Kapitel 11:

«Wer ist das denn?», fragte George misstrauisch und zeigte auf Ulean, die sich nicht besonders wohl zu fühlen schien. Sie sass neben mir, in einer Bar, in der ich meist meine Informationen zu Auftraggebern und gewissen verlorenen Gegenständen und Personen bezog.

Ich hatte mir die Lüge, die ich George auftischen wollte, schon zuvor zurechtgelegt, deswegen zögerte ich nicht, ihm eine Antwort zu geben. «Meine Cousine. Sie ist neu im Geschäft und braucht noch ein wenig Hilfe.»

«Cousine mütterlicher oder väterlicherseits?»

«Väterlicher. Soll ich dir auch noch verraten, wie ihre Eltern heissen oder bist du fertig?»

«Ich sammle nur Informationen. Ist schliesslich mein Job. Ich hätte nicht gedacht, dass du Verwandte hast.» Er tippte nachdenklich mit den Fingern auf dem Tisch herum. Ich meinte, den Rhythmus eines bekannten Stücks zu erkennen, aber als George bemerkte, dass ich seine Finger anstarrte, zog er sie sofort zurück und ermordete mich mit seinen Blicken.

«Was dachtest du denn, woher ich komme? Das mich die Macht erschaffen hat?», spottete ich, die Augen verdrehend über den beinahe kindisch aufgebrachten Ausdruck in seinem Gesicht. Auch wenn er es liebte, Andere mit Fragen zu löchern, wenn er das Gefühl hatte, selbst das Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein, dann wurde er stinkig.

Schlussendlich gab George sein Geschmolle auf und liess den Blick zwischen mir und Ulean hin und herwandern. «Sie sieht dir nicht besonders ähnlich», stellte er fest.
«Wir sind auch keine Zwillinge», grummelte ich.


«Hast du eigentlich Geschwister, Hannah?», versuchte George sein Glück und setzte seinen unschuldigen Gesichtsausdruck auf. Es war wirklich beeindruckend, wie schnell er zwischen den Emotionen wechseln konnte. Beinahe unheimlich, aber das war er immer schon gewesen. Jedenfalls, so lange ich ihn kannte. Ich war allerdings ziemlich sicher, dass er weit über 100 Jahre alt war, es aber gut zu verdecken wusste.

Ich warf ihm einen genervten Blick zu. «Nein», antwortete ich überraschend heftig. «Ich bin Einzelkind. Können wir jetzt zum Geschäft kommen? Was willst du dieses Mal? Den üblichen Betrag?»

«Ich werde den Preis festsetzen, nachdem ich euch die Informationen gegeben habe.» Sein viel zu selbstsicherer Ton war nur dazu da, Neulinge zu verunsichern, aber ich wusste ganz genau, wie er tickte. Genau wie jeder andere Informationsbrocker in dieser ganzen Galaxis.

Ich schüttelte den Kopf. «Ganz sicher nicht. Ich will wissen, worauf ich mich einlasse.»

«Dann kann ich dir nicht dienen.» Das falsche Mitgefühl in seinem Tonfall brachte mich ein weiteres Mal dazu, die Augen zu verdrehen. Er war so schrecklich vorhersehbar. Jedes Mal das gleiche Theater, das gleiche Verhandeln, manchmal war ich mir sogar sicher, dass er genau die gleichen Worte wie das letzte Mal benutzte. Vielleicht war das ja seine Taktik, Langzeitkunden weichzuklopfen: Langeweile.

«Ich habe noch eine ganze Menge anderer Kontaktmänner, George. Wir können dich auch einfach stehen lassen.» Ich liess meinen Blick über den Rest der Bar wandern, um möglichst uninteressiert auszusehen und gab Ulean einen unauffälligen Stoss in die Rippen. Sie war viel zu verkrampft. Eigentlich hätte ich ihr einen Drink bestellt, aber da meine Brieftasche immer noch im Imperialen Gefängnis steckte, wurde daraus nichts und ich konnte nur Georges blau-glimmendes Getränk anstarren und darüber nachdenken, wie es wohl schmeckte. Natürlich bemerkte er das und nahm, besonders langsam und genüsslich einen Schluck. Normalerweise hätte ich mich über ihn lustig gemacht, aber meine Laune war im Keller und ich hatte echt keinen Nerv dafür.

«Könnt ihr nicht. Ich bin der Einzige, der so gut wie alles weiss.»

Sein selbstbewusstes Grinsen begann allerdings zu bröckeln, als ich mich zurücklehnte und die Füsse auf dem Tisch überkreuzte, als gehörte mir die Bar. «Du bist nur die Abkürzung. Wir könnten uns die einzelnen Puzzleteile auch bei den anderen abholen und sie selbst zusammensetzen.»

«Das würde ganz schön viel Zeit in Anspruch nehmen. Nimm die Füsse vom Tisch, Catallan.»

Ich ignorierte ihn und pustete mir stattdessen eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. «Ich habe eine ganze Menge Zeit. Das Imperium versaut einem die Geschäfte, ich sitze viel herum und kann über einiges nachdenken. Zum Beispiel, bei wem von meinen Freunden ich mich über deine unverschämte Verhandlungstaktik ausweine. Dann hast du auch ganz schön viel Zeit zum Nachdenken.»

