Kapitel 13

Alex brachte sie in ihre Wohnung, machte sich auf, ein paar Sachen von sich zuholen.
Er wappnete sich gegen neue Angriffe von Evi, aber er hatte Glück, die Wohnung war leer.
In Ruhe packte er zwei Koffer voll.

Als er die gerade in seinem Wagen verstaute, fuhr sie vor, sprang aus dem Auto, raste auf seines zu.
Doch er gab Gas und bretterte davon.

Zwei Tage später saßen Alex und Lena in einem mittelgroßen Wohnmobil, aufgedreht voller Freude auf das Abenteuer.
Sie hatten viel gesprochen in den letzten Stunden, hatten viel übereinander gelernt, erfahren, waren offen und ehrlich zueinander gewesen.

Sie waren sich vertrauter, legten nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage wie am Anfang, als sie immer Angst gehabt hatten, Fehler zu machen.
Sie zogen sich auf, foppten sich, lachten Tränen zusammen, tanzten durch die beiden Tage der Vorbereitung.

Die Nächte hatte er sicherheitshalber auf dem Schlafsofa in ihrem Wohnzimmer verbracht.
Aber es war auszuhalten gewesen, er war dem Schicksal mehr als dankbar, dass es sie in seinem Leben gab, noch gab!
Sabine hatte ihm versprochen, Kontakt mit Evi zu halten, aber ihn erstmal außen vor zu lassen. Noch immer bombardierte die Ex ihn mit Nachrichten.
Als er nicht antwortete, machte sie bei Lena weiter.

Zuerst verheimlichten sie voreinander die Textattacken, doch dann ließen sie den jeweils anderen alles lesen.
Kurzentschlossen raste Alex noch los, kaufte zwei neue Smartphones, schloss neue Verträge ab, sandte seine neue Nummer an die Menschen, die ihn erreichen mussten.
Die alten Geräte ließen sie in ihrer Wohnung.

Bei der Anreise machten sie oft Rast, mussten sich einen Kaffee kochen, eine paar Brote schmieren, dann ein paar Würstchen wärmen, dann wieder Kaffee, und sie mussten natürlich dazwischen auch kräftig knutschen und ein bisschen fummeln.
Es war für beide die schönste und lustigste Fahrt der Welt.

Als Lena zum ersten Mal das Meer sah, flippte sie beinahe aus.
Alex hielt am nächsten Parkplatz an, sie sprang aus dem Wagen, stand einfach da und schaute.
Er nahm sie von hinten in die Arme, legte sein Kinn auf ihren Scheitel.
„Ich war noch nie am Meer!" stieß sie leise hervor.

Er schluckte wieder einmal schwer gegen seine Tränen an.
Er hatte einige vergossen, seit er sie kannte.
Heute waren es wieder einmal Glückstränen.
Sie sprachen nicht, hatten beide nichts zu sagen, was sie nicht gefühlt hätten.

Arm in Arm gingen sie wieder zurück, es waren noch etwa hundert Kilometer zu fahren.
Die Fischerhütte, die er praktisch blind gekauft hatte, erwies sich als Überraschung, zur einen Hälfte positiv, zur anderen negativ.
Schöner als erwartet war die Lage.

Auf einer Felszunge, die ins Meer hineinragte, mit einer in den Stein gehauenen Treppe, die an einem kleinen privaten Sandstrand und einem Bootssteg endete.
Das Bauwerk selbst war zur Hälfte renoviert, diese Hälfte war auf den Bildern im Netz zu sehen gewesen.

Darin war ein neues Schlafzimmer mit einem kleinen, aber perfekten Bad mit Toilette. Der andere Teil bestand aus windschiefen Brettern, durch die der Wind pfiff.
Alex ließ sich auf den Boden fallen und lachte, bis er Bauschmerzen hatte. Er zog sie neben sich und schmuste sie nieder.
„Ob die gewusst haben, welcher Raum für uns der wichtigste ist?" japste er, alser nach dem Küssen wieder genug Luft hatte.
„Wahrscheinich hast du das bei der Suche als Filter eingegeben!" vermutete sie, atemlos wie er.
„Nee! Sicher nicht! Da kannte ich dich ja noch gar nicht!" wehrte er ab.

