Ein angsteinflößendes Eingeständnis

• Camille Malfoy •

„Please give away the end.
Tell me it's us."

Camille hatte ein schönes Weihnachtsfest mit ihrer Familie verbracht. Zumindest war dieses nicht anders verlaufen, als in all den Jahren zuvor. Ganz im Gegensatz zu dem von Regulus. Die jüngsten Neuigkeiten hatten schnell die Runde gemacht, besonders in den Kreisen ihrer Tanten und Cousinen, für die so etwas als gefundenes Fressen galt, um sich die Mäuler zu zerreissen.

Die dritte Person, die in den letzten Jahrzehnten der Familie Black den Rücken gekehrt hatte. Es war nicht so, dass Camille überrascht darüber war, dass Sirius es seinem Onkel Alphard und seiner Cousine Andromeda gleich getan hatte. Doch sie hatte damit gerechnet, dass er erst nach seinem Schulabschluss diesen Weg einschlagen würde. Wenn nicht für sich selbst, dann für Regulus. Wie falsch sie anscheinend doch gelegen hatte.

Die Blondine konnte bloß spekulieren, wie es ihrem Schulfreund nun gehen musste. Doch den Schmerz, den sie sich ausmalte, traf sie gleichermaßen. Regulus' zutiefst enttäuschtes Gesicht, welches sie glaubte vor ihrem geistigen Auge zu sehen, ließ ihr Herz bluten.

Es war der Morgen der Hochzeit und Camille hatte bloß Nächte zuvor ein Gespräch zwischen ihren Eltern überhören können, in dem es darum ging diesen Teil der Familie Black nicht an den Feierlichkeiten teilhaben zu lassen. Denn laut ihnen war es kein so guter Start in eine Ehe, solch umstrittene Gäste zu haben und somit die Gerüchteküche zum Brodeln zu bringen.

Doch natürlich war es wohl kaum üblich die Hälfte der Familie der Braut auszuladen und so blieb diese Idee bloß ein Einfall des guten Ansehens. Auch am Frühstückstisch wurde das Thema behandelt, als wäre es das einzig wichtige an diesem großen Tag.

„Es war doch bloß eine Frage der Zeit", warf Camilles Großmutter kopfschüttelnd ein und verzog ihr Gesicht, sodass ihre vorhandenen Falten sich vertieften. Sie war einst wunderschön gewesen und hatte jeden in der Umgebung mit ihrer Schönheit in den Bann gezogen. Nun waren es allein ihre türkisblauen Augen, welche aufgrund ihrer ausstrahlenden Lebenserfahrung herausstachen wie die Perle der See. Doch all ihre Magie schien verpufft, sobald sie in eine ihrer berühmten Hetzreden einstimme, so wie in diesem Moment. „Es ist ein Wunder, dass Walburga nicht schon längst eingeschritten ist. Sie hat Sirius ja geradezu einen Freifahrtschein für sein Verhalten gegeben."

„Ich denke, dass wir das Thema vorerst ruhen lassen sollten", seufzte ihre Tochter und versuchte mit einem schwachen Lächeln in die Runde des Tisches die Stimmung ein wenig zu heben. „Immerhin ist eine Hochzeit doch ein Anlass zur Freude und kein Ort für solch dunkle Gespräche."

„Ich stimme dir ganz zu, Ophelia", pflichtete ihr Vater bei, ehe er sein Augenmerk auf seine Enkelin lenkte. „Sag Camille, wann wird es bei dir soweit sein? Ich lebe schließlich nicht ewig und ich möchte mir deinen großen Tag auf gar keinen Fall entgehen lassen. Erzähl, auf wen hast du ein Auge geworfen? Ein Gespräch mit den Eltern und der Bursche gehört dir."

Camilles Großvater ließ ein kehliges Lachen aus den tiefsten seiner Lunge erklingen und auch sie selbst musste ein wenig schmunzeln. Dieses verging ihr allerdings, als sie nicht die geringste Ahnung hatte, was sie darauf erwidern sollte. Die Wahrheit war ausgeschlossen, zumindest vorerst, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Sie hoffte, dass sie das tun würde. Die Blondine zwang sich zu einem zuckersüßen und unschuldigen Lächeln, welches ihre Lüge hoffentlich nicht von der Wahrheit unterscheiden ließ. „Da gibt es niemanden."

