Kapitel 24 ↬ Mach das Licht aus.
◤ FELIX ◢
Ich hatte in den letzten Tagen und besonders heute, selten so viel Spaß, wie beim Aussprechen dieser Abmahnung. Dass es überhaupt nicht meine Aufgabe war und ich wirklich an der Rechtsgültigkeit dessen zweifelte, spielte in dem Moment keine Rolle.
Auch das Drama, was Luca direkt schob, à la „Was stellst du dich vor die Alte?" oder „Hast du dir die letzten Gehirnzellen heute weggekifft oder wat?" bis hin zu „Aber zum Blasen bin ich gut genug oder was?" war wirklich viel Schönes dabei. Ihr Ausraster war trotzdem noch ausbaufähig aber das sollte ich lieber nicht sagen.
Stattdessen mimte ich den besorgten und traurigen Arbeitskollegen, der schwer enttäuscht war von ihrem Fehlverhalten und bat sie ihre Sachen mitzunehmen. Auch, dass sie heute mächtig Überstunden geschoben hatte, damit wir Theas Kram beseitigen konnten, warf sie mir vor und es war mir herzlich egal.
Deshalb gönne ich mir nach ihrer peinlichen Nummer erst einmal eine Zigarette und gerade, als ich den Rauch genüsslich ausatme, taucht Nele hinter mir auf und lässt mich derart zusammen zucken, dass ich mich, wie der letzte Anfänger am Rauch verschlucke.
„Alter, willst du mich umbringen?" zische ich genervt und muss mich erst einen Moment beruhigen und wieder zu Atem kommen, bevor ich mich umdrehe und versuche meine Kippe zu genießen. Wenn ich mir so den Blick meiner Schwester ansehe, hat sich das mit dem gemütlichen rauchen nämlich gleich erledigt. Nach Aussprache der meist gehassten fünf Worte bin ich mir sicher: Ich muss los.
„Ich möchte mit dir reden." Daraufhin kann ich mir einfach nicht verkneifen die Augen zu rollen. „Och nö", spreche ich, wie ein kleines Kind und muss mich von ihr mitziehen lassen. „Hier saß ich eben schon mit Thea." Das hätte ich auch so erkannt, hier liegt ein zerrupfter Grashalm auf der Sitzfläche, wo auch immer er herkommt und die süße Plörre, die sie sich so gerne reinkippt, steht vergessen neben der Bank an der Straße.
„Also, was gibt's?" lasse ich mich neben ihr auf der Bank nieder und ziehe auffällig unauffällig an meiner Zigarette. Statt mir aber zu Antworten sieht mich meine kleine Schwester vorwurfsvoll an, als wisse ich genau, worauf sie hinaus will. Tja, irgendwie tue ich das auch, nur wo soll ich anfangen? Die Liste ist lang.
Mein Abgang heute vor Papa, ihre „Beziehung" mit Malte, obwohl sie heute mit dem Café-Typen geflirtet hat, ob Matze ihr gesteckt hat, dass wir gekifft haben? Hat sie gemerkt, dass ich sie vor Alilas Grab gerne geboxt hätte? Die Thea Nummer und ihr beschissener Samstagabend-Plan? Die Liste ist schier endlos und anhand ihres Blickes, während ich darüber nachdenke, bin ich mir mittendrin schon gar nicht mehr so sicher, ob ich wirklich nachdenke.
„Du hast wieder gekifft? Ich bringe Malte um!" „Ist das alles, was bei dir hängen geblieben ist? Wow und ich dachte, ich wäre drauf." Flüstere ich, dieses Mal bewusst so, dass sie es hören kann. Und kassiere prompt einen gar nicht mal so mädchenhaften Schlag gegen den Oberarm. Beleidigt und vielleicht ein bisschen schmollend reibe ich mir über die pochende Stelle. Scheint, als habe sich der Selbstverteidigungskurs, den Papa und ich ihr aus Planlosigkeit heraus geschenkt hatten, ausgezahlt.
„Warum hast du mir nicht von Malte erzählt?" frage ich deshalb, denn schließlich scheint es das einzige zu sein, was sie interessiert. „Warum hast du Matze erzählt, Thea sehe aus wie Alila?" stellt sie mir die Gegenfrage und setzt mich auf mehr, als nur einer Ebene Schachmatt.
Einen Scheiß habe ich! Warum sollte ich? Das ist doch überhaupt nicht wahr! Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen sehe ich meine Schwester an. Und wieder: Wer von uns beiden hat hier gekifft? Es sollte mir Sorgen machen, dass Nele selbstgefällig lächelt, als ich ihr genau das an den Kopf werfe. „Oh doch, mein Freund", sind ihre einzigen Worte, bevor sie mir auf ihrem Handy ein Video zeigt. Ich sehe Malte, Matze und mich auf seinem Balkon, der Dübel dreht seine Runden und irgendwann lenkt Matze die Kamera weg von sich selbst und nur noch auf mich. Ich höre mich selbst völlig neben der Spur