Frech sah sie ihn an. „Klar! Und vor mir hast du kein Schlafzimmer gebraucht!"
„Nicht so dringend wie mit dir!" Ihm war ganz schön heiß geworden bei demGeplänkel - und sein bester Freund forderte langsam wieder Betätigung ein.
„Apropos! Deine Schonfrist ist definitiv vorbei!" murmelte er, während seine Lippen an ihren erogenen Ohren herumspielten.

„Na, Gott sei Dank! Huh! Ich hatte schon Angst, huh, der heiße Kerl ist, huh, zum Mönch geworden!" stöhnte sie.
„Huh - huh - huh! Bist du ein kleines, süßes Gespenst?" Seine Stimme war sehr belegt.
Wie sollte er es jetzt vom Vorplatz zu diesem wunderbaren Schlafzimmer mit Meerblick schaffen?
Doch seine Süße half ihm sehr.
Sie stand auf, tat als ob sie ihn hochzöge, als ob sie ihn stützen würde.
„Ich hab dich abgeschleppt!" verkündete sie daraufhin stolz.
Alex musste wieder den nächsten Lachkrampf abwarten, bevor er mit dem Küssen weitermachen konnte.

So viel Spaß hatte er beim Sex noch nie gehabt wie bei ihr.
Und auch nicht annähernd so viel Spaß am Sex!
Und auch noch nie diese wahnsinnige Lust empfunden!
Lust auf ihren Körper, Lust an ihrem Körper, Lust durch ihren Körper.
Die erste Runde war hungrig, fordernd, sehnsüchtig.
Die zweite war zärtlich, langsam, streichelnd, küssend.
Die dritte war wild, heiß, verrückt, akrobatisch, schweißtreibend.

Sie lagen schwer atmend nebeneinander, ihre Körper waren von einem Schweißfilm überzogen. Sie hatten sich in dem großen Laken verfangen, suchten lachend den Weg in die Freiheit.
„Aha! Das ist das Fischernetz in der Fischerhütte!" meinte sie trocken.
„Genau!" stimmte Alex lachend zu. „Damit fängt der Fischermann das süße Nixlein!"

Sie sah ihn stirnrunzelnd an, prustete los.
„Nicht gut?" fragte er und zog den Kopf ein.
„Sagen wir mal so: Deiner Karriere als Dichter würde ich eher geringe Chancen einräumen!" antwortete sie todernst.
„Könntest du nicht ein paar Texte für mich schreiben?" schlug er ebenso ernst vor.
„Morgen, klar! So was wie: Süßes Mäuschen, schenk mir ein Päuschen!"
Jetzt verzog er das Gesicht schmerzlich. „Und du meinst, du bist begabter als ich? Da stimmt ja nicht mal die Aussage!"
„Kein Päuschen?" fragte sie augenklimpernd.
„Nein, Mäuschen!" antwortete und klimperte zurück.

Plötzlich erstarrte er.
Dreimal hatte Steffen gesagt!
Sie war vor ein paarTagen ernsthaft verletzt worden!
Er musste Rücksicht nehmen!
„Keine Pause! Ein Stop!" erklärte er und versuchte aufzustehen.

Sie hielt ihn fest.
„Bitte, Süße! Lass nicht zu, dass ich mich als Schuft fühle!" bat er leise.
„Sorry!" sagte sie. „Ich bin blöd!"
Dann sah sie ihn frech an. „Hat er eigentlich gemeint, dreimal am Stück oder dreimal am Tag?"
„Ruf ihn an und frag ihn!" schlug er grinsend vor.
„Das mach ich glatt! Vielleicht ist er gerade auf Visite oder noch besser, er ist mit Kristin im Bett, dann hat er noch mehr Verständnis für mein Dilemma!"
Alex rollte mit ihr durchs Bett. „Ich freu mich schon drauf, wenn du Staatsanwältin bist! Deine Gegner bekommen entweder Ohrenbluten oder lachen sich tot!"

