Bed Of Lies

Stardust Conner

„Können wir reden?"

Ich war gerade aus der Toilettenkabine gekommen und da stand sie.

„Ich halte es nicht mehr aus wie du mich ignorierst." Kylie sah mich fast flehend an.

„Komm damit klar", gab ich kalt von mir und drückte mich an ihr vorbei. Unsere Schultern berührten sich.

Als ich meine Hände wusch, trat sie ans Waschbecken und berührte auf einmal mit ihren Fingerspitzen meinen Unterarm. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann zog ich scharf die Luft ein und drehte mich um. Meine Hüfte war gegen das Waschbecken gedrückt. Sie war so nah und plötzlich berührte sie meine Wange und strich mir die Haare aus dem Gesicht, so wie sie es die Nächte zuvor getan hatte. Mir wurde schwindelig.

„Ich habe dich gestern Nacht vermisst."

Ihre Stimme war so leise und zerbrechlich. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich bewegte mich nicht, sondern starrte sie nur an.

„Es tut mir leid. Das tut es immer, aber..." Ihre Stimme verebbte.

„Kylie... Spiel keine Spielchen mit mir", hauchte ich. In ihrer Nähe wurde ich schwach. Die Spannung zwischen uns war elektrisch aufgeladen.

Kylie wollte gerade etwas sagen, da kamen andere Mädchen in den Raum. Kylie drehte sich weg und tat so, als würde sie sich die Hände abtrocknen.

Als ich an ihr vorbeiging, streckte sie ihre Hand aus und streifte meine Kleidung, so, dass es niemand mitbekam. Mich durchfuhr ein Schauer. Mein Herz wurde erdrückt. Ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr genug Platz hatte.

In Isaac's Nähe hatte ich das Gefühl ausatmen zu können und Abstand von Kylie zu gewinnen.

„Was ist passiert?", fragte er und sein Blick schweifte abwechselnd zu mir und Kylie, die ein paar Tische weit entfernt von uns saß.

Ich seufzte. „In dem einem Moment bin ich in ihrer Gegenwart geduldet und im nächsten stößt sie mich von sich. So ist es schon immer gewesen und so langsam habe ich keine Lust mehr auf ihre Spielchen. Sie..." Ich dachte an das, was sie auf der Toilette gesagt und wie wir uns berührt hatten. „... verwirrt mich", beendete ich meinen Satz. Dass ihr gestern Nacht etwas über ihr Verschwinden rausgerutscht war, erzählte ich ihm nicht.

„Vielleicht ist es an der Zeit sich von ihr zu lösen. Man entwickelt sich weiter. Es ist normal, dass man unterschiedliche Wege einschlägt."

Ich sah auf den Boden. Was ich an Isaac immer geschätzt hatte, war, dass er niemals schlecht über Kylie geredet hatte, auch wenn er wusste wie Kylie ihn runtermachte. Dass er das jetzt sagte, hatte viel Bedeutung. Ich überdachte seine Worte, wägte sie ab. Und ja, vielleicht sollte ich wirklich auf ihn hören. Es war nur schwierig sich von jemanden zu lösen, den man sein ganzes Leben lang kannte. Jemanden für den man vielleicht mehr empfand als man je gedacht hätte...

Was sollte ich tun? Ich war so froh, dass Kylie wieder hier in Gracehill, Zuhause und in Sicherheit war. Ohne sie hatte ich mich elend gefühlt. Ich hatte mir noch nie so viel Sorgen um einen Menschen gemacht. Und jetzt als sie wieder hier war, verhielt sie sich wie immer. Aber das schlimmste war, dass ich anzweifelte, warum sie so lange weg war. Kylie log mir ins Gesicht und das in einer solchen Situation zu tun, war nicht okay. Nicht, wenn ich jeden Abend insgeheim auf einen Anruf von ihr gewartet hatte, mir jede Nacht vor dem Schlafen gehen ein Bild von uns beiden angesehen hatte und sie manchmal nur angerufen hatte, um ihre Stimme im Anrufbeantworter zu hören.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Isaac besorgt.

Vorher hatte ich noch mit dem Gedanken gespielt den restlichen Tag einfach zu schwänzen, aber der Gedanke, mich vor Kylie zu verstecken, kam mir feige vor. Sie hatte nicht die Macht über mich - zumindest wollte ich das so. Also nickte ich. „Klar."

