Drastische Maßnahmen
• Regulus Black •
„It all begins and ends
in your mind."
Regulus hatte sich mit dem Rücken an das kalte Gemäuer des Festsaals Malfoy Manors gelehnt und wünschte sich, dass er in eben dieser versinken könne. Sich wie ein Chamäleon an sein Umfeld anpassen könne ohne aufzufallen. So sehr er sich all die Jahre gewünscht hatte aus dem Schatten seines Bruders zu treten und wahrgenommen zu werden, so begegnete ihm dies nun als Fluch.
Die abschätzigen Blicke der Gäste der Hochzeit würden ihn wohl noch lange verfolgen, bis in seine tiefsten Albträume. Das unüberhörbare Getuschel würde er selbst dann noch hören, wenn dieses lange verstummt wäre. Wie ein Tonband würden sich die Worte in seinen Gedanken wiederholen und übertönen, was er noch immer empfand; Trauer. Trauer, seinen Bruder endgültig verloren zu haben. Sirius würde nicht zurückkehren und womöglich keinen Gedanken mehr an seine alte Familie verschwenden, denn er hatte nun eine neue.
Die ersten Tage waren besonders schlimm gewesen. Im Grimmauldplatz war es so unglaublich leise, so unglaublich leer gewesen, als würde niemand sonst darin leben. Beinahe so leer, wie sich Regulus tief in seinem Inneren gefühlt hatte, doch seine Gedanken hatten geschrien. Heimlich hatte er sich den Stammbaum mit eigenen Augen angesehen, sich vergewissert, ob seine Mutter es tatsächlich über sich gebracht hatte, ihren Sohn unter ihrem eigenen Namen auszubrennen. Sie hatte es.
Regulus hätte sich nie träumen lassen, dass sein Bruder eines Tages ebenfalls zu jenen Personen gehören würde, auf dessen Existenz bloß noch ein schwarzes, verbranntes und hässliches Loch verweisen würde. Doch der verkohlte Teppich und der Ruß, der sich unter seinen Fingern gelöst hatte, als er darüber strich, hatten ihm das Gegenteil bewiesen.
Für einen Augenblick hatte der junge Black vergessen, wo er sich gerade befand und dass jede seiner Bewegungen beobachtet wurde. Doch als leise Klaviermusik zu seinen Ohren drang, wurde er sich der stechenden Blicke ein erneutes Mal bewusst. Regulus seufzte, verfluchte innerlich seinen Namen, seinen Bruder, sein Schicksal. Doch ändern konnte er nichts davon.
Während der Flügel von allein spielte, wurde auch die Aufmerksamkeit der Gäste auf die beginnende Zeremonie gelenkt. Interessiert blickte der Slytherin nach vorn, doch war auf der Suche nach bloß einem Gesicht; Camille. Er wusste nicht recht, was er von ihrem plötzlichen Verschwinden bloß wenige Minuten zuvor halten sollte, doch er versuchte sich nicht zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen. Womöglich hatte es gar nichts mit ihm zu tun.
Ihr Bruder hatte bereits seinen Platz eingenommen. Neben seinem mächtig stolz wirkenden Vater, hatte er die Hände vor seinem Körper verschränkt und blickte erwartungsvoll nach vorn, bereit seine Braut in Empfang zu nehmen. Lucius, der perfekte Sohn einer reinblütigen Familie, der die seltene Begabung besaß die Blicke der Leute auf sich zu ziehen und die Erwartungen seines Vaters erfüllen zu können. Er tat alles dafür, um ein gutes Licht auf seine Familie zu werfen und diese stolz zu machen. Würde Camille genauso weit gehen?
Während Regulus den jungen Malfoy, der augenscheinlich sehr viel von sich selbst zu halten schien, geradezu bewunderte, da dieser nahezu alles verkörperte, was er selbst nicht war, war alles was der zukünftige Ehemann in Sirius auslöste pure Abneigung. Nicht selten war er Zeuge davon geworden, wie sein Bruder den Blonden hörbar als Schleimbeutel bezeichnet hatte. Doch Regulus konnte nicht bestreiten, dass er dem Namen Malfoy alle Ehre machte; stolz, elegant, arrogant. Eigenschaften, die er sich selbst bloß wünschen konnte.
