Eine kleine Schwäche
• Camille Malfoy •
„Our dreams were lost
inside the nights
we never spent together."
Camille Malfoy hatte den Kopf auf ihre ineinander gefalteten Hände gestützt und die türkisblauen Augen aus dem Fenster des Hogwartsexpresses gerichtet. Noch sah sie nichts anderes, als den Bahnsteig von Gleis neundreiviertel und die zahlreichen Familien, die sich von ihren Schützlingen verabschiedeten, doch sobald sich der Zug in Bewegung setzte, würden die unterschiedlichen Landschaften vor ihren Augen verschwimmen.
Ein Klopfen riss sie aus den Gedanken und erst Sekunden später bemerkte die Blondine, dass das Klopfen von ihrer Abteiltür her kam. Doch der Besucher wartete nicht etwa auf eine Antwort ihrerseits, sondern stand bereits im Abteil, als Camille zur Tür hinübersah.
„Oh Merlinseidank hast du ein Abteil reserviert, ich dachte schon wir müssten uns zu Goldlöckchen und den anderen Zweitklässlern nebenan setzen." Emma Vanity hatte erleichtert aufgeatmet und war schon dabei ihren schweren Koffer auf die Ablage mitsamt ihrer gesamten Quidditch-Ausrüstung zu hieven. Während sie das meiste bloß achtlos und beinahe schon gleichgültig in das Fach warf, legte sie ihren Besen so vorsichtig, als könne er jeden Moment wie ein Ast zerbrechen, auf die rote Bank. Die Dunkelhaarige war Kapitän der Slytherin Mannschaft und ganz vernarrt in diesen Sport, woraus sie auch kein Geheimnis machte.
„Es ist schön auch dich wiederzusehen", schmunzelte Camille, während Emma sich noch immer herzhaft über Gilderoy Lockhart ausließ. „Wie kann man mit zwölf schon so unglaublich nervig sein? So viel Selbstliebe kann ja gar nicht gesund sein. Er will doch allen Ernstes Dumbledore darum bitten eine dieser Muggel-Schülerzeitschriften ins Leben zu rufen. Der will doch sowieso bloß seinen eigenen Namen in einer Zeitung abgedruckt sehen, sonst nichts!"
„Leider scheinen die Erstklässler seine Locken ganz toll zu finden, weshalb er wohl tatsächlich ein Publikum hat", sagte eine hohe Stimme aus Richtung der Tür. Emma drehte sich grinsend um und nahm ihre andere Freundin freudig in Empfang. „Lorraine!"
Camille seufzte, denn tatsächlich war er in Hogwarts mit seinen zwölf Jahren bereits so bekannt wie ein bunter Hund. Allerdings vermutlich nicht auf die Art, wie er sie gerne hätte. „Wie waren eure Ferien?", fragte sie dann sanft, da sie ihre besten Freundinnen seit Wochen nicht mehr gesehen hatte und ihre gemeinsame Zeit nicht mit Lästereien über diesen Trottel aus Ravenclaw verschwenden wollte.
Lorraine begann in dem Moment, in dem der Hogwartsexpress endlich an Fahrt aufnahm, über ihren Urlaub mit der Familie zu sprechen. Sie waren wohl in einem Dorf irgendwo im Norden Schwedens gewesen, doch inzwischen hörte Camille ihr längst nicht mehr zu, denn alles, was die kleine Blondine in einer Viertelstunde erzählt hatte war, dass es dort genauso gewesen war, wie man es sich vorstellte; ziemlich kalt.
„Und wie war es bei dir?", fragte sie dann und strich sich die hellen Locken aus dem Gesicht. Lorraine Avery sah vermutlich aus, wie man sich einen Engel vorstellen würde und sah sie nun interessiert mit ihrem Silberblick an, welcher sie leicht schielen und ein wenig naiv wirken ließ. Zugegebenermaßen war sie nicht die hellste Kerze auf der Torte, doch mit Abstand die herzlichste. Zumindest unter den Slytherins.
„Ein wenig langweilig", seufzte Camille und verdrehte die Augen. „Alles hat sich bloß um Lucius gedreht und seine bevorstehende Hochzeit mit Narzissa."
„Ich verstehe nicht, warum Hochzeiten immer so aufgebauscht werden müssen", gähnte Emma und streckte sich, während Lorraine sie amüsiert betrachtete. „So eine Hochzeit ist immerhin eine ganz schöne Ehre", gab die Blondine dann zurück, was die Quidditchkapitänin bloß eine Grimasse schneiden ließ.
„Lorraine hat recht", stimmte Camille ihrer Freundin ausnahmsweise mal zu und betrachtete gedankenverloren den schmalen silbrigen Ring an ihrer linken Hand, der ihr Familienwappen zierte. „Bei uns werden sie es ganz genauso aufbauschen."
In diesem Moment ertönte ein Geräusch, welches wohl dem einer Horde Elefanten glich, die gerade durch den Gang randalierten. Allen voran tauchte wie zu erwarten James Potter auf, der seine kleine Gruppe anführte, die sich selbst stolz die Rumtreiber nannten. Einfach nur kindisch, wie Camille fand.
Allerdings schienen sie durch ihren lauten Aufmarsch genau das zu erreichen, was sie wollten, denn sie bekamen vermutlich die gesamte Aufmerksamkeit der Schüler. Auch die drei Slytherin Mädchen schienen nicht anders zu können, als einen Blick durch die Abteiltür zu werfen, als die Jungs daran vorbeigingen. Es schien dasselbe Prinzip, wie bei einem Unfall zu sein. Man wollte nicht hinsehen und doch tat man es.
