Eine Chance fürs Leben und den Tod
• Regulus Black •
„He was so young and so doomed
A boy
only sixteen."
Regulus schlief schlecht. Schon seit Wochen, genauer gesagt seitdem Sirius fort war und er seinen Vater gebeten hatte, ihn auf die Treffen der Todesser mitzunehmen. An und für sich war sein Bruder gar nicht so weit weg von ihm. Beim Frühstück trennte sie bloß der Tisch der Ravenclaws und manchmal kreuzten sich ihre Wege auf den Gängen. Doch die Kluft zwischen den beiden Brüdern war nie größer gewesen.
Der Jüngere hatte geglaubt, dass die Zeit ihm dabei half, darüber hinwegzukommen. Doch er hatte falsch gelegen. Der Grimmauldplatz, der ohne Sirius so leer erschien, war eine Sache. Doch eine völlig andere war es, ihn jeden Tag sehen zu müssen. Zu sehen, wie er ohne ihn glücklich war. Glücklicher als je zuvor.
Regulus war froh gewesen, endlich Schlaf gefunden zu haben. Da am nächsten Morgen der Unterricht früh beginnen würde, wurmte es ihn umso mehr, als er mitten in der Nacht aufgeweckt wurde und das nicht einmal auf die sanfte Art. Eine große Handfläche wurde grob auf seinen Mund gepresst und Regulus könnte sich wirklich Schöneres vorstellen, als die Lider zu öffnen und direkt in Dawson Mulcibers grinsendes Antlitz zu sehen, das sich zu ihm herunterbeugte. Er war ihm beinahe so nah, dass seine gelockten hellbraunen Haare, die er stets kinnlang trug, Regulus an der Stirn kitzeln konnten.
Erschrocken riss der junge Black die grauen Augen auf. Was sollte das? Das teuflische Lächeln auf dem Gesicht seines Gegenübers ließen in ihm jegliche Alarmglocken schrillen. Panik begann von ihm Besitz zu nehmen. Er und seine kleine Gruppe würden ihn für Sirius' Schande büßen lassen. Ganz bestimmt. Regulus wollte etwas sagen, doch seine Worte wurden durch die Hand auf seinem Mund abgedämpft. Hinter ihm stand Evan. Fröstelnd hatte er beide Arme um sein hellblaues Nachtgewand geschlungen. Dawson legte einen Finger auf die Lippen, gab ihm den Befehl still zu sein. Dann nahm er endlich seine andere Hand von Regulus Mund.
Keuchend und zutiefst verwundert starrte er zurück. „Was soll das?", zischte er und griff unwillkürlich nach dem Saum seiner Bettdecke, um sie sich bis ans Kinn zu ziehen. Es war ihm ein wenig unangenehm, so entblößt in seiner Nachtwäsche vor dem älteren Slytherin zu liegen. Auch wenn es kindisch war, so fühlte sich Regulus im Schutz der Decke etwas sicherer.
„Ich weiß zwar nicht warum", fing Dawson vielsagend an und wandte sich endlich von seinem Bett ab. Durch den Raum schreitend und Evan intensiv musternd fuhr er fort: „Aber ihr zwei Armleuchten wurdet auserwählt."
„Auserwählt?", wiederholte Regulus tonlos in einem hauchenden Atemzug. Er sah zu Alaric, der friedlich in seinem Bett vor sich hin schnarchte. Neidisch wandte er seinen Blick wieder ab. Wie gerne würde er sich wieder seinen Träumen hingeben, in denen die Realität nicht von Bedeutung war. Doch nach Dawsons spontanen Besuch wäre wohl nicht mehr an Schlaf zu denken.
„Der dunkle Lord", flüsterte Evan ehrfürchtig und ließ seine beiden Arme nun wieder locker an seinen Seiten hängen. Aufgeregt war er es nun, der an das Bett des Dunkelhaarigen trat. „Reg, er will uns in seinen Reihen wissen. Weisst du, was das für eine Ehre ist?"
„Nun mal langsam", ging Dawson spöttisch dazwischen. Seine Stimme war nach wie vor gesenkt. „Erst einmal müsst ihr euch ihm beweisen oder denkt ihr, dass er das Dunkle Mal verteilt wie McGonagall ihre Ingwerkekse?"
Mit großen Augen sah Regulus zu seinem Freund. Auch in den braunen Augen von Evan hing ein Fünkchen Furcht. Furcht vor dem, was von ihnen verlangt werden würde. Regulus spürte ein beklemmendes Gefühl in seiner Magengegend wachsen, als er an die Taten der Todesser dachte, die er einst aus dem Tagespropheten ausgeschnitten und sich ins Zimmer gehängt hatte. Ihm wurde ganz anders wenn er daran dachte, dass sein Name die Überschrift eines solchen Artikels schmücken würde. Dass er ein Mörder genannt werden würde. Dass er diese Taten vollbringen sollte.
Doch kamen einem solchen Ruf nicht auch Respekt einher? Seine Eltern würden gewiss stolz auf ihn sein, dass er ihre Anschauungen vertrat. War es nicht das, was sie sich von ihm wünschten? Er würde dem Namen Black zu seiner alten Größe verhelfen. Dem Namen, den Sirius, Andromeda und Alphard einst durch den Dreck gezogen hatten. Die reinblütigen Familien würden bei seinen Eltern Schlange stehen, in der Hoffnung, dass ihre Töchter in die fürnehme und alte Familie der Blacks einheiraten dürften. Er könnte Camille heiraten. Camille Ophelia Black. Der Name hörte sich wie Musik in seinen Ohren an, als wäre er dafür geschaffen, seinen Nachnamen zu tragen.
In nur einem Satz war Regulus auf den Beinen. „Was müssen wir tun?"
Der plötzliche Eifer seines Freundes, schien auch Evan erneut Mut zu machen. Er straffte seine Haltung und nickte. Gespannt hing er nun an Dawsons Lippen, die sich erneut zu einem hämischen Grinsen verzogen hatten. „Zuallererst solltet ihr euch umziehen."
Hastig taten die beiden, wie ihnen geheißen. Regulus hatte sich für einen eleganten schwarzen Umhang mit silbernen Knöpfen und dunkelblauen Saum entschieden. Dieses Gewand mochte seine Mutter am liebsten bei Festen an ihm sehen. Auch Evan hatte sich für dunkle Töne entschieden, genau genommen, einem Burgundrot. „Meinst du, dass wir jemanden umbringen müssen? Oder foltern?", fragte er mit zitternder Stimme, als sie wenig später durch den steinernen Gang, der die Schlafsäle miteinander verband, zu ihrem Gemeinschaftsraum gingen, in dem Dawson auf sie wartete.
„Keine Ahnung", flüsterte Regulus und versuchte nicht allzu genau darüber nachzudenken, was er vielleicht tun müsste. Irgendwann würde es soweit sein, das wusste er. Er hoffte bloß, dass es noch nicht heute sein würde. Doch wann immer sein erster Auftrag kommen mochte, er müsste bloß funktionieren. Wie eine Marionette.
Das Feuer im Gemeinschaftsraum der Slytherins war ausgebrannt und auch die Tiefen des Schwarzen Sees ließen keinerlei Mondlicht zu ihnen durch. Bloß Dawsons erleuchteter Zauberstab erhellte das Zimmer. „Folgt mir", wies er die beiden kalt an und führte sie aus den Gemächern der Slytherins. Mit jedem Schritt, den sie zurücklegten, klopfte Regulus' Herz schneller. Er hatte nicht die blasseste Ahnung, wo er sie hinführte, nur dass es zahlreiche Treppen nach oben waren.
Was wenn es ein gemeiner Scherz war? Wenn seine Gruppe ihn am Ende einer der Treppen oder Gänge auflauern würde? Doch warum sollte er dazu auch Evan mitnehmen? Regulus warf seinem Freund einen flüchtigen Blick von der Seite her zu. Sein Atmen ging flach und sein Blick war wachsam, doch seine Haltung ordentlich. Walburga Black würde ihm dafür vermutlich ein anerkennendes Kopfnicken schenken. Plötzlich war Regulus dankbar dafür, dass er in dieser Situation nicht allein war.
Doch was wenn der Dunkle Lord ihn nicht für würdig genug hielt, um seinen Reihen beitreten zu dürfen? Wenn er scheiterte? Kalter Schweiß bildete sich auf Regulus Stirn. Vielleicht würde seine Mutter Recht behalten und er war in der Tat verweichlicht. Nicht würdig der Erbe der Blacks zu sein.
Ihr mühseliger Aufstieg endete jäh, als Dawson in den Korridor des siebten Stockwerks einbog. Regulus keuchte und seine Waden schmerzten vor Anstrengung. Er war es nicht gewohnt so viele Treppenstufen auf einmal zu laufen, denn in diesen Teil des Schlosses, verschlug es ihn bloß selten. Mit seiner eher zierlichen und schmächtigen Statur war er eher weniger der geborene Läufer.
Auf ihrem Weg begegneten sie weder Vertrauensschülern, noch Lehrern. Auch wenn Regulus sein Vertrauensschülerabzeichen nicht mit sich trug, hätte er eine Ausrede parat. Dawson und Evan würden Probleme bekommen, sollte sie jemand auflesen. Als sie den dunkelgrünen schmucken Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten passierten, hielt der ältere Slytherin plötzlich inne und lief ein Stück zurück. Dann wieder vor, zurück und noch einmal. Evan und Regulus waren verwundert an dem alten Wandtteppich stehen geblieben und beobachteten ihn argwöhnisch. Er wollte sie also tatsächlich bloß zum Narren halten.
Gerade als Regulus den Vorschlag machen wollte, zurück zu ihrem Schlafsaal zu gehen, erschien plötzlich eine Tür gegenüber von ihnen. Ihm fiel die Kinnlade herunter. Mit der kupfernen Farbe und den verschnörkelten Verzierungen sah sie der Flügeltür zur Großen Halle ziemlich ähnlich. Mindestens drei Meter erstreckte sie sich über den Jungen. Staunend ließ Regulus seinen faszinierten Blick an ihr herabgleiten. Hogwarts schaffte es doch immer wieder ihn zu überraschen.
Ohne ein Wort zu verlieren, stieß Dawson schließlich die neu erschaffene Tür auf. Ganz offensichtlich war ihm ihr plötzliches Erscheinen alles andere als neu und er schien sie mit einer klaren Absicht beschworen zu haben. Indem er drei Mal an ihr vorbeiging. Zumindest war das Regulus' Vermutung, als er ihm stirnrunzelnd über die Schwelle folgte. Was mochte ihn bloß erwarten?
„Wohin führt die?", platzte es neugierig aus Evan heraus, der zögernd vor dem Türrahmen stehen geblieben war. „Zu deinen dunkelsten Wünschen, Rosier", war Dawsons vielsagende Antwort. Doch sie genügte, um den Slytherin hinter Regulus das Zimmer zu betreten zu lassen.
Von dem mysteriösen Raum hätte sich Regulus weitaus mehr erhofft, wenn er ehrlich war. Zwar hatte er keine genauen Vorstellungen gehabt, doch ganz sicher hatte er nichts erwartet, dass ihn an eine Abstellkammer erinnert. Links und rechts von ihm türmten sich Berge an verschiedenen Gegenständen auf. Manche reichten gar bis zur meterhohen Zimmerdecke.
Es waren die unterschiedlichsten Dinge, die er ausmachen konnte. Von alten Stühlen bis hin zu Spieldosen, wie er sie einst als Kind besessen hatte. Doch lange Zeit, um sich ein genaueres Bild machen zu können, hatte Regulus nicht. Dawson führte sie bereits weiter, der Raum schien endlos groß zu sein, doch schließlich blieb er an einem ziemlich alt aussehenden Schrank stehen, dessen dunkle Holzbalken oben spitz zuliefen. Seine Türen waren mit silbrigen Runen beschmückt, sowie großen metallenen Griffen. Dawson zog an einem der insgesamt Vier.
„Ist das...", setzte Evan aufgeregt an, doch sein Satz wurde von dem Älteren beendet: „Ein Verschwindekabinett. Sein Gegenstück steht bei Borgin & Burkes."
„Wow!", entfuhr es ihm beeindruckt. „So kommt ihr also auf die Treffen!"
Dawson nickte grinsend. „Ihr dürft natürlich niemandem ein Wort davon erzählen."
Beide nickten. Regulus musste schlucken, als Dawson seinen Unterarm entblößte. Das Dunkle Mal, das aus einem Totenschädel, aus dessen Mund sich eine Schlange wand, bestand, stach unübersehbar auf seiner hellen Haut hervor. Es sah aus, als wäre das Zeichen in Bewegung, als würde die Schlange tatsächlich aus dem knöchernen Kiefer kriechen. „Er ruft uns", erklärte Dawson und fuhr ehrfürchtig über die angeschwärzte Haut, um die eine leicht rote Verfärbung aufgetreten war, als wäre er dagegen allergisch. „Es brennt immer ein wenig, wenn er das tut."
Evan sah nun nicht mehr so begeistert wie anfangs aus, doch diese Tatsache würde weder ihn, noch Regulus an ihren Vorhaben hindern. Wenn sie schon dazu bereit waren in seine Dienste zu treten, mit all den Folterungen und Ermordungen, die damit einhergingen, sollte es nicht an einem schmerzenden Unterarm scheitern. Dawson vollführte eine einladende Bewegung in Richtung des geöffneten Verschwindekabinetts. Sein Inneres unterschied sich tatsächlich kaum von dem eines handelsüblichen Schrankes. „Wer will zuerst?"
"Ich", erwiderte Regulus um einiges mutiger, als er sich fühlte. Er straffte die Schultern und kletterte erhobenen Hauptes elegant in das Kabinett. Zumindest so elegant, wie man eben in einen alten Schrank klettern konnte. Die Anrichte dazu befand sich auf der Höhe seines Beckens. Als die Tür geschlossen wurde, bekam der junge Black dann doch einen Anflug von Panik zu spüren. Für einen ausgewachsenen Mann war es durchaus eng in dem Möbelstück. Die Knie hatte er angewinkelt und mit seinen Arm umschlungen. Würde es so unangenehm werden wie zu apparieren? Das Herz klopfte wild in seiner Brust umher. Was würde ihn erwarten, wenn die Tür aufging? Der dunkle Lord selbst? Zitternd presste Regulus seine Hände enger aneinander. Nun gab es kein zurück mehr.
Er bekam beinahe einen Herzinfarkt, als durch das gesamte Verschwindekabinett plötzlich ein Rucken ging. Dann war es wieder vollkommen still. Regulus wusste nicht, was er tun sollte, da wurde die Tür auch schon geöffnet. Der kleine alte Zauberer, der ihm ungeduldig entgegenstarrte stellte sich als Caractacus Burke heraus, dem Mitbegründer von dem Raritätengeschäft. „So so Mr. Black, haben Sie vor dadrin Wurzeln zu schlagen oder lassen Sie die anderen auch noch anreisen?"
„Ich... Entschuldigung, ich war mir nicht bewusst, schon angekommen zu sein", stammelte Regulus peinlich berührt und versuchte aus dem schrankähnlichem Gebilde zu rutschen, was ihm im Gegensatz zu seinem Hereinklettern weitaus weniger elegant gelingen wollte. Mr. Burke grummelte etwas Unmissverständliches und fuhr sich durch die weißen langen Haare, die wie ein Vorhang vor seinem ausgemergeltem Gesicht hingen, ehe er die Tür wieder schloss. Dann deutete er mit seinem Kopf in Richtung eines Hinterzimmers. „Die Versammlung beginnt jeden Moment."
„Ich warte lieber noch", antwortete er schnell und verschränkte nervös beide Hände vor dem Oberkörper. Unauffällig begann er sich umzusehen. Seit seinem letzten Besuch, als sein Vater ihn im Sommer in den Laden geschleift hatte, hatte sich nicht viel verändert. Bloß, dass es nun dunkel war.
Das Licht flackernder Laternen von draußen schienen durch das staubige Schaufenster. Neben dem steinernen Kamin war dies die einzige Lichtquelle. Regale mit Kleinkram und Vitrinen, welche die wertvollsten Stücke des Geschäftes ausstellten, füllten den gesamten Raum. Es roch muffig und nach alten Büchern. Regulus musste sich sehr zusammenreißen nicht die Luft anzuhalten bei dem Anblick der Totenköpfe, die ihn von den vollgestellten Wänden her angrinsten und den menschlichen Knochen, die überall verteilt lagen. Doch die abgehackte, halb verweste Zauberhand war letztendlich das, was ihn es hassen ließ, diesen Laden zu besuchen. Bei jedem Besuch machte er einen besonders großen Bogen um sie. Menschliche Überreste waren ihm nicht ganz geheuer.
Schließlich war ein dumpfer Aufprall hinter der Tür des Verschwindekabinetts zu vernehmen und Regulus atmete erleichtert auf, als Evan eher herausfiel, als zu klettern. Mit großen Augen ließ auch er seinen Blick durch Borgin & Burkes schweifen. „Krass und ich dachte immer, es gäbe keine Möglichkeit aus Hogwarts zu verschwinden außer zu flohen."
„Tja, man lernt jeden Tag dazu", murmelte Regulus, der von seinem Freund begeistert am Arm gepackt wurde. „Kannst du das fassen, Reg? Wir wurden zu einem der Treffen eingeladen!"
Kläglich versuchte er seinen Enthusiasmus zu imitieren, doch seine Mundwinkel schmerzten bloß. Evan schien das jedoch gar nicht zu bemerken, er war zu beschäftigt damit, sich laut auszumalen, was wohl auf diesen Treffen passieren würde. Endlich kam auch Dawson an. Er grüßte flüchtig Mr. Burke und führte sie dann zu der Tür, zu der der Ladenbesitzer zuvor aufmerksam gemacht hatte. Regulus schlug das Herz nach wie vor bis zum Hals. Adrenalin pumpte durch seinen Körper und flutete diesen bis in den letzten Winkel mit purer Aufregung.
Hinten im Laden war es noch düsterer als vorn, doch selbst in diesem abgeschiedenen Teil, waren die Regale vollgestopft mit schwarzmagischen Gegenständen. Das dunkle Holz der Tür wirkte geradezu schwarz, vielleicht war es das sogar, doch diese Tatsache war Regulus in diesem Moment egal, auch wenn ihn der Gedanke ein wenig ablenkte. Vorsichtig drückte Dawson die Klinke herunter und trat so leise ein, als würde er versuchen eine schlafende Person nicht zu wecken. Ein Ruck ging durch die beiden letzteren Jungen, die ihre Haltung ein erneutes Mal strafften. Wie würde Walburga Black es ausdrücken? Der erste Eindruck war der Wichtigste, der Letzte jedoch blieb.
Regulus hielt automatisch die Luft an, als er den fremden Raum betrat. Einzelne Fackeln waren an den Wänden angebracht worden und erhellten die Szene, die sich ihnen bot. Ein gewaltiger langer Tisch in Form eines Us war das einzige Möbelstück des Zimmers. Nahezu jeder Platz der umbequem aussehenden Stühle war besetzt. Die Köpfe der Anwesenden drehten sich bei ihrer Ankunft in Richtung der Tür. Regulus erkannte bekannte Gesichter, doch auch Fremde unter ihnen. Sein Vater nickte ihm zu. Er musste es gewesen sein, der die Hebel in Bewegung gesetzt hatte, dass er nun hier stehen durfte. Noch nicht allzu lange wohnte er selbst diesen Treffen nun bei, zumindest soweit Regulus es verstanden hatte.
Einen Platz weiter befand sich sein Onkel und dessen älteste Tochter. Bellatrix grinste ihn mit solch teuflischem Lächeln an, wie zuvor Dawson in seinem Schlafsal. Wenn sie nicht bereits mit Rodolphus verheiratet wäre und es keinen so großen Altersunterschied geben würde, so würden die beiden ein gutes Paar abgeben, wie Regulus feststellen musste. Wenn auch ein ziemlich Unheimliches.
Auch soeben genannter Ehemann war anwesend, sowie die Väter von Evan, Alaric und Dawson. Selbst Magnus Hall war gekommen. Lucius Malfoy stach mit seinem hellen, seidenen Haar jedoch von allen Anwesenden hervor, genauso wie sein Vater Abraxas. Die übrigen Zauberer kannte Regulus nicht. Ihm fiel jedoch auf, dass es neben Bellatrix bloß noch zwei weitere Hexen gab. Die Männer waren definitv in der Überzahl. Wenn er daran dachte, dass auch Camille oder Narzissa zu solch Treffen verpflichtet wären, war er sogar ganz froh darüber.
Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch jäh zu dem eigentlichen Mann der Stunde gelenkt, der vor dem Tisch stand. Dem dunklen Lord. Das schwarze Gewand reichte ihm bis zum Boden. Dunkle Haare umrahmten sein schlangenähnliches Gesicht, welches kaum mehr menschliche Züge aufwies. Seine helle, nahezu bläuliche Haut stach so sehr hervor wie Lucius' Haar. Regulus spürte seinen durchdringenden Blick auf sich, als würde er ihn volldends durchleuchten. Schließlich breitete Lord Voldemort gastfreundlich seine bleichen Arme aus, die aus den schwarzen weiten Ärmeln hervorlugten. „Willkommen! Wie schön, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid! Bietet unseren Neuankömmlingen doch einen Platz in euren Reihen an."
Hilfesuchend sah Regulus zu seinem Vater, der unaufällig mit einer Hand auf die Lehne des Stuhls neben sich klopfte. Mit der Erleichterung kam Bewegung in seinen Körper. Seine Glieder fühlten sich wie taub an, als gehorchten sie jemand anderem. Zittrig nahm er an der langen Tafel Platz und hatte das Gefühl nun wieder richtig durchatmen zu können, jetzt, da er nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Auch Dawson und Evan hatten mittlerweile einen Platz gegenüber gefunden.
Regulus schielte nach rechts. Magnus Hall war sein anderer Sitznachbar. Er war der Vater von Elijah, dem Jungen, der auf Lucius' und Narzissas Hochzeit mit Camille getanzt hatte. Sie teilten sich dasselbe selbstgefällige Gesicht und die dunkelblonden Haare. Doch Magnus' Augen waren dunkler, zumindest soweit Regulus das beurteilen konnte. So genau hatte er sich den Hall-Erben jedoch noch nicht angesehen. Die Möglichkeit war ihm ohnehin verwehrt geblieben, da er zuhause unterrichtet worden war.
Orion und Walburga hatten bereits das ein oder andere Wort über die Familie fallen gelassen. Noch nie war ein Hall in Hogwarts gewesen. Augenscheinlich hielten sie nicht viel von dieser Art der Schulbildung. Schließlich wurde die Führung der Justizverwaltung schon seit Generationen weitergegeben. Es wurde den Kindern praktisch vererbt. Dabei hatten sie weitaus mehr Einfluss im Ministerium, was nicht allein ihrem Namen, sondern auch ihrem Geld zu verschulden war.
Konzentriert versuchte Regulus den Ansprachen des Dunklen Lords zu horchen, was nicht einmal schwer war. Es war geradezu unmöglich seiner präsenten Erscheinung keine Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn seine Lehrer bloß halb so charismatisch wären, würde er vielleicht im Unterricht nicht immer seinen Gedanken nachhängen. Faszniert sog Regulus seine Worte auf wie ein Schwamm. Es ging um die neuesten Gesetze bezüglich der Muggelpolitik, begleitet mit verwerflichen Ausdrücken der Anwesenden, Erzählungen über vergangene Coups gegen Muggelgeborene, die mit Grölen eingestimmt wurden, sowie generellen Hetzreden.
Über aktuelle und zukünftige Pläne wurde kein Wort verloren, was auch kein Wunder war. Diese wurden vermutlich bloß im engsten Kreis besprochen. Und zu dem gehörten Regulus, und Evan noch lange nicht. Schließlich richtete Voldemort das Wort an einen der Anwesenden, genauer gesagt an Orion Black. Regulus blieb beinahe das Herz stehen, als die Augen des Dunklen Lords genau in seine Richtung blickten. „Orion, ich bitte dich zu mir nach vorn zu kommen."
Besorgt sah Regulus seinen Vater an, doch dieser wirkte nicht im geringsten besorgt. Die Brust, die in einem seiner festlichsten Umhänge gehüllt war, hatte er herausgestreckt. Erhaben stolzierte er nach vorn. Vor dem Lord blieb er stehen und deutete eine leichte Verbeugung an. „Hier bin ich, mein Herr."
„Du hast dich als äußert nützlich erwiesen, Orion", säuselte der Anführer der Todesser und blickte den Mann vor ihm unverwandt an. Überlegen hob er das Kinn und zückte seinen Zauberstab. „Lass mich dich belohnen. Schwörst du mir deine ewige Treue?"
„Das tue ich, Herr."
Regulus hielt gespannt den Atem an. Sein Vater zog sich den schwarzen Ärmel mit rotem Innensaum und blauen Nähten nach oben und entblößte ihm den bloßen Unterarm. Seine Haltung strotzte vor Stolz und das konnte er auch sein. Er hatte sich als würdig erwiesen. Lord Voldemort hob seinen Zauberstab und bohrte dessen Spitze in das ihm offenbarte Fleisch. Dunkle Farbe entwich ihr und verbreitete sich auf der Haut wie Tinte im Wasser. Schwarze Linien schlossen sich zu einem bekannten Muster zusammen.
Regulus' Vater keuchte auf und verzog für wenige Sekunden schmerzhaft das Gesicht. Dann endlich hörte die Farbe auf sich zu verteilen. Das Werk war vollendet. Der Totenschädel, aus dessen Mund sich die Schlange entwand, nahm nahezu die gesamte Fläche der Unterseite des Armes in Anspruch. Er war für immer gezeichnet.
Bis an sein Lebensende.
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