Kapitel 18:

«Das kann einfach nicht sein...» Thaer hatte den Kopf in den Händen vergraben. «Ich weiss, wer ich bin. Ich weiss, woher ich komme. Ich bin kein Padawan und vor allem bin ich nicht der Sohn von Han Solo!»

Mon Mothma war schon lange wieder gegangen, genauso wie Ulean, nachdem sie seine ganze Welt auf den Kopf gestellt hatten, ihm verkündet hatten, sie wüssten sehr genau, dass nichts davon, nichts, das Mon Mothma ihm an den Kopf geworfen hatte, wahr sei. Thaer hatte sich nur selten so fürchterlich gefühlt, so wütend, so hilflos und vor allem so betrogen. Sie hatten Jason Solo, den sie irgendwo in ihm vermuteten, begraben unter falschen Erinnerungen des Imperiums, versprochen, sie würden ihn zurückholen, Jason Solo, der er nicht war. Was aus ihm, Thaer, wurde, das war ihnen egal, so lange sie nur den Sohn der Legende, ihren Vorteil, wiederbekamen. Er dachte an alles, was er Hannah an den Kopf geworfen hatte und schnaubte beinahe belustigt, als er endlich verstand, weshalb Hannah die Rebellion so sehr verabscheute. Er verscheuchte den Gedanken, dass es vielleicht er gewesen war, der Unrecht gehabt hatte, dass er sie vielleicht zu Unrecht beschimpft hatte und lehnte sich gegen die Wand. Was war, wenn Mon Mothma und Ulean recht hatten, wenn er wirklich Jason Solo war, wenn der Padawan tief in ihm begraben lag? Was würde passieren, wenn sie ihm die falschen Erinnerungen nahmen? Würde er ein Kind im Körper eines Erwachsenen sein? Würde er, Thaer, einfach ausgelöscht werden, um dem Sohn des früheren Rebellengenerals platz zu machen? Ob er noch er selbst sein würde, wenn seine Erinnerungen, sollten sie wirklich existieren, zurückkehrten?

«Ich... Ich muss mein Leben erlebt haben!», erklärte er Kenobi, der bis jetzt schweigend an der Wand gelehnt hatte. «Sagt mir, dass ich mich nicht täusche, Obi-Wan. Ich bitte euch. Bin ich Jason Solo?» Sein Tonfall wurde wieder genauso verzweifelt, wie schon Mon Mothma gegenüber. Er hatte sich immer schon gut unter Kontrolle gehabt, aber jetzt schienen alle diese Jahre des Trainings fort zu sein. Er hatte erneut einen Wutanfall gehabt, geschrien und getobt, so dass Ulean ihn von Mon Mothma hatte fernhalten müssen, aber die Macht hatte er nicht erneut einsetzen können. Dieselbe, unkontrollierte Wut stieg erneut in Thaer auf, als er daran dachte, dass die Rebellengeneralin ihn durch all diese schrecklichen Erinnerungen gezwungen hatte, nur um einen Unbekannten, von dem sie dachte, dass er möglicherweise in Thaer darauf wartete, wiederentdeckt zu werden, hervorzuholen.

Kenobi runzelte unglücklich die Stirn. Thaer konnte ihn, trotz der Dunkelheit in der Baracke, in die er eingeschlossen worden war, gut erkennen. Anders als in seiner Vision, wie Kenobi seinen Traum genannt hatte, wirkte der Jedimeister nun keineswegs wie ein richtiger Mensch. Das blaue Leuchten, dass ihn voll und ganz einhüllte, unterstrich nur noch, wie durchsichtig er war. «Das kann ich euch nicht sagen, Thaer. Es tut mir leid, aber das müsst ihr selbst herausfinden.»

«Wieso?», Thaer war nie jemand gewesen, der sich von seinen Emotionen hatte leiten lassen, aber er konnte nichts dagegen tun, dass er noch wütender wurde. «Wieso könnt ihr mir nicht einfach sagen, was stimmt und was nicht? Wieso müsst ihr so geheimnisvoll tun, während ich hier beinahe verrückt werde?»

Obi-Wans Blick wurde nur noch mittleidiger. «Dies ist eure Geschichte. Griffe ich mit meinem Wissen ein, veränderte ich die Realität, was mir unmöglich ist, ich würde möglicherweise eine katastrophale Verkettung der Ereignisse auslösen.»

«Ach ja? Euren Schüler scheint das aber nicht gestört zu haben, als er Hannah Catallan gerettet hat!»

