Kapitel 16:

«Sie haben sie gehen lassen? Einfach so?» Mon Mothma tobte. «Ich kann es nicht glauben. Da fange ich an, Ihnen über den Weg zu trauen und dann das. Sie sind ein Spion oder? Sie wollen uns sabotieren! Sie wollen gar nicht, dass wir Padmé Solo finden, nicht wahr?» Sie liess Thaer gar nicht ausreden. «Ich hätte besser von Ihnen gedacht, Thaer. Schliesslich haben wir Ihnen die Hüterrüstung gegeben, Ihren Stock», sie zeigte auf den Uoi, «und wir haben Sie aufgenommen. Und dann lassen Sie unsere einzige Spur einfach so laufen.»

Thaer sah keinesfalls schuldbewusst aus. «Ich habe Ihnen schon gesagt, warum ich es getan habe, General. Sie hat zugegeben, dass sie uns niemals geholfen hätte, sondern eher auf falsche Fährten gelockt und so jemand ist nicht zu gebrauchen.»

«Das entscheide immer noch ich!», knurrte Mon Mothma.

Thaer hielt das Kinn gerade und streckte es beinahe stolz vor. Er hatte richtig gehandelt, das wusste er. Das fühlte er. «Mir ist klar, dass ich gegen meine Befehle gehandelt habe, General, aber Catallan hätte uns nur noch mehr Schwierigkeiten bereitet.»

Mon Mothma stoppte in ihrem hektischen Lauf von der einen Seite der Hütte zur anderen und wieder zurück. Sie starrte Thaer an. «Catallan? Haben Sie sie gerade Catallan genannt? Der Einzige, der sie beim Vornamen nennen durfte, benutzt auf einmal ihren Nachnamen?»

«Ich hatte immer das Gefühl, dass ihr Vorname ihr wirklich etwas bedeutet. Dass sie ihn nur Leute, die sie als vertrauenswürdig einstuft, benutzen lässt. Deswegen Catallan: Ich will nicht mehr zu diesen Leuten gehören.»

Mon Mothma legte den Kopf schief. «Wie interessant. Ist das eine Hütertechnik, andere von sich zu überzeugen?»

Thaer blinzelte verwirrt. «Bitte, was?»

«Ich bin nicht dumm, Thaer. Ich bemerke sehr wohl, wenn jemand versucht, mich einzuwickeln. Sie und Catallan waren von Anfang an zusammen und ich hätte mir denken sollen, dass sie zusammenarbeiteten.»

Thaer atmete tief durch. «Ich versuche nicht, Sie «einzuwickeln», General, ich sage nur die Wahrheit, auch wenn Sie die scheinbar nicht hören wollen. Es ist mir richtig vorgekommen. Wenn Sie mir nicht glauben, dass ich oft meinen Instinkten folge, dann können Sie sich bei Hughes und Ulean versichern, dass ich nicht lüge.»

Mon Mothma schien ihm gar nicht richtig zuzuhören. «Vielleicht sollte ich Sie einfach erschiessen lassen.» Thaer konnte nicht verhindern, dass er zusammenzuckte. Dieser Satz erinnerte ihn so sehr an die Zeit, die er im Imperium gedient hatte, dass er für einen kurzen Moment anstatt Mon Mothma seinen damaligen Befehlshaber vor Augen hatte. Mon Mothma interpretierte seine Reaktion vollkommen falsch. «Davor fürchten Sie sich, nicht wahr, Thaer? Deshalb haben Sie schlussendlich auch mit dem Imperium kollaboriert, nachdem sie Grayson erschossen hatten!»

Thaer wurde bleich. «Wie können Sie es wagen...»

Mon Mothma dachte gar nicht daran, aufzuhören. «Deswegen haben Sie auch mit Catallan zusammengearbeitet, weil Sie Angst haben, zu sterben. Sie sind ein elender Lügner, imperialer Abschaum, genau, wie wir vermutet hatten.» Mon Mothma achtete nicht auf seinen zwischen Ärger und Schmerz wechselnden Gesichtsausdruck. «Sie haben auf Kosten von anderen überlebt, Sie waren zu feige, selbst zu kämpfen und haben sich immer hinter jemand anderem versteckt. Sie sind doch selbst nicht besser als Catallan.»