„Du wirst dich doch sicher vor Verehrern nicht retten können!", warf ihre Großmutter entrüstet ein, während Lucius sich mit gekräuselten Lippen auf seinem Stuhl zurücklehnte. „Das bedeutet ja nicht, dass sie auch gut genug sind für die kleine verwöhnte Camille."

Die Syltherin verdrehte die Augen und funkelte ihren Bruder an, dessen feixendes Grinsen sie in diesem Moment in den Wahnsinn trieb. Ihr beider Vater schien von der stummen Konversation der Geschwister gar nichts mitzubekommen, denn er nickte bloß. „Dann kann Camille die Gelegenheit nutzen und sich später auf der Feier ein wenig umsehen, wenn ihr die Jungen auf Hogwarts nicht genügen. Ich habe bloß die angesehensten Familien eingeladen und einige von ihnen stammen aus dem Ausland, nicht wenige gehen nach Durmstrang, eine Schule, die viel mehr Wert auf Disziplin legt. Dort ist bestimmt keiner mehr grün hinter den Ohren."

Camille straffte ihre Haltung und warf die hellen Haare über ihre Schulter, als sie sich zu einem erneuten Lächeln zwang. Sie konnte sich bereits ausmalen, wie ihr Vater sie so vielen jungen Männern vorstellen würde, dass sie keinen einzigen der Namen behalten könnte. Dabei hatte sie bloß den Abend mit Regulus verbringen und ihn von seinen düsteren Gedanken zu befreien wollen. Wenn auch bloß für einen Augenblick.

Die letzten Stunden vor der Hochzeit vergingen in purer Hektik. Die Haarnadeln, die Camille in ihr blondes Haar gesteckt wurden, kratzten schmerzhaft auf ihrer Kophhaut. Doch den Schmerz würde die Slytherin im Laufe des Abends in Kauf nehmen müssen. Es war schließlich der Preis der Schönheit.

„Du siehst bezaubernd aus", sagte ihre Mutter verzückt und wischte einen Fussel von dem zartblauen Traum eines Kleid, in dem ihre Tochter steckte. Camille fand, dass Narzissa eine gute Wahl getroffen hatte, bei dem Einkleiden ihrer Brautjungfern und hatte ein weiteres Mal bewiesen, wie gut der Geschmack der zukünftigen Mrs. Malfoy doch war. Der sanfte blauton brachte ihre türkisblauen Augen zum Strahlen und gepaart mit den wenigen hellen Locken, die aus ihrer Hochsteckfrisur fielen, sah sie aus, als wäre sie an einem warmen Sommertag dem Himmel entsprungen.

Der Festsaal von Malfoy Manor war prachtvoll hergerichtet worden und ließ bloß erahnen wieviel Geld von beider Familien in die Hochzeit gesteckt wurde. Hauselfen wuselten umher und verteilten Getränke an die eintrudelnden Gäste, welche sich gegenseitig in oberflächliche Gespräche verwickelten.

Camilles Vater hatte sich zu einigen der eintreffenden Familien gesellt, während seine einzige Tochter noch immer allein in der Eingangshalle herumstand und auf ein ganz bestimmtes Gesicht wartete. Einige von den Gästen kamen ihr zwar bekannt vor, wirkten auf sie jedoch wenig einladend. Ohnehin hatten die meisten bloß Augen für den Bräutigam, den Mann der Stunde, der sie alle in Empfang nahm. Unwillkürlich musste Camille daran denken, wie sehr Lucius sich doch verändert hatte, seitdem er seinen Abschluss gemacht hatte. Er erschien ihr geradezu wie eine jüngere Version ihres Vaters. Nicht, dass er nicht auf genau dieses Ziel hingearbeitet hatte, doch gewöhnungsbedürftig  war es dennoch.

Aus den Augenwinkeln erkannt die Blondine, wie ihr Vater sie mit einer flüchtigen Handbwegung zu sich heranrief und ihr die Familie vorstellte, bei der er stand. „Du kennst doch mit Sicherheit noch Georgi und Wanja Karkaroff und ihren Sohn?"