Kenobi sah zu Boden. «Ich bitte euch, Thaer, ihr müsst mir vertrauen...»

«Ach? Einfach so? Nur, weil ihr mir das sagt? Wenn ihr es mir wenigstens erklären könntet...»

Der Jedi rieb sich nachdenklich über den Bart, dann nickte er langsam. «In Ordnung. Anakin... er hat sich nie darum geschert, was er auslösen könnte. Die Macht war mit ihm, es war ihr Wille, dass die Rettungskräfte machtsensibel waren und dadurch konnte er Hannah das Leben retten.»

«Und warum könnt ihr mir dann nicht auch einfach die Lösung des Ganzen verraten? Euer Padawan hat auch einmal direkt eingegriffen, er hat schliesslich Hannah vor dem Dritten Dach gewarnt.»

«Sie konnte ihn nicht hören.»

«Könnte sie ihn hören, hätte er in ihr Leben eingegriffen.»

Obi-Wan zögerte. «Eigentlich... hatte ich gehofft, euch das nicht zeigen zu müssen.»

«Was?»

Kenobi atmete tief durch, dann hatte er innerhalb einer Sekunde den ganzen Raum durchquert und stand vor Thaer. «Schliesst die Augen.»

«Aber...»

«Tut es einfach, ich bitte euch.»

Thaer schloss etwas misstrauisch die Augen. «Was jetzt?»

«Hört auf zu denken. Am besten geht es, wenn man noch nicht weiss, wie man es zu tun hat, im Schlaf, aber ich denke, ihr könntet es auch so schaffen. Kommt euch etwas in den Sinn, verdrängt es nicht, sondern lasst es euch durch den Kopf gehen, bis es wieder verschwindet. Bis ihr an gar nichts mehr denkt.»

Thaer versuchte so gut er konnte, dem Rat des Jedi zu folgen, aber es war wie verhext. Seine Gedanken schienen einfach nicht zur Ruhe kommen zu wollen, nur noch schneller zu rotieren als zuvor. Eine Mischung aus Frustration und Enttäuschung kam in ihm auf und gerade in dem Moment, in dem verärgert die Augen aufschlagen und Obi-Wan mitteilen wollte, dass er unmöglich Jason Solo sein konnte, da er es nicht einmal schaffte, sich zu konzentrieren, passierte es.

Ein Bild erschien vor seinem Inneren Auge, so klar, als sehe er es tatsächlich, beinahe wie in seiner Vision. Er sah sich selbst, Ulean und Mon Mothma, die beiden Frauen entsetzt auf ihn herunterblickend, auf ihn selbst, der zusammengesackt war, mit leeren Augen an die Decke der Baracke starrte. Für einen kurzen Moment war der echte Thaer wie gelähmt, dann erkannte er den Blaster in Uleans Hand. Als er weit entfernte Stimmen wahrnahm, versuchte er sich noch weiter zu konzentrieren, zu verstehen was sie sagten. Ihm kam es beinahe vor, als wären Ton und Bild verschoben worden, vielleicht durch seine Unsicherheit oder sein mangelndes Training, denn dass es sich erneut um eine Vision handelte, da war er sich sicher.

«Wagt es nicht, näher zu kommen, Jason, oder ich werde schiessen.» Das war Ulean. Da war er sich beinahe sicher.

«Hör doch auf mit diesem Blödsinn, wir wissen beide, dass...» Und dann knallte ein Schuss. Einige Sekunden verstand er gar nicht, was er da gerade gehört hatte, dann riss Thaer erschrocken die Augen auf: Er würde sterben, würde von Ulean erschossen werden, in einem Streitgespräch. Schweiss lief ihm über die Stirn, er begann unkontrolliert zu zittern. Es war nicht Furcht vor dem Tod, die ihn so sehr aus der Bahn brachte, er wusste selbst nicht, was es war, aber sein Körper schien diese Erfahrung keineswegs gut vertragen zu haben. Niemand sollte wissen, wie er starb. «Was... Was war das?», wisperte Thaer.

«Das ist eure momentane Zukunft, Thaer, eine Zukunft, in der ihr mich überredet, euch die Wahrheit zu sagen.»

Thaer atmete gezwungen ruhig aus. «Deshalb tut ihr es nicht, nicht wahr? Euer Padawan griff ein, weil er eine bessere Zukunft voraussah, eine, in der Hannah nicht starb, um ihr ein längeres Leben zu vergönnen, aber ihr weigert euch, einzugreifen, weil ihr wisst, dass dieses Wissen mich töten wird!»

