Eisige Winde
„How strange
to dream of you
even when
I am wide awake."
Camille war schlecht gelaunt, als sie hinter Lorraine und Alaric über die Pfade der Ländereien lief. Anders ließe sich wohl ihr zusammengekniffenes Gesicht und ihre bockigen Schritte, die sonst so federleicht über den Boden wandelten, erklären.
Es war früh am Morgen, zu früh, selbst für ihren Geschmack. Denn einen Sonntag wollte sie ungern, noch bevor der kleine Zeiger einer Uhr die Acht erreicht hatte, damit verschwenden, müde und erbärmlich fröstelnd das Quidditchfeld aufzusuchen. Die eisigen Temperaturen, die der November gebracht hatte, ließen ihr feines Gesicht einfrieren und zauberten auf ihre hellen Wangen eine verräterische Röte.
Der Morgenreif knirschte leise unter ihren festen Stiefeln aus echtem Drachenleder, als sie den vereisten und rutschigen Pfad hinunterliefen. Ein eiskalter Windstoß erfasste sie mit gewaltiger Wucht und eilig richtete sie ihre weißen flauschigen Ohrenschützer, die dieser beinahe davongetragen hatte. Dabei wäre Camille beinahe das wärmende Einmachglas aus der behandschuhten Hand gerutscht.
Es war Alarics Idee gewesen dieses mithilfe ungefährlicher blauer Flammen in eine Wärmequelle zu verwandeln und tatsächlich erfüllte es seinen Zweck und war wohl einer der Gründe, der sie davon abhielt, zurück in ihr warmes Daunenbett zu flüchten.
„Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht, Camille", rief Lorraine ihr über die Schulter hinweg zu und zog beleidigt ihre Unterlippe vor. Zwar hatten die beiden Blondinen sich noch immer nicht ausgesprochen, doch es schien als wäre ihre Auseinandersetzung vorerst in den Hintergrund gerückt, denn sie taten als wäre nie etwas geschehen. Camille seufzte, so ging es in den reinblütigen Familien meist zu statten. Doch sie war froh eine ihrer besten Freundinnen zurück zu haben, auch wenn sie diese mit einem Mitglied einer verfluchten Familie teilen musste; Garreth Greengrass.
„Ihr wisst ganz genau was ich von Quidditch halte; es ist mir zwar nicht egal wie wir gegen Gryffindor abschneiden, doch hätte ich die Wahl, würde ich gerade lieber am warmen Kamin sitzen", merkte Camille fröstelnd an und umschlang das warme Glas enger mit ihren Händen, dabei hoffte sie es durch den Druck nicht in hundert Teile zu brechen.
„Nur am meckern unsere gute Camille! Dabei habe ich mir so viel Mühe mit dem Einmachglas gegeben. Aber du wirst sehen, es wird lustig!", mischte sich nun auch Alaric mit einem aufmunternden Lächeln und leuchtenden Augen ein. Doch auch er richtete den grün silber gestreiften Schal und schlang ihn sich enger um den Hals. „Außerdem wird sich Regulus bestimmt freuen, wenn du ihn anfeuerst!"
Das ungleiche Geschwisterpaar tauschte einen flüchtigen, jedoch vielsagenden Blick aus. Camille verdrehte ihre türkisblauen Augen. Lorraine war eine viel zu große Romantikerin, als dass ihr auffallen würde, wie die Chancen um sie und Regulus standen und Alaric machte zu gerne Witze, über die er im Endeffekt am lautesten lachte, als würde er diese tatsächlich für voll nehmen.
„Und Emma wäre bestimmt traurig, wenn wir uns ihren Gewinn gegen Gryffindor entgehen lassen!", pflichtete Lorraine ihm aufgeregt bei und raschelte mit dem gewaltigen Banner, welches sie extra für ihre Freundin gestaltet hatte, auf welchem ein sich bewegendes brünettes Mädchen auf einem Besen und mit dem Quidditchpokal zu sehen war. Für so etwas hatte die naive Blondine wahrlich Talent, dies war Camille schon häufiger aufgefallen. Sie selbst war weder besonders kreativ, noch gut im zeichnen.