„Es freut mich, Sie wiederzusehen", sagte Camille höflich und gab jedem Mitglied der kleinen Familie die Hand, ehe sie bei dem Jüngsten von ihnen ankam, dessen Aufmerksamkeit ihr bereits zugewandt war. „Camille."

„Igor." Sie nickte ihm knapp zu. Es war ewig her, dass sie den Bulgaren das letzte Mal gesehen hatte und es war auch bloß bei dieser einen Begegnung geblieben. Gemeinsam hatten sie sich an einem stürmischen Herbsttag den Tag vertrieben, als ihre Eltern etwas zu besprechen hatten. Damals hatte er ihr von Durmstrang erzählt und sie war sich ziemlich sicher, dass seine blauen Augen damals noch nicht so kalt gewesen waren.

Camille hörte dem aufkommenden Gespräch bloß mit halbem Ohr zu, stattdessen begann sie erneut die eintreffenden Familien in Augenschein zu nehmen. Ihr Blick fiel auf Lydia Lestrange. Ihr eingefallenes Gesicht war von feinen Gräben durchzogen und ihr rechtes Bein hinkte ein wenig unter dem Festumhang. Es war das Alter, welches nicht einmal vor den reinblütigsten und schönsten Zauberern und Hexen halt machte. Doch nicht Lydias Schönheit war Schuld daran gewesen, dass Lestrange Senior sie einst hatte besitzen wollen, sondern ihr reines Blut.

Das dumpfe klocken eines Gehstockes, riss nicht bloß Camilles Aufmerksamkeit an sich. Orion Black besaß die typisch feinen Gesichtszüge, wie sie bei beinahe jedem Mitglied seiner Familie vorzufinden waren. Wobei sie bei ihm etwas zu scharf und beinahe schon unmenschlich wirkten. Begleitet wurde er von seiner Frau und seinem jüngsten Sohn. Bloß eine Person fehlte, doch womöglich war diese nie ein Teil von der Familie gewesen.

Neugierige, verachtende und verurteilende Blicke verfolgten die Drei. Allein Lucius und die Eltern der Braut trauten sich in ihre Nähe. Auch Camille gesellte sich zu ihnen, doch ihre Augen gehörten allein Regulus, der diesen allerdings beschämt auswich. Die Blondine wartete das kurze Begrüßungsgespräch ab, ehe sie den jungen Black ganz für sich beanspruchte und ihn mit sich zum anderen Ende des Raumes zog. Dort sah sie ihm tief in die Augen, doch seine Seele schien verschlossen. „Wie geht es dir?"

Der Slytherin zuckte mit seinen Schultern. „Bist du sicher, dass du mit mir gesehen werden willst? Das letzte Mal..."

„Ich bin mir sicher", flüsterte Camille. „So etwas wird nicht mehr vorkommen. Es ist schließlich nicht deine Schuld, es hat bloß viel zu lange gedauert, bis auch ich das verstanden habe."

Noch immer wich Regulus ihrem Blick aus. „Ich habe ihm vertraut, er hat mir versprochen, dass er sich zusammenreißt. Dabei hat er alles bloß noch schlimmer gemacht."

Am liebsten hätte die Blondine ihn umarmt, doch sie musste nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass sie unter dem scharfen Blick ihres Vaters stand. Es war zu früh. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und lächelte mit einen geübten Lächeln in die Runde. „Du wirst sehen, dass alles gut wird. Die Menschen vergessen."

„Ich werde dafür sorgen, dass du und deine Familie nicht in Schwierigkeiten geratet. Ich werde den Namen meiner Familie rein waschen, das bin ich ihnen schuldig", murmelte er verbissen und spannte den Kiefer an, sodass seine Gesichtsmuskeln hervortraten.

Camille wusste wovon er redete, es war ihr letztes gemeinsames Gespräch gewesen, bevor sie endlich ihren Aufsatz beendet hatten. Ihr letztes richtiges Gespräch, bevor Sirius ihn verlassen hatte. Sie schluckte. „Was genau ist an Heiligabend geschehen?"

