Kapitel 5
Ulean machte es genauso, wie ich es vorgeschlagen hatte. Geiselnahme. Nur leider nahm sie nicht nur Thaer, sondern auch mich mit, was darauf hindeutete, dass auch sie improvisieren konnte. Sie rief sich einen anderen Rebellen zur Verstärkung und die Beiden liessen uns mit erhobenen Händen durch die Barrikaden des Imperiums laufen. Sie feuerten die Schüsse ab und zerstörten den Eingang zu einem Müllschacht. Und schon wieder wurde mein Hemd zerrissen. Ich hasste es, wenn ich so ungepflegt aussah. Ulean brachte uns in ein schrottreifes Schiff, das nichts anderes sein konnte, als Eigentum der Rebellen. Das sah man schon von Weitem, denn so einen Schrott flogen nur noch sie. Sonst war keiner so lebensmüde, ausser ich vielleicht, wenn ich schlechte Laune hatte. Uleans Rebellenfreund nahm mir den Blaster ab, während sie weiterhin eine Waffe auf Thaers Kopf richtete. Kurz nachdem wir ins Schiff eingestiegen waren, stiessen die restlichen Rebellen zu uns, einen erschöpften, bleichen Mann bei sich, der nicht wirklich gesund wirkte. Meiner Vermutung nach war das der Spion. Ich verdrehte die Augen und schnaubte, als das Schiff abhob.
«Noch nicht einmal fliegen darf ich?», grummelte ich. Als wäre ich aus dem Nichts aufgetaucht, blickten auf einmal sämtliche Rebellen zu mir. Ich wurde ausgiebig gemustert.
«Ist sie das?», fragte der Spion.
Ich lehnte mich mit verschränkten Armen gegen die Wand des Frachters. «Das würde mich auch interessieren, Ulean. Bin ich die, auf die du gehofft hast?»
Die Rebellin schnaubte. «Nein, Catallan, Sie sind keineswegs das, auf das wir gehofft haben. Sie sind nur das, was wir finden konnten und das ist in Ihrem Fall nicht besonders viel.»
«Da fährt aber jemand seine Krallen aus... Wenn ich irgendwann etwas gesagt habe, dass dich verstimmt hat...», ich schnippte eine imaginäre Staubflocke von meinem Hemd, «dann tut es mir überhaupt nicht leid darum.»
Der Spion stöhnte. «Noch so eine eingebildete Schmugglerin, die sich für das Zentrum des Universums hält. Seid ihr sicher, dass sie weiss, was sie sagt?»
«Nein, sind sie nicht», mischte ich mich ins Gespräch ein. «Ich habe Padmé Solo noch nie gesehen. Ich habe gelogen.»
Ulean schüttelte den Kopf. «Natürlich haben Sie das, Catallan. Denken Sie etwa, dass wir Ihre Aussage nicht auf den Wahrheitsgehalt überprüft haben, noch während unserem Gespräch?»
Ich starrte sie an. Auf einmal fiel mir kein dummer Spruch mehr ein. «Wieso...», brachte ich mühsam heraus, «wieso bin ich dann hier?» Ich hatte schon lange keine solche Panik mehr gehabt. Der Rand meines Sichtfelds begann, schwarz zu werden, mein Herz pochte unendlich laut und schnell. Ich kannte die Anzeichen einer Panikattacke zu gut, um nicht zu erkennen, wann sich wieder eine anbahnte. Ich hörte die Antwort von Ulean so gedämpft, dass ich sie beinahe nicht verstand. Es war, als wären meine Ohren mit Watte zugestopft. Ich tastete nach meinem Blaster, aber der war natürlich nicht mehr da. Wie von jemand anderem gesteuert zuckte meine Hand zu meinem linken Handgelenk.
«Uns wurde gesagt, dass Sie alles finden können. Alles. Und das aus einer Quelle, der wir vertrauen. Selbst, wenn Sie Padmé Solo jetzt noch nicht gefunden haben, dann werden Sie es sicher tun. Für ihren Freund, den Eimerkopf.» Ich versuchte mich zu konzentrieren. Es klappte nicht. Ich wusste, was jetzt geschehen würde. Zuerst würden meine Beine nachgeben, dann die lange verdrängten Erinnerungen heraufkommen und dann, dann würde ich das Bewusstsein verlieren.