«Natürlich wisst ihr nun, wie ihr sterben würdet, aber das heisst nicht, dass ihr es verhindern könntet.»

«Also verändert ihr die Zukunft auch, indem ihr nichts sagt», stellte Thaer fest.

Obi-Wan dachte lange nach. «Auf eine komplizierte Art und Weise, ja.»

Thaer nickte langsam. «Ihr verändert sie also nur, wenn es zum Besten der Person ist, der ihr folgt.»

«Nicht nur zu ihrem besten, nein.»

Thaer stutzte. «Ihr würdet eine Person, der ihr folgt, sterben lassen, würde es die Zukunft aller Positiv beeinflussen?»

Der Jedimeister zögerte. «Wollt ihr das wirklich wissen?»

«Natürlich», antwortete Thaer, schneller als ihm lieb war, denn schon anhand des Tonfalls des Jedimeisters begann er an seiner Entscheidung zu zweifeln.

«Es ist eine schwierige Entscheidung und ich kann dir nicht sagen, ob ich sie treffen könnte, wenn ich müsste, aber ja, wenn der Tod eines Geschöpfes die ganze Galaxis retten könnte, dann würde ich... ich würde es wahrscheinlich zulassen.»

«Also herrschen die Toten doch über die Lebenden», flüsterte Thaer.

«Nein!», widersprach Obi-Wan hastig, «das tun wir nicht!»

«Wie wollt ihr eure Entscheidungsgewalt sonst nennen?», fuhr ihn Thaer an.

Kenobi wirkte keineswegs glücklich über Thaers Feststellung. «Wir wüssten die Zukunft sowieso. Wir könnten auch gar nichts sagen, der Macht selbst die Entscheidung überlassen, aber das... Es ist nicht das Richtige. Thaer, nur Jedi können zu Machtgeistern werden, nur wir wissen, wie das geht. Und da es keine lebendigen Jedimeister mehr gibt, sind wir zur Stimme der Macht geworden, wie wir es schon waren, als wir in der Galaxie wandelten.»

«Ihr meint also, sobald neue Jedi...»

«Sobald der Orden der Jedi wiederaufersteht, werden wir uns zurückziehen, in die Rolle, die den Toten zusteht: Die Rolle des stillen Beobachters.»

Thaer zögerte, die nächsten Worte auszusprechen, einerseits, weil sie sich so sehr nach Hannah anhörten und andererseits, weil er noch nie darüber nachgedacht hatte. «Was ist, wenn der Orden der Jedi nie wieder aufersteht? Wenn die Zeit der Jedi vorbei ist? Wenn die Galaxie niemanden mehr braucht, der auf diese Art und Weise auf sie achtet?»

Kenobi starrte ihn eine kurze Weile schweigend an, dann senkte er den Kopf. «Ihr seid nicht der erste, dem dieser Gedanke kommt. Auch ich habe schon daran gedacht. Sollte das wirklich der Fall sein, sollte die Galaxie ohne die Jedi freier und besser sein, dann werden wir uns ein für alle Mal zurückziehen.»

«Ein ewiges Exil?»

Der Jedimeister sah nachdenklich in die Ferne. «Vielleicht. Wer weiss.»

Thaer war sich ziemlich sicher, dass der Jedimeister sehr wohl wusste, wie seine Zukunft aussehen würde, träfe Thaers Voraussage zu, aber er fragte nicht. Er hatte durch diesen einen Moment, den... den die Macht ihm gezeigt hatte, gelernt, dass er seine Zukunft nicht kennen wollte. Wieso sollte das bei Obi-Wan Kenobi anders sein? Warum sollte der Jedimeister keine Probleme damit haben, darüber bescheid zu wissen, dass er in ewige Vergessenheit geraten könnte? Thaer seufzte. «Ich werde lange hier sitzen müssen, oder?»

Der Jedi warf ihm einen kurzen Blick zu, dann nickte er. «Sie wissen nicht, was ihr könnt, Thaer, deswegen fürchten sie euch, vor allem, nach dem, was ihr mit Mon Mothma getan habt. Sie hoffen, euch unter Kontrolle bringen zu können, ungefährlich für sich zu machen, wenn sie Jason Solo zurückholen.»

«Und wie wollen sie das schaffen?», grummelte Thaer.

«Das wissen sie selbst noch nicht.»

