Kapitel 23:

Es war seltsam für Wedge Antilles, nach Corellia zurückzukehren. Es war Jahre her, seit er das letzte Mal hier gewesen war, wenn er sich recht erinnerte, kurz bevor das Imperium den Planeten erneut übernommen hatte. Wie immer hatte sich nicht viel geändert. Allmählich fragte sich Wedge, ob sich irgendetwas ändern würde, wenn die ganze Galaxie zerstört würde, oder ob Coronet einfach weiter bestehen würde, einerseits eine Stadt, nur lebend für die Touristen, die den überall bekannten Goldstränden einen Besuch abstatteten, andererseits ein versoffenes, kriminelles Loch. Wedge hatte Coronet immer als die zwei Seiten einer Medaille gesehen und es verwunderte ihn wirklich, welche Seite sich Han ausgesucht hatte. Wenn er es nicht besser wüsste, er hätte darauf getippt, dass er sich in einer zwielichtigen Spelunke verkrochen hatte, aber das war nicht der Fall. Obwohl das eigentliche Viertel, in dem er sich versteckte, ein wenig heruntergekommen war, das Casino, in dem er aushalf, war eines der Bekanntesten in ganz Coronet. Es war beinahe, als hätte sich Han einen Spass daraus gemacht, vor den Augen aller zu verschwinden. Wedge hatte sich für diesen Anlass sogar chic gemacht, er trug einen weiten, braunen Mantel und ein unauffälliges, weisses Hemd. Sogar seine Schuhe hatte er poliert. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, die das Imperium, so wie er gehört hatte, beinahe fanatisch suchte, um herauszufinden, wo ihre Feinde überall gewesen waren, hatte er sich ein paar unauffällige Handschuhe besorgt, mit denen er zwar nicht halb so geschickt mit den Karten sein würde, die er während des Spiels, denn natürlich hatte er vor, zu spielen, bekäme, aber wenigstens keine Spuren hinterliess.

Der Droid, der ihn begrüsste, war sogar noch ein wenig mehr poliert worden als seine Schuhe, und Wedge meinte, seine eigene Spiegelung in dem glänzenden Metall zu erkennen. Als der Droide ihm anbot, seinen Mantel abzunehmen, lehnte Wedge dankend ab. Er ging schon ein Risiko ein, überhaupt hier aufzutauchen, denn das Imperium würde nicht vergessen haben, dass er all die Jahre zuvor mit den Rebellen gemeinsame Sache gemacht hatte. Wenn irgendwer sein Gesicht in den Datenbanken fand, dann würde er, auch wenn er all die Jahre die Füsse still gehalten hatte, ganz sicher verhaftet werden. Wer einmal einen Fehler gemacht hatte, den brandmarkten sie für immer als Verräter, denn wieso sollte er auf einmal die Seite wechseln, nur, weil sie für einen kurzen Moment fort gewesen waren?

Die Brieftasche in seiner Jackentasche war schwer, ziemlich schwer, was eine Seltenheit geworden war. Tatsächliches Bargeld war schon seit einer ganzen Weile aus der Mode, niemand wollte es mehr benutzen, es war zu schwer, zu umständlich und konnte viel zu leicht gestohlen werden. Wedges Problem war genauso simpel wie unumgehbar: Er fiel auf, egal, welchen Weg er wählte. Benutzte er seinen Handabdruck, um zu bezahlen, wusste das Imperium sofort, wo er war und man würde ihn ziemlich sicher festnehmen, zahlte er aber Bar, würde er ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Allerdings war ihm klar, dass er dann noch eine Chance hatte: Er befand sich schliesslich in einem Casino und ihm war sehr wohl klar, dass nicht nur Saubermänner hier spielten. Vor allem nicht in Corellia. Als der Droide Anstalten machte, ihm weiterhin zu folgen und ihm alles zeigen zu wollen, lehnte Wedge dankend ab. Er wusste schliesslich selbst noch nicht so genau, nach was er eigentlich Ausschau hielt und was genau er zu finden hoffte. Das musste der Droide nicht mitbekommen, denn das war schliesslich mehr als verdächtig.