«Catallan?», fragte jemand. Ich biss mir so fest auf die Lippen, wie ich konnte. Wachgerüttelt durch den scharfen Schmerz riss ich die Augen auf. Mit den Jahren hatte ich gelernt, dass plötzlicher Schmerz am besten gegen Panikattacken half, wenn sie mich nicht schon überrollt hatten. Ich bemerkte die schockierten Blicke der Anderen und löste mühsam die verkrampften Finger von meinem Handgelenk. Ich fasste mir an die Lippe und betrachtete das Rot an meinen Fingern. Beinahe war ich überrascht, dass ich so fest zugebissen hatte.
«Was?», fragte ich so locker wie ich konnte. «Habe ich euch noch nicht gesagt, dass ich Platzangst habe?»
Als wir landeten, warf Ulean mir einen herausfordernden Blick zu und stiess Thaer vor mir die Landerampe herunter.
Ich verdrehte die Augen. «Ich hab's verstanden! Jetzt bin ich sowieso hier, was hast du das Gefühl, werde ich jetzt tun? Mich wegteleportieren?»
«Ich will es auf jeden Fall nicht herausfinden», schnaubte die Rebellin. Ich verdrehte erneut die Augen und folgte ihr. Wir wurden von allen Seiten beäugt. Der Imperiale mit der Waffe am Kopf und die genervte Schmugglerin, die, als wäre sie an eine Leine gelegt worden, hinter ihm herlief. Etwa in der Mitte des Lagers befahl mir Ulean zu warten, nahm Thaer aber als Warnung für mich mit. Ich tat, was sie von mir verlangte, dass hielt mich allerdings nicht davon ab, mich ein bisschen umzusehen. Ich strandete schlussendlich an einem Tisch, an dem ein paar Rebellen stümperhaft Sabbac spielten. Sie sahen ein wenig misstrauisch aus, als ich mich neben sie stellte und über ihre Schultern schaute, aber bald hatten sie mich ganz vergessen und sich wieder in ihr Spiel vertieft. Als sie eine neue Runde beginnen wollten, bat ich sie, mich mitspielen zu lassen. Die Blicke waren um einiges weniger feindselig als zuvor, als ich mich dazusetzte und meine Karten nahm.
«Um was wettet ihr?», fragte ich. Ihre Pilotenuniformen wirkten ein bisschen schmuddelig, so wie es alles an der Rebellion tat. Sie hätten eine gründliche Überholung gebraucht.
Der Älteste unter den Piloten, der höchstens knappe 7 Jahre älter als ich sein konnte, lachte auf. «Wir spielen um Steine, Mädchen. Das sieht man doch...» Tatsächlich lagen neben ihnen jeweils ein grosser Haufen Kieselsteine, die sie wohl vom Boden aufgehoben hatten.
Ich runzelte die Stirn. «Also fangen alle mit dem gleichen Haufen Steine an?»
Erneutes Gelächter. «Nein, man hebt sich so viele Steine auf, wie man will. Und dann, wenn man pleite ist, sucht man sich ein paar neue.»
Ich schnaubte. «Das macht doch keinen Spass», protestierte ich.
Sie wechselten einen Blick. «Kannst du überhaupt spielen, Mädchen?», fragte ein anderer.
«Gut genug, um zu wissen, dass ihr das nicht so machen könnt. Wenn ihr um Steine spielt, in Ordnung, aber dann muss jeder eine festgelegte Anzahl Steine zu Anfang haben und darf keine nachnehmen. Wer gewinnt, hat einen Gefallen bei den Anderen gut.»
Blicke wurden gewechselt. «Interessante Idee. Wo hast du gelernt, zu spielen, Kleine? Du siehst nicht dreckig genug aus, um aus dem Berufsfeld zu kommen, wo Sabbac eine Pflichtfähigkeit ist», fragte ein blonder Typ, dessen Blick kurz darauf auf meiner blutig gebissenen Lippe hängen blieb. Er fragte nicht danach und ich war froh darum.
«Du hast zu wenig Erfahrung mit diesem Berufsfeld, Kleiner...», schlug ich zurück. Jetzt waren die Blicke definitiv interessiert.
«Ach ja? Lass mich raten...», er musterte mich ausführlich. «Kopfgeldjägerin», tippte er.
Ich lachte auf. «Bei allen Sonnen, ich dachte nicht, dass es so schlecht um mich steht», spottete ich. «Ich bin...»
«Schmugglerin!», unterbrach mich ein weiterer Rebell. «Na klar, eine Schmugglerin!» Ich lachte.
«Das ist der harte Ausdruck für meinen Job, ja.»