Thaer war noch nie so wütend gewesen. Sein Instinkt, seine angelernte Professionalität, versuchten, ihn dazu zu zwingen, sich wieder zu beruhigen, unter Kontrolle zu bringen, aber er konnte nicht, er wollte nicht. Nicht nur hatte Mon Mothma ihn beleidigt, beschuldigt, alles zu sein, was er nie hatte sein wollen, sie verurteilte ihn dafür, das Richtige getan zu haben, der Rebellion helfen zu wollen. Sie hatte alle diese schrecklichen Erinnerungen an seine Vergangenheit, an den Tag, an dem das Militär der Freien Systeme, das Imperium sein Zuhause, seinen Hüterposten gestürmt hatte, wieder aufgewärmt, alte Wunden wieder aufgerissen und vor allem, vor allem hatte sie ihn auch noch einen Verräter seiner Freunde genannt. Als hätte er nicht zu Grayson gehalten, als wäre er nicht selbst neben seinem Freund im Schlamm gekniet, mehrere Waffen auf seinen Kopf gerichtet, bereit, zu sterben. «Wie kommen Sie dazu, zu glauben, ich hätte mich ergeben? Wie kommen Sie dazu, mich als Feigling hinzustellen, wo Sie doch sicher wissen, was damals geschehen ist?»

Mon Mothma stand so Nahe vor ihm, dass er jede Pore in ihrem Gesicht erkennen konnte. «Oh, ja, ich weiss sehr genau, was damals passiert ist. Sie haben so lange weitergekämpft, bis die Imperialen Ernst machten und ihn erschossen haben! Danach haben Sie ihnen sogar freiwillig ihre Rüstung abgegeben.»

Vor Wut ballte Thaer die Hände zu Fäusten. Es machte ihr Spass, ihn zu verleugnen, ihn und seine Vergangenheit, sie spielte mit ihm, um ihn aus der Fassung zu bringen. Ihm war nicht klar, was sie damit bezweckte, ausser ihn vielleicht zu einer Handlung zu bringen, mit der sie rechtfertigen konnte, ihn erschiessen zu lassen. «Sie sind eine dreiste Lügnerin, Mon Mothma, Sie wissen ganz genau, dass nichts davon wahr ist! Nichts davon!»

«Sie nennen mich eine Lügnerin, wo Sie uns doch die ganze Zeit etwas vorgemacht haben? Sie sind kein pflichtbewusster Hüter, Sie haben ihre Freunde, ihre Familie verraten, um selbst zu überleben!»

«Hören Sie auf», flüsterte Thaer, nicht in der Lage, die Stimme zu heben. Mon Mothma hatte ihn getroffen. Es fühlte sich an, als hätte sie nicht mit Worten, sondern mit Kugeln auf ihn gezielt. Wut und Trauer brodelten in ihm und er versuchte verzweifelt die Überhand zu behalten, nicht auf Mon Mothma loszugehen. Sie machte es ihm nicht leicht. Er taumelte zurück, so weit er konnte weg von der älteren Frau.

«Deshalb waren Sie so schockiert, als ich Grayson das erste Mal angesprochen habe! Weil Ihnen Ihre Ängstlichkeit, Ihre Feigheit peinlich war, weil Sie Angst hatten, ich würde davon wissen, ich würde die Wahrheit kennen. Sie fürchteten, ich würde Sie für ihre Feigheit und für Ihren Verrat an Ihren Freunden erschiessen lassen, nicht war, Thaer? Sie hatten...»