«Du würdest es nicht wagen, mir den Ruf zu zerstören!», empörte sich George.

Ich wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, sehr wohl wissend, dass ich schon längst gewonnen hatte. «Ich weiss nicht so recht. Du hast mich schon ein paar Mal verärgert.»

«Tja, dann war das eben so. Von mir erfährst du nichts.» Er trat gegen ein Tischbein und brachte mich so dazu, die Füsse von der Tischplatte zu nehmen.

Ich hob allerdings nur eine Augenbraue, nur, um dann aufzustehen und Ulean zu bedeuten, mir zu folgen. «Komm, Cousinchen, hier gibt's nichts mehr für uns zu holen. Gehen wir weiter. Zu Quentin.» Ich grinste George zu, denn ich wusste genau, dass Quentin sein verhasstester Konkurrent war. Gerüchten zufolge hatten sie einmal zusammengearbeitet, aber Einer der Beiden hatte den Anderen verraten, was sie beide beinahe umgebracht hatte. Seitdem konnten sie sich nicht mehr ausstehen. Keine allzu seltene Geschichte.

Es war so klar, dass er gleich einknicken würde, obwohl ich mit dem Rücken zu ihm stand und so tat, als wollte ich gehen, konnte ich seinen rechten Mundwinkel förmlich zucken sehen, so, wie er es immer tat, wenn ihm etwas nicht gefiel. Gleich würde er mich zurückrufen, gleich würde er mir mitteilen, dass er sich mit dem üblichen Betrag zufriedengeben würde....

Ulean aber blieb sitzen. Erstarrt wie eine Salzsäule starrte sie George an.Dann holte sie tief Luft und sagte zum allerersten Mal etwas: «Wir tun, was Sie wollen. Wir zahlen Ihren Preis.»

George warf mir einen überraschten Blick zu, den ich perplex erwiderte. Ich hatte Ulean doch eingebläut, keinen Mucks von sich zu geben, wenn sie schon mitkommen musste, um sicherzustellen, dass ich nicht abhaute.

«Bitte, was?», fragte George sie und Ulean wiederholte tatsächlich noch einmal ihre Worte. Das Bedürfnis, ihr auf den Fuss zu stehen, um ihr klarzumachen, dass sie eine Dummheit begangen hatte, war riesig, aber ich hielt mich zurück. Das würde jetzt auch nicht mehr helfen, denn würde ich zurücknehmen, was Ulean sagte, dann verstiesse ich gegen eines der Grundlegendsten Gesetze der Unterwelt: Ein Vertrag, der entweder mündlich oder schriftlich abgelegt, eine Bedingung, die akzeptiert wurde, oder ein Versprechen, das abgelegt wurde, konnte nicht mehr zurückgezogen werden. Sicher, man konnte auf dubiose Arten versuchen, sich vor der Erfüllung des Vertrages zu drücken, aber meist nahm das kein schönes Ende.

«Wenn das so ist», George grinste schmierig, «dann kann ich euch die Informationen natürlich geben.»

Ich warf ihm einen eisigen Blick zu und schleuderte meinen Zopf frustriert über meine Schulter. «Was. Willst. Du?»

«Ich denke, das weisst du ganz genau», antwortete er und wedelte mit einem altmodischen Lügendetektor in der Luft herum. «Und ich weiss, wann du mir Blödsinn erzählst.»

Ich seufzte frustriert. Na ganz toll. George würde mich auspressen wie eine Zitrone und ich konnte noch nicht einmal lügen. Er würde ganz sicher ziemlich persönliches Zeugs fragen, denn es gab immer Käufer, die mehr über einen bestimmten Schmuggler oder Kriminellen  herausfinden wollten. Ich war so was von verloren. Hätte ich Thaer doch einfach sterben lassen, dann wären wir jetzt wohl beide an einem besseren Ort. Oder jedenfalls in einer besseren Situation.


«Catallan! Catallan, warten Sie doch», versuchte Ulean mich zu bremsen.

«Du kannst mich duzen, Ulean», grummelte ich. «Ich komme mir sonst immer so seltsam vor, wenn du so formal bleibst.»

«Ich... Danke. Aber Catallan, wieso bist du denn so wütend? Er hat doch nur ein paar Fragen gestellt! Das ist doch besser, als wenn er Geld für die wenigen Informationen, die er über Padmé Solo hatte, verlangt hätte.»

Ich schüttelte mürrisch den Kopf. Es wurde langsam dunkel auf dem Planeten und meine Laune lag gerade irgendwo neben dem Planetenkern. «Nur ein paar Fragen? Diese paar Fragen können mir in dieser Brache den Kopf kosten, Ulean! Ich habe schon einmal gehört, dass jemand draufgegangen ist, weil er einem Kollegen sein Lieblingsessen verraten hat.»

«Aber du hast doch nicht wirklich etwas preisgegeben... Noch nicht einmal geäussert hast du dich, zu einigen Fragen.»

