Am eigenen Leib

• Camille Malfoy •

„I lost my mind
trying to understand yours."

Camille hatte sich Elijah Hall, den Erben einer der angesehensten reinblütigen Familien aus ganz Europa, anders vorgestellt. Sie konnte zwar nicht genau sagen wie, doch ihn nun in Fleisch und Blut vor sich zu sehen und gar mit ihm zu tanzen, fühlte sich surreal an. Als geschähe es in einem lang vergessenen Traum.

Sie hatte schon vieles von ihm gehört, Spekuliertes, sowie Fakten. Er wurde privat unterrichtet, von den besten Professoren Großbritanniens, wenn nicht sogar der Welt. Die Tatsache, dass er einst in die großen Fußstapfen seines Vaters, ein hohes Tier im Ministerium, treten würde, machte ihn zu einer begehrten Partie. Womöglich einer der begehrtesten im britischen Zaubererraum. Er war wie ein geheimnisvoller Prinz und jedes Mädchen wollte bekanntlich eine Prinzessin sein. Selbst diejenigen, die magisches Blut in sich trugen.

„Sag mir, Elijah Hall, wie komme ich zu dieser Ehre?", fragte sie inmitten des Walzers, welchen sie gerade auf der Tanzfläche zum besten gaben. Sie flogen geradezu über das Parkett und auch wenn Camille tanzen konnte, seitdem sie ein kleines Mädchen war, hatte sie sich noch nie so leichtfüßig gefühlt. Als träge all die Last der komplizierten Tanzschritte ihr Partner.

„Nun, ohne dich, hätte ich wohl die Zeremonie verpasst und wäre verloren in eurem wunderschönen Anwesen herumgeirrt", erwiderte er und seine eisblauen Augen blitzten verschmitzt auf, während sein teurer Festumhang um ihrer beider Füße wehte. Camille musste hell auflachen. „Ich bin mir sicher, dass euer Zuhause nicht weniger beeindruckend ist als das unsere."

„Ich denke da müsstest du dich schon selbst von überzeugen", erwiderte er und verpackte in seinen Worten geschickt eine unausgesprochene Einladung. Verlegen tat die Blondine diese bloß mit einem Lächeln ab.

Während die anderen Gäste wie in einer Zeitschleife an ihnen vorbeirauschten, hielt Camille unauffällig Ausschau nach Regulus. Der Ausdruck, mit dem er sie angesehen hatte, ließ ihr Herz bluten und sie bereuen nach Elijahs Hand gegriffen zu haben. Doch es war bloß ein Tanz und es wäre unhöflich gewesen diesen abzuschlagen. Besonders bei jemandem wie einem Hall. Ihr Vater hätte sie womöglich gesteinigt, hätte sie abgelehnt. Man wusste nie, wohinter sich eine Chance verbarg, wie er ihr immer pflegte nahezulegen.

„Wie ist es so?", setzte der Dunkelblonde schließlich an, mit einem Nachdruck von Neugierde in seiner Stimme. „Hogwarts meine ich."

Camille meinte Sehnsucht verborgen hinter seinem aufgekommenen Interesse entdecken zu können. Doch so flüchtig dieser Moment gewesen war, genauso schnell glaubte sie sich getäuscht zu haben. „Es ist der weitaus beeindruckendste Ort, der mir je zu Augen gekommen ist", erwiderte sie schließlich mit einem Lächeln.

„Mit Sicherheit lenkt er einen bloß vom lernen ab", gab er nachdenklich zurück. „Und die wichtigsten Dinge werden einem gar nicht erst beigebracht."

Die Slytherin brauchte kein genaues Stichwort, um genau zu wissen, wovon er sprach. Die dunklen Künste. Auch in ihrer Familie hatten diese einen hohen Stellenwert, selbst wenn nicht über sie am Tisch gesprochen wurde. Sie wusste, dass auch Lucius von ihrer beiden Vater unterrichtet wurde. Sie selbst hatte nie Interesse daran gehabt sie zu lernen, was nicht bedeutete, dass sie völlig unwissend in dieser Hinsicht war. Doch es war die Ausführung, die ihr jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte. Sie war ihr nicht geheuer. Dunkle Magie konnte Dinge mit einer Seele anstellen, schlimmere, als ein Dementor jemals anrichten könne.

Der prächtige Kronleuchter brachte ihr blondes Haar zum strahlen, genau wie das ihres Gegenübers. Gewiss stellten sie ein seltsames Paar dar, wie Camille jäh empfand, denn mit ihren hellen Haaren und blauen Augen sahen sie sich ähnlicher als so manches Geschwisterpaar. Doch während Elijah sich charmant und zuvorkommend gab, hielt er sie zweifellos auf Abstand. Nicht bloß in ihrer Tanzhaltung.

