Die Hoffnung auf ein Wunder
• Camille Malfoy •
„The way you laid
your eyes on me
in ways that no one
ever could."
Camille wachte früh und mit einem Lächeln im Gesicht an dem Tag auf, an dem sie Regulus besuchen würde. Anfangs waren ihre Eltern, besonders ihr Vater, nicht sonderlich begeistert gewesen, doch nachdem sie ihnen erklärt hatte, dass es für einen Aufsatz in Verwandlung war, hatten sie letztendlich eingewilligt.
Wie jeden Morgen, öffnete die Blondine erst einmal ihre Fensterläden, um die abgestandene Luft durch frische zu ersetzen. Eiskalter Wind fuhr durch ihre hellen Haare und hinterließ eine Gänsehaut auf ihren nackten Beinen, die unter einem weißen Nachthemd hervorlugten. Doch Camille kümmerte die Kälte kaum, denn diese ließ sie erst so richtig wach werden.
Der Blick in den Garten war so zauberhaft, dass die Slytherin das Zittern in Kauf nahm und den Atem anhielt, unwillig diese vollkommene Schönheit zu zerstören. Der Schnee trieb in geisterhafter Stille vom Himmel nieder und sammelte sich dicht und ungebrochen auf dem Boden. Es schien, als wäre jegliche Farbe aus der Außenwelt geflohen. Es war ein Ort aus reinem Weiß.
Camille tauschte ihr Nachtgewand eilig gegen eine dunkle Bluse, einen Rock und eine Strumpfhose. Darüber zog sie sie einen kuscheligen Umhang aus echter Lammwolle und Drachenlederstiefel, die bis zu den Knien geschnürt waren. Nach dem Frühstück würde sie sofort aufbrechen können und von ihrer Hauselfe direkt bequem zum Hause der Blacks gebracht werden.
Nachdem Camille sich im Bad fertig gemacht hatte, schritt sie die lange Wendeltreppe hinab. Alles um sie herum war still und leise, eine angenehme Abwechslung zum Schloss, in dem zu jeder Tageszeit Trubel den Alltag zu bestimmen schien.
Während des Frühstücks war bloß ihre Mutter und Lucius anwesend und sie redeten über nichts anderes als die bevorstehende Hochzeit. Sie besprachen den Tagesablauf, den Sitzplan und den letzten Schliff. Denn Weihnachten stand vor der Tür und während der Feiertage würden sie wenig Zeit dazu haben, den großen Tag, der unmittelbar danach folgen würde, zu planen.
Camille freute sich für ihren Bruder, denn wie es schien hatte er seine zukünftige Braut ziemlich gerne. Bei jeder Erwähnung ihres Namens leuchtete etwas in Lucius' grauen Augen auf, etwas, was auch sie sich in der Zukunft auch für sich wünschte. Die Blondine hatte sich so sehr an der Planung beteiligt, dass sie beinahe die Zeit vergessen hätte.
Tinki stand schon in der Eingangshalle bereit, als Camille in ihren Stiefeln über den polierten Boden schlitterte. „Können wir, Miss?", fragte das kleine Geschöpf höflich. Die Slytherin nickte mit geröteten Wangen, von denen sie nicht sicher war, ob sie diese auf ihre jüngste Eile oder doch ihre Aufregung schieben sollte. Kaum hatte sie den zierlichen Arm der Hauselfe berührt, blieb ihr Blick auch gleich an der vertrauten Fassade hängen.
Die Wörter, die Regulus in seinem Brief erwähnt hatte, hatte Camille sich eingeprägt. Sie konnte gar nicht so schnell gucken, da hatte sich die Nummer 12 vor ihr aufgetürmt. Es war lange her gewesen, als die Blondine das letzte Mal das Haus betreten hatte. Damals war die Welt für die Blacks noch in Ordnung gewesen.
Mit einem Nicken verabschiedete sie sich von Tinki und erklomm die etwas morschen Stufen. Wie es schien hatte in den letzten Jahren nicht bloß das Ansehen der Familie gelitten.
Es war Regulus, der ihr die Tür öffnete und ihr mit einem verhaltenen Lächeln einen Empfang bereitete. „Hast du die ersten Ferientage genießen können?", fragte Camille nach und begann sich heimlich in der Eingangshalle umzusehen. Es hatte sich tatsächlich wenig verändert seit ihrem letzten Besuch und diese Tatsache bereitete ihr mit einem Blick auf den Kronleuchter an der Decke geradezu ein Déjà-Vu-Erlebnis.
Wie jung sie damals doch gewesen waren.
„Nicht mehr und nicht weniger als die letzten Jahre auch", erwiderte der junge Black und führte sie die Treppe rauf in sein Zimmer. Dabei blieb ihr Blick an einer Sammlung von Hauselfenköpfen hängen - eine seltsame Tradition wie sie fand - ehe sich ihr Augenmerk auf das Schild an seiner Zimmertür legte. Dort hatte Regulus stolz auf seinen gesamten Namen verwiesen:
Regulus Arcturus Black
Sirius dagegen schien jegliche Hinweise auf seinen Familiennamen und deren Namenstradition zu vermeiden.
