Kapitel 3

Die Zelle war genauso ungemütlich wie ich sie in Erinnerung hatte. Nicht, dass ich schon oft eine von Innen gesehen hätte, aber das Imperium hatte letztes Jahr schon einmal versucht, Geschäfte mit mir zu machen, was ich natürlich abgelehnt hatte. Sie hatten es mit einer zweiwöchigen Gefängnisstrafe quittiert, für ein Verbrechen, dass ich nicht begangen hatte. Ich hatte es nur Thaers Kontakten zu verdanken, dass ich überhaupt wieder herausgekommen war. Den Gefallen hatte ich ihm aber schon zurückgezahlt. Offene Rechnungen hatte ich noch nie gemocht. Ich legte mich auf die Pritsche und starrte die Decke an. Als ich hörte, wie sich die Türe öffnete, seufzte ich.

«Nein...», grummelte ich.

«Ich habe noch gar nichts gesagt!», verteidigte sich Thaer.

«Ich weiss schon ganz genau, was du sagen wolltest. >Tritt dem Imperium bei! Wir sind die Besten, die Stärksten und die mit dem grössten Ego. Ausserdem sind wir alles Gewinner. Sei auch ein Gewinner und tritt dem Imperium bei!< Das war es doch, oder?»

Thaer lachte auf. «Eigentlich wollte ich dich fragen, ob es stimmt, was der Schmugglerboss, Cachago heisst er, soviel ich weiss, verlauten lässt: Das er dich in Handschellen und ohne vernünftige kälteabweisende Kleidung auf Hoth ausgesetzt hat. Ich habe mir ganz schön Sorgen gemacht, schliesslich hat er auch behauptet, dass du dort jämmerlich erfroren seist.»

Ich verzog das Gesicht. «Können wir bitte über etwas anderes reden?» Ich setzte mich auf. «Willst du nicht doch lieber Werbung für das Imperium machen?»

Thaer lehnte an der Wand und musterte mich neugierig. «Also stimmt es? Wie hast du das überlebt?»

«Du trägst eine hübsche Uniform», versuchte ich abzulenken. «Dieses Olivgrün schmeichelt deiner Haut. Du siehst... ungesund bleich damit aus.»

«Im Ernst, Hannah. Wie bist du von Hoth heruntergekommen?»

«Ich habe mir Flügel wachsen lassen und bin weggeflogen. Was denkst du denn? Hör zu, ehe du weiterfragst, das war ein ganz schön traumatisches Ereignis und ich bin dabei wirklich beinahe draufgegangen.» Ich fröstelte bei der Erinnerung an den ungastlich eisigen Planeten und rieb mir unwillkürlich die Hände. «Lass uns doch über meinen Blaster sprechen.»

Er schnaubte. «Den bekommst du ganz sicher nicht zurück.»

Ich seufzte. «Hör zu, du kannst meinetwegen die Schusskontrolle ausbauen, aber den Blaster will ich zurück.»

«Ohne Schusskontrolle kannst du mit dem Blaster nichts anfangen, er schiesst dann schliesslich nicht.»

«Blitzmerker», schnaubte ich.

Er hob eine Augenbraue. «Wieso willst du den Blaster so unbedingt zurück, selbst wenn er dann nicht schiessen könnte?»

«Wieso sollte ich das jemandem wie dir erzählen?», grummelte ich.

Er musterte mich neugierig. «Weil ich sonst wieder gehe und dich einsam und alleine in deiner Zelle zurücklasse, ohne Beschäftigung.»

Ich verzog das Gesicht. «Auf wie lange haben du und dein Boss euch dieses Mal geeinigt?»

«Zwei Wochen, Hannah. Ausser, du arbeitest mit uns zusammen, ganz deine Sache.»

«Vergiss es. Ausserdem, wer sagt dir, dass es mich stören würde, nichts zu tun zu haben?»

«Erfahrung vom letzten Jahr. Aber du lenkst ab.»

«Schön, du hast gewonnen», seufzte ich. «Ich bin momentan pleite und könnte mir keinen neuen leisten.»

Er musterte mich neugierig. «Aha. Hast du Geschwister?»

«Hast du welche?»

«Nein. Aber sag schon, was ist mit dir, Hannah?»

«Keine», meinte ich bestimmt.

«Wo leben deine Eltern? Was arbeitet deine Mum?»

«Wieso willst du das wissen?», erkundigte ich mich.

Er zuckte die Achseln, nahm aber keine Sekunde den Blick von mir. «Reine Neugierde.»

Irgendwie glaubte ich ihm nicht so ganz. «Meine Eltern haben sich getrennt. Mein Dad hat das nie so ganz überwunden, lebt momentan auf Tatooine. Meine Mum ist Krankenpflegerin auf Naboo.»

Johnson legte den Kopf schief. «Wie kommt es, dass jemand so interessantes wie du aus so einer langweiligen Familie kommt?»