Verschlossen war seine Miene, wenn auch ein offenes Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Der Flügel stimmte seine letzten Töne an, ehe das Lied endete. Höflicher Applaus für den ersten Tanz des Abends erfüllte den Saal und Camille schenkte ihrem Tanzpartner ein entschuldigendes Lächeln, ehe sie sich auf die Suche nach Regulus machte.

Sie schob sich durch die tanzenden Paare, als sanft das nächste Lied angestimmt wurde und suchte mit ihren türkisblauen Augen die ausdruckslosen Gesichter ab. Eine solche Veranstaltung war schon längst nichts besonderes mehr, weswegen die meisten diese bloß dank mehrerer Gläser Elfenwein überstanden.

Camille hielt in ihrer Bewegung inne, als sie ein wenig abseits den Gesuchten mit seinem Vater vorfand. Ihr gedämpfter Ton und ernste Ausdrücken verrieten ihr, dass sie besser nicht störte, stattdessen betrachtete sie ihren Schulfreund nachdenklich. Das schwarze Haar war sauber nach hinten gegelt, doch einige Strähnen hatten sich bereits gelöst und fielen ihm in das blasse Gesicht. Doch dann hob sich sein Kopf und seine sturmgrauen Augen leuchteten auf, als er ihr Lächeln entdeckte.

Plötzlich schloss sich eine Hand um ihr Handgelenk und holte sie aus ihrer rosafarbenen Blase, in der bloß sie und Regulus Platz hatten. Erneut wurde ihr einladend die Hand gereicht, dieses Mal von ihrem Bruder. „Schenkst du mir meinen zweiten Tanz, werte Schwester?"

„Es wäre mit eine Ehre", erwiderte Camille kokett und deutete einen theatralischen Knicks an, ehe sie Lucius' Einladung annahm. Er führte sie inmitten der tanzenden Gäste, fort von Regulus und begann sie herumzuwirbeln. Weniger leichtfüßig wie Elijah, jedoch nicht weniger anmutig.

„Uns wurde viel in die Wiege gelegt, Camille", setzte er plötzlich an und ein ernster Ausdruck trat in seine grauen Augen. „Reines Blut, Geld, eine aussichtsreiche Heirat und ein Name, der uns Türen öffnet. Bitte schließ diese nicht."

Camille schluckte. „Ich weiß nicht, was du mir damit sagen willst, Lucius."

„Damit will ich sagen, dass Liebe kommt und geht. Verschenke sie nicht an den Erstbesten, nicht an jemanden, der dir keine gute Zukunft bieten kann", riet ihr der Blonde, noch immer mit völliger Ernsthaftigkeit in der Miene, die auf einer Hochzeit keinen Platz haben sollte.

„Kann eine solche Zukunft mir denn Glück schenken?", fragte sie geradeheraus und sah nicht weniger ernst zurück. Ihr gefiel es nicht in welche Richtung das Gespräch ging. Gewiss war ihm aufgefallen, was für Blicke sie und Regulus zuvor ausgetauscht hatten. Doch er irrte sich wie so viele und Regulus würde es ihnen allen zeigen. Mit ihr an seiner Seite.

„Wenn du sie lässt", sagte Lucius leise, doch mit solchen Nachdruck, dass seine Schwester ihn ohne Probleme verstand. Sie nickte knapp und löste sich von ihm, während das Lied des Flügels erbarmungslos fortgeführt wurde. Doch das interessierte sie zu diesem Zeitpunkt nicht. „Entschuldige mich, aber mir ist gerade nicht nach einem Tanz."

Ohne eine Regung im Gesicht des Erben der Malfoys abzuwarten, hatte sie sich bereits abgewandt und sah sich verloren im Ballsaal ihres Anwesens um. Dieser war noch nie voll solch vieler Hexen und Zauberer gewesen und doch hatte sie sich selten so einsam gefühlt. Als würde sie im Luftzug der herumwirbelnden Gäste frösteln, schlang sie ihre Arme um ihren Körper, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte. Unwissend darüber, dass die Kälte von innen heraus entstanden war.

Ihre Augen blieben schließlich an einer ihr bekannten Familie hängen und beinahe hätte sie erleichtert aufgeatmet. Lorraine stand gemeinsam mit Alaric bei ihren Eltern. Sie alle hielten ein Glas Elfenwein in der Hand und unterhielten sich mit einem älteren Ehepaar. An der Haltung der beiden Zwillinge war nichts auszusetzen, während ihre Mundwinkel sich an den richtigen Stellen nach oben bewegten. Genau wie es ihnen beigebracht worden war.

Bloß Camille ahnte, was in der Blondine gerade vor sich ging. Womöglich dachte sie an Garreth und womöglich würde sich das auch niemals ändern. So langsam begann sie ihre älteste Freundin zu verstehen und sie schämte sich dafür, wie sie versucht hatte ihr ihre Gefühle auszureden. Sollte sie ihrer Familie doch den Rücken kehren, wenn sie es nicht akzeptierten.

