Selbstgeschaufelte Gräber

• Regulus Black •

„You were the perfectly told story
that was never written."

Regulus wusste nicht, ob es er gutheißen sollte wieder zuhause im Grimmauldplatz zu sein. Es war nicht so, dass er sich nicht wohl fühlte; im Gegenteil, dies war sein gewohntes Umfeld. Doch die ständigen, heftigen Streitereien zwischen Sirius und seiner Mutter führten dem jungen Black immer wieder vor Augen, wie kaputt doch seine Familie war.

Als er nach Monaten wieder sein Zimmer betreten hatte, schien es, als wäre er nie fort gewesen. Die dicken, goldgeprägten Exemplare über Mondstudien, in denen Regulus die gesamten Sommerferien über fasziniert gelesen hatte, lagen seit jeher unberührt neben seinem Bett. Allein die dünne Staubschicht auf dem Einband des obersten Exemplars ließen auf seine Abwesenheit schließen.

Auch Sirius hatte sich, wie schon in den Ferien zuvor, in seinem Zimmer verrammelt und schien nicht das geringste Bedürfnis zu verspüren mit ihm oder dem Rest der traditionellen Familie Zeit zu verbringen. Zu diesen Augenblicken war es gespenstisch still im Hause der Blacks. So still im Vergleich zu dem Donnerwetter, welches folgen würde, sobald sein Bruder sich doch dazu entscheiden sollte das Zimmer zu verlassen und einem seiner Elternteile über den Weg laufen würde.

Regulus genoss die Ruhe, doch ein Teil von ihm konnte sie gleichzeitig nicht mehr ertragen. Unschlüssig ließ er seine grauen Augen über die silber-grünen Slytherinbanner schweifen, die er in dem kleinen Zimmer aufgehängt hatte, ehe sie an dem Familienwappen oberhalb seines Bettes hängen blieben.

Toujours pur

Das war seine Familie in der Tat; immer sauber, stets unbefleckt. Ein Motto, welches er von klein auf eingetrichtert bekommen hatte und auch nicht strebte zu brechen. Nicht so wie Andromeda, die den muggelstämmigen Ted Tonks zum Mann genommen hatte und Sirius unweigerlich ein Vorbild gewesen war. Denn sie hatte getan, was sein Bruder heute für richtig hielt.

Denn Sirius schien nichts von den Ehen zu halten, welche die Eltern für ihre Kinder abschlossen, um die Reinheit des Blutes zu wahren oder gar ihren Status zu erhöhen. Laut ihm sollte jeder einmal die Person heiraten, die er liebte. Unabhängig von dem Blutstatus, Machtstellung oder des Geldes und nicht allein aufgrund des Reinblutwahns der Familie. Wenn es nach ihm ginge, dann hatten die Eltern bei so etwas kein Mitspracherecht.

Regulus wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Auch er wollte gewiss nicht mit jemandem, den er kaum ausstehen konnte, sein Leben verbringen. Doch seine Cousine Narcissa und Camilles Bruder Lucius waren wohl das perfekte Beispiel, dass auch beides ging. Jemanden zu lieben und gleichzeitig die Familie stolz zu machen.

Der junge Black hatte sich mittlerweile an seinem Schreibtisch niedergelassen und die Hände ineinander gefaltet. Seine helle Haut strahlte in dem schummerigen Licht so hell wie Elfenbein, während seine grauen Augen aus dem hohen Zimmerfenster gerichtet waren. Grimmauldplatz Nr.12 lag im Schatten der Dämmerung und die Nacht schlang gerade ihren dunkelblauen Schleier um London.

Sein Blick floh in die Ferne, weit über die gleißenden Lichter der Großstadt hinaus und blieb schließlich an einem hellen Fleck am Himmel kleben. Es war eine Eule, die sich ihren direkten Weg zum Grimmauldplatz Nr.12 bahnte. Regulus öffnete das Fenster, denn eine weitere Zaubererfamilie lebte nicht in der Gegend, sie musste also den Weg wegen der Blacks auf sich genommen haben.

Tatsächlich sollte die Schleiereule kurze Zeit später auf dem Fenstersims landen. Ehrfürchtig streckte sie ihm ihr Bein entgegen, an dem eine Rolle feinstes Pergament gebunden war. Das Siegel der Malfoys mit den zwei Drachen darauf, erkannte der Dunkelhaarige sofort. Camille. Sie hatte ihn vorgewarnt, dass sie ihm schreiben würde, doch mit einer solch frühen Antwort hatte er nicht gerechnet. Immerhin hatten sie sich vor wenigen Stunden das letzte Mal persönlich gegenübergestanden.