Schneller als erwartet kamen die gewaltigen Tribünen in Sicht, auf denen sich bereits aufgeregt schwatzende Schüler befanden. Die Stufen der Treppen waren vereist und beinahe wäre Camille auf ihrem heiligen Hosenboden gelandet, was sie mit einem Krausziehen der Nase abtat. Würde dies jemand sehen, wäre sie mit Sicherheit eines der neuen Gespötte des Schlosses. Dabei zerrissen sich ihre Mitschüler ohnehin bereits die Mäuler darüber, was sie Sirius einige Tage zuvor an den Kopf geworfen hatte und damit war nicht bloß ihre flache Handfläche gemeint.
In der drittletzten Reihe ließen sie sich erst nieder und mit einem Mal kam ihr der Schal viel zu warm vor, denn durch den anstrengenden Aufstieg hatte sie zu schwitzen begonnen. Die aufkommende Wärme ihres Körpers sammelte sich unter der Fütterung ihres Mantels und ergab einen unangenehmen Kontrast zu der eiskalten Haut in ihrem Gesicht.
Alaric legte liebevoll beide Hände an die Schultern ihrer Schwester und bewegte diese schnell auf und ab, um ihr somit Wärme zu spenden. Auf den ersten Blick waren die Zwillinge so unterschiedlich wie Tag und Nacht, doch so wie die Sonne und der Mond täglich um die Erde rotierten und der Mond ohne die Sonne nicht einmal strahlen würde, waren auch die Geschwister voneinander abhängig, sie brauchten einander.
Sie durfte es nicht zulassen, dass ihre längste Freundin, das Mädchen, dessen Anfeuerungsschreie am lautesten waren, als die Spieler schließlich auf das Feld marschierten, und dessen Herz am richtigen Fleck war, von ihrer Familie, ihrem Bruder, verstoßen werden würde. Nicht wegen eines Jungen, der sie letztendlich wieder fallen lassen würde.
Camille kniff die Lippen zusammen und ließ den Blick weiter über das Stadion gleiten. Einige Reihen vor ihr konnte sie Dawson entdecken, der sich wohl extra zu ihr herumgedreht hatte, um sie mit seinem Blick zu bedenken. Beinahe hätte sie diesen mit einem Verdrehen ihrer hellen Augen erwidert, da kam ihr jäh eine Idee. Womöglich war sein verzweifelter Wunsch nach einer vernünftigen Heirat ihr zukünftig noch von Nutzen.
In diesem Moment betraten die Spieler der beiden gegnerischen Mannschaften das Feld und schienen eine letzte Lagerbesprechung ganz unter sich zu halten. Camille's Gedanken wanderten zurück zu dem Thema, welches ihr ohnehin die gesamten letzten Tage im Kopf herumgespukt hatte; zu ihm. Regulus. Längst war sie sich sicher, heillos in ihm verloren zu sein. Und dort stand er, mit wehendem Cape und ausgerüstet mit einem Besen.
Regulus' Atem und der seiner Teammitglieder stieg über ihren Köpfen auf in den Himmel, ehe dieser vollständig mit der Kälte verschmolz. Der Tag hatte kaum begonnen und die Sonne war noch nicht einmal gänzlich hinter den Bergen hervorgetreten, während der Tau bereits das gesamte Quidditchfeld unter sich begraben hatte.
Fröstelnd stand die Slytherinmannschaft am Fuße der Tribünen und lauschten der Strategie, die Emma ihnen zum wiederholten Male einbläute. Niemand wagte es etwas gegen ihren Plan zu sagen, denn sie alle wollten es bloß so schnell wie möglich hinter sich bringen, um sich anschließend im Schloss aufwärmen zu können.
Evan reagierte auf die motivierenden Worte der Kapitänin mit einem Gähnen und einem halben Lächeln an Regulus gewandt. Zustimmendes und verschlafenes Gemurmel erfüllten halbherzig die Luft, doch Emma wirkte zufrieden. Im Gegensatz zu seinen Teamkameraden konnte Regulus es kaum mehr erwarten endlich wieder in die Lüfte zu steigen und als es endlich soweit war, brauchte er einige Sekunden um sich daran zu erinnern, dass er nicht allein aufgrund des Vergnügens auf seinem Besen saß.