Sie wechselten amüsierte Blicke. «Was macht jemand wie du bei uns? Wie war das mit der kriminellen Neutralität?»
Ich begann, die Steine des Rebellen neben mir abzuzählen und gab ihm zehn davon zurück. «Wer sagt, dass ich freiwillig hier bin?»
Interessiert sah eine junge, blonde Frau mich an. «Was willst du damit sagen? Wir entführen keine Leute...»
Ich schnaubte. «Vergessen wir das. Sonst werde ich wütend und mache euch im Spiel alle platt.»
Verächtliches Schnauben. «Du? Uns platt machen? Das werden wir ja sehen.» Und dann fingen wir an, zu spielen. Während der ersten Runde stellten sie sich vor.
«Ich bin Senna», meinte die Blonde.
Ich runzelte die Stirn. «Vor- oder Nachname?», hakte ich nach.
Der Älteste lachte auf. «Das hat sie noch keinem von uns verraten. Hitch, übrigens.» Ich warf meine Karten auf den Tisch und grinste, als ich die entsetzten Blicke sah. Zufrieden sammelte ich die Steine, die gesetzt worden waren, ein und legte sie zu meinen.
"Catallan», stellte ich mich vor.
«Vor- oder Nachname?", grinste Senna.
"Nachname", stellte ich klar. Ein paar sahen sogar enttäuscht aus, dass ich es gleich klargestellt hatte.
"Schön dich kennenzulernen», grinste ein Typ mit schulterlangen braunen Haaren und blauer Haut. «Du kannst mich Nine nennen.»
Ich hob eine Augenbraue. «Interessant. Also, wir haben, und dass nur an diesem Tisch, einen undefinierbaren, einen coolen und einen zahllastigen Namen, mich ausgenommen. Ist das euer Ding? Ihr rebelliert auch schon gegen die Namen?», spottete ich.
Sie wechselten einen Blick. «Tja, Catallan, wir sind eben Leute aus allen Herren Welten. Da war das unvermeidlich.»
Ich zuckte die Schultern. «Wie ihr meint. Das ist schliesslich eure Rebellion.»
«Bist du etwa für das Imperium?», fragte Hitch entgeistert.
Ich seufzte. «Wie habt ihr das noch einmal so schön ausgedrückt? Ach ja, kriminelle Neutralität. Genau die habe ich versucht zu wahren, in dem ich mit keinem von euch Geschäfte gemacht habe. Nur leider hat das beiden Seiten nicht gepasst.»
«Beiden Seiten?», hakte Senna nach.
«Wir haben sie aus einem imperialen Gefängnis befreit», mischte sich jemand ein.
Ich schnaubte und sah hoch zu Ulean. «Du hast es also tatsächlich gewagt, ohne Geisel bei mir aufzutauchen.»
Sie zuckte die Achseln. «Sie haben keine Waffe mehr, Catallan. Was wollen Sie schon ohne die viel anrichten? Wollen Sie mich anspucken? Mich zu Tode starren?» Ohne, dass ich es bemerkte, ballten sich meine Hände zu Fäusten. Sie war genauso arrogant und gedankenlos, wie die anderen Rebellen, die ich einmal gekannt hatte. Ich stand auf. Die Situation brachte schlechte Erinnerungen zurück. Ich, als kleines Kind, wütend in die Augen des Erwachsenen starrend, der meine Argumente abtat, als seien sie nichts, nur weil ich ein Kind war. Damals hatte ich noch hochschauen müssen. Damals hatte ich die Kontrolle verloren und den Mann mit einem schmutzigen Trick zu Boden gerungen. Und auf einmal war da keine Überheblichkeit mehr in seinen Augen gewesen, sondern nackte Angst. Aber ich war nicht wie früher. Ich hätte alles gegeben, um diese Angst auch in Uleans Augen zu sehen, aber ich hatte aus meinen Fehlern gelernt. Ich konnte mich besser beherrschen als damals.
Also war das Einzige, das ich tat, kalt zu lächeln. «Jetzt habe ich tatsächlich keine Waffe, Ulean, aber was denkst du, was als erstes passiert, wenn ich meinen Blaster zurückbekomme?» Ich bemerkte befriedigt, wie die Rebellin ein wenig zurückzuckte.
«Wir haben immer noch ihren Freund!», drohte sie, auch wenn ihre Stimme leicht zitterte.
