Kapitel 10:
Thaer staunte nicht schlecht, als sie die lärmige Bar betraten. Sicher, vor seiner Zeit als Sergeant war er öfters in Bars gewesen, aber das war jetzt schon eine Weile her, denn das Imperium hatte jedem verboten, der kein einfacher Soldat war, in seiner Freizeit Abstecher in solche Einrichtungen zu machen. Sie hatten gefürchtet, dass man, betrunken natürlich, wichtige Informationen herausrücken könnte. Auch Thaer als Sergeant war betroffen gewesen, obwohl er nicht ganz einsah, wieso, da er nun wirklich kein grosser Fisch gewesen war.
Er hörte jemanden hinter sich kichern. «Das erste Mal in einer Bar, Frischling?», fragte eine Rebellin. Nachdem sie ihn in den neuen Kleidern gesehen hatten, verlegten sich die Rebellen von «Truppler» auf «Frischling», vor allem wahrscheinlich deswegen, weil sie nicht genau wussten, was Thaer mit dem Stab alles anstellen konnte. Und, weil sie das ganz sicher auch nicht herausfinden wollten, vor allem nicht nach seiner Vorführung, bevor sie losgeflogen waren.
«Nein, ich war nur lange Zeit nicht mehr in einer.»
«Verbot des Imperiums?», kam es stichelnd von einem anderen Rebellen.
«Ja», antwortete Thaer schlicht. Er würde ihnen nicht erklären, was mit jemandem passierte, der beim Besuch einer Bar erwischt wurde, obwohl er es nicht durfte. Er hatte es schon oft genug miterleben müssen. «Also, was machen wir hier? Ich denke kaum, dass ich hier bin, um mich mit euch zu betrinken.»
Verhaltenes Lachen. «Tja, das Trinken ist ein angenehmer Nebeneffekt von diesen Jobs. Unsere Informanten sind meistens in Bars wie solchen zu finden", kam es zurück.
«Wieso bin ich dabei?», fragte Thaer erneut.
«Weil diese Jobs ziemlich gefährlich sind. Der Informant könnte immer einer vom Imperium sein. Mit Ihnen, Frischling, haben wir gleich zwei Vorteile: Sie sind ein exzellenter Kämpfer und sie wissen, wie sich Imperiale verhalten», erklärte Captain Andrews.
«Sie meinen, ich soll einen möglichen Spion identifizieren, wenn mir das allerdings nicht gelingt und es eine Falle ist, dann soll ich Ihnen den Weg zurück ermöglichen.»
«Genau», antwortete der Captain.
Thaer nickte verstehend. Er kannte diese Art von Job. Als Hüter hatte er ihn früher oft ausführen müssen, für jemand anderen den Verbrecher identifizieren. «Wer ist unser Informant?», hakte er nach.
«Entspann dich, Frischling», spöttelte einer der Rebellen, «und hol dir was zu trinken. Du bist ganz schön auffällig in einer Bar, wenn du nichts trinkst.»
«Ich trinke nicht.»
«Das ist egal», mischte sich Andrews erneut ein, «Sie müssen nur ein Getränk in der Hand halten.»
Thaer nickte erneut. «In Ordnung. Was würden Sie mir empfehlen, Cap?»
Der Mann schmunzelte, als hätte Thaer einen guten Witz gemacht. «Halten Sie sich von den nekromatischen Whiskys fern. Selbst der Geruch kann Sie betrunken machen.»
«Danke.» Thaer bestellte sich das erstbeste, was er bekommen konnte, dann nahm er das Glas in die Hand und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bartheke. Er liess seinen Blick über die ganzen Individuen gleiten, die in der Bar sassen, hielt Ausschau nach möglichen Gefahren. Einer der Rebellen stellte sich neben ihn. «Haben sie Sie hier abgestellt, um auf mich aufzupassen?», fragte Thaer nachdem er eine Weile geschwiegen hatte.
Der Rebell warf ihm einen schnellen Blick zu. «Ja», antwortete er wahrheitsgemäss, «das haben sie. Vertrauen fällt nicht vom Himmel.»
«Das ist mir klar.» Thaer starrte in sein immer noch volles Glas.
«Du bist wohl kein Trinker», stellte der Rebell fest, als er einen Schluck aus seinem Glas nahm.
Thaer schüttelte den Kopf. «Es war verpönt, damals... Sie wissen schon. Wenn man Verbrecher bekämpfen wollte, dann half es nicht gerade, betrunken zu sein.»
Der junge Mann neben ihm schnaubte amüsiert. «Das kann ich mir gut vorstellen. Siehst du irgendetwas verdächtiges?»
«Nur eine Menge betrunkene Kriminelle», meinte Thaer und seufzte.
«Du darfst mich übrigens duzen», stellte der Rebell fest. «Ich bin Ceres Hughes.»
«Ich bin ziemlich sicher, dass du weisst, wie ich heisse.»
«Ehrlich gesagt, nein. Uns wurde nur gesagt, dass ein desertierter Imperialer zu uns stossen würde, der früher früher einmal ein Hüter gewesen ist.»
