Kapitel 4...Eine kleine Reise?
Sam verließ das Hotel nach ihrer Schicht und stattete Benjamin noch einen kleinen Besuch ab. Die Stanfords hatten ihr Zuhause gleich neben dem Hotel. Es war bereits nach achtzehn Uhr und die Sonne war fast untergegangen. Sam hängte sich ihre Handtasche um und ging die Stufen vom Hotel herunter. Sie drehte sich zur Drehtür noch einmal um und betrachtete die großen, hell erleuchteten Buchstaben darüber:
"STANFORD - HARPER -HOTEL!
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Er saß bereits daheim in seiner Bibliothek. Mit einem dicken Welzer von Buch hatte er es sich am Kaminfeuer in seinem braunen Ledersessel gemütlich gemacht und las darin. Auf einem kleinen Beistelltisch neben seinem Sessel stand eine Kanne mit frisch aufgebrühtem Earl - Grey - Tee, ein Kännchen mit Milch gefüllt und eine Tasse, in der ein Teelöffel steckte. Während Benjamin in seinem ausgewählten Buch las, rührte er mit der anderen freien Hand seinen Tee in der Tasse genüsslich um.
Er genoss diese Ruhe und die Zeit für sich, seit er Sam die Leitung des Hotels übergeben hatte. So wählte es seine Schwester Helen in ihrem Testament und so entschied es auch die Wahl, die vor ein paar Monaten einberufen worden war, als er im Krankenhaus lag. Nachdem er, nach einem heftigen Streit mit seiner Frau Theresa, im Büro des Hotels zusammengebrochen war.
Sein Herz gönnte sich endlich Ruhe, Zufriedenheit und endlose Schonung.
Sam besuchte ihn so oft es ging. Sie hielt ihn auf dem Laufenden, was das Hotel betraf, damit er sich nicht ausgeschlossen fühlte. Er blieb ungern allein daheim in seiner Bibliothek. Die Gesellschaft war das, was ihm fehlte, seit seine Schwester nicht mehr da war. Zusammen verbrachten die Beiden unzählige Stunden in der Bibliothek und feilten an Verbesserungen, die dem Hotel gut taten und für ihre Gäste angenehm und anziehend waren. Damit sollte sich das Hotel füllen, egal zu welcher Jahreszeit und egal in welchen Monaten und zu welcher Saison. Nun beriet er sich mit Sam über solche Angelegenheiten. Auch, wenn Benjamin abgedankt hatte, schloss Sam ihn nicht in ihrem Entscheidungen aus. Seine Meinung war ihr immer noch wichtig und sie legte hohen Wert darauf. Denn er war schon länger in diesem Geschäft tätig.
Wenn es nach ihm ginge, würde er sich lieber den ganzen Tag im Hotel herumtreiben und sich unter die Gäste mischen oder seine Nase in Angelegenheiten stecken, die ihm nichts angehen würden. So verbrachte er nur noch drei bis vier Stunden in seinem alten Büro im Hotel und genoss einfach nur den Raum und seine Atmosphäre in seinem Bürosessel. Dann fühlte er sich nicht so allein und einsam und so weit von seiner Frau Theresa und von Dam und Max entfernt.
"Hallo mein Kind! Wie war dein Tag?", stellte er die Frage, ohne von seinem Buch aufzusehen.
Sam schloss die Bibliothek - Tür hinter sich, hängte ihre Handtasche und ihre ausgezogene Jacke an den schwarzen Kleiderständer rechts von der Tür und lenkte ihre Schritte zu ihrem Onkel.
"Also! Ich hatte heute ein Gespräch mit dem neuen Koch...", antwortete sie ihm und setzte sich auf den anderen Sessel, der neben dem ihres Onkels stand.
"...Hat er dir die Suppe versalzen, mein Kind?", witzelte Benjamin und legte sein Buch offen mit der Schrift zur Decke auf das Beistelltischchen.
