56. Kapitel
Kapitel 56
"Müssen wir uns heute wirklich schon wieder mit ihnen treffen?"
"Ja. Oder möchtest du nicht?"
"Nicht wirklich.", sagt Jisung, sieht auf seine Hände. Seid der Panikattacke vor ein paar Tagen ist er wieder mehr ins Loch gerutscht.
Er möchte einfach niemanden außer Minho sehen, weshalb er wieder nicht mehr in der Schule ist und es generell meidet rauszugehen- zu groß ist die Angst, dass er wieder zurück in alte Gewohnheiten verfällt- oder schlichtweg Jackson begegnet.
Zudem hat er Angst dass Niki unheimlich enttäuscht von ihm sein würde, wenn er wieder Drogen nehmen würden.
Niki hatte einen guten Grund dazu, doch er hatte ja auch eine unheimlich schmerzhafte Krankheit.
Jisung dagegen hat so einen großen psychischen Schmerz, dass dieser fast unerträglich wird, sodass er Minho immer mehr von sich stößt, einfach nicht auf all die Liebe, die er von ihm bekommt, klarkommen kann.
Es ist ihm einfach alles zu viel und er schafft es nichtmal mit seinem Freund darüber zu reden.
Doch tut er Minho damit weh, sodass dieser wieder daran zweifelt ob er gut genug für Jisung ist und langsam aber sicher die Geduld verliert.
Er ist schließlich immer für diesen Jungen da, warum also kann er ihm nicht sagen was mit ihm los ist?
Ohne dass der Lilahaarige es merkt, fährt er immer mehr hoch, bis er seinen Frust einfach nicht mehr länger für sich behalten kann.
"Ganz ehrlich Jisung, was ist eigentlich dein scheiß Problem?" fragt Minho, sieht seinen Freund genervt an.
Er versteht nicht wieso Jisung sich gerade so benimmt wie er sich benimmt. Dazu noch seine eigene schlechte Laune, welche das alles nicht mit macht.
Alles wegen seiner dummen Mutter, welche ihn heute früh wieder abgefuckt hat.
Kann Jisung nicht sehen, dass es ihm ebenfalls nicht gut geht?
Er kann gerade einfach nicht der starke sein und er wird noch durchdrehen wenn er seinen Freund nicht bald wieder zum Lächeln bringen kann.
Jisung jedoch zuckt bei Minhos Ton heftig zusammen und sieht ihn entschuldigend an.
„T-Tut mir l“-
Minho unterbricht ihn jedoch, indem er ruckartig aufsteht und Jisung einen genervten Blick zu wirft, der ihm verängstigt von seinem Bett aus entgegenblickt, was Minho jedoch überhaupt nicht auffällt.
„Jetzt hör endlich auf dich zu entschuldigen, es nervt! Du bist übrigens nicht die einzige Person, der es gerade schlecht geht, also raff dich auf und geh endlich wieder raus! Die anderen machen sich Sorgen um dich und ich übrigens auch.“
-Das weiß Jisung doch auch alleine.
Doch will seine Psyche da absolut nicht mitmachen.
Er kann sogar verstehen warum Minho so sauer ist, schließlich muss es unheimlich anstrengend sein mit einem seelischen Wrack wie ihm klarzukommen, wenn er auch noch Stress mit seiner Mutter hat oder was weiß Gott noch alles.
Hat Jisung eigentlich auch nur einmal gefragt wie es seinem Freund eigentlich geht?
-Natürlich nicht.
Wie denn auch wenn die Stimme in seinem Kopf ihn absolut fertig macht?
Doch Minho war anscheinend noch nicht fertig.
„Weißt du eigentlich wie anstrengend es an manchen Tagen ist, dich zu lieben, Jisung? Wie viel Angst ich immer um dich habe, besonders jetzt, wo du mich nicht an dich ran lässt? Und weißt du was das ironische ist? Es tut nicht nur so weh, weil ich dich so sehr liebe. Ich will dass es dir gut geht, denn wenn es dir schlecht geht, geht es mir auch schlecht und das ist jetzt gerade einfach zu viel… Deswegen…“
Der Lilahaarige holt tief Luft, während Jisung ihn nur vollkommen erschöpft ansieht, gar nicht in der Lage ist all die Informationen in seinem Kopf richtig zu verarbeiten.
Ehrlich gesagt, fühlt er in diesem Moment absolut gar nichts, sodass die Worte seines Freundes einfach stumpf an ihm abprallen.
„Deswegen brauche ich gerade etwas Zeit für mich, tut mir leid, mein kleines Eichhörnchen. Ich melde mich, wenn ich mich wieder beruhigt habe, versprochen, aber das kann noch ein paar Tage dauern. Ich sollte jetzt gehen, bevor ich dich noch mehr verletze. Aber bei Gott, bitte rede endlich mit jemanden, auch wenn ich wohl eindeutig nicht die richtige Person dafür bin.“
Somit rennt der Lilahaarige aus dem Zimmer seines Freundes und knallte danach einfach die Haustür zu, während ihm vor Wut schon längst immer mehr Tränen die Wangen herunterlaufen.