«Ihr könnt ihn schliesslich nicht für immer hier festhalten, oder? Er ist ein weiterer Mann, den es zu versorgen gilt und so viel ich weiss, steht es nicht besonders gut um euch. Also würde ich an deiner Stelle Prioritäten setzten: Die Unsicherheit, bei mir an die Falsche geraten zu sein und Padmé Solo nie zu finden oder die Sicherheit, euch noch ein paar Tage mehr durchfüttern zu können.»
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. «Ich weiss nicht, was genau Sie gegen die Rebellen haben und wieso Sie so viel über uns wissen, aber wir werden nicht klein beigeben. Sie werden Solo finden, Catallan. Ganz sicher.»
Ich schnaubte. «Wie hoffnungsvoll. Dabei habt ihr Rebellen doch schon seit Jahren keinen Grund mehr, eine neue Hoffnung zu schöpfen. Wenn das so ist, dann mach ruhig weiter. Aber sei dann nicht verwundert, dass ich ziemlich sauer sein werde, wenn ich meinen Blaster zurückbekomme. Das wird dann vielleicht nicht besonders gut für dich ausgehen.»
Ein beinahe hochnäsiges Schnauben ihrerseits, dass mir klarmachen sollte, dass sie gar nichts von mir oder meiner Berufsgruppe hielt. «Wie Sie meinen, Hannah.» Ich liess mich nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn es mich auf die Palme brachte, dass sie mich beim Vornamen ansprach. Mein Vater hatte ihn mir gegeben, obwohl mich meine Mutter anders hatte nennen wollen. Es war eine der letzten guten Erinnerungen an ihn, bevor... Ich verbot mir, daran zu denken.
«Ich habe dir nicht erlaubt, meinen Vornamen in den Mund zu nehmen», stellte ich klar.
Sie hob verächtlich eine Augenbraue. «Wieso, brauche ich dafür eine Sondererlaubnis?»
Ich schüttelte langsam den Kopf. «Wenn du kein blaues Auge möchtest, dann ja.» Ich beobachtete, wie ihre Reaktion ausfiel.
Zuerst erschrocken, dann genervt, beinahe gelangweilt. «Versuch es doch, Hannah.» Es ging so schnell. Ich war wütend auf Ulean, so wütend darauf, dass sie mich zwang, wieder all die alten Erinnerungen durchleben zu müssen, meine Fehler zu wiederholen, so wütend, dass es wie von selbst ging, als ich ihr den Ellbogen ins Gesicht rammte und damit zu Boden beförderte. Erschrockene Rufe wurden laut und auch die Rebellen, mit denen ich vorhin gespielt hatte, starrten mich entsetzt an. Ich zuckte nur die Schultern, als Anschuldigungen in meine Richtung gerufen wurden.
«Ich habe sie gewarnt», meinte ich trocken, was mich allerdings nicht zurückhielt, zu bereuen, mich gehen lassen zu haben. Ich war es meiner Familie schuldig, dass ich mich zurückhielt. Deshalb wehrte ich mich auch nicht, als Ulean sich mühsam wieder hochkämpfte und mir ins Gesicht schlug. Erst, als sie zum dritten Mal ausholte, blockte ich den Schlag ab. «Ich denke, dass war genug der Rache», stellte ich fest und sah der vor Wut rot gewordenen Rebellin ins Gesicht. «Interessant, dass eine Rebellin so nachtragend ist, obwohl Rache eigentlich kein Prinzip der Guten ist. Sei froh, dass ich dir nicht noch einmal eine verpasse. Du hast mich einmal mehr geschlagen, als ich dich.» Das Schweigen, dass sich daraufhin ausbreitete, war keineswegs freundlich. «Aber im Gegensatz zu dir», ich tippte Ulean hart gegen das Schlüsselbein, «weiss ich sehr wohl, dass man Rache am besten kalt serviert. Ich behalte mir meinen Schlag für ein anderes Mal auf.» Und damit ging ich davon, ohne auf irgendetwas anderes zu achten, als das, was vor mir lag. Mit einer Hand wischte ich mir hastig übers Gesicht. Meine Lippe war wieder aufgeplatzt und mein Gesicht schmerzte dort, wo sie mich getroffen hatte, aber das war schliesslich nicht meine erste Schlägerei. Ich schien im Moment Schwierigkeiten nur so anzuziehen. Zuerst die die zerbissene Lippe und dann auch noch das blaue Auge, dass mir Ulean ganz sicher verpasst hatte. In den Spiegel wollte ich die nächsten paar Tage aber nicht schauen.
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