Irgendetwas zerbrach in Thaers Innerem, als sie ihm alle diese schrecklichen Dinge an den Kopf warf. Er konnte es beinahe klirren hören. Er konnte sich nicht mehr beherrschen, spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Er konnte nicht mehr. Würde Mon Mothma auch nur ein Wort mehr sagen, er wusste nicht, was er täte. «Ich sagte, Hören Sie auf!», brüllte er, sich wünschend, die Generalin möge verschwinden, sie möge ihre Worte zurücknehmen, ihre Meinung ändern oder einfach weggehen. Mon Mothma allerdings, als hätte er sie gestossen, als hätte er vor ihr gestanden und sie mit aller Kraft von sich weggedrückt, flog durch den halben Raum und knallte gegen die Wand. Thaer starrte sie sprachlos an, als sie sich stöhnend wieder aufrappelte, unfähig irgendetwas zu sagen. Irgendwie wusste er, dass er es gewesen war, obwohl das nicht möglich war. Er wusste, dass er Mon Mothma durch den halben Raum geworfen hatte, ohne sie zu berühren. Er war es gewesen. Seine Wut war mit einem Mal fort, weggewischt von der Realisation, was er getan hatte. Weggewischt von dem Unglauben, dass er überhaupt dazu fähig gewesen war. Dann, als wäre das alles zu viel für ihn gewesen, als wollte er gar nicht wissen, was wirklich passiert war, sackte er zusammen. Einfach so. Kurz, bevor er das Bewusstsein verlor, war er sich sicher, noch einmal den jungen Mann aus dem Hafen zu sehen, der, der dem Bärtigen gesagt hatte, er könne sie sowieso nicht sehen. Dieses Mal fiel Thaer die hässliche Narbe über seinem rechten Auge auf. Der junge Mann führte einen Finger zum Mund und bedeutete Thaer, still zu sein. «Vielleicht habe ich euch doch unterschätzt», meinte er schliesslich, einen interessierten Ausdruck auf dem Gesicht und sich erneut der alten Ausdrucksweise bedienend. Dann wusste Thaer gar nichts mehr.


Mon Mothma hatte es geschafft, sich wiederaufzurichten und musterte Thaer mit einem beinahe stolzen Gesichtsausdruck. Genau in dem Moment, in dem Ulean, aufgeschreckt durch den Lärm, in die Baracke stürmte, neigte die Generalin respektvoll den Kopf in Richtung des Bewusstlosen. «Willkommen zurück, Jason.»

Ulean, die Hand an ihrem Blaster, sah von Thaer zu Mon Mothma, mit einem überraschten Gesichtsausdruck. «General, geht es Ihnen gut? Ich habe Lärm gehört und dachte, er könnte sie möglicherweise angegriffen haben, auch wenn ich mir das beinahe nicht vorstellen kann.» Dann wurde ihr bewusst, was Mon Mothma gesagt hatte. «Jason? Weshalb Jason, General? Er heisst Thaer!»

Ein beinahe ironisches Schmunzeln glitt über die Züge der ehemaligen Kanzlerin. «Er hat nie Thaer geheissen. Jason Solo ist von den Toten auferstanden, Ulean, und wir hatten das Glück, ihn in die Finger zu bekommen.»

Ulean konnte nicht anders, als Mon Mothma mit offenem Mund anzustarren. «Wie bitte? Jason Solo ist doch tot! Das Imperium hat...»

«Behauptet, ihn ermordet zu haben. Gibt es Beweise dafür? Nein. Wäre es nicht der bestmögliche Weg, den Kleinen als Geheimwaffe bei sich zu behalten?»

«Aber... Niemand kann so gut lügen! Wir haben ihn doch geprüft, verdammt noch mal!»
Mon Mothma blieb unbeeindruckt. «Holen Sie einige Leute, die ihn in seine Baracke zurückbringen. Ich habe keine Lust, dabei zu sein, wenn er aufwacht. Wer weiss, was er dann kann.»

Ulean blieb noch einige Sekunden wie erstarrt stehen, dann folgte sie ihren Befehlen. Erst, nachdem einige Rebellen den immer noch bewusstlosen Thaer aus der Baracke herausgetragen und Mon Mothma sorgsam die Türe geschlossen hatte, wagte es Ulean, mit ihrer Frage herauszuplatzen. «Was meinten Sie damit, wer weiss, was er dann kann?»

Mon Mothma setzte sich auf einen der zwei Stühle, die in der kahlen Baracke herumstanden. «Er hat mich durch den ganzen Raum geschleudert, während er mindestens einen halben Meter entfernt von mir stand.»

Ulean klappte der Mund auf. «Er hat die Macht benutzt? Einfach so?»

Mon Mothma nickte. «In der Tat.»

«Und wieso wussten wir es dann nicht? Wenn er es die ganze Zeit war, wieso haben unsere Detektoren nichts angezeigt? Sie wurden doch so konstruiert, dass man mit der Macht keinen Einfluss darauf nehmen kann.»

Mon Mothma zögerte. «Ich glaube kaum, dass er weiss, wer er wirklich ist. Ich vermute, dass das Imperium es irgendwie geschafft hat, seine Erinnerungen zu verwischen oder zu verändern, so dass sie ihn folgsam machen konnten. So dass er sich nicht mehr an all das erinnerte, das er verloren hatte.»