„Meine Cousine Bellatrix", sagte Regulus finster und nickte in die Richtung der dunkelhaarigen jungen Frau. Zwar war es nicht das erste Mal, dass Camille der ehemaligen Black begegnete, allerdings war sie dennoch froh darüber, dass er es anmerkte. Denn seitdem sie die Dunkelhaarige das letzte mal auf ihrer eigenen Hochzeit mit Rudolphus Lestrange vor einigen Jahren gesehen hatte, hatte diese sich um einiges verändert. Allein die unruhigen dunklen Augen verrieten sie. Regulus senkte seine Stimme. „Sieh dir ihren Arm an."

Tatsächlich hatte seine Cousine die Ärmel ihres Festumhanges hochgekrempelt, als würde sie das dunkle Mal auf ihrem Unterarm regelrecht präsentieren wollen. Die Blondine konnte nicht anders, als es anzustarren. Es war das erste Mal, dass sie das Zeichen live und in Farbe vor sich sah und sie musste zugeben, dass es anmutiger war, als sie gedacht hatte. Gleichzeitig hatte sie aber auch einen heiden Respekt davor und sie mochte sich kaum ausmahlen, wie es auf Regulus' unschuldigem Arm aussehen mochte. Doch würde er das zu diesem Zeitpunkt noch sein? Unschuldig?

Waren sie alle jemals unschuldig gewesen?

Dass Regulus all diese Risiken auf sich nehmen wollte, schmälerte ihre Liebe zu ihm nicht. Im Gegenteil. Camille hatte plötzlich Angst vor ihrem eigenen Eingeständnis. Nach all den Jahren, in denen sie Regulus gemieden hatte, sich nun einzugestehen, dass sie unwiderruflich in ihn verliebt war, war für sie ein Schock. Denn mit der Liebe kam eine Verletzlichkeit, für die sie noch nicht bereit war. Nicht, wenn sie den jungen Black vielleicht niemals ihr Eigen nennen konnte.

Dieser Gedanke schien ihr den Boden unter den bestöckelten Schuhen wegzureißen und ließen die Wände sich drehen. Gleichzeitig schien der gewaltige Raum voller und immer enger zu werden, es raubte ihr beinahe die Luft. Die ihr so vertrauten grauen Augen musterten sie besorgt, doch helfen tat ihr der Anblick von ihnen wenig. „Ich brauche kurz frische Luft", japste sie und spürte, wie ihr Schweißtropfen auf die Stirn traten, die womöglich gerade ihr Make-up zerstörten.

„A-aber die Zeremonie geht doch gleich los", stammelte er, doch Camille schlängelte sich bereits durch die Hochzeitsgäste. Sie hatte nie geahnt wie grausam das Gefühl war etwas zu begehren, ohne es jemals besitzen zu können. Bisher hatte sie immer alles bekommen, was sie gewollt hatte.

Wie eine Süchtige rang sie im Hinterhof nach der eiskalten Luft und versuchte ihre wirren Gedanken zu ordnen. Entgegen ihrer Erwartungen half der Sauerstoff wenig gegen das Gefühl der Enge in ihrer Brust, als wäre sein Mangel nicht für dieses verantwortlich gewesen. Camille fröstelte in der Winterluft, welche ihr einen Schauer über den freien Rücken jagte. Vom Inneren des Herrenhauses aus, konnte sie die Stimme ihres Vaters vernehmen, die den Gästen befahl Platz zu nehmen.

Die Blondine sog ein letztes Mal die eiskalte Luft ein und folgte daraufhin den wenigen Zauberern, die es ebenfalls nach draußen verschlagen hatte, zurück in ihr warmes Heim. Bevor sie die Tür allerdings erreicht hatte, wurde sie sanft am Arm aufgehalten, „Entschuldigung, aber hast du meine Eltern gesehen?"

Unbegeistert wandte Camille sich um und starrte in die eisblauen Augen ihres Gegenübers, welche sie an den wolkenverhangenen Winterhimmel über ihr erinnerten. Sie hob eine ihrer fein gezupften Augenbrauen nach oben, denn sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wer der junge Mann vor ihr war. „Wer sind deine Eltern?", fragte sie in einem gelangweilten Ton, denn eigentlich musste sie sich so schnell wie möglich in ihre Position als Brautjungfer begeben und der Verbleib seiner Eltern gehörte gerade zu ihren geringsten Problemen.

„Kasia und Magnus Hall."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top