«Er weiss trotzdem genug. Hast du eine Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, um mir eine einigermassen akzeptable Anonymität zu schaffen? Ausserdem wäre er sowieso eingeknickt. Er knickt immer ein. Du hättest nur auf mich zu hören brauchen, nichts sagen.»

Uleans Schultern zuckten nach unten. «Es tut mir wirklich leid, Hannah. Ich wusste es wirklich nicht.»

Ich warf ihr einen warnenden Blick zu. "Catallan. Ich heisse Catallan." Wir schlugen die Richtung zum Hafen ein, wo der Rest der Rebellen auf uns warten würde. Die meisten hatten noch etwas anderes erledigt, aber bis wir dort ankamen, würden sie schon längst wieder dort sein. Ich trat einen Kieselstein aus dem Weg, frustriert, dass ich so viel für die Rebellen riskierte, wenn auch ungewollt. Dann überwand ich mich und versuchte, einigermassen nett zu sein, denn Ulean hatte wohl nicht besonders viel Erfahrung mit Geschäften, die man in der Unterwelt abwickelte. «Es hätte schlimmer kommen können», grummelte ich. «Viel Schlimmer. Du kannst also noch froh sein.»

Ulean betrachtete mich von der Seite. «Sag mal, Catallan, warum hast du mich nicht als deine Schwester ausgegeben?»

«Du siehst mir nicht ähnlich.»

«Aber er wusste sowieso, dass du gelogen hast. Also hättest du mich auch als deine Schwester ausgeben können.»

«Geschwister sind... nichts, an dass ich erinnert werden möchte.»

«Aber warum nicht, wenn du nie welche hattest?»

«Ein guter Freund von mir...», ich zögerte, es auszusprechen, eine so grosse Lüge auszusprechen, denn, sollte ich sie vergessen, hatte ich ein grosses Problem. Ich hatte auch keinen Zweifel, dass Ulean Mon Mothma Bericht erstattete. «Ein guter Freund von mir hatte einen kleinen Bruder, der ins Imperiale Militär eingezogen wurde. Mein Freund nicht, da er Probleme mit dem Gehen hatte. Sein kleiner Bruder war wirklich, wirklich süss, sehr freundlich und lustig.»

 «Was ist passiert?», hakte Ulean nach, als ich schwieg.

«Knapp einen Monat später kam die Nachricht. Er ist nie nach Hause zurückgekehrt. Irgendein wütender Bauer hat ihn erschossen.»

Ulean sah auf ihre Schuhe. «Das tut mir leid.»

«Ich habe doch schon gesagt, es erwischt jeden Mal», knurrte ich, unwillig, weiter daran zu denken, was ich versuchte, mit dieser Geschichte zu verschleiern. «Ihn hat's nur früher als die Anderen erwischt.»

«Und trotz dieser Einstellung hast du den Imperialen gerettet. Wenn ihr nicht zusammen seid, wieso dann?», fragte Ulean beiläufig.

Ich lachte auf. «Du bist ganz schön stur, weisst du das? Nein, wir sind nicht zusammen. Ich finde nur...», ich zögerte. «Ich denke nur», begann ich von neuem, «das man alles versuchen sollte, um jemanden am Leben zu erhalten.»

«Aber du bist doch der Meinung, dass es jeden einmal erwischt...»

«Den Zeitpunkt kann man selbst bestimmen, Ulean, in dem man hilft. Wenn jemand aber schon tot ist, dann kann man nichts mehr tun, als trauern und das hilft weder einem selbst noch der verstorbenen Person.»

«Das klingt, als hättest du schon einige betrauert», stellte Ulean fest.

Ich schnaubte. «Mit allem nötigen Respekt, Ulean, aber das geht dich gar nichts an.»

Sie zuckte zurück, als hätte ich sie geschlagen. «Ich... ja, natürlich. Tut mir leid, wenn ich dir zu nahegetreten bin.»

«Konntest es ja nicht wissen», grummelte ich. Normalerweise hätte ich sie angebrüllt, aber sie hörte sich an wie ein getretenes Haustier und ich brachte es nicht über mich, auch wenn ich ziemlich sauer auf sie war. Ich wollte ihr gerade lang und breit erklären, was es eigentlich mit der Anonymität der Kriminellen auf sich hatte, als ich auf einmal in einem Fenster etwas hinter uns entdeckte. Zwei Gestalten, die hinter uns her liefen, immer wieder in verschiedenen Grüppchen untertauchend, aber immer hinter uns bleibend, wie zwei etwas verschobene Schatten. Ich beobachtete sie noch einige Sekunden länger, dann lachte ich auf, als hätte mir Ulean gerade einen Witz erzählt. «Wir werden verfolgt», meinte ich grinsend.

Sie starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. «Bitte, was?»

«Tu so, als würdest du dich prächtig amüsieren», bat ich sie, immer noch grinsend, wie eine Idiotin. "Und versuch, so unschuldig wie möglich auszusehen. Wir machen einen Umweg, bevor mir zum Hafen gehen, sonst schnappen sie uns alle."


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