Ich zuckte die Schultern. «Die Langeweile hat mich in den Wahnsinn getrieben.»

Ein weiterer interessierter Blick. «Wie heissen deine Eltern?»

«Sahra und Evean Catallan. Du bist ziemlich neugierig, weisst du das?»

Er ignorierte den Seitenhieb und machte weiter. «Hast du einen Zweitnamen?»

«Das ist ein Verhör, oder?», fragte ich ihn.

Wieder ignorierte er mich. «Sag schon, hast du einen Zweitnamen?»

Ich schnaubte. «Das ist definitiv ein Verhör.»

«Hast du einen Zweitnamen, ja oder nein, Hannah?»

Ich grinste ihn an. «Klar habe ich einen Zweitnamen. Jeder hat einen Zweitnamen.»

«Und was wäre dein Zweitname?»

«Geht-dich-gar-nichts-an, das ist mein Zweitname.»

«Stell dich doch nicht quer, Hannah. Bis jetzt warst du doch auch kooperativ!»

Ich schnaubte erneut. «Da dachte ich noch, du würdest dich auf unser anstehendes Date vorbereiten.»

«Ich kann nicht desertieren, Hannah. Auch nicht für dich. Und das weisst du auch ganz genau.»

«Wie schade. Ich kann die Fragen aber auch nicht antworten. Auch nicht für dich.»

«Ich kann auch gehen», drohte Thaer beinahe scherzhaft.

«Wenn du dann keine dummen Fragen mehr stellst, dann geh ruhig.»

Er hob überrascht eine Augenbraue. «Oha. So ernst ist es dir also... Na dann. Bis Morgen. Mal sehen, ob du mich dann noch so leichtfertig wegschickst.» Ich bereute meine Entscheidung kein bisschen, als er die Zelle verlassen hatte. Und ja, ich wurde nach nur kurzer Zeit ziemlich hibbelig. Ich hasste es, nichts tun zu können. Ich klopfte einen schnellen Rhythmus gegen die Wand, ging auf und ab, zog das Geld, dass die Rebellen mir geschuldet hatten, im Kopf wieder von meinen eher spärlichen Ersparnissen ab. Eigentlich arbeitete ich darauf hin, mein Schiff endlich ein bisschen aufpolieren zu können, es war schon seit Jahren kaputt. Vor allem die spinnende Belüftung nervte, es war nicht gerade lustig, abwechselnd in eisiger Kälte und dann wieder in brütender Hitze zu fliegen. Aber so, wie es aussah, würde ich noch eine Weile warten müssen. Wenigstens bekam ich für zwei Wochen freie Kost und Logis. Wie praktisch. Ich schnaubte. Es ging nicht lange und mir fiel überhaupt nichts mehr ein. Ich trat gegen die Wand, nur um festzustellen, dass die robuster war als mein Fuss, versuchte mich an irgendwelchen akrobatischen Aktivitäten, die ich einmal bei irgendeinem Sportler gesehen hatte, nur um kläglich zu scheitern. Schlussendlich legte ich mich frustriert zurück auf die Pritsche und starrte die Decke an, begann mir ausmalen, wie ich vielleicht entwischen konnte. Es endete immer damit, dass ich den Blaster verlor und dieses Risiko konnte ich einfach nicht eingehen. Denn rauskommen war in Imperialen Gefängnissen nie das Problem. Jedenfalls, wenn man ein Gefangener ohne Priorität war, so wie ich. Wie es mit einem gefangenen Jedi war, das konnte ich natürlich nicht sagen. Als irgendwann ein Sturmtruppler eintrat und mir etwas zu essen brachte, war ich kurz davor, dem Typen das Essen nachzuwerfen, nur, damit dann etwas passierte. Ich hasste Untätigkeit. Ich musterte den Gefängnisfrass. Lorinatische Knödelsuppe. Obwohl ich dieses Essen eigentlich mochte, hatte ich überhaupt keine Lust, es auch nur anzurühren. Anstatt zu essen, verbog ich den Löffel, den ich dazubekommen hatte, fischte die kleinen Knödel einzeln aus der Suppe und schoss sie mit dem Löffel gegen die Zellentüre, als würde die solchen Geschossen nicht standhalten. Was ich jedoch nicht erwartete, war, dass die Türe plötzlich nach oben aufschwang und der Knödel den Sturmtruppler, der dahinterstand, mitten ins Auge traf. Ich liess den Löffel langsam und möglichst unauffällig sinken, als wäre ich nicht die einzige, die für den Knödel hätte verantwortlich sein können. Ich musste schon zugeben, dass es irgendwie lustig aussah, wie das Ding langsam von seinem Helm rutschte, aber ich wagte es nicht, zu lachen. Schliesslich wollte ich ein Null-Priorität-Gefangener bleiben.