„Regulus, wer war an der Tür?", rief es plötzlich laut aus dem Erdgeschoss mit der unverkennbaren Stimme Walburga Blacks, die kurz darauf am Fuße der Treppe stand und zu den beiden hinaufsah.
„Camille Malfoy", erwiderte der Angesprochene mit deutlicher Stimme und zurückgezogenen Schultern, die seine Haltung verbesserten. „Ich habe dir doch davon erzählt, dass wir für eine Aufgabe in Verwandlung zusammenarbeiten müssen, Mutter."
Die Frau nickte. Ihre schwarzen Haare waren wie in Camilles Erinnerung zu einem strengen Dutt zusammengebunden, doch waren diese an manchen stellen grau meliert. Ihre hellen Augen blieben auf der Blondine ruhen. „Es ist schön zu sehen, dass aus dir eine hübsche junge Frau geworden ist, mein Kind", sagte sie und fügte hinzu: „Vielleicht kannst du dafür sorgen, dass Regulus' Noten ein wenig besser ausfallen dieses Jahr."
Camille schluckte und wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte. Jede Faser ihres Körpers schrie danach Regulus zu verteidigen, doch Walburgas Erziehung ging sie nicht im geringsten etwas an. Der Dunkelhaarige neben ihr senkte beschämt den Kopf. „Es tut mir Leid Mutter."
„Das will ich auch hoffen. Dass ein Halbblut bessere Noten hat als du!"
„Es kommt nicht wieder vor", murmelte er, doch die Frau war nach diesen Worten bereits wieder im unteren Geschoss verschwunden und hörte diese womöglich gar nicht mehr. Regulus seufzte und straffte seine Haltung, ehe er Camille die Andeutung eines entschuldigenden Lächelns schenkte und ihr die Tür zu seinem Zimmer aufhielt.
Wie betäubt trat Camille ein wusste noch immer nicht recht, was sie sagen sollte. Das Zimmer, welches die Blondine sah, war beinahe so vornehm ausgestattet wie das ihre, bloß dass es ein wenig kleiner war. Dekoriert war es mit Silber-grünen-Bannern und dem Wappen der Blacks. Camille ließ ihre türkisblauen Augen über die Einrichtung schweifen, aus irgendeinem Grund fand sie es ziemlich interessant, wie ihre Mitschüler ihre privaten Räume gestalteten. In Hogwarts hatten sie dazu schließlich nicht viele Möglichkeiten.
Eine betretene Stille hüllte die beiden Freunde ein, weswegen die Slytherin sich peinlich berührt um ihre eigene Achse drehte und schließlich auf seine Fensterbank deutete. „Was ist das für eine Pflanze?"
„Eine Affodil". erwiderte Regulus, dem die Situation ähnlich unangenehm zu sein schien. „Ich warte noch darauf, dass sie anfängt zu blühen."
Camille nickte und trat auf die Wand zu, an der er einige Fotos und Artikel gepinnt hatte. Ein leichtes Lächeln verirrte sich auf ihre rosa Lippen, als sie Emma mit der restlichen Mannschaft entdeckte. Ihr Blick glitt weiter und für einen Moment stutzte sie. Es waren Zeitungsausschnitte, sauber ausgeschnitten und neben den anderen Bildern unschuldig angeordnet. Sie alle schienen bloß von einem Thema zu handeln, als sie die Überschriften überflog; Lord Voldemort und seine Anhänger.
„Du wirst dich ihnen anschließen", stellte sie schließlich leise fest und wusste nicht recht, wie sie darüber denken sollte. Sie wusste, dass ein Großteil der reinblütigen Familien nicht abgeneigt von einer solch fanatischen Herrschaft waren, ihre eigene Familie mit einbegriffen und dennoch traf die Erkenntnis sie wie ein Schlag und plötzlich hinterfragte sie ihr gesamtes Weltbild. Hatten sich ihr Vater und Lucius dem dunklen Lord bereits angeschlossen?
In ihrer Anwesenheit fiel kaum ein Wort über solch ein Thema, doch aus vergangenen Konversationen hatte sie heraushören können, wie auch ihre Familie Voldemort in den höchsten Tönen anpries. Die Idee selbst lehnte sie nicht ab, es war die Grausamkeit, die sie abschreckte mit der seine Anhänger vorgingen und das Risiko in Ungnade des selbsternannten Lordes zu fallen.
Camille spürte, wie Regulus hinter sie getreten war und sie spürte seinen warmen Atem im Nacken, der dort ironischerweise eine Gänsehaut hinterließ. „Es ist eine Ehre Teil von einer solchen Bewegung zu sein."
„Bist du dir sicher?", fragte sie leise nach und konnte ihren Blick nicht von den Artikeln nehmen. „Wenn du ihm erstmal deine Treue geschworen hast..."