Das Jisung das abbekommt war nie seine Absicht gewesen.
Doch gerade muss er raus, braucht Abstand.
Sonst macht er noch mehr scheiße und verliert Jisung damit endgültig.
Er war noch nie gut mit Gefühlen und jetzt gerade ist alles einfach zu viel auf einmal- etwas was Jisung gerade nicht verstehen kann, da er ja gerade völlig abwesend ist.
Dass Minho nicht an ihn rankommt macht ihm unheimliche Angst, sodass es ihm die Luft zum Atmen raubt und ihn all die schrecklichen, ungerechten Dinge gerade sagen lassen hat.
Letztendlich findet er sich im Tanzstudio, wo auch immer Minho tanzt, wieder, da er seine Emotionen, die ihn wahnsinnig machen irgendwie loswerden muss und das geht am besten für ihn beim Tanzen.
Dabei hat er keine Ahnung was er eigentlich gerade ausgelöst hat…
Und wenn er es gewusst hätte, hätte er das alles niemals getan.
Jisung dagegen sitzt eine ganze Weile wie versteinert auf seinem Bett, kann keinen einzigen Muskel rühren.
Sein Körper zittert unkontrolliert und dieses altbekannte Gefühl kommt wieder hoch.
Dieses Gefühl dass ihm alles egal ist, weil Minho ihm gerade förmlich ins Gesicht geschrien hat, dass seine Liebe zu ihm ihm nur wehtut und dass Jisung und seine Probleme zu viel für ihn sind- etwas was Jisung zwar immer schon geahnt, aber nie laut ausgesprochen hat.
Doch jetzt, wo sein Soulmate und Rettungsanker auch weg war, braucht er etwas, was diesen Schmerz in seiner Brust taub werden lässt- ihn alles vergessen lässt.
Und da ist der einzige Ausweg die Drogen.
Er sieht auf sein Handy, öffnet Kontakte, möchte Jackson anrufen, dann scrollt er weiter zu Minhos Namen, hätte schließlich fast Jeongin angerufen, doch letztendlich zieht er seine Schuhe an und geht raus mit einem ganz bestimmten Ziel im Kopf.
Er wird sich zwar später dafür hassen, doch er braucht gerade einfach die Drogen, um seine viel zu lauten Gedanken endlich zum schweigen zu bringen.
Und trotzdem hört es nicht auf, lässt seine Stimme und Gedanken immer lauter werden.
- Das alles ist deine Schuld, Han Jisung. Du hast es auch geschafft, die Person, welche dich, warum auch immer, liebt, endgültig zu zerstören. Wie ist es so? Fühlst du dich jetzt gut?-
Ohne es zu merken, läuft er in die Gegend, in welche er nie wieder hin gehen wollte, weint dabei bitterlich.
Wahrscheinlich sehen ihn deswegen alle so an, als wäre er ein Alien, welches gerade auf die Erde gefallen ist.
Doch haben ihn seine Füße einfach dahin getragen.
Direkt in die Gasse wo die meisten Junkies sind.
Eine Zeit lang hat er hier auch zu gehört.
Leider.
Und jetzt steht er wieder hier.
An dem Ort, an welchen er wie wieder sein wollte.
"Wenn das nicht Han ist.", ertönt es von einer altbekannten Stimme, lässt Jisung zusammen zucken, eh er sich zu der Stimme umdreht.
"Taeyong."
"Ich dachte du seist Tod."
"Dasselbe dachte ich auch von dir, aber anscheinend lebst du noch immer."
- Auch wenn du mehr als Tod ausschaust, Lee Taeyong-
Lange würde dieser Mensch nicht mehr machen, dass weiß Jisung.
"Was führt dich wieder her? Lass mich raten, du brauchst dringend Pillen, nicht wahr? Du siehst schon so verzweifelt aus~"
Leicht nickt Jisung, krallt sich in seine Jacke um die zitternden Hände nicht zu zeigen.
Tief atmet er durch, weiß nicht was er tun soll.
"Komm mit. Ich habe die perfekten für dich~. Du wirst sie lieben. Aber sag Mal, was machst du eigentlich ohne die Drogen?"
"Leben.", presst Jisung hervor. "Ich habe Freunde und bin in einer Beziehung."
"Kann ja nicht gut laufen, wenn du wieder her gekrochen kommst. Aber wie heißt es so schön? Einmal süchtig, immer süchtig."
Taeyong kramt in seiner Tasche nach einer Tüte herum, drückt sie Jisung in die Hände.
"Was ist mit Beomgyu passiert?", fragt er leise, reicht Taeyong das Geld.
Zufrieden steckt dieser das weg, als er aber die Frage realisiert hat, verdüstert sich sein Gesicht.
