Kapitel 15
Danach bummelten sie losgelöst von Ort und Zeit durch die alten Gassen. Alex hätte am liebsten in jedem Geschäft ein Geschenk für sie gekauft, fürchtete aber, dass er sie kränken würde. Bisher hatte sie noch nicht mit der Wimper gezuckt, wenn er bezahlt hatte – so, wie sie es versprochen hatte.
Aber er musste es ja nicht herausfordern!
Nur einmal konnte er nicht wiederstehen, auch wenn es eigentlich das Kitschigste war, was sie bisher gesehen hatten. Ein geflochtenes Lederhalsband, zwischen dessen beiden Hälfte ihre jeweiligen Namen befestigt waren: „Alex" und„Lena". Er wusste, dass das eigentlich eher etwas für Teenies war, aber er musste sie haben! Er musste irgendetwas haben, das allen zeigte, dass sie zu ihm gehörte. Da es für einen Verlobungsring definitiv zu früh war, mussten es eben diese Ketten sein. Zu seiner Überraschung freute sie sich wie ein Kind, als er aus dem Laden zurück kam.
„Nicht zu kitschig?" fragte er lächelnd.
„Fürchterlich, herrlich kitschig!" jubelte sie und klatschte in die Hände. An jedem Schaufenster, an dem sie vorüberkamen, prüfte sie, ob der Schriftzug auch noch richtig zu lesen war, und Alex wusste nicht, wie er den Tag überstehen sollte, ohne sie vor lauter Liebhaben aufzufressen.
Das wunderschöne Mädchen, den lustigen Kobold, die hochbegabte junge Frau, den Kumpel zum Pferdestehlen, die Schönheit, die reihenweise Herzen brach, das charmante, kleine Ding, die Kämpferin, die trotz der eher schweren Kindheit und Jugend das Lachen nicht verlernt hatte, die atemlos machende Geliebte!
Was hatte er sich da für ein Gesamtpaket geangelt!
Und er würde sie nicht mehr hergeben, nicht um alles in der Welt!
Er fasste nach dem Anhänger mit ihrem Namen und küsste ihn vollkommen unbewusst.
Lena sah die Geste und bekam feuchte Augen.
Es war kaum zu glauben, dass sie einen solchen Typen eingefangen hatte! Einenso tollen, gutaussehenden, verdammt gutaussehenden Mann!
Einen verrückten Kerl, der Hütten im Internet ersteigerte, mit einem Kroaten Freundschaft schloss und die halbe Nacht Sliwowitz trank, der Freundschaftsketten kaufte und sie voll Stolz auch trug!
Einen Liebhaber, olala! Darüber wollte sie jetzt nicht weiter nachdenken, aber er hatte es schon drauf, der Herr Maschinenbauingenieur!
Einen so intelligenten, feinfühligen, offenen Mann! Wenn sie sich einen hätte zusammenwünschen können, er wäre nicht so perfekt geworden wie er! Würde er bei ihr bleiben?
Wie lange?
Sie durfte ihn nicht wieder verlieren! Sie wollte ihn nicht wieder verlieren!
Sie wollte die Liebe nicht mehr verlieren, seitdem sie sich in ihr Herz geschlichen hatte!
Aber warum gerade sie?
Er hätte jede Frau der Welt haben können!
Da kamen die Worte auch schon aus ihrem Mund, bevor sie darüber hatten achdenken können.
„Warum gerade ich?" Er sah sie lächelnd an. „Weil ich die Beste wollte!"antwortete er ruhig und strich über ihr Haar.
„Und warum gerade ich?" gab er ihre Frage zurück.
Da ritt sie der Schalk. „Weil du Kohle hast!" rief sie und lief vor ihm davon.
Mit ein paar Schritten hatte er sie eingeholt, drehte sie im Kreis um sich herum. „Du lügst!" rief er lachend. „Aber so was von!" Er küsste sie leidenschaftlich. „Es ist mein Wahnsinns-Sexappeal!" flüsterte er in ihr Ohr.
Der nächste Kuss.
„Mein Wahnsinns-Körper!"
Der nächste Kuss.