"Nein! Hat er nicht...Er ist großschnäuzig, ein ungehobelter Flegel. Er ist der Meinung, als wüsste er alles besser. Er fällt mir immer wieder ins Wort und zeigt keinen Respekt... Weißt du, manchmal wünschte ich mir, dass Brooks wieder zurückkommt. Ich glaube, wir haben im Fall - Koch - eine falsche Entscheidung getroffen!....Wenn das so weiter geht, werde ich mich in die Küche stellen und für unsere Gäste kochen..."
Sam überlegte kurz und rang mit ihren Händen. "Vielleicht werde ich zu ihm fahren und mit ihm und seiner Schwester reden. Vielleicht kann ich die Beiden umstimmen...Brooks wäre dafür, das Restaurant hierher zu verlegen...Aber seine Schwester?"
"...Und wer übernimmt die Leitung?", fragte Benjamin.
"...Max...Wie hast du ihn mal genannt?...Deine Alternative?"
"Du möchtest allein hinfahren?"
"Du kannst auch gern mitkommen! Ein Ausflug würde dir gut tun. Dann kommst du wenigstens mal aus der Bibliothek raus? Abwechslung nennt man so etwas, Onkel Benjamin."
Benjamin nahm ihre Hände in seine und rieb mit seinen Daumen über ihren Handrücken. "Er ist total verliebt in dich, mein Kind! Er schmilzt in sich zusammen, wenn er dir über den Weg läuft..."
Sam grinste und schwelgte ein wenig vor sich hin. "Ich bin froh, dass er mir über den Weg gelaufen ist.", erzählte sie Benjamin verträumt.
Sogar Benjamin musste vor sich hin grinsen. "Und ich dachte schon, du würdest nie in deinem Leben jemanden die Chance geben, kleine Sam."
"Wieso tust du das?", fragte sie ihn verträumt.
"Ich tue...was Sam?", belächelte Benjamin ihre Frage.
"Dieses...Dieses...Grinsen da in deinem Gesicht!...Genau das da!", flunkerte Sam herum.
"Ich sage dir mal was, mein Kind: Du hast es Max ganz schön schwer gemacht, was eure Gefühle angeht."
"Unsere...Gefühle?...Ich weiß, was du da gerade tust!...Du lenkst vom Thema ab, Onkel.", wiederholte Sam. Sie lehnte sich an die Sessellehne und schaute ins prasselnde Feuer. "Ich wünschte, Helen hätte ihn kennengelernt...Manchmal, wenn ich sie an ihrem Grab besuche, erzähle ich ihr von ihm und wie es in ihrem Hotel läuft. Sie fehlt mir!...Ich vermisse sie so wahnsinnig!...Ich hoffe immer, dass ich aus einem Traum aufwache und sie durch die Tür von unserem Holzhaus kommt und ich sie in meine Arme nehmen kann und sie mich ganz doll festhält...", erzählte Sam, wie es in ihr aussah und was ihr größter Wunsch für ihre Zukunft war.
"Sie hätte sich so darüber gefreut, dass das Haus wieder steht. Max hat sich da voll ins Zeug gelegt. Was eine Zeichnung alles in einem Architekten wie Max ausgelöst hat.", erwähnte Benjamin zurückblickend.
Sam sah in die Kaminflammen hinein. "Ein Wort hätte damals genügt, um mir zu sagen, wer ich bin und was ich bin!", redete sie nebenher ins Feuer schauend.
"Sie hatte ihre Gründe, es dir nicht zu sagen...", beschwichtige Benjamin ihre Sorgen.
"...Genau wie ihr auch, du und Tante Theresa! Warum behielt sie es für sich? Hatte sie Angst davor, dass ich es ihr vorwerfen und mit ihr nie wieder reden würde?"
Benjamin beugte sich aus dem Sessel hervor. "Wir waren doch großartig als Eltern! Wir haben darin in diesem Fall nicht versagt!", und er schaute über den Brillenrand.