Ehe Getuschel über das Verbleiben der letzten Brautjungfer den Raum beherrschen konnte, huschte diese unauffällig auf ihren Platz neben dem Altar. Mit einem charmanten Lächeln beruhigte sie die verwunderten Gesichter der Gäste. Es war einfach zu schön, um diesem zu widerstehen. Doch bevor Regulus sich selbst darüber wundern konnte, wo Camille solange gesteckt hatte, stimmte der Flügel eine andere Melodie an und Narzissa wurde von Cygnus in den Saal begleitet.
Seine Cousine verkörperte die pure Schönheit. Das weiße Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihre weiblichen Kurven, ihre blonden Haare waren zu einer aufwendigen Frisur verarbeitet und in ihnen steckte Haarschmuck mit Steinen in dunkelblauen Tönen, welche sich auch in ihren Augen wiederfanden. Ein Blick zu Lucius und den anderen Anwesenden genügte um festzustellen, dass auch sie von ihrer Erscheinung übermannt wurden. Bei einigen Frauen kullerten bereits die Tränen, sodass sie ihre Taschentücher zückten und womöglich froh waren ihr Make-up zuvor mit einem wasserfesten Zauber versiegelt zu haben.
Der Pfarrer bat um Ruhe, nachdem sich das zukünftige Ehepaar in Empfang genommen hatte und nun auf die Knie gingen, um seiner Predigt zu lauschen. Selbst Regulus spürte, wie sich etwas in seiner Brust regte, als das Ja-Wort fiel, denn diese Ehe war nun längst keine arrangierte mehr und das konnte jeder Anwesende in den Augen des verliebten Paares erkennen.
Gerührt wurden Gläser erhoben, klirrten in den Händen derjenigen, die sie umklammerten, als Lucius und Narzissa den Tanz gemeinsam, nun als Ehepaar, eröffneten. Schnell wirbelten auch andere Paare über das Parkett und Regulus hielt Ausschau nach Camille. Er war sich unsicher, ob er sie zum Tanze beten solle, schließlich lag der Name seiner Familie derzeit unter keinem guten Stern.
Als die junge Malfoy ihn erblickte, huschte der Anflug eines Lächelns über ihr hübsches Gesicht und ließ Regulus sich in Bewegung setzen. Er schob sich durch die Ansammlung an Zauberern und Hexen reines Blutes, um zu der Blondine zu gelangen, doch als er seinen Blick von dem teuren Parkett wieder hob, war diese bereits in Gesellschaft.
Dunkelblondes Haar umrahmte das markante Gesicht des jungen Mannes, den Regulus glaubte zuvor noch nie gesehen zu haben. Das charmante Lächeln auf seinen Lippen kaufte er ihm nicht ab, doch seine ausgestreckte Hand schien Camille dennoch dazu zu verleiten, diese zu ergreifen. Sie schenkte Regulus einen letzten Blick. Eine Entschuldigung, Mitleid, Spott? Wie hatte er bloß daran denken können, dass sie mit ihm tanzen würde? Ihre Reaktion vor der Zeremonie hätte ihm bereits die Augen öffnen sollen, dass sie mit ihm auf diesem Fest nicht gesehen werden wollte.
Regulus erntete empörte Blicke, als er auf der Tanzfläche stand, ohne auch bloß einen Gesichtsmuskel zu bewegen. Doch in diesem Moment wusste er nicht wohin mit sich. Sein Adamsapfel hüpfte, als er schluckend zu Camille und ihrem Partner sah. Sie sahen aus, wie die Götter, die von den Muggeln verehrt wurden und von denen er schon einiges gehört hatte. Ihre hellen Haare glänzten im Kerzenlicht, als sie herumwirbelten und dem Brautpaar die Aufmerksamkeit stahlen.
Die Eifersucht zerfraß Regulus von Innen, wie ein lästiger Parasit. Als er sah wie überaus zufrieden Abraxas Malfoy über die Wahl des Tanzpartners seiner Tochter zu sein schien, zog sich alles in ihm zusammen und er wünschte sich nichts sehnlicher als am Platz des Unbekannten zu sein.
