! Dein Job! Was sonst!" Sie sagte diese Worte sehr nahe an seinen Lippen.
„Ich habe aber noch einen ganz wichtigen Job!" flüsterte er. „Ist eigentlich mein Hauptjob geworden." Er küsstesie leidenschaftlich.
„Und was ist das für einer?" fragte sie bebend.
„Lena glücklich machen." Noch ein Kuss.
„Lena auf Händen tragen." Ein Kuss auf ihren Nacken.
„Lena die Welt zu Füßen legen." Eine Hand unter ihrer Bluse. „Du....du....du bist in beiden Jobs seeeehr gut!" stöhnte sie.
Er lachte leise an ihrem Ohr. Sein Atem kitzelte sie. Aber es war leider heller Tag, und Alessia langweilte sich auf ihrer Decke.
„Wann kommen Chris und Michaela?" fragte sie sehnsüchtig.
„Bald!" antwortete er atemlos. „Ich geh mal eine Runde schwimmen. Ich glaube, das Wasser ist kalt genug."
Er zog sich schnell bis auf die Shorts aus, stürzte sich in die Wellen.
Ich werde etwas vorsichtiger sein in Zukunft! versprach er seinem enttäuschten Freund.
Ein paar Tage später läutete abends sein Telefon.
„Hallo, hier spricht Fatima Özmir. Ich wollte mich nur bedanken dafür, was Sie für mich und Deniz tun. Herr Holbein hat gestern angerufen, wir ziehen schon nächste Woche um, er hat eine Stelle für mich am Klinikum, ich bekomme sogar mehr Gehalt, und Deniz bekommt sein Praktikum bezahlt, und die Wohnung bekommen wir umsonst, und ich komme wieder in meine Heimat, kann meine Eltern wieder öfter sehen, und er kommt von seinen Leuten weg, und es ist alles so wunderbar. Gott oder Allah segne Sie, Ihre Frau und Ihre Tochter!"
Dann legte sie auf.
Alex hatte auf Lautsprecher gestellt, Lena hatte mitgehört und klatschte sich lachend mit ihm ab.
„Seltsam, wie sich alles fügt!" sagte sie leise. „Es hätte ja auch sein können, dass Metzger sein Traumjob gewesen wäre." Sie sah ihn frech an. „Aber da hättest du auch einen Weg gefunden, oder?"
Er lächelte sie an. „Klar! Dann hätte ich eine Wurstfabrik gekauft."
Sie tanzten glücklich im Wohnzimmer. Sie freuten sich an sich, am Leben und daran, dass sie dem jungen Türken hatten helfen können.
Die Woche mit Chris und Michaela war traumhaft schön, für alle. Sie machten Ausflüge, bummelten durch die alten Städtchen, aßen sich durch alle Spezialitätenrestaurants. Alessia genoss die Verdoppelung ihrer Opfer, war aber gar nicht damit einverstanden, dass zwei Augenpaare mehr darauf achteten, dass sie nicht jeden Tisch abräumte.
Da musste sie eben noch raffinierter werden. Hin und wieder war sie damit höchst erfolgreich.
Am letzten Tag rückte Chris mit der Sprache für den Grund dieses Urlaubes heraus.
„Wir sind schwanger. Nach zehn Jahren hatten wir die Hoffnung schon aufgegeben!" erklärte er mit Freudentränen in den Augen. „Michela wird dann drei Jahre zu Hause bleiben, kann mit mir und dem Kleinen öfter mal auf Tour gehen. Darüber hatten wir schon oft gesprochen, dass das unser Traum wäre. Vielleicht fängt sie auch gar nicht mehr an. Wir wollen frei sein. Da ist das Geld nicht so wichtig. Ich habe gut verdient, wir haben ein Polster."
Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus.
Sie lagen sich alle heulend vor Glück in den Armen.
Alex holte eine Flasche Champagner, für Michaela Orangensaft. Nachdem sie das erste Glas geleert hatten, nahm Alex den Freund in den Arm und zog ihn ein Stück mit sich den Strand entlang. Er suchte nach den richtigen Worten, sprach aber dann einfach an, was er zu sagen hatte.
„Chris, bekomm das jetzt bitte nicht in den falschen Hals. Aber könntest du dir vorstellen, oder sagen wir, wäre das lukrativ, wenn du einen eigenen LKW hättest?"
Der Trucker lachte. „Ja, klar! Wenn ich 100.000 Euro hätte, wäre das sehr lukrativ, wenn ich für mich selbst fahren würde. Da könnte ich sogar noch einen Fahrer anstellen."
Alex sah ihn an, da verstand Chris. „Nein! Nein, du willst mir aber jetzt nicht anbieten, mir das Geld zu geben?"