"Du weißt es nicht?"
"Was soll ich denn wissen?"
"Beomgyu hat Selbstmord begangen. In dem japanischen Selbstmordwald..schon vor zwei Jahren."
Jisung zuckt heftig zusammen, weiß nicht was er sagen oder fühlen soll.
Klar, er weiß nicht viel von Beomgyu, aber dieser war immer bei Taeyong in der Nähe oder auf dessen Schoß.
Die zwei hatten etwas.
Etwas was niemand so wirklich beschreiben kann.
"Das tut mir so leid.."
"Passt schon. War mir eh schon klar."
Taeyong deutet auf die Tüte.
"Sicher das du das nehmen möchtest? Du bist Clean. Jedenfalls siehst du Clean aus."
"Ist es nicht egal?"
"Mir ist es auch egal, aber du wirst es bereuen, wenn du rückfällig wirst."
Jisung zuckt nur mit den Schultern, dreht sich um und verlässt das Drogen Viertel der Stadt wieder, drückt die Tüte fest in seine Hand.
Eine Weile läuft er durch die Gegend, hat kein so wirkliches Ziel.
Eigentlich möchte er nur seine Gedanken freien Lauf lassen, irgendwohin wo niemand ist.
Schließlich merkt er wie seine Füße ihn zum Strand führen, hoch zu den Dünen, wo er eine halbe Ewigkeit schon nicht mehr gewesen war.
-Das war Nikis Lieblingsort gewesen, weshalb ganz oben auch sein Grab steht.
Er wollte nie auf einem Friedhof begraben sein- er wollte dort sein wo er frei sein konnte und Jisung muss zugeben der Ort hat wirklich etwas magisches.
Vielleicht gehen Minho und er deswegen so gerne zum Strand…
Der Gedanke an seinen Freund lässt ihn ängstlich zusammenzucken, woraufhin er fast auf einem Stein ausrutscht und sieht wie der Himmel plötzlich immer dunkler wird.
-Sollte es heute noch regnen?
Und wenn schon, das ist ihm gerade sowasvon egal.
Nach einer gefühlten Ewigkeit steht er endlich vor Nikis Grab, wo ein etwas mitgenommener Blumenstrauß steht, was einfach nur traurig aussieht- als hätte man ihn vergessen.
„E-Es tut mir so l-leid, Niki… Ich h-hab alles kaputt gemacht… Sogar die P-Person die ich am meisten l-liebe… Warum h-hast du mir nur M-Minho geschickt? Er ist d-d-doch viel zu gut für mich…“ schluchzt der Orangehaarige, während seine Beine nachgeben und er vor dem Grab auf die Knie fällt, sanft über den Grabstein streicht, nichtmal spürt wie es immer heftiger anfängt zu regnen.
Er muss jemanden anrufen, sonst dreht er vollkommen durch und tut etwas vollkommen dummes…
Zum Beispiel wirklich diese Drogen in seiner Hand zu nehmen.
"H-Hilfe...", schluchzt Jisung zitternd in den Hörer als die Person am anderen Ende der Leitung abgehoben hatte.
"Ich brauche deine Hilfe...ich will schon wieder Drogen nehmen. Dieser Drang ist so schlimm...bitte hilf mir...Ich möchte nicht rückfällig werden, aber ich habe mir eine Tüte mit Pillen gekauft... Es tut alles so weh...ich habe alles kaputt gemacht...Hilf mir...bitte...", stottert er irgendwas zusammen, sieht auf das Meer, lässt stumm die Tränen laufen.
Wenn er es nicht nehmen möchte, wieso hat er sie sich dann gekauft?
Irgendwas hat sich sein Kopf doch dabei gedacht.
Achja stimmt.
Den Schmerz betäuben.
Er möchte den ganzen Schmerz betäuben und alles vergessen.
Wenigstens für fünf Minuten.
Jisung sieht auf die Tüte, betrachtet die Pillen da drinnen.
"Wo bist du?"
"Bei Niki." schnieft Jisung, sieht auf das Grab vor sich.
"Ich bin gleich da...bleib da und Ji?"
"Mhm?"
"Nimm sie bitte nicht. Du bist stärker als das. Du bist stärker als der Drang diese Drogen zu nehmen."
Da ist sich Jisung gar nicht so sicher.
Er ist schwach.
Sehr schwach sogar, vor allem jetzt wo er Minho so zerstört hatte.
Wo er ihre Beziehung kaputt gemacht hat, mit dem wie er nun einmal ist.
Das alles ist seine Schuld.
Wäre er nicht so wie er ist, hätte er Minho nicht so kaputt gemacht...
Er ist so schwach...
Und seine nächste Tat beweist es auch ziemlich gut, erträgt den Schmerz endgültig nicht mehr und öffnet die Tüte. Davor hat er das Telefonat einfach beendet.
Zitternd sieht er auf die Pille, eh er sie sich in den Mund steckt.
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