Fliegen beruhigte ihn, das war schon immer so gewesen und würde es wohl auch immer sein. Der kühle Wind in seinen dunklen Locken, die Welt unter ihm klein und unbedeutend. Der junge Black flog hoch und immer höher, sodass er kaum mehr die Ansagen des Kommentators verstand und die Torringe zu beiden Seiten des Quidditchfeldes klitzeklein wirkten.
Der verbotene Wald erstreckte sich dunkel und unheilvoll unter ihm, genau wie der schwarze See, der im Licht der aufgehenden Sonne glitzerte. Selbst die weit entfernten schneebedeckten Spitzen der Berge konnte der Sucher in der Ferne ausmachen.
Regulus war sich bewusst, dass Emma stolz war ihn als Sucher zu haben. Allerdings hatte sie ihn oft genug zurechtweisen müssen, wenn seine Gedanken während des Trainings oder Merlin bewahre gar beim Spiel abgedriftet waren. Die Luft war eisig in den Höhen und stach ihm schmerzhaft in sein junges Gesicht, doch Regulus genoss beinahe das taube Gefühl, welches sich allmählich in seine Finger schlich, ehe er schließlich zurück in Richtung des Bodes herabsank.
Womöglich war Emmas Sorge berechtigt, denn Regulus hatte seine Augen nicht von ihr lassen können, stattdessen breitete sich ein breites Lächeln in seinen tauben Mundwinkeln aus, als er die jubelnde Blondine in der Menge entdeckte. Das letzte Gespräch hatte ihn innerlich aufgewühlt, doch übel nehmen konnte er Camille ihr Verhalten nicht. Immerhin war er sich bewusst, dass er geboren dazu war, die zweite Wahl zu sein. Anscheinend in vielerlei Hinsicht.
Einige Male hatte er geglaubt den vertrauten goldenen Schimmer zwischen seinen Mitspielern hatte aufleuchten zu sehen, doch immer wieder hatte sein Blick bloß die seidenen Blonden Haare in der Menge gesucht.
Sie war unglaublich, wie sie beide Hände vor der Brust betend verschränkt hatte und zu ihm aufblickte, als würde sie ihm alles Glück der Welt wünschen. Regulus wollte sie nicht enttäuschen.
Und als der Sucher tatsächlich wenig später den Schnatz fing und triumphierend in die Luft streckte, breitete sich ein stolzes Lächeln auf Camilles blassen Lippen aus und Regulus fragte sich, wieso er den kleinen goldenen Ball nicht schon viel früher bloß für die Blondine gefangen hatte.
Ihre Haare wehten im Wind, als sie zu ihm hinunterlief und erst Emma wie ein Wirbelwind gratulierte, ehe sie sich schließlich ihm zuwandte. Er spürte ihre Wärme und konnte das teure Parfüm riechen, welches sie Tag um Tag sanft umhüllte. Beinahe verzieh er ihr für das Verhalten am Tag des Hogsmeade-Wochenendes und wie sie ihm langsam ihre Hand entzogen hatte. Ein erneutes Mal verspürte Regulus einen Stich im Herzen an die Erinnerung.
Nächtelang hatte er wach gelegen, denn sobald er die Augen schloss, sah er bloß ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge. Das blonde seidige Haar, die Augen so türkis wie ein Ozean am anderen Ende der Welt und das umwerfende Lächeln, welches ihn zuvor beinahe von seinem Besen gewischt hatte.
Er konnte und wollte es nicht glauben, dass sie ihn angeblich so abstoßend finden sollte. Nicht wenn sie ihm so nah wie in diesem Moment war. So nah, dass sich beinahe ihre Nasen berührten und dass das Stehlen eines Kuss bloß Millimeterweit entfernt gewesen wäre.
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Ich weiß so etwas ist nervig, aber mich würde wirklich interessieren, wie die Geschichte euch bisher so gefällt? :)
Und keine Sorge, es wird bald ein wenig spannender 😉
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