Regulus' Hände zitterten ein wenig vor Aufregung, weswegen es ihm im ersten Moment schwerfiel, den Brief vom Fuß der Eule zu binden, die ihn aus ihren gelben Augen vorwurfsvoll anstarrte. Kaum hatte er den Knoten gelöst, hüpfte das Geschöpf der Nacht auf den Fensterrahmen und verschwand ungeduldig wieder in der aufkommenden Dunkelheit, ohne sich seine Belohnung abzuholen. Doch womöglich wurde das prächtige Tier ohnehin genug in dem reinblütigen Haushalt verhätschelt oder aber es wollte sich nicht länger als nötig bei ihm aufhalten.

Ein letztes Mal sog der junge Black die eiskalte Luft in seine Lungen ein, ehe er das Fenster wieder schloss und sofort wieder von dem muffigen Geruch das Hauses eingehüllt wurde, welchen er vorher gar nicht mehr wahrgenommen hatte. Mit klopfendem Herzen brach er das Siegel entzwei, dabei wusste er bereits, worüber die Blondine ihn informieren wollte. Und tatsächlich stand nicht mehr und nicht weniger in schnörkeligen Buchstaben auf dem Pergament geschrieben, als dass sie ihn aufgrund ihrer Partnerarbeit einen Besuch abstatten würde. Und das schon am nächsten Tag!

Hastig ließ Regulus seine grauen Augen durch den Raum schweifen und raufte sich das schwarze Haar. Er musste sein Zimmer aufräumen. Dabei herrschte in diesem kaum eine Unordnung. Dennoch glaubte er, dass dies nicht genügen würde. Was würde Camille über seine Einrichtung, seine Bücher und über die Bilder denken, die er an seine Wand gehangen hatte? Plötzlich kam ihm ihr Besuch wie ein Eingriff in seine Privatsphäre, seine Seele vor.

Unschlüssig stellte er sich vor die ausgeschnitten Zeitungsartikel, die er neben ein Foto der Slytherin-Quidditchmannschaft gepinnt hatte. Sie alle enthielten bloß ein Thema; Voldemort. Regulus hatte mehr über den mächtigen dunklen Lord wissen wollen, der so plötzlich aus der Versenkung vor einigen Jahren aufgetaucht war.

Ein sanftes Klopfen riss den jungen Black aus seinen Gedanken. Eilig fuhr er sich über die Falten seines Umhangs und richtete den verrutschen Kragen. Ein letzter prüfender Blick in den mit echtem Silber verzierten Spiegel, verriet ihm, dass seine Mutter nichts an seinem Aussehen auszusetzen hätte. Doch der Besucher sollte Regulus ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. „Kreacher!"

„Kreacher hat Master Regulus' Rückkehr entgegengefiebert", erklärte der Hauself ehrfürchtig und verbeugte sich so tief, dass seine lange Nase beinahe den Boden berührte. Mit einem belustigten Schmunzeln holte er das Geschöpf aus der unbequemen Position und schloss ihn daraufhin in die Arme. Der alte Elf war ihm mehr eine Familie gewesen, als seine tatsächliche es je gewesen war. Genau genommen war er sein bester Freund. Nicht, dass er dies laut vor Alaric zugeben würde.

„Kreacher hat getan, was Master Regulus ihm befohlen hat", berichtete er aufgeregt und zog aus seinem schäbigen Gewand einige zerknitterte Zettel und hielt sie ihm hin. „Alle Artikel, die über den dunklen Lord handelten, hat Kreacher für Master Regulus aufgehoben."

„Danke, Kreacher!", erwiderte Regulus und nahm die Artikel dankend entgegen, denn die Zeitungen, die Voldemort in ihren Artikeln anpriesen, waren in Hogwarts verboten. Im Tagespropheten wurde bloß über seine Schandtaten berichtet, doch nicht etwa das, wofür es sich lohnte zu kämpfen.

Ein erneutes Mal verbeugte er sich vor dem jungen Black. „Kann Kreacher sonst noch etwas für Master Regulus tun?"

Der Angesprochene seufzte und ließ ein erneutes Mal den Blick durch sein Zimmer schweifen. „Du könntest mir sagen, was ich hier verändern muss, damit ein Mädchen sich hier drin... wohl fühlt."