„Meine Qualitäten im Bett!"
Der nächste Kuss. Wenn sie jetzt nicht bald zustimmte, würde er den Kopfverlieren!
„Oder so!" antwortete sie atemlos.
„Wusste ich's doch!" Seine Stimme war komplett weg. Er zog sie in eine Seitengasse, presste sie an die Wand.
„Du machst mich komplett verrückt, Lena! Weißt du das? Du bringst mich vollkommen um meinen Verstand!" stöhnte er und streichelte ihren Nacken, bedeckte ihre Schultern mit tausend Küssen. Sie bog sich ihm entgegen, rieb sich an ihm, bis er zurückwich.
„Stop! Sonst wird's peinlich!" bat er, versuchte, auf die Erde zurückzukommen.
Schwer atmend standen sie in diesem Sträßchen, begannen zu lachen.
„Wir sind echt crazy!" japste sie.
Lachend, abgehoben vor Glück gingen sie weiter.
Sie kamen an dem kleinen Lokal vorbei, das wohl zu ihrer Stammkneipe werden würde, beschlossen, dass sie Appetit auf einen Imbiss hatten.
Mirko bemerkte sofort die Ketten. „Ah, verliebt, verlobt, verheiratet!" zog er die beiden auf.
Alex sah sie an und sagte: „Mir wär's recht!"
Wow! dachte Lena. Er wird wohl eine Weile bleiben!
Sie setzten sich auf eine Bank am Hafen, sahen den Fischern zu, die ihre Netze flickten. Da fiel ihm ein, dass er noch Geld für Slavko brauchte, und dass sein Limit wohl nicht reichen würde, um es mit der Karte am Automaten zu ziehen.
Er wählte die Nummer seiner Bank, stellte auf Lautsprecher, weil er es unhöflich fand, neben einer schönen Frau zu telefonieren, ohne dass sie mitbekam, worum es ging.
Er erklärte dem Bankbeamten sein Anliegen.
„Kein Problem, Herr Dr. Borchert! Dann erhöhen wir auf 4000 Euro!" schlug dervor.
„Können wir einmalig auf 10.000 gehen? Ich mache ein paar Wochen Urlaub und möchte nicht knausern müssen!" erklärte Alex.
„Ja, natürlich! Kein Problem! Aber passen Sie dann auf Ihre Karte auf, ja? Und, wenn ich Sie erinnern darf, Ihre Kreditkarte haben Sie ja auch noch!" meinte der Banker launig.
Alex schlug sich auf die Stirne. „Klar! Die vergesse ich immer!" Er bedankte sich, und sie verabschiedeten sich.
Als nächstes rief er in der Firma an.
„Hallo Veronika! Ist der Chef zu sprechen?"
„Für dich doch immer, mein Hübscher!" zwitscherte die Frau am anderen Ende der Verbindung. „Ich stelle dich durch!"
„Hallo, Alex! Schön, dass du dich meldest!" hörte Lena.
„Hey, Max! Du, ich bin ja in Urlaub, und ich werde mindestens sechs Wochen bleiben!" erklärte er selbstbewusst.
„Ja, klar! Mach nur! Es freut mich für dich, dass du mal abschalten kannst! Und wenn acht Wochen draus werden, wäre es auch kein Problem!" versicherte sein Vorgesetzter. „Ach übrigens! Dein neues Patent ist durch. Dirk hat schon acht Anfragen beantwortet in drei Tagen! Die Fachpresse war da für ein Interview, er hat es gut hingekriegt! Das wird dir ordentlich Kohle bringen, habe ich das Gefühl, und uns auch!" Er lachte. „Also, mach' eine Flasche auf, ich denke, du kannst es dir leisten! Und Alex? Dein Vater wäre stolz auf dich!"
Das war Alex jetzt etwas peinlich. Er wollte nicht, dass Lena dachte, er wollte prahlen! Aber, dass das Patent schon angenommen worden war, damit hatte er ja nicht rechnen können! Er sah sie von der Seite an. Was dachte sie von ihm?
Doch er blickte nur in strahlende, glückliche Augen.
„Wow!" sagte sie.„Alex-Superstar!"