Potter schnitt natürlich prompt eine feixende Grimasse, als er die Augenpaare auf sich spürte, was ihm Black sofort gleich tat, der ihm direkt auf den Fersen war. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen seine grauen Augen die türkisblauen von Camille. Die Slytherin konnte seinen Blick nicht deuten, bloß, dass er ihn sofort wieder abwandte. Es war lange her, dass sie mit Sirius Black den kindlich naiven Eid geschworen hatte, für immer Freunde zu bleiben. Diesen hatte er eigentlich in dem Moment gebrochen, in dem er ihr und seinem Bruder Regulus den Rücken gekehrt hatte, als er nach Gryffindor gekommen war.
Doch der Kontakt war spätestens dann endgültig abgebrochen, als es keiner der beiden ihm gleich getan hatte und wie es von ihnen erwartet wurde, nach Slytherin gegangen waren. Sirius schien es ihnen nie verziehen zu haben und genauso war es wohl andersherum.
Den Schluss der Truppe bildeten schließlich Remus Lupin und Peter Pettigrew, die kleinen Anhängsel der beiden. Auch wenn Lupin wohl aufgrund seiner Intelligenz ganz nützlich war, verstand Camille nicht, warum sie Pettigrew ständig mit sich herumschleppen. Es kam ihr zumindest wie eine dreiste Lüge vor, dass diese Idioten beinahe siebzehn Jahre alt sein sollten. Immerhin konnte sich die Slytherin wohl der Tatsache erfreuen, dass sie selbst ein Jahr jünger war und die Idioten somit nicht auch noch im Unterricht ertragen musste.
Lorraine kicherte hinter vorgehaltener Hand, was ihr einen fassungslosen Blick ihrer beiden Freundinnen einhandelte. „Ach, kommt schon", gluckste sie. „Irgendwie sind sie ja doch ganz niedlich."
Und genau dort war der Beweis. Wenn Lorraine klug wäre, dann würde sie so etwas nicht sagen. Sie war einfach zu gutherzig, als dass sie Potter und seine Gang als etwas anderes erkannte, als was sie waren; Idioten.
Camille seufzte und zog, ohne ihren Kommentar zu der ganzen Sache abzugeben, ein Buch aus ihrer Tasche und begann es sich vor das Gesicht zu halten. Was normalerweise ein Zeichen dafür war, dass sie nicht angesprochen werden wollte. Ihre Freundinnen hielten sich respektvoll daran, derjenige, der in diesem Moment die Tür aufschob allerdings nicht.
„Hey, können wir uns zu euch setzen? Die einzig anderen freien Plätze sind bei den Erst- und Zweitklässlern." Alaric hatte nicht einmal eine Antwort abgewartet, sondern saß den Mädchen bereits gegenüber auf der samtroten Sitzbank. Anscheinend war er zuversichtlich gewesen, dass seine Schwester ihm diesen Wunsch nicht abschlagen konnte und tatsächlich hatte diese bloß lächelnd mit den Schultern gezuckt.
Alaric sah Lorraine mit seinen rot-braunen Haaren und braunen Augen kaum ähnlich, trotz der Tatsache, dass sie Zwillinge waren. Eigentlich sahen sie nicht einmal aus wie Geschwister.
„Du hättest uns ruhig erst fragen können", brummte Emma bloß, der es gar nicht in den Kram zu passen schien, dass sich nun auch seine Freunde durch die Tür schoben. Lorraine sah sie mit ihren grünen Augen entschuldigend an und mit diesem Blick konnte selbst Camille es ihr nicht übel nehmen.
„Reg dich ab, Em", grinste Evan Rosier, der gerade dabei war seine gesamte Quidditch-Ausrüstung in das kleine Abteil zu zerren. „Dafür werden wir dir dieses Jahr auch den Pokal holen! Stimmt's Reg?"
„Mhm.." machte der Angesprochene bloß und ließ seine sturmgrauen unbeteiligt durch den Raum gleiten. Seine edlen Gesichtszüge, die so oft in den Linien von reinblütigen Familien vorzufinden waren, schienen wie versteinert und obwohl er seinem Bruder so ähnlich sah, waren sie beide charakterlich so verschieden, wie Brüder es hätten sein können.
Auch wenn Camille sich längst wieder ihrem Buch zugewandt hatte, kam sie nicht drumherum den letzten von ihnen heimlich aus den Augenwinkeln zu beobachten.
Regulus. Der Jüngste der Blacks, der kleine Bruder, der immer doppelt perfekt sein musste, weil Sirius es nicht war. Doch der Gryffindor war nicht der einzige Riss im sonst so perfekt gehüteten und gepflegten Image der Familie. Auch Andromeda Black war in Ungnade gefallen, nachdem sie Ted Tonks geheiratet hatte. Das perfekte Bild der Blacks war zerbrochen und so auch Camilles Freundschaft zu Regulus.
Laut ihrem Vater, waren die Mitglieder dieser Familie kein guter Umgang für sie und ihr elfjähriges Ich hatte ihm wohl glauben geschenkt, weshalb sie versucht hatte sich auch von dem jüngsten der Blacks zu distanzieren. Mit Erfolg, denn als Freunde konnte man sie gewiss längst nicht mehr bezeichnen. Einem Teil von ihr tat es leid, doch ein anderer sah wohl ein, dass es das Richtige gewesen war. Auch wenn sie schon immer eine kleine Schwäche für Regulus gehabt hatte.
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