Sie lächelte ihn an, hatte aus seinen Worten nur die eine Aussage herausgehört: Er dachte in die Zukunft, in eine Zukunft mit ihr, sogar in eine ziemlich weit entfernte Zukunft!
Er verstand, was sie empfand. „Lena, ich habe keine Erfahrung mit längeren Beziehungen, außer der letzten, aber das war im Grunde keine Beziehung, das war eine Wohngemeinschaft! Aber mit dir möchte ich es wirklich ernsthaft packen! Ich möchte nichts mehr auf der Welt!"

Sie antwortete nicht, aber ihr Schweigen war keine Zurückweisung.
Es war ein Schweigen, das Hoffnung machte.

Da hörten sie von draußen eine Männerstimme rufen.„Hallo, Deutsche?"
Alex schlüpfte schnell in seine Shorts und sein Shirt.
Vor dem Verschlag stand ein Bär von einem Mann, um die 40 Jahre alt.
Er drückte Alex' Hand, der glaubte, die Knochen knacken zu hören.

„Guten Tag! Ich Slavko! Habe Schlafzimmer gebaut! Soll ich Küche und anderes Zimmer weiter bauen?" Er grinste breit, als er den etwas derangierten Zustand des neuen Besitzers sah. „Schlafzimmer gut, ha?"
Alex grinste und hob den Daumen. „Sehr gut!"
Lena zog sich fertig an, versuchte mit den Händen so etwas wie eine Frisur zustande zu bringen und ging zu den Männern hinaus.
Slavko riss die Augen auf. „Oh! Deutsches Engelchen!"
Er sah sie genauer an.„Autsch! Warst du?" fragte er Alex.

Der verdrehte die Augen.
Warum glaubte denn jeder zuerst einmal, dass er der Verursacher ihrer Verletzung gewesen war? Sah er denn aus wie ein Typ, der Frauen schlägt?
„Nein! Natürlich nicht!" antwortete er.
Slavko nahm Lenas Hand ganz vorsichtig und deutete einen Handkuss an.„Willkommen, deutsches Engelchen! Meine Frau auch Deutsche! Hab sie mitgebracht! Als Souvenir!"

Er lachte laut über seinen Witz. „Also Chef!" wandte er sich wieder an Alex. „Soll ich bauen weiter? Anderer Typ hat nicht mehr Kohle gehabt! Habe aufgehört! Gibt aber Pläne! Musst zahlen Geld vorher, dann ich baue fertig! So gut wie Schlafzimmer!"
Er blinzelte Lena zu. „Kommen mit! Meine Frau freuen! Pläne anschauen, Geld bezahlen, in zwei Monaten fertig!"

Er klopfte Alex auf die Schulter, dass der ins Stolpern kam. „Kannst auch helfen, dann schneller fertig! Aber bezahlen das Gleiche!"
Lena kämpfte gegen einen Lachanfall.
Der Typ schien einer Komödie entsprungen zu sein, war aber durchaus echt.
„Okay! Wir kommen mit! Wo wohnst du?" fragte Alex, der genauso fühlte wie Lena.
„Da vorn! Sind Nachbarn!" antwortete der Kroate.

Lena sah die Küste entlang.
Weit und breit war kein anderes Haus zu sehen. „Wir können auch fahren!" schlug sie vor.
Slavko grinste. „Mein Sliwowitz sehr stark! Kannste nich mehr heim!"

Lena und Alex ergaben sich in ihr Schicksal, zogen sich aber sicherheitshalber bequeme Schuhe an.
„Deutsche!" lästerte Slavko. „Zu weich!"
Sie liefen etwa eine dreiviertel Stunde durch die Nachmittagshitze. Lena hatte das Gefühl, ihr Kopf würde platzen.
Sie hätte ihren Sonnenhut aufsetzen sollen!
Doch sie ließ sich nichts anmerken, Alex hätte sich sonst Vorwürfe gemacht!
Endlich brüllte Slavko los. „Annegret! Deutsche sind da!"

Eine kleine rundliche Frau kam angelaufen und fiel erst Lena, dann Alex um den Hals. „Herzlich willkommen! Es ist so schön, dass Sie das Haus bekommen haben!"
Das „Haus" ist gut! dachte Lena, lächelte die Frau aber freundlich an.
„Autsch!" sagte sie, als sie Lenas Verletzung sah.
„Er war's nicht!" beruhigte Slavko sie.
„Gut!" sagte sie nur.
„Bring Sliwowitz!" wies er seine Frau an.