Die dunklen Rottöne, in denen der riesige Saal gehalten war, in den Wedge staunend trat, als er Kurs auf die Spieltische nahm, liessen ihn sich irgendwie bedrängt fühlen, eingeengt und nicht in der Lage, richtig zu atmen. Obwohl es, trotz allem, sehr nobel wirkte, vor allem Dank der goldenen Bordüren an jeglichen Ecken, an denen man es vielleicht bemerken könnte, hatte Wedge gleichzeitig das Gefühl, in die Vergangenheit gerutscht zu sein. Einen so altmodischen Raum hatte er noch nie gesehen. Die vielen Spieltische, die herumstanden, waren beinahe alle voll besetzt, so das er eine gute Entschuldigung hatte, langsam durch den Saal zu streifen und sich umzuschauen. Er war sich nicht sicher, ob er Han erkennen würde. Nach all den Jahren... Natürlich hatte er Bilder gesehen, natürlich dachte er, zu wissen, wen er suchte, aber es war etwas ganz anderes, den Mann, den er vor so vielen Jahren gekannt hatte, in der echten Welt wiedererkennen zu wollen. Ein Rodianer sah auf, als er an seinem Tisch vorbeiging, und nickte ihm freundlich zu, als wollte er ihn einladen, sich neben ihm niederzulassen und mitzuspielen. Wedge war klar, dass der Kartendealer, ein junger Mensch mit dunklen, zurückgegelten Haaren und in der Kasinouniform, ganz sicher nicht Han war, aber vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er sich ersteinmal einspielte und sich dann langsam vortastete.

Er setzte sich also tatsächlich neben den Rodianer, den das genauso zu erstaunen schien, wie Han selbst. "Du siehst nicht wie jemand aus, der eine einfache Einladung annimmt", begrüsste ihn sein Nachbar auf Rodianisch.

Wedge zuckte die Achseln und versuchte es mit einem charmanten Lächeln. "Tja, ich bin eben unberechenbar."

Der Rodianer schien sich unsicher zu sein, was Wedge damit sagen wollte und nickte nur langsam. "Gut zu wissen, schliesslich spiele ich in der nächsten Runde gegen dich."

Wedge lehnte sich zurück. "Unberechenbarkeit ist keine richtige Information, oder?"

Jetzt hatte er den Rodianer komplett verwirrt. So sehr sogar, dass er sich nur wieder dem Spiel zuwandte. Wedge schmunzelte nur und sah zu, wie immer mehr Geld in den Sabacc-Pot wanderte. Irgendwann lehnte sich Wedge wieder zu seinem rodianischen Nachbarn hinüber. "Was spielen wir? Corellianischer Dorn?"

Der Rodianer neigte den Kopf. "Genau. Vielleicht steigen wir in einer der nächsten Runden auf Jhabacc um."

Wedge hob eine Augenbraue. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, die Sabaccvariante mit den hohen Einsätzen zu spielen, schliesslich war es ihr begrenztes Budget, dass ziemlich sicher seinen etwas eingerosteten Fähigkeiten zum Opfer fallen würde. "Tja, dann werde ich wohl aussteigen."

Dieses Mal drehte sich der Rodianer um. "Ach, wirklich? Du siehst aus wie jemand, der es sich leisten kann, auch mal zu verlieren."

Wedge musste nicht einmal über seine Antwort nachdenken. Er hatte lange genug damit verbracht, sich durchzumogeln. Irgendwann war es nicht mehr schwer, auf alles eine Antwort zu haben. "Nur weil ich nicht verlieren will, heisst es nicht, dass ich es nicht kann."

Seine Antwort schien seinen Nachbarn zu befriedigen und er wandte sich wieder dem Spiel zu. Wedge allerdings beobachtete weiter die einzelnen Spieler, suchte nach "Tells", kleinen Makeln in ihren aufgesetzten, gleichgültigen Gesichtern, Möglichkeiten für ihn, ihre Karten zu erraten.Er verkniff sich ein Schmunzeln, als er erkannte, dass der Mensch ihm Gegenüber wohl bluffte. Er fasste sich immer wieder an die Nase und kratzte sich. Er schien kein besonders guter Spieler zu sein, vor allem, wenn man bedachte, wie klein der Chipstapel vor ihm war.