Sie war stolz auf ihn, sie bewunderte ihn, und das war mehr wert als alles Geld, das er verdienen würde. Das - und dass der Stern seines Vaters heute Nacht sicher wieder blinken würde! Er lächelte bescheiden.
„Mein Vater war auch bei dem Verein! Er war verdammt gut! Max und er waren beste Freunde!" erklärte er. „Max hat uns nach Papas Tod sehr geholfen, hat Patente frei gegeben, die eigentlich der Firma gehört hatten, an denen sie beide zusammen gearbeitet hatten. So konnten wir das Haus behalten, und ich konnte mein Studium fertig machen. Max hat darauf bestanden, dass ich auch noch meinen Doktor machte, Dad zuliebe. Er ist einer der wenigen sozialen Firmenchefs!"
Auf dem Weg zum Wohnmobil holte er 7000 Euro in Kuna. Er war gerne flüssig, hasste eigentlich Kreditkarten. Sie kamen zum dritten Mal an einem Schaufenster vorbei, in dem ein wunderschönes buntes, halblanges Sommerkleid ausgestellt war.
Er nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Das würde dir gut stehen!" sagte er vorsichtig.
Lena verstand. Er hatte eine tolle Nachricht erhalten, er wollte etwas von seiner Freude darüber an sie weitergeben.
Sollte sie da zickig sein?
Sie hasste doch Spielchen!
Sie vergab sich doch nichts, wenn sie ihm den Gefallen tat!
„Soll ich es mal anprobieren?" fragte sie und sah ihm tief in die Augen.
„Es würde mich sehr glücklich machen!" antwortete er.
Mehr als du ahnst! dachte er. Weil du verstehst, dass ich dich nicht bezahlen oder aushalten möchte, sondern das Glück einfach mit dir teilen muss!
„Na dann!" Sie zog ihn in die kleine Boutique.
Das Kleid war ein einziger Traum, der Preis hätte ihren finanziellen Rahmen weit gesprengt.Er sah sie fragend an, sie nickte nur leicht.
„Danke!" flüsterte er in ihr Haar. Er fand diese Geste von ihr unglaublich toll! Er wusste, dass sie ihren Stolz hatte überwinden müssen, um ihm diesen Gefallen zu tun.
Sie war dabei, zu erkennen, dass sie ein Paar waren, ein festes Paar! Und dass im Moment eben er die Kohle hatte! Und dass ihn nichts auf der Welt glücklicher machte, als diese Kohle mit ihr zu teilen! Ein paar Schaufenster weiter waren heiße Dessous ausgestellt. Sie hielt extra an, wollte wissen, ob er auf so etwas stand. Keck sah sie ihn an.
Doch er schüttelte nur den Kopf. „Nein, Süße! Das hast du nicht nötig!" Er küsste sie zärtlich. „Und ich auch nicht! Ganz und gar nicht!" Und diese paar Worte machten ihr klar, dass sie ihn wohl lieben würde!
Sie kauften in dem kleinen Lebensmittelladen noch ein paar Flaschen Wein, einige Spezialitäten und Vorräte.
Als sie an der Hütte ankamen, dämmerte es schon.
Sie glaubten, nicht richtig zu sehen. Die windschiefen Bretter waren komplett verschwunden, vor ihnen stand ein robustes Bauwerk aus Holz.
Alex sprang aus dem Wagen, stand fassungslos vor dem Tagwerk der kroatischenBrüder.
„Das habt ihr alles heute gemacht?" fragte er fassungslos.
„Sind gut! Brüder Dvorsak sind Beste!" antwortete Slavko.
„Wahnsinn!" staunte auch Lena. „Ihr seid der Hit!"
„Engelchen glücklich – Brüder glücklich!" antworteteder Kroate.
Alex nahm ihn mit nach drinnen, blätterte 4000 Euro in Kuna auf das Bett.
„Haste schon was bezahlt!" wehrte der andere ab.
„Echt? Habe ich? Kann mich gar nicht erinnern!" erklärte Alex.