„Du kannst mir alles sagen. Das weißt du doch, oder?"

Spielte er auf meine Gefühle für Kylie an? Aber wie sollte ich mit jemanden über meine Gefühle reden, wenn ich sie selbst nicht verstand? Alles war so verworren.

Außerdem würde es dann nur noch komplizierter werden. Musste ich mich outen, wenn ich ihm gestand, dass mein Herz in Kylie's Nähe höher schlug? Wollte ich mir überhaupt ein Label geben? In meinem Umfeld und im Familienkreis supportete jeder love is love. Dad's Schwester war mit einer Frau verheiratet und mein Cousin David war schon seit fünf Jahren mit einem Jungen zusammen. Meine Eltern und Tanten drängten David endlich einen Heiratsantrag zu machen.

Warum musste man eine große Sache daraus machen, wenn man auch oder nur auf das gleiche Geschlecht stand? Ich verstand, dass viele ihr Outing als notwendig ansahen oder dass man sich danach freier fühlte. Für mich galt das aber nicht. Wenn ich Gefühle für Kylie hatte, dann war das so. Daran konnte ich nichts ändern. Wenn jemand ein Problem damit hatte mich nicht in eine Schublade stecken zu können, war mir das egal.

Ich sah Isaac noch mal an. Würde er sich blöd vorkommen, weil wir mal ein Paar gewesen waren? Ich würde nicht mit meinem Ex über meine Gefühlsprobleme reden. Würde es ihn verletzten? Würde er sich verarscht vorkommen? - Natürlich. Isaac war hier, obwohl ich ihm keine Hoffnungen machte.

Die Schulglocke beendete die Pause.

„Bereit für Geografie?", fragte Isaac.

„Total", antwortete ich sarkastisch.

Zusammen gingen wir wieder ins Gebäude, wo... eine ungewöhnliche Stimmung herrschte. Die Leute sahen entweder entsetzt aus oder quasselten reißerisch.

„Was ist los?", fragte ich an ein Mädchen aus meinem Sportkurs, die an uns vorbeiging.

Sie riss sofort ihren Mund auf. „Habt ihr es noch nicht mitbekommen?"

„Was?"

„Durch das Polizeirevier sind Informationen durchgesickert." Sie beugte sich zu uns und flüsterte: „Angeblich hat Quentin Parker es von seinem Dad gehört. Der ist Polizist und konnte wohl seine Klappe nicht halten - aber hey, das habt ihr nicht von mir."

„Was für Informationen?"

„Warum Kylie Brown fast ein halbes Jahr lang verschwunden war."

Mir wurde kalt und heiß zugleich.

„Es soll eine Entführung gewesen sein. Er soll sich Kylie in der Nacht geschnappt haben, als sie von einer Party betrunken nach Hause gelaufen ist."

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Horrorszenarien durchkreuzten meine Gedanken. Gott, was - was hatte Kylie alles durchmachen müssen? Meine Kehle wurde trocken.

„Star." Isaac hielt mich an den Schultern.

Plötzlich schritt Kylie durch den Flur und es wurde wortwörtlich mucksmäuschenstill. Den Fall einer Stecknadel hätte man in diesem Moment tatsächlich hören können. Niemand wagte es etwas zu sagen. Was sollte man in dieser Situation auch sagen? Selbst die sensationsgeilsten unter den Leuten blieben stumm. Die meisten starrten sie mitleidig an und ich konnte in Kylie's Gesichtsausdruck erkennen, wie sehr sie es hasste. Sie musste hier weg.

Also lief ich auf sie zu, nahm ihre Hand und zog sie in die Toilette.

„Hast du noch den Schlüssel?", fragte ich atemlos.

Kylie kramte den Schlüssel aus ihrer Handtasche hervor. Sie hatte ihn mal vom Hausmeister geklaut. So kam niemand mehr in die Mädchentoilette.

„Kylie, es - es tut mir so leid", brach es aus mir heraus, als die Türe geschlossen war und wir endgültig alleine waren. „W-wenn ich gewusst hätte, warum du weg warst, wieso du... Ich, oh Gott ich wäre rücksichtsvoller gewesen. Ich schäme mich so sehr. Ich hätte..." Ich fing fast an zu weinen, obwohl sie diejenige sein sollte...