«Aber er hat mit uns sympathisiert!»

«Sie konnten, wie ich vermute, nicht alle Aspekte seiner Persönlichkeit verändern. Wahrscheinlich ist er schon einmal verschwunden und hat sich dann den Hütern angeschlossen.»

«Und wie haben Sie ihn dazu gebracht, die Macht zu benutzen, wenn er selbst gar nicht weiss, dass er das kann? Und vor allem, wie sind Sie darauf gekommen, wer er ist?»

Mon Mothma dachte kurz nach. «Als ich mitbekommen habe, dass er Hannah gehen liess... Ich habe unseren Kontakt gebeten, mir alles über ihn herauszusuchen. Alles. Und er hat etwas sehr interessantes gefunden: Als sein Hüterposten angegriffen wurde, da hat er sich, zusammen mit seinem Partner Eden Grayson gewehrt. Die Beiden wurden überwältigt und, laut den Akten, hat Thaer aufgegeben, als sie Grayson erschossen.»

«Und?»

«Unser Kontakt hat bemerkt, dass irgendetwas faul an dieser Akte ist. Und als er ein wenig gegraben hat, fand er ein Video über die Hinrichtung: Thaer hat keineswegs aufgegeben, seine Exekution wurde durch eine Gestalt verhindert, eine Gestalt in einem langen, beschädigten Tarnmantel. Sie hat ihn gerade noch rechtzeitig aus der Schusslinie gezerrt, die Blastschüsse in der Luft zum Stehen gebracht. Thaer hat geschrien und sich gewehrt, als dieser fremde Machtnutzer ihn an den Handschellen davongezerrt hat, aber er musste mitansehen, wie dieser Fremde die in der Luft stehenden Schüsse achtlos losliess und sein Freund, sein Partner starb. Irgendwie haben sie ihn also gezwungen, beizutreten. Und diese Gestalt hat mich auf seine Spur gebracht. Wieso sollte jemand wie dieser Unbekannte einen einfachen Hüter retten? Nein, das Imperium hatte Jason Solo verloren und als ihnen zu Ohren kam, dass man ihn wiedergefunden hatte, konnten sie ihn nur knapp vor dem Tod retten. Und sollte Han Solo jemals wiederauftauchen, sie hätten ihn in der Hand. Genau wie Padmé.»

Ulean schluckte. Mon Mothmas Ausführungen machten erschreckend viel Sinn. «Und wie haben Sie ihn dazu gebracht, die Macht einzusetzen?»

«Ich habe ihm, aufgrund der offiziellen Version der Geschichte, Vorwürfe gemacht und ihn beleidigt, so getan, als kannte ich die Wahrheit nicht. Er wusste gar nicht, dass die Sache in den Akten umgeschrieben wurde, sondern ist nur immer und immer wütender geworden. Er war regelrecht verzweifelt, aber es hat überraschend lange gedauert, bis ich ihn so weit hatte, die Barrieren, die das Imperium wahrscheinlich um seinen Geist aufgebaut hat, zu durchbrechen. Und das war auch gleich zu viel für ihn, er ist ohne ein Wort zusammengebrochen.»

«Was werden wir jetzt tun?»

Mon Mothma lehnte sich zurück. «Wir werden die Suche nach Hannah Catallan aufgeben.»

«Aber Sie waren sich doch sicher, dass sie Padmé Solo ist!»

«Ich habe mich wohl tatsächlich getäuscht. Ihr Bruder hätte sie nie einfach so gehen lassen, egal, ob er sich an sie erinnert oder nicht. Man sagt ihnen nach, einen sehr starken geschwisterlichen Bund gehabt zu haben. Hannah Catallan ist nicht die, die wir suchen.»

«Aber sie könnte uns...»

«Wir brauchen Padmé Solo nicht mehr, Ulean. Sie war immer nur eine Notlösung.Wir haben jetzt den besseren der beiden Solokinder, und mit ihm als Köder wird der grosse Han Solo selbst zu uns kommen. Und bis dahin können wir daran arbeiten, Jason Solos Erinnerung wiederherzustellen.»

Unerwartet?

Kritik, Ideen, abschliessende Worte?

Aeide_thea

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