„E-ein Mädchen, Sir?", fragte Kreacher stirnrunzelnd noch einmal nach, als könne er es kaum fassen, dass sein Master eine solche Person empfing. Regulus seufzte bloß und ließ sich nach hinten in sein Bett fallen, welches daraufhin verdächtig knarzte und ruckelte. Doch statt sich darüber Gedanken zu machen, dass dieses Gestell kaum noch sein Gewicht trug, schlich sich ein träumerisches Lächeln auf seine Lippen. „Nicht irgendein Mädchen. Camille ist der Wahnsinn! Du musst sie bereits ein paar Mal getroffen haben, sie war früher manchmal mit ihrer Familie bei uns."

„Kreacher ist sich sicher, dass sich ein Mädchen in bloßer Anwesenheit von Master Regulus wohl fühlen wird", erwiderte der Hauself und verbeugte sich ein drittes Mal. Zwar waren seine Worte nett gemeint, doch helfen taten sie Regulus bedauerlicherweise nicht. In diesem Moment wurde die Haustür zugeschlagen und schwere Schritte, begleitet von einem Gehstock, bewegten sich durch das Untergeschoss. Es schien als wäre der Herr des Hauses von seiner Arbeit im Ministerium zurückgekehrt.

„KREACHER!", donnerte es laut und der angesprochene Elf zuckte zusammen. Regulus sah ihn enttäuscht an, doch versprach: „Wir reden heute Abend weiter, in Ordnung?"

Eifrig nickte Kreacher und löste sich mit einem letzten angedeuteten Knicks in Luft auf. Der junge Black erhob sich schwerfällig von seinem niedrigen Bett und nahm die Zeitungsartikel von dem Hauselfen näher in Augenschein. Zufrieden begab er sich mit diesen an seinen Schreibtisch aus echtem Mahagoni und wollte gerade das Relevanteste heraustrennen, da wurde er von einem Räuspern gestört.

Sirius lehnte mit einem selbstgefälligen Lächeln am Türrahmen. „Was läuft da zwischen dir und Blondie, dass sie dir sogar schon einen Besuch abstattet?"

„Eifersüchtig?", stellte Regulus die Gegenfrage und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine zu vollziehende Arbeit. Dabei entschied er nicht auf die Tatsache einzugehen, wie lange sein Bruder wohl schon vor seiner Tür gestanden haben musste, um diesen Teil der Konversation mitbekommen zu haben.

„Mach dich nicht lächerlich", spottete er und betrat mit argwöhnischem Blick das Zimmer, dabei wandte er seine Augen nicht von den Artikeln ab, die auf Regulus' Schreibtisch ruhten und an denen er gerade zu schaffen war. „Du wirst ein Todesser", stellte er schließlich mit ruhiger, jedoch zitternder Stimme fest.

„Es kann dir doch egal sein, was ich werde oder nicht werde", erwiderte er stumpf und sah nicht von den Schlagzeilen, in denen von Mord und Folter berichtet wurde, auf. Bloß aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie Sirius' sich sammelnd die Augen schloss und sichtlich Probleme dabei hatte, nicht die Beherrschung zu verlieren. „Da kommst du niemals lebendig raus", prophezeite er.

„Was weißt du schon?", schnaubte Regulus verächtlich auf und ertappte sich im nächsten Moment dabei, wie er Evan zitierte: „Es ist eine große Ehre dem dunklen Lord dienen zu dürfen."

„Du bist fünfzehn!", donnerte Sirius nun und schien seine vorigen Versuche beherrscht bleiben zu wollen über den Haufen geworfen zu haben. Ein flehentliches Funkeln trat in seine grauen Augen und er raufte sich das dunkle Haar. „Das ist keine Ehre, sondern ein Todesurteil." Er schnappte sich einen der Artikel und fuchtelte damit vor seiner Nase herum. „Ist das wirklich deine Überzeugung oder tust du das wegen unseren Eltern? Wenn sie dich dazu zwing..."

„Mich zwingt niemand dazu", fiel Regulus ihm grob ins Wort. „Aber irgendjemand muss für deine Taten geradestehen und den Ruf unserer Familie wiederherstellen! Nur so kann ich..." Er brach peinlich berührt ab und tat, als wäre er gänzlich auf das Ausschneiden konzentriert, doch seine Wangen glühten vor Scham.

„Nur so kannst du Camille heiraten", beendete Sirius für ihn den Satz und schüttelte bloß uneinsichtig den Kopf. „Mit deiner noblen Art es allen recht machen zu wollen, bringst du dich eines Tages noch ins Grab, Regulus."

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Kleine Verspätung, aber ich denke das ist bisher eines meiner Lieblingskapitel 😁

Was meint ihr? 💞

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