«Sorry...», murmelte ich halbherzig, «war nicht meine Absicht.» Der Truppler reagierte nicht darauf, sondern trat ein, nahm mir den Teller und den Löffel aus der Hand und verschwand wieder. Wie ätzend: Es gab nicht nur festgelegte Essenszeiten, es war auch festgelegt, wie lange man essen durfte. Das war letztes Jahr aber noch nicht so gewesen. Ehe die Türe hinter dem Truppler zufiel, rief ich ihm noch hinterher: «Der Service ist mies hier! Ich werde es niemandem weiterempfehlen und dann bleiben euch die Kunden aus!», aber er ignorierte mich. Ich lehnte mich wieder zurück und musterte mich selbst im glänzend polierten Metall der Zellenwand. Der dunkelblonde, eher braune Zopf, den ich immer trug und der mir mittlerweile bis zur Hüfte ging, hatte sich aufgelöst, mein lockeres, weisses Hemd war schmutzig, die dunklen Hosen voller Staub. Die Schramme auf meiner bleichen Wange war überdeutlich zu sehen. Mein Vater hatte immer gesagt, ich hätte die Augen meiner Mutter, auch wenn ich genauso gut seine hätte haben können. Sie waren braun, nichts Besonderes. Ich stöhnte und rutschte von der Pritsche. Meine Mutter hatte meine Ruhelosigkeit immer schrecklich gefunden, hatte versucht, mir Geduld beizubringen. Mein Vater hatte dann immer gelacht und behauptet, ich hätte es von ihm, immer etwas machen zu wollen. Ich schüttelte die Erinnerungen ab.

Die Vergangenheit konnte man sowieso nicht mehr ändern: Grund genug, sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Die meine sah momentan ein wenig sehr langweilig aus.


Als Thaer meine Zelle am nächsten Tag betrat, hing ich kopfüber von der Decke. Und zwar freiwillig: Ich hatte die Abflussrohre an der Decke genutzt und mich mit den Füssen eingehakt.

«Könnte ich erfahren, was du da machst?», erkundigte sich Thaer verwirrt.

Ich zuckte die Schultern, was wohl ziemlich seltsam aussehen musste. «Ich langweile mich, was dachtest du denn?»

Thaer schnaubte. «Keine Ahnung. Vielleicht meditierst du ja so.»

Ich lachte auf. «Ich kann keine paar Minuten stillsitzen und du hast das Gefühl, dass ich meditiere? Vergiss es.» Ich griff nach den Abflussrohren und hakte die Füsse aus, so dass ich noch einige Augenblicke an den Händen von der Decke hing, bis ich wieder auf meinen Füssen landete.

«Ich übernehme keine Verantwortung, wenn diese Rohre brechen...», seufzte Thaer.

«Habe ich nie verlangt. Was hast du heute vor? Willst du mich wieder nach meinem Zweitnamen löchern?»

Thaer hob eine Augenbraue, während er zusah, wie ich begann, in der Zelle auf und abzugehen. «Eigentlich hatte ich vor, dich das gleiche wie gestern zu fragen.»

Wie erstarrt blieb ich stehen. «Was? Willst du mich zu Tode langweilen? Ich dachte, du magst mich...»

«Tue ich», bestätigte er, «und deshalb gebe ich dir einen Rat: Hör auf, mich anzulügen.»

«Das würde ich doch nie wagen!», empörte ich mich.

Thaer legte den Kopf schief. «Ach ja? Das sehe ich anders.»

«Darf man auch erfahren, warum?»

Thaer spielte mit einem Stift in der Hand. «Klar kannst du. Es gibt keinen Evean Catallan auf Tatooine, keine Krankenpflegerin Sahra Catallan auf Naboo.»

«Dann sind sie wohl umgezogen. Ups...», seufzte ich, ohne mich aus dem Konzept bringen zu lassen.

Thaer hob eine Augenbraue. «Das ist nicht möglich. Denn weisst du, was auch interessant ist? Weder auf Tatooine noch auf Naboo gab es je jemanden mit diesen Namen.»

«Wirfst du mir ernsthaft vor, dass ich meine Eltern davor beschützen will, wegen mir in Schwierigkeiten zu kommen? Wegen ihrer Tochter, die sie schon vor Jahren aus dem Haus geworfen und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen?»

Thaer schluckte trocken. «Sie... Sie haben dich...»

«Ich war damals 15», grummelte ich. «Zufrieden?»

«Das...», es war ihm wirklich peinlich, das sah man ihm an. «Ich... Ich wollte wirklich nicht...»

Ich winkte ab. «Ich hab's überwunden, keine Sorge. Ich hatte schliesslich einige Jahre Zeit.»

«Wie...»

«Wie alt ich bin? Ich bin 23.»

«Oh...», murmelte Thaer.

«Sind wir jetzt fertig?», fragte ich. «Wenn wir zusammen reden, wie normale Leute, dann immer gerne, Thaer, aber ich hasse Verhöre. Die sind immer so formal. Wenn du weiterhin dumme Fragen stellen willst, dann habe ich wichtigeres zu tun. Zum Beispiel herumhängen.»

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