„Werde ich mit den größten Titeln und Habseligkeiten belohnt", beendete er ihren Satz. Endlich drehte sie sich zu ihm um und sah ihm in die grauen Augen, in die ein Funkeln getreten war. Sein Atem ging nun stoßweise und geradezu aufgeregt fuhr er fort: „Überleg doch mal, ich kann den Namen meiner Familie rein waschen, ich kann alles wieder gut machen und werde ganz nach oben steigen. Höher, als ich es sonst jemals schaffen werde."
Sein Bekenntnis schmälerte ihre Liebe zu ihm erstaunlicherweise nicht, im Gegenteil, sie hatte ihn nie mehr geliebt. In diesem Moment lächelte Camille und ließ sich selbst hoffen, dass sie eines Tages vielleicht doch eine Chance haben würden. „Du bist sehr mutig so zu denken", hauchte sie. „Oder du hast komplett den Verstand verloren."
„Vielleicht beides", murmelte Regulus und war ihrem Gesicht so nah, mit Hoffnung in den Augen, die ihre widerspiegelte. Sie konnten es schaffen. Wie Lucius und Narzissa. Die Liebe siegen lassen und ihre Familien stolz machen.
„Keine Sorge, ich muss meinen Verstand auch längst verloren haben", flüsterte sie und dabei übertrieb sie nicht einmal. Sie wollte das Risiko eingehen, wollte einen Kuss von ihrem Gegenüber stehlen. Sie konnte das Gefühl in ihrem Inneren kaum in Worte fassen, doch wenn es tatsächlich Liebe war, wollte sie diese niemals jemand anderem schenken. Beinahe verfluchte sie Regulus schon dafür, derartig ihre Hoffnung zu schüren, doch sie dankte ihm auch. Der junge Black schien in seiner Haltung eingefroren, als plötzlich sie beide erschrocken zusammenzuckten.
„SIRIUS ORION BLACK!"
Es schien als hätte Merlin sie für ihren beinahe-Kuss bestrafen wollen. Vielleicht war es ein Zeichen? Ein Zeichen dafür, dass all dies bloß Wunschdenken war?
Peinlich berührt wandten die beiden sich voneinander ab, während aus dem Nebenzimmer laute Rockmusik das Haus wie eine Welle durchflutete und zum erzittern brachte. Eigentlich war es keine Musik, sondern Krach. Regulus stöhnte genervt auf, was allerdings in den wummernden Bässen unterging, genau wie das laute Geschrei seiner Mutter vor der Tür.
„Sirius legt es echt darauf an, was?", fragte Camille zu einem Teil belustigt. Etwas derartiges geschah in Malfoy Manor nicht. Nicht einmal in den Gemächern der Slytherins.
Beschämt kratzte der Dunkelhaarige sich am Hinterkopf. „So wird das mit unserem Projekt vermutlich nichts... vielleicht sollten wir das nächste Mal besser zu dir... was machst du?"
Die Blondine war in Richtung der Tür marschiert und hatte diese auch sogleich aufgerissen. Als sie in den Flur trat, war es als wäre sie direkt gegen eine Wand gelaufen, denn die Musik schlug ihr dort wie eine Mauer entgegen. Sie konnte es Walburga Black nicht verübeln, dass sie ihrem Sohn gerade versuchte eine derartige Standpauke zu halten. Doch in diesem Moment war sich Camille nicht sicher, welcher Lärm ihrem pochenden Schädel mehr zusetzte; ihr schrilles Geschrei oder das leiernde Gitarrensolo.
Geradezu entschuldigend blickte die Frau sie an, als wäre die Situation ihr mehr als bloß unangenehm, während sich ihre dunklen Haare aus dem Dutt gelöst hatten und ihr gestresst in das müde Gesicht fielen. Die Tür zu Sirius' Zimmer schien verschlossen, sodass sie im wahrsten Sinne des Wortes gegen eine Wand geredet hatte. Es war offensichtlich, dass der älteste Sohn dies mit Absicht tat und die Reaktion seiner Mutter geradezu genoss.
„Vielleicht sollten Sie einen einen Muffliato um das Zimmer ziehen, dann haben Sie ihre Ruhe und Sirius denkt weiterhin, dass er die Bewohner dieses Hauses zur Weißglut treibt", schlug Camille sachte vor, während sie aus den Augenwinkeln bemerkte, wie Regulus ebenfalls hinter ihr aufgetaucht war und sie mit großen Augen anstarrte.
Walburga Black sagte zunächst gar nichts und die Blondine dachte im ersten Moment, dass ihr der nächste Sturm gelten würde, dafür, dass sie sich eingemischt hatte. Doch das Gegenteil trat ein, die normalerweise in Stein gemeißelte Gesichtszüge der Frau erweichten und im nächsten Augenblick sah sie Camille an, als würde sie diese am liebsten küssen. Ein Ausdruck, der an der strengen Mrs. Black ganz und gar selten war.
Vielleicht konnten Wunder doch geschehen.
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