Slavko grinste. „Du guter Mann! Du verdienst Engelchen!" Er schob das Geld ein. „Wir bauen Schloss für euch!" versprach er.
Alex ging mit ihm hinaus, steckte den Brüder ein paar hundert Kuna zu. Es tat ihm nicht weh und ihnen half es vielleicht. Sie waren gute, zuverlässige Arbeiter, warum sollte er sie dann nicht gut bezahlen?
Am Abend machten sie sich eine Platte mit den kroatischen Spezialitäten zurecht, stiegen mit einer Flasche Wein zu ihrem Privatstrand hinunter.
Glücklicher waren sie beide in ihrem Leben noch nicht gewesen, als sie sich in den Sand setzten, in den Sternenhimmel sahen und wussten, dass sie ein Paar waren.
Alex holt ein paar Holzabschnitte von der Baustelle, schichtete sie fachmännisch auf und entzündete ein kleines Lagerfeuer. „Morgen baue ich eine Feuerstelle, und wir kaufen Brennholz!" beschloss er, nachdem er nach einer heißen Petting-Runde wieder atmen konnte. „Und Fackeln! Und Windlichter!"
„Du wirst doch kein Romantiker sein?" zog sie ihn auf.
„Vor ein paar Wochen war ich das nicht im Mindesten! Aber heute bin ich hoffnungslos romantisch!" erwiderte er. „Weil ich hoffnungslos verliebt bin!"
„Und in wen?" fragte sie frech grinsend.
„In die schönste Frau der Welt!" antwortete er. „In das reizendste Mädchen! In die erregendste Geliebte, in die Beste!"
Die Tage vergingen. Jeden Morgen warfen die Arbeiter sie aus dem Bett, mal störten sie eine Liebesrunde, was ihnen besonderen Spaß zu bereiten schien.
Mal schliefen sie noch tief und fest, weil sie die halbe Nacht in der Leidenschaft festgehangen waren, wachten durch das Poltern und Brüllen auf.
Jeden Abend verbrachten sie am Strand, Alex hatte Wort gehalten. Die Treppe war von Fackeln erleuchtet, im Sand standen Kerzen in Gläsern. Er hatte Steine zu einem Ring aufgeschichtet, in dem Holzscheite knackten. Sie frühstückten jeden Tag bei Mirko, der sich an dem verliebten Paar erfreute, es in sein kroatisches Herz schloss.
Ein paar Mal waren sie bei Annegret zum Essen eingeladen, auch die Brüder mit ihren Frauen kamen vorbei. Den Sliwowitz ließen sie bis auf ein Glas nach dem Essen lieber stehen.
Sie hatten in den Nächten Wichtigeres zu tun, als ihren Rausch auszuschlafen!
Sie mussten sich fühlen, zärtlich zueinander sein, sie mussten die Leidenschaft spüren, die sie ineinander entfachen konnten wie nie in ihrem Leben zuvor. Alex konnte noch immer kaum fassen, wie verrückt er nach ihr war, was sie mit ihm anstellte!
Lena genoss den Sex mit ihm, konnte nicht genug von seinen Berührungen und seinem Körper bekommen!
Sie liehen sich Räder aus, fuhren die Küstenstraße auf und ab, fanden hübsche kleine Buchten, die zu einem Picknick und ein wenig Fummeln einluden.
Sie mieteten sich Kajaks, mit denen sie an der ruhigen Küste entlang paddelten.
Alex wunderte sich immer wieder über die Kraft und Kondition des zierlichen Mädchens. Er hatte zu tun, um mit ihr mithalten zu können.
Sie schien vor Energie nur so zu strotzen, trotz des wenigen Schlafes, den sie bekam! Sie war nie müde, grantig, schlecht drauf.
Sie lachte den ganzen Tag, flog strahlend durchs Leben. Alle Unternehmungen, die er vorschlug, machte sie begeistert mit.
Manchmal sah er sie nur an, konnte nicht recht glauben, dass sie Wirklichkeit war, dass sie wahr und wahrhaftig in seinem Leben war und da wohl auch vorhatte zu bleiben. An Evi und das Problem, das sie darstellte, dachten sie keine einzige Sekunde.
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