«Thaer», stellte Thaer sich also vor.
«Freut mich.» Sie schwiegen eine Weile. «Weisst du, was wir hier machen?»
«Nein», antwortete Thaer. «Ich bin gerade erst dazugestossen und, wie du schon gesagt hast, Vertrauen fällt nicht vom Himmel.»
«Woran erkennt man einen Imperialen?», fragte Ceres nach einer ganzen Weile. Er hatte Thaer heimlich beobachtet und sich selbst daran versucht, aus den Gesten der Leute zu schliessen, wer sie waren, war aber kläglich gescheitert. Jetzt wollte er wissen, wie es wirklich funktionierte.
«Sie können nicht schiessen», antwortete Thaer mit einem leicht amüsierten Unterton, auf einen überall bekannten Witz anspielend.
Ceres schmunzelte. «Nein, im Ernst, woran erkennst du einen Imperialen?»
«Körperhaltung.»
«Wirklich?»
«Einem Imperialen wurde eingehämmert, immer aufrecht zu stehen, gerade zu stehen, rhythmisch zu gehen, sich für etwas besseres zu halten als der Rest der Galaxie.»
«Wie meinst du das?»
«Ein Imperialer hat einem Bürger gegenüber viel mehr Macht, also hält er sich für etwas besseres. In den Endmonaten der Ausbildung wird einem quasi eingehämmert, den Leuten seine Machtposition zu zeigen.»
«Du hast diese Ausbildung also auch durchlaufen?», versuchte sich Ceres Klarheit zu verschaffen.
Thaer meinte, Zurückhaltung in seiner Stimme zu hören, als wäre er sich nicht sicher, was er davon halten sollte. «Nicht die ganze. Deshalb unterscheidet sich meine Körpersprache auch von der von den meisten anderen.»
«Du kannst deine eigene Körpersprache analysieren?»
«Es war früher Pflicht, sich jede Woche einmal im Spiegel zuzuschauen oder ein Holovid von sich machen zu lassen, um seine eigene Körpersprache zu analysieren. Auch Hüter hatten zu Beginn eine sehr spezielle Körpersprache, deswegen musste man es sich abgewöhnen, anders zu wirken, als andere.»
«Das hat wohl die Verbrecher abgeschreckt.»
«Stell dir vor, du willst illegale Geschäfte machen, die Gefahr, dass ein Hüter dich schnappt ist gross und dein Gegenüber verhält sich so, wie sich nur ein Hüter verhält. Das ist nicht gerade fördernd dafür, einen Kriminellen dazu zu bringen, freiwillig und unwissentlich zu gestehen.»
Ceres lachte. «Das kann ich mir vorstellen.» Auf einmal tauchte Captain Andrews aus der Menge auf und machte ein Handzeichen in ihre Richtung. Ceres seufzte. «Sieht so aus, als müssten wir los. Sie haben wohl den Informanten gefunden. Ist schliesslich schwierig genug in einer vollen Bar.»
Thaer nickte und sah zu, wie Ceres sein Glas leerte, dann folgte er ihm zu Captain Andrews und dem Informanten. Der stellte sich als kleiner Rodianer heraus, der ziemlich nervös wirkte. «Die Standartgrösse des Imperium hat er schon einmal unterschritten», flüsterte Thaer Ceres zu, der danach Mühe hatte, Ernst zu bleiben.
«Heisst das viel?»
«Nein, das ist nur ein Kriterium des Imperiums.»
«Und wenn er einfach eingeschüchtert wurde, um dann für sie zu spionieren?»
«Noch einfacher auszumachen. Genauso wie Freiwillige.»
«Ich wette, du sagst wieder Körpersprache», vermutete Ceres.
«Das auch, aber vor allem die Präsenz, die sie ausstrahlen. Wenn du dich gut darauf achtest, dann strahlt jeder von uns eine gewisse Präsenz aus und die ist sehr persönlich. Allerdings wird sie von gewissen Faktoren beeinflusst, die man, wenn man sie kennt, ausmachen kann. Einer davon sind auch die Emotionen, also auch Angst oder Abscheu, falls es ein Engeschüchterter oder ein Freiwilliger ist.»
«Und?»
«Bis jetzt noch nichts. Ich muss ihn sprechen hören.»
Ceres nickte Captain Andrews zu, der verstand und das Gespräch begann. «Sie sagten, sie hätten Informationen für uns?», fragte er.
Der Andere antwortete auf Basic, auch wenn Thaer eher erwartet hatte, er würde Rodianisch sprechen. Und dann ging ihm auf, dass es ganz und gar kein «Er», sondern eine «Sie» war. «Sie haben mir gesagt, ich solle Sie holen, wenn ich Neuigkeiten habe. Ich habe tatsächlich welche.»
Captain Andrews warf Thaer einen Blick zu, der bedächtig nickte und dem Captain so zu verstehen gab, das die Rodianerin nicht für das Imperium arbeitete.
«Er sollte vorsichtig sein», murmelte Thaer, eher an sich selbst gerichtet als an jemand anderen, «ihr kann man nicht trauen.»