Ich sah sie lange an - wir sahen uns lange an bis ich erkannte, dass Kylie nichts davon erreichte, weil es ihr nicht geschehen war. Und sie realisierte, dass es keinen Sinn machte mich anzulügen.

„Stardust - es..." Sie verstummte.

„Was, Kylie?" Wut schwang in meiner Stimme. „Du lügst, wirklich? Du hast die Polizei angelogen? Was zur Hölle?" Ich sah sie an, als würde ich sie nicht kennen. „Erklär es mir! Ich will es wissen! Warum, verdammt?"

Sie schwieg.

„Wow." Ich schnaubte. „Wissen es Zula und Londyn?"

„Natürlich nicht!"

„Das heißt, du hättest mir auch nie die Wahrheit gesagt, wenn ich nicht erkannt hätte, dass du lügst. Wow, Kylie - Wow." Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte.

Als ich mich wieder gefangen hatte, wiederholte ich meine Frage. „Warum hast du das gemacht?"

Ihr Schweigen machte mich wahnsinnig.

„Ich sehe doch, wie sehr du das Mitleid der Leute hasst! Du wirst Mitleid von ganz Gracehill haben! Falsches Mitleid! Jedes Mal, wenn sie deinen Namen in den Mund nehmen, werden sie sagen: Das Mädchen, das eine Entführung überlebt hat. Das willst du nicht! Wie kannst du das wollen?"

Schweigen.

„Antworte mir!"

„Ich hatte keine andere Wahl!"

„Wieso?"

Schweigen.

„Wieso, Kylie?!"

Sie sah mir direkt in die Augen. „Weil ich freiwillig gegangen bin."

Das tat weh. Mehr als alles, was ich jemals gefühlt hatte. Sie hätte mich nicht härter als mit diesem Satz treffen können.

„Mir war nicht danach es irgendjemanden zu sagen. Ich wollte, dass man sich um mich sorgt, damit meine Anwesenheit, wenn ich wieder Lust hatte zurückzukommen, mehr geschätzt wird. Es war aufregend weg zu sein, während die Polizei nach mir suchte."

Es war, als würde sie eine Wunde noch noch einmal aufreißen. Ich war so geschockt und gebrochen, dass ich kurz Zeit brauchte, um zu sagen: „All die Monate, in denen ich mich um dich gesorgt habe, manchmal nachts wegen dir vor Angst gezittert habe... all das, weil dir nicht danach war?!"

„Mir war langweilig."

Konnte man eine Wunde noch tiefer aufreißen? Kylie konnte es - und wie. Tränen liefen mit über die Wangen.

„Sei nicht traurig. Du musst zugeben, dass ich einen ganz schönen Aufruhr in der Stadt wegen meines Verschwindens verursacht habe."

„Warum hast du es mir nicht gesagt? Wieso hast du mir wenigstens nicht Bescheid gesagt?" Ich sah sie an und in diesem Moment verstand ich. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so dumm und verletzt gefühlt. „Du hast gewusst - immer gewusst, dass ich mehr für dich empfinde und es... es hat dich trotzdem nicht interessiert. Du würdest nie auch nur einen Gedanken daran verschwenden, was deine Lügen mit mir machen. Weil du selbstsüchtig bist. Du hast und wirst nie an mich denken, wenn du lügst. Deshalb konntest du einfach so gehen ohne zurück zu schauen. So ist es doch, oder?" Ich wurde lauter. „Sag es mir!"

„Ja, so ist es!", schrie sie zurück.

„Ich bin fertig mit dir. Ich verabscheue mich dafür, dass ich meinem dummen Herz erlaubt habe, mich dir gegenüber zu öffnen und die Nächte neben dir zu sehr genossen habe... Ich - ich hasse dich." Ich drehte mich um, mit dem Versprechen an mich selbst sie nie wieder zu sehen.

Wie hatte ich mich all die Jahre langsam in ein Mädchen verlieben können, welches kein Herz besaß?

Was haltet ihr davon? Würde mich über Kommentare sehr freuen. Ich versuche das nächste Kapitel so schnell wie möglich zu schreiben.

Bis dann :)

jordyn_reign

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