Die machte sich auf, kam kurz darauf mit einer Flasche und vier Gläsern zurück.
Sie kippten das scharfe Zeug, das Lena und Alex die Tränen in die Augen trieb, die beiden anderen aber unbeeindruckt ließ.
„Habt ihr schon was gegessen?" fragte Annegret.
„Na, so auf der Fahrt, das eine oder andere!" antwortete Lena ausweichend.
„Dann koch ich mal was!" beschloss Annegret.

„Hole Pläne!" verkündete Slavko, schenkte die Gläsernoch mal voll.
Als er die Blätter vor ihnen auf den Tisch legte, waren sie doch ziemlich erstaunt.
Eine perfekte Küche und ein gemütlicher Wohnraum waren da aufgezeichnet.
Dazu noch eine umlaufende Veranda mit Überdachung und wunderschönen Möbeln.
„Wasser, Strom, Abwasser, alles schon da! Viel Arbeit, aber der Typ nicht viel bezahlt! Nicht genug! Du zahlen 2000 Euro, wir machen alles fertig!" Alex glaubte, sich verhört zu haben. „2000 Euro?"
Slavko zog den Kopf ein bisschen ein. „1800?" fragte er vorsichtig.
„Das ist zu wenig!" entfuhr es Alex.

Der Kroate grinste. „Du Kohle? Zahlen mehr?"
Alex grinste zurück. „Ja! Ein bisschen Kohle habe ich schon! Also, 4000 zahle ich gern, wenn das so schön wird wie auf den Plänen!"
Slavko fielen fast die Augen aus dem Kopf. „4000? Wird perfekt!"

Da brachte auch Annegret schon das Essen. Platten mit Cevapcici, Fladenbrot und Ajvar, Krautsalat, Bohnen, Mais.
Den Deutschen lief das Wasser im Mund zusammen.
„Kann kochen, mein Püppchen!" freute sich Slavko. „Aber erst trinken auf Vertrag!"
Sie leerten noch einmal die Gläser.

Dann machten sie sich über das Essen her.
Nie hatte Lena und Alex etwas besser geschmeckt!
Danach gab es noch eine Runde Schnaps, dann kam der Nachtisch, dann eine Runde Schnaps, dann erzählte Slavko seiner deutschen Ehefrau von dem Vertrag, dann musste der noch einmal mit einer Runde besiegelt werden.

Lena merkte, wie beschwipst sie wurde, und auch Alex spürte den Alkohol in seinem Kopf. Doch die Stimmung war losgelöst, sie fühlten sich unheimlich frei, unheimlich jung, unheimlich glücklich!
Sie lachten zu viert, bis sie Bauchschmerzen hatte, Slavko erzählte von seinem Aufenthalt in Deutschland, wie er seine Annegret kennen gelernt hatte.
Sie weinten Tränen vor Rührung, erzählten ihre Geschichte, die Probleme mit Evi, ohne aber das Kind zu erwähnen, die beiden anderen weinten Tränen der Rührung.

Alex und Lena merkten gar nicht, wie oft Slavko die Gläser wieder gefüllt hatte.
Irgendwann einmal zwischen Tag und Nacht spürten sie aber, wie betrunken sie waren.
Sie lachten sich halbtot, wussten aber auch, dass sie nicht eine dreiviertel Stunde zurücklaufen konnten.
„Schlafen auf Sofa!" bestimmte Slavko und baute das Notbett auf.

Beide fielen sofort in tiefsten Schlaf.
Seltsamerweise hatten sie am nächsten Tag nicht die Spur eines Katers.
„Gute Sprit!" erklärte der Kroate. „Und gute Essen von Annegret!"
Nach einem reichhaltigen Frühstück brachte sie Annegret zusammen mit Slavko und einer alten Klapperkiste zurück.
Alex gab dem Kroaten alles, was er an Bargeld dabeihatte, versprach, den Rest am nächstenTag vorbeizubringen.


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