Die meisten Casinos wandelten virtuelles Geld in Spielchips um, damit man schlechter einschätzen konnte, was man setzte. Schliesslich sah ein Tausenderchip genau gleich aus wie ein Hunderter.  Allerdings akzeptierten sie auch, soweit Wedge wusste, echtes Geld, da es viel zu aufwändig für sie war, das zuerst in Chips umzuwandeln und dann, in die virtuelle Währung auszuwechseln, wenn er sie zurücktauschte. Wedge grübelte, wie viele Runden er wohl spielen musste, um sich unauffällig nach Han erkundigen zu können. Vielleicht sollte er gar nicht spielen und einfach gleich damit herausplatzen, dass er einen "alten Freund" suchte, der laut einigen Kollegen hier arbeitete. Wedge hatte sich schon entschlossen, das zu tun, als die Runde mit Karacho zu Ende ging: Der Rodianer hatte geblufft und verlor die meisten seiner Chips an eine junge Frau, die Wedge einen auffordenden, kecken Blick zuwarf, als forderte sie ihn dazu heraus, sie zu schlagen. Ohne sie auch nur weiter beobachten zu müssen, wusste Wedge, dass sie eine gute Spielerin war. Ihre ganze Körpersprache sagte es aus. Sie würde sicherlich eine Herausforderung sein und wenn er den Anderen bewies, dass er nur fürs Spiel hergekommen war, wenn er ihre Herausforderung annahm, dann könnte er sich vielleicht viel unauffälliger nach Han erkundigen.

Also liess Wedge es geschehen, als der Dealer ihm seine Karten zuschob. Obwohl er ein wenig eingerostet war, brauchte er nicht lange, um sich zu versichern, dass seine Karten zusammenaddiert einen günstigen Wert ergaben. Bei Null, den Wert, mit dem er ganz sicher gewinnen würde, war er nicht ganz, er hatte eine vier, aber das war schon einmal nicht schlecht. Wedge liess sich allerdings nichts anmerken, sondern lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete seine Mitspieler.

Ausser die junge Frau konnte er sie alle ziemlich gut lesen. Sein Nachbar hatte eine schlechte Hand, versuchte das aber mehr schlecht als recht zu überdecken, der Mensch gegenüber kratzte sich schon wieder an der Nase. Nur die junge Frau starrte ihn unentwegt durchdringend an. Wedge legte nur den Kopf schief und sah zurück, versuchte nicht einmal, zu verhindern, dass sich ein Lächeln auf seinem Gesicht bildete. Er überliess es ihr, seine Geste zu interpretieren und von ihrem angestrengten Gesichtsausdruck zu schliessen, versuchte sie es mit allen Mitteln. Wedge lehnte sich zurück, beobachtete sie weiter. Er wusste, dass er sehr selbstsicher herüberkam, aber das kam daher, dass es ihm gar nicht darum ging, zu spielen. Wenn er verlor, dann war das zwar bedauerlich, würde aber nicht den Weltuntergang heraufbeschwören.

Ein weiterer Mensch stieg schon in der ersten Runde aus, deckte seinen grottenschlechten Karten auf und liess sich ein Getränk bringen. Als die junge Beobachterin erhöhte, ging Wedge ohne zu zögern mit, während sein Nachbar schon ausstieg. Runde um Runde ging Wedge, nachdem er seine ziemlich guten Karten gezogen hatte, mit oder erhöhte sogar, bis sie schliesslich bei einem ziemlich hohen Betrag angekommen waren.

Als Wedge seine letzte Karte zog, schaute er sie sich nicht einmal an. Er fixierte seine Gegenüber.

"Sind Sie bereit, Ihre Karten aufzudecken?", fragte der Dealer und Wedge nickte abgelenkt. Er war sich sicher, seine Gegenüber hatte geblufft. Und weil er sich so sicher gegeben hatte, dachte sie, er hätte es auch getan. Nur, dass er wirklich gute Karten hatte...

Er grinste in sich hinein, als er bemerkte, dass seine Gegenüber tatsächlich ihre Unsicherheit überspielte. Sie versuchte, möglichst hochnäsig und arrogant auszusehen, als sie dem Dealer zunickte und dann mit einer eleganten Geste in der selben Sekunde, in der Wedge seine Karten umdrehte, auch ihre enthüllte.

Wedge liess sich nicht von dem Geld im Sabacc-Pot beeindrucken, das man ihm, dem Gewinner, herüberschob. Ohne zu zögern kippte er die Chips vor sich aus und schob sie zu einem unordentlichen Haufen zusammen. Seine Gegenüber wurde blass, als er so unvorsichtig mit dem vielen Geld umging, sagte aber nichts. Vielleicht war sie auch einfach neidisch. Wedge schenkte ihr nur ein weiteres, beinahe träges Lächeln und nahm bereitwillig seine Karten an. Dieses Mal waren sie weitaus schlechter als beim letzten Mal. Sein Wert war viel zu weit von Null entfernt, um die Ziffer überhaupt je erreichen zu können, also stieg er sofort aus.

Seine Gegenüber schien das irgendwie zu irritieren, aber Wedge waren seine schlechten Karten nur recht. Das gab ihm die Möglichkeit, sich ein wenig zu unterhalten und genau das hatte er gebraucht.