Thaers Schultern sackten hinunter. «Was ist... Was ist, wenn ich es gar nicht will?»

«Was denn?»

«Die Last eines Krieges auf den Schultern zu tragen. Zu wissen, dass man vielleicht der Einzige sein könnte, der genug Geschöpfe motivieren kann, um gegen das Imperium anzukommen.»

«Ihr meint, wenn ihr gar nicht wissen wollt, ob ihr Jason Solo seid?»

«Ja.» Thaer fühlte sich schrecklich müde. «Ich meine, wenn man davon absieht, was alles schief gehen könnte, das sie mich, Thaer, um Jason Solo wiederbeleben zu können, vielleicht umbringen, dann will ich... ich glaube, ich will einfach mein Leben weiterleben, für das Kämpfen, was ich als richtig sehe und nicht von Milliarden Geschöpfen als Anführer angesehen werden. Ich will... ein einfacher, unbekannter Bürger bleiben, kein Generationenidol!»

Obi-Wan nickte langsam. «Ich glaube, ich verstehe euch. Aber ich denke kaum, dass ihr euch das aussuchen könnt.»

«Was soll das heissen?»

Obi-Wan Kenobi runzelte beinahe unglücklich die Stirn. «Ich kann euch nicht sagen, ob euch ein simples Schicksal, ein einfacher Weg, vergönnt ist, aber wäre ich an eurer Stelle... nun, ich würde nicht auf zu viel hoffen.»

«Na, das ist vielleicht aufbauend», knurrte Thaer. Als er keine Antwort bekam, sah er auf. Obi-Wan war verschwunden.


«Es wäre viel zu riskant, ihn einer lebensgefährlichen Situation auszusetzen», stellte Ulean fest. «Wir wissen schliesslich nicht, wie er reagiert und wir können uns auf keinen Fall leisten, dass er stirbt.»

«Er wirkte aber auch nicht sonderlich kooperativ», hielt Mon Mothma dagegen. "Irgendwie müssen wir Solo aus ihm herauskitzeln.»

Ulean überlegte kurz. «Denken Sie, es könnte helfen, wenn er jemandem aus seiner Vergangenheit begegnet? Vielleicht seiner Schwester?»

Mon Mothma schüttelte energisch den Kopf. «Ich werde Padmé Solo nicht hierherholen, wenn ich nicht unbedingt muss.»

Ulean runzelte die Stirn. «Gut, war schliesslich nur ein Vorschlag. Vielleicht...», sie schwieg.

«Vielleicht was?», hakte Mon Mothma nach.

«Wir suchen doch sowieso nach Han Solo. Könnten wir nicht...»

Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf den Zügen der älteren Frau aus. «Wir bringen Solo dazu, uns zu folgen, um seinen Sohn wiederzusehen, und wenn er hier ist, könnte sein Sohn seine Erinnerungen durch seinen Vater zurückbekommen. Natürlich.»

Ulean warf Mon Mothma einen beunruhigten Blick zu. «Aber was ist, wenn es nicht funktioniert? Wenn Solo seinen Sohn nicht erkennt, wenn Jason seine Erinnerungen nicht zurückbekommt und der unwichtige, unwissende Hüter bleibt?»

Mon Mothma brauchte keine Sekunde, um darüber nachzudenken. «Das wird nicht geschehen. Es wird klappen. Es muss klappen.»

Ulean nickte langsam, verstehend, dass Mon Mothma recht hatte: Ihr Plan durfte nicht scheitern, denn wenn er das tat, dann konnte das verheerende Folgen für die Rebellion haben. Und nicht nur für sie, sondern für das ganze Universum. Als die Generalin ihr einen Wink gab, dass sie entlassen war, erhob sie sich langsam von dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatte und ging ein wenig steif zur Türe. Kurz, bevor sie den Raum verliess, fiel ihr noch etwas ein. «General, was sollen wir tun, wenn Hannah Catallan hier auftaucht und ihre Waffe zurückwill? Wir haben sie immer noch in Verwahrung, schliesslich sagten Sie, als Sie noch dachten, sie wäre Padmé Solo...»

«Wenn sie wirklich den Mumm hat, hier aufzutauchen, erschiesst sie», stellte Mon Mothma beinahe geistesabwesend fest. «Wir haben keine Verwendung für jemanden wie sie.»

Vermutungen, Ideen, Kritik?

Wenn ihr Thaer oder Hannah charakterisieren müsstet, wie würdet ihr das tun?

Bis in zwei Wochen

Aeide_thea

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