«Das weiss Andrews ganz sicher», beruhigte ihn Ceres. «Von Kriminellen haben wir schon oft wichtige Informationen bekommen. Ausserdem: Technisch gesehen sind wir genauso kriminell wie die meisten Leute hier.» Thaer nickte leicht. So hatte er es noch gar nicht gesehen. «Wie hast du eigentlich diese Schmugglerin kennengelernt?», fragte Ceres neugierig und riss Thaer damit aus den Gedanken.
«Wie bitte?»
«Diese Schmugglerin, die sie ins Lager mitgebracht haben und die sich dauernd mit dem General in den Haaren liegt. Die, die für dich mitgekommen ist, natürlich. Ich muss zugeben, eine Schmugglerin und ein Imperialer ist...» Thaer warf ihm einen warnenden Blick zu, den Ceres komplett fehlinterpretierte, «Entschuldige, ich meinte natürlich: Eine Schmugglerin und ein Hüter, das ist eine wirklich seltsame Kombination. Hat es denn funktioniert?»
«Wir sind nicht zusammen», grummelte Thaer. «Wie ich schon all den anderen Leuten gesagt habe, die das fälschlich angenommen hatten.»
«Wieso ist sie dann für dich mitgekommen?»
«Keine Ahnung, Hughes. Wenn ich ehrlich bin, dann durchschaue ich sie nicht so ganz.»
Ceres warf ihm einen ungläubigen Blick zu. «Du und jemanden nicht durchschauen? Mit deiner Ausbildung?»
«Sie hat ein exzellentes Pokerface. Und nicht nur das: Sie ist quasi ein leeres Blatt, ihre Körpersprache sagt einfach nichts über sie aus, gar nichts und ihre Präsenz will gar nicht zu dem passen, wie sie sich verhält.»
«Oh», stellte Ceres fest, «also habt ihr was gemeinsam angefangen, weil sie dir ein Rätsel ist. Glaub mir, mein Freund, diese Beziehungen halten nicht besonders lange.»
«Wir sind in keiner Beziehung!»
«Sonst kann ich mir nicht erklären, wieso sie mitgekommen ist!»
«Das weiss ich genauso wenig.»
«Vielleicht solltest du das Mal mit ihr klären. Das steht einer Beziehung immer im Weg, wenn man den anderen nicht versteht.»
«Ich habe nicht vor, eine Beziehung mit ihr anzufangen!», stellte Thaer heftiger als nötig fest und stellte plötzlich fest, dass sie ziemlich viele Blicke auf sich gezogen hatten. Eigentlich alle, ausser die des Captains und der Informantin.
«Das wird schon wieder», stellte einer der Rebellen fest. «Wenn wir zurückgehen, dann führt ihr ein ausführliches Gespräch.»
«Aber...»
«Jetzt weiss ich es!», stellte eine Rebellin fest, «Sie hat ihn irgendwie verletzt und deswegen ist er wütend auf sie!»
«Nein, ich...», versuchte Thaer zu widersprechen.
«Oh ja», meinte ein anderer Typ, der wahrscheinlich noch nicht einmal zu den Rebellen gehörte, «und jetzt will sie sich nicht entschuldigen oder sie weiss gar nicht, dass sie ihn verletzt hat.» Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten.
Thaer sah sich ungläubig um. «Seid ihr jetzt fertig, mir eine Beziehung mit Hannah Catallan zusammenzudichten? Da ist nichts!»
«Das sagen alle, Frischling», grinste einer der Rebellen, was zu grossem Amüsement bei den anderen führte.
Thaer verdrehte die Augen. «Ich geb's aus», seufzte er. «Glaubt doch, was ihr wollt.» Mittlerweile hatten der Captain und die Rodianerin das Gespräch beendet und Thaer sah gerade noch, wie ein Haufen Credits den Besitzer wechselte, dann stand die Informantin schon auf und verschwand in der Menge.
«Und, Cap, schon was herausgefunden?», fragte einer der Rebellen.
«Möglicherweise. Wir werden die Spur morgen weiterverfolgen, aber zuerst kehren wir ins Nest zurück», antwortete Andrews. «Wir gehen, Leute. Trinkt euren Drink aus und versucht, euch nicht allzu betrunken aufzuführen, sonst werden wir letzten Endes noch von einem Imperialen Trupp wegen Trunkenheit aufgegriffen.»
Sein Kommentar sorgte erneut für grössere Erheiterung, jemand nahm Thaer den unberührten Drink aus der Hand und kippte ihn selbst hinunter. «Danke fürs Halten!», murmelte der Rebell, der dafür verantwortlich war. Überraschenderweise konnte Thaer allerdings kein einziges Anzeichen von Trunkenheit bei ihm feststellen, der Mann lallte noch nicht einmal.
«Keine Ursache», antwortete Thaer.
Während sie auf dem Weg zurück zum Hafen waren, nahm Captain Andrews ihn kurz zur Seite: «Sie sollten wirklich einmal mit dieser Schmugglerin reden. Es ist nie schön, junge Liebe zerbrechen zu sehen.»
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