"Sieh, was aus dir geworden ist, meine kleine Sam! Mir sitzt eine wunderschöne, heran gewachsene, intelligente Frau gegenüber, die ein Hotel leitet, das schon so lange existiert und immer ausgebucht ist. Du hast immer an deinen Qualitäten gezweifelt. Dein Verantwortungsbewusstsein für dieses große Haus und deren Gäste ist bestrebens - und lobenswert, Sam Du übertriffst dich immer wieder...", und Benjamin stand aus seinem Sessel auf und ging an den Beistelltisch, wo eine Kanne Tee und eine Tasse stand, sowie ein Kännchen Milch und eine Zuckerdose.
Er goss sich ein und setzte sich an den Kamin zurück.
"Möchtest du auch?", fragte er Sam, als er saß.
"Nein, danke! Ich werde mir nachher eine heiße Milch machen, bevor ich ins Bett gehe." Sam sah auf ihre Armbanduhr.
"Ich muss los! Der Chauffeur kommt mich gleich abholen. Es ist schon spät."
"Wie geht es dem kleinen Billy?", informierte sich Benjamin neugierig.
"Er macht sich in der Vorschule großartig. Es macht ihm Spaß und er lernt schnell. Helen hätte ihn nach Strich und Faden verwöhnt...", und Sam sah es schon vor sich, wie sie Billy geschnappt und ihn verpimpelt und verwöhnt hätte. "...Sie wäre voll in ihrem Element gewesen...", lächelte Sam ihrem Onkel Benjamin an.
"Billy ist die nächste Woche in New York auf der Farm bei Bowden...Ehm...Bei seinem Großvater. Wir fahren am Sonntag."
"So, so!...Bowden und die ganze Harper - Bande!", scherzte Benjamin grinsend und nahm einen Schluck Tee.
"Aus deinem Mund klingt das so, ich weiß nicht so recht, wie ich diesen Ton deuten soll...sarkastisch... Oder sollte ich lieber...verrückt...sagen?", kicherte Sam wie ein Kleinkind und ihr Handy klingelte in ihrer linken Hand. Sie entsperrte es und sah auf das Display. "Die Limousine ist da...Ich muss jetzt los...Wir sehen uns morgen früh.", verabschiedete sich Sam von Benjamin und sie erhob sich aus ihrem Sessel. Sie drückte ihm einen Kuss auf seine Stirn und umarmte ihn, ehe sie die Bibliothek verließ.
"Sam?..."
"Ja?", drehte sie sich nochmal nach ihrem Onkel um.
"Würdest du morgen mit mir frühstücken, kleine Sam?", fragte Benjamin mit dem Blick auf Sam gerichtet.
"Neun Uhr auf der Terrasse im Hotel...Gute Nacht Onkel Benjamin!", setzte Sam das Frühstückstreffen an.
"Ach Sam!", rief er abermals hinter ihr her. Sie sah ihn neugierig an.
"Ich nehme deine Einladung sehr gern an! Ich begleite dich gern zu Brooks und seiner Schwester! Wie du schon sagtest, ein Ausflug wird mir gut tun."
Sam lächelte ihn an und er sagte zu ihr: "Gute Nacht kleine Sam! Ich hab dich lieb!", schickte er noch auf den Weg zu ihr.
"Ich hab dich auch lieb Onkel Benjamin!...Gute Nacht!", und Sam verließ das Haus.
An der Limousine hielt sie an, ehe sie einstieg. Ihre Blicke fielen auf das Haus, in dem sie viele Jahre verbracht hatte, ohne zu wissen, dass Helen ihre leibliche Mutter war und es Jahre lang vor ihr verheimlicht wurde.
"Gute Nacht!", schickte sie in den Himmel und stieg in die Limousine ein, die sie nach Hause zum Holzhaus brachte.
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