Die Slytherin erschrak über ihre eigenen Gedanken. Würde sie selbst jemals so weit gehen können? In diesem Moment wanderten Lorraines blaue Augen zu ihr. Ein Lächeln huschte über ihre rosafarbenen Lippen, welches im Gegensatz zu den vorigen von Herzen gemeint war. Camille erwiderte die Geste zögernd, ihr Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen, als sie sah was sie da um den Hals trug. Dawsons Collier.

Ihre Kehle wurde trocken. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht diesen Widerling auf ihre beste Freundin anzusetzen? Zu diesem Zeitpunkt hatte sie es gut gemeint, doch da hatte sie es noch nicht verstanden. Es nicht am eigenen Leib erfahren. Sie begann sich in dem Saal umzusehen, als sie fand was sie suchte.

Mit schnellen Schritten durchquerte sie den Raum, steuerte direkt auf Dawson Mulciber zu und hatte bereits ihren Mund geöffnet, als er ihr zuvorkam. „Unser Deal ist geplatzt."

„Was?", stammelte Camille verdattert, realisierte noch nicht die Worte, die aus seinem und nicht aus ihrem Mund gekommen war. Dabei hatte sie genau an dieselben Gedacht.

„Ich wollt's ja durchziehen, aber als ich erfahren habe, dass Lorraine schon ihre Spucke mit dem Blutsverräter Greengrass geteilt hatte, wurde mir übel. Nichts für ungut", winkte Dawson naserümpfend ab und nahm einen Schluck Feuerwhiskey, den er sich heimlich von einem der Tabletts stibitzt haben musste, denn dieses Getränk war zu dieser Veranstaltung bloß für die Erwachsenen gedacht. „Keine Sorge, sie denkt ich hätte ihr diese Kette bloß auf Wunsch meiner Eltern geschenkt", fuhr er fort, als er den erschrockenen Ausdruck in ihren Augen bemerkte.

Die Blondine musste sich zunächst für einen Augenblick sammeln und das Erfahrene verarbeiten, welches schwerer verdaulich war als scharfe Drachenbällchen. Sie war überrascht über Dawsons Diskretion und dass er sie nicht einfach verraten hatte, dennoch würdigte sie seine herabwürdigenden Worte zuvor kein bisschen. Nichtsdestotrotz würgte sie ein überraschtes „Danke", hervor.

„Nicht dafür", brummte der ältere Slytherin bloß und hatte sich im nächsten Moment bereits kopfschüttelnd abgewandt. Noch immer ein wenig baff, schaute Camille ihm hinterher und ließ sich daraufhin erschöpft an die Wand fallen, als wäre sie gerade in Hogwarts' siebtes Stockwerk gelaufen. Dabei war sie nicht etwa körperlich am Ende, es war ihr Verstand, der nicht mehr weiter wusste.

„Möchtest du tanzen?" wurde sie plötzlich von einer sanften Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Sie wusste nicht wie lange sie an dieser Wand gestanden und Löcher in die Luft gestarrt hatte. Doch als sie zurück in die Gegenwart kam, schien sich nichts außer dem Lied des selbstspielenden Flügels verändert zu habe. Schief lächelnd fügte Regulus hinzu; „Ich habe auch geübt, versprochen."

„Mit Vergnügen", erwiderte Camille ebenfalls lächelnd und empfand an diesem Tag tatsächlich das erste Mal wahrhaftiges Vergnügen an einem Tanz. Auch wenn Regulus bei weitem kein so guter Tänzer wie Lucius oder gar Elijah war. Doch ihre Herzen spielten in demselben Takt, während sie sich langsam zu den Klängen der Klaviermusik bewegten.

„Geh mit mir aus", platze es jäh aus dem schwarzhaarigen heraus, dass Camille zunächst keine Antwort auf seine plötzlichen Worte fand. Pikiert räusperte er sich. „A-also natürlich nur wenn du möchtest..."

„Ich würde mich sehr darüber freuen!"

„Ehrlich?"

„Ehrlich."

_______________

Ja, ich weiß, endlich gab es mal wieder ein neues Kapitel. Ich hoffe es hat euch trotz der langen Wartezeit dennoch gefallen :)

Vielleicht habt ihr es schon mitbekommen, vielleicht auch nicht. Falls nicht wollte ich auch hier mal kurz ankündigen, dass ich eine neue Geschichte veröffentlicht habe. Sie heißt Salem und freut sich über neue Leser. Es ist ausnahmsweise mal keine Fanfiction, sondern gehört dem Genre Übernatürliches/Mystery an. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja gerne mal vorbeischauen ❤️

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top