„Nur ein Gedanke, ein Denkanstoß! Ich will dich nicht beleidigen, aber mir spült es die Kohle zur Zeit richtig rein. Die Geschäfte laufen bombig, Lena scheint meine Kreativität so zu beflügeln, dass ich mit dem Ausarbeiten gar nicht nachkomme, und irgendwie habe ich es ja dir zu verdanken, dass sie noch bei mir ist."
Chris setzte sich in den Sand. „Puh! Das ist jetzt schon ein bisschen viel." Er sah zu Alex hoch. „Die anderen vier haben auch eigene Trucks, haben sie finanziert oder haben Kohle geerbt. Sie versuchen immer, mich zu überreden, weil es sich wirklich rechnet. Aber ich hatte immer zu viel Bammel vor dem Schuldenberg."
Er dachte nach. „ Und wenn wir halbe-halbe machen? Das wäre noch immer mehr als großzügig."
„Ja, wenn du gerne Zinsen zahlst, von mir aus!" hielt Alex ihm vor.
Der Trucker dachte noch eine Weile nach. „Okay, du streckst mir die Summe vor, und ich bezahle die Hälfte zurück!" schlug er dann vor. „Das geht! Glaub mir, das rechnet sich noch immer für mich."
„Gut! Dann bezahlst du 10 Euro im Monat zurück. Dann musst du nur noch sehr alt werden."
Chris schubste Alex Richtung Meer. „Du bist ein Depp!"
„Kann schon sein! Aber ein verliebter Depp, der ohne ein paar Leute nicht so glücklich sein könnte, wie er ist."
Er erzählte von Deniz, der gerade dabei war, nach Regensburg umzuziehen.
Chris sah nach dem Bericht Alex ungläubig an. „Ich wusste ziemlich schnell, dass du ein guter Typ bist. Und weißt du was? Ich nehme dein Angebot an, weil ich glaube, dass es dich glücklich macht, anderen zu helfen."
Sie schlugen sich ab, gingen zu den Frauen zurück.
Chris ging mit Michaela zu der Stelle, an der der Kumpel ihm den Vorschlag gemacht hatte. Tränenüberströmt fiel sie Alex um den Hals, als sie wieder bei ihm ankamen. „Danke!" brachte sie nur hervor. Alex hatte Lena inzwischen über das Gespräch mit Chris informiert. Der Plan war eigentlich ganz spontan in ihm entstanden. Sie hatte ihn stolz angesehen, und er hatte gewusst, dass er richtig gehandelt hatte.
Sie stießen auf den Deal an, dieses Mal mit Slavkos Sliwowitz.
Chris schüttelte immer wieder mit dem Kopf.
Plötzlich begann er zu lachen. „Ich habe gerade daran gedacht, wie wir fünf Lena aufgegabelt haben, da auf demParkplatz. Mit ihrem Riesenveilchen, ihren verstrubbelte, blutverklebten Haaren. Wie sie erschrocken ist vor mir, als sie von der Toilette zurückkam. Dabei hat sie selber wie ein Zombie ausgesehen."
Lena knuffte ihn. „Herzlichen Dank, mein Freund."
„Ist doch wahr! Und als du uns dann das Foto gezeigt hast, das die Bitch gemacht hat, und du hast das für bare Münze genommen!" Alle lachten an diesem Abend herzlich über die Geschichte, die damals fast ihr Leben zerstört hätte.
Doch dann schoben sie alle Gedanken an Evi ganz schnell wieder in die hintersten Schubladen ihres Gedächtnisses.
Schließlich verabschiedeten sich die Gäste. „Es kann sein, dass Nick auch mal vorbeischaut!" meinte Chris beim Abschied. „Er hat wieder mit seiner Ex angebandelt, schwebt im siebten Familienvater-Himmel. Er hat Nicole versprochen, sich mehr Zeit für sie alle zu nehmen und scheint kräftig daran zuarbeiten."
„Na, das ist ja eine tolle Nachricht!" freute sich Lena. „Ihr seid alle herzlich willkommen. Immer!" In den nächsten Tagen grübelte Lena viel, was Alex bald auffiel.
„Was ist los, Süße?" fragte er schließlich.
„Ich muss immer wieder an Chris denken, an die Pläne, die sie haben!" begann sie ernst. „Und ich frage mich, ob ich diese Schule wirklich machen will. Ich weiß zur Zeit gar nicht mehr, was ich aus meinem Leben machen will, außer bei dir und der Kleinen zu sein.
Wenn ich mir vorstelle, Alessia jeden Tag in die Krippe zu stecken und dann in dieser Schule rum zu hocken, passt mir das gar nicht.
Ich kann wunderbar am Computer lernen, ich glaube so ein Lehrplan bremst mich bloß aus.
Aber ich bin zu jung, um zu sagen, ich mach jetzt gar nichts aus meinem Leben."
Sie sah ihn fragend an. „So wären wir auch freier. Wenn du auch am Laptop oder mit Videokonferenz arbeiten kannst, könnten wir immer wieder ein paar Tage abhauen. Ich will irgendwie nicht in ein Schema, ich brauche doch niemandem etwas beweisen, oder?"
Sein Lächeln wurde immer breiter. Ähnliche Gedanken waren ihm durch den Kopf gegangen, seit er erlebt hatte, wie schnell sie lernte.
„Komm her, Süße!" Er zog sie auf seinen Schoß. „Wenn du Portugiesisch, Spanisch und Italienisch lernen würdest, könnten wir zusammen auf Geschäftsreise gehen, auf Messen beispielsweise. Du könntest auch bei Meetings helfen, bei Videokonferenzen, bei Übersetzungen von Verträgen, die dein Vater ausarbeitet. Und das mit dieser Schule schenkst du dir. Die sind da viel zu langsam für ein Genie wie dich."
Er küsste ihr süßes Näschen. „Aber ich hätte es nie gewagt, dir das vorzuschlagen. Es wäre aber wunderbar, wenn du dich um Alessia kümmern könntest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in einer Kita so gefördert wird wie bei dir."
Er küsste sie auf ihren wunderschönen Mund.
„Abgesehen davon, dass es in einer Kita dann bald nur noch haarlose Kinder geben würde."
Lachend umarmte sie ihn. „Das ist natürlich ein schlagkräftiges Argument." Sie erwiderte seinen Kuss. „Du verstehst mich, nicht wahr?"
„Immer!" antwortete er nur, und es war die Wahrheit. Er würde immer auf ihrer Seite stehen, würde alles dafür tun, dass sie glücklich und mit ihrem Leben zufrieden war. Immer!
„Ich bin froh, dass ich es dir gesagt habe!" erklärte sie erleichtert.
„Und du wirst mir immer sagen, was durch dein hübsches Köpfchen geistert, nicht wahr?" Er sah sie ernst an. „Versprichst du mir das, Lena?"
„Ja!" sagte sie leise. „Dann willst du sicher auch wissen, was mir im Moment durch den Kopf geistert?"
Ihre Hände fuhren an seinem Hosenbund entlang. „Musst du eigentlich immer einen Keuschheitsgürtel tragen?" beschwerte sie sich.
Lachend schob er sie von seinem Schoß, zog den Gürtel aus den Schlaufen. „So bitteschön! Bediene dich!" Was sie dann auch tat.
Sein Freund pochte ordentlich vor Vorfreude. Später stand sie am Strand, breitete die Arme aus, als wollte sie die Welt umarmen. „Ich bin glücklich!" schrie sie, so laut sie konnte. „Ich bin frei und glücklich!"
Alex stand einen Meter hinter ihr. Ja! Schöner Schmetterling, sei glücklich! Flattere durchs Sonnenlicht.
Es zählt nur das heute, hier und jetzt! dachte er und wischte seine Augen trocken. Er hatte erfahren müssen, wie schnell alles vorbei sein konnte.
Als Alessia ausgeschlafen hatte, zogen sie noch einmal los. Heute mussten sie wieder ihr Glück teilen. Sie gingen ins Städtchen zu Mirko, gaben eine Lokalrunde aus, feierten mit Fremden und Freunden ein ganz spontanes Fest.
Das Glück der beiden überstrahlte alles, zog alle in ihren Bann. Mirko stand an der Türe seines Restaurants, sah den beiden beim Turteln und Lachen zu. Als Alex vor ein paar Wochen alleine hier aufgetaucht war, hatte er eine Riesenwut auf den Deutschen gehabt. Er war sicher gewesen, der hätte ordentlich Mist gebaut, hätte die Kleine abserviert und hatte dann die Frechheit besessen, hier alleine aufzukreuzen.
Er wusste noch immer nicht genau, was los gewesen war, aber die beiden hatten es geschafft. Das Lieblingspaar seiner Stadt erhellte ihnen wieder den Alltag.
Und es gab auch ein süßes kleines Mädchen, wegen dem seine Frau sich hatte überreden lassen, die Pille abzusetzen. Die nächste Lokalrunde spendierte er. Danica hatte sich heute Morgen übergeben, sie war ziemlich liebeshungrig, aß plötzlich Berge von Kuchen, er hatte so seine Ahnungen, dass es sehr schnell geklappt hatte.
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