Er wandte sich erneut an den Rodianer neben sich, während er scheinbar uninteressiert dem Spiel den Rücken kehrte. "Weisst du zufällig, ob hier ein gewissen Hanan Soleon arbeitet? Er ist ein alter Freund von mir und ich wollte ihn einmal besuchen, wenn ich schon auf Corellia bin..."

Der Rodianer sah von seinen ziemlich vorteilhaften Karten auf. "Hanan Soleon? Ja, kann sein, dass hier jemand arbeitet, der so heisst. Ich bin oft hier, allerdings kann ich mir ziemlich schlecht Namen merken. Wie sieht er denn aus?"

Für einen kurzen Moment dachte Wedge daran, ihm den Han zu beschreiben, den er auf dem Foto gesehen hatte, dann verwarf er die Idee. Er hatte keine Ahnung, ob der frühere Rebellengeneral sein Aussehen nicht schon wieder verändert hatte. "Keine Ahnung, Mann. Ich habe ihn das letzte Mal vor Jahren gesehen und ein Freund eines Freundes hat gehört, dass er jetzt hier arbeiten soll."

"Und dieser Freund eines Freundes ist nicht zufällig ein Kopfgeldjäger, oder?", kam es von der jungen Frau am Tisch, die wohl um einiges interessierter an Wedges Gespräch war, als der gedacht hatte.

Der Pilot drehte sich um. "Nein, kein Kopfgeldjäger. Wieso? Ist Hanan in Schwierigkeiten?"

Sie musterte ihn ein bisschen, dann lehnte sie sich zurück. Wedge musste zugeben, dass ihr Poker Face ziemlich gut war. "In Schwierigkeiten ist er nicht, nein. Es kommen nur ab und an ein paar Typen vorbei, die welche machen wollen. Bist du einer von denen?"

"Kennst du ihn?", fragte Wedge zurück, ohne auf ihre Frage zu antworten.

"Wirst du Schwierigkeiten machen?"

"Ich bin eher jemand, der Probleme löst. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Kennst du Hanan Soleon?"

Für einen kurzen Moment überlegte sie, dann nickte sie langsam. "In der Tat. Das tue ich. Er arbeitet tatsächlich hier, weiter hinten, an den privateren Tischen. Du wirst ihn aber wohl kaum da wegbekommen. Er nimmt seine Arbeitszeit sehr ernst."

Wedge legte den Kopf schief. "Wann ist seine Schicht denn zu Ende?"

Die junge Frau schmunzelte. "Erst in ein paar Stunden. Genug Zeit für ein paar Runden mehr, findest du nicht?"

"Willst du denn unbedingt, dass ich mitspiele?", fragte Wedge zurück.

"Ich mag es nicht, zu verlieren", stellte die Frau fest. "Ich brauche meine Revanche."

Wedge zuckte die Achseln. "Wenn ich ihn hier abpassen kann, dann bleibe ich sicher noch ein bisschen. Nur Jhabacc spiele ich nicht."

Sie wiegte den Kopf hin und her. "In Ordnung. Das hört sich fair an. Ich bin übrigens Cady Maiiu."

Wedge deutete eine Verbeugung an. "Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Cady. Ich freue mich darauf, mit dir zu spielen."


Es war spät in der Nacht, als ein alter Mann mit einem sorgfältig getrimmten Bart aus den privateren Sälen trat, die Schultern hängend und definitiv viel müder als gesund gewesen war. Er bemerkte den Mann an einem der Spieltische nicht, der ihn aufmerksam beobachtete, einer jungen, blonden Frau zunickte, als er aufstand und ihm hinterhereilte. Er hatte ihn schnell eingeholt, trotz des forschen Schrittes des alten Mannes. Trotzdem liess er sich ein wenig zurückfallen und wartete, bis sie ausser Sichtweite der normalen Gäste waren, bis er den älteren Herren ansprach. "Entschuldigung?"

Der Alte fuhr zusammen, als er die Stimme hörte. Das konnte nicht sein! "Was..."

"Ich suche nach einem alten Freund", meinte Wedge Antilles und als er ihn der alte Mann ansah, erkannte er sofort die haselnussbraunen Augen, die ihn erschrocken anblitzten. "Aber ich glaube, ich habe ihn gerade gefunden." Der Alte gab keine Antwort. Er rührte sich kein bisschen. Wedge allerdings zögerte keine Sekunde und umarmte ihn herzlich. "Hallo, Han", murmelte er dem verschollenen Kriegshelden ins Ohr.


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