Malfoy Senior hob sein Glas mit einem Lächeln auf den Lippen und nicht wenige taten es ihm gleich. Schöne Hände, junge Hände und alte Hände reckten in die Luft und Regulus bemerkte, dass sich auch in seiner rechten blassen noch immer jenes befand, welches er beim Empfang bekommen hatte. Dieser kam ihm nun so entfernt vor, als wäre er in einem anderen Leben geschehen. Der junge Black leerte das Glas ohne etwas zu schmecken. Er hatte versagt, wie schon so oft.
In seinem Kopf begannen unerwünschte Bilder aufzublitzen, Bilder, die ihn beinahe um den Verstand bringen. Camille und der Junge am Altar anstelle von Lucius und Narzissa, wie sie sich verliebt anschauten und ihre Eltern stolz machten. Wunderhübsche blonde Erben, dessen Blut so rein wie echter Elfenwein war.
Seine Finger verkrampften sich an dem Stiel seines Glases, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. Er konnte nicht noch mehr verlieren.
In binnen einiger Sekunden hatte Regulus eine Entscheidung gefällt, für die er normalerweise Wochen oder gar Monate gebraucht hätte. Mit wallendem Umhang schob er sich durch die Anwesenden und kehrte Camille den Rücken, denn ihren Anblick konnte er nicht mehr ertragen. Es war ihm egal, dass sein Vater sich gerade unterhielt, als er ihn mit angehaltenem Atem fand. „Vater", hauchte er und entließ mit bloß diesem einen Wort all die angestaute Luft der Freiheit.
Die grauen Augen des Angesprochenen musterten ihn zunächst empört, ehe sein Gesicht einen misstrauischen Ausdruck annahm. Womöglich lag etwas in Regulus' Blick, was ihn davon überzeugte, dass es über etwas wichtiges zu reden gab. „Was gibt es, mein Sohn?"
„I-ich..." Regulus Augen huschten zu den Gesprächspartnern seines Vaters, welche interessiert die Ohren gespitzt hatten. Er schluckte. „Könnte ich kurz mit dir unter vier Augen sprechen?"
Orion Black seufzte. „Hat deine Mutter dir nicht beigebracht wichtige Gespräche nicht zu unterbrechen? Ich bin in wenigen Minuten bei dir." Seine Worte waren scharf wie Messerklingen und in ihnen lag eine unausgesprochene Drohung, welche er unter anderen Umständen wohl nicht für sich behalten hätte. Ich hoffe für dich, dass du einen guten Grund hast, mich zu blamieren.
Nervös wartete Regulus auf seinen Vater abseits der Gäste und widerstand dem Drang seine Hände zu kneten oder an dem Saum seines dunklen Festumhanges zu nesteln, denn er wusste, wie sehr seine Eltern diese Unsicherheit missbilligten. Wenig später stieß das Oberhaupt der Blacks zu ihm und dieser schien wenig erfreut, als er zischte: „So etwas gehört sich nicht und ich bin mir sicher, dass wir dich besser erzogen haben!"
„Ich möchte, dass du mich zu den Treffen mitnimmst", platzte es plötzlich aus ihm heraus und er war nicht weniger schockiert über seine eigenen Worte, als sein Vater.
„Du willst was?", er lachte trocken auf, als hätte sein Sohn soeben einen schrecklichen Witz erzählt. „Du bist nicht einmal sechzehn, Junge!"
Regulus senkte den Blick. „Ich weiß, aber ich möchte zeigen auf welcher Seite ich stehe und warum soll ich erst damit anfangen wenn ich ein bestimmtes Alter erreicht habe? Ich will es jetzt, Vater."
Der drängende Nachdruck in seiner Stimme, schien etwas in seinem Vater zu bewegen. Denn dieser platzierte eine Hand auf seiner Schulter und Regulus glaubte für eine Sekunde so etwas wie stolz in seinen Augen aufblitzen zu sehen, als er die Stimme senkte. „Ich weiß dein Engagement zu schätzen, Regulus, doch der dunkle Lord lässt sich nicht mit albernen kleinen Zaubern aus der Schule beeindrucken."
„Lass es mich beweisen", hauchte Regulus flehend und fügte in seinen Gedanken hinzu: Lass es mich allen beweisen.
„Nun gut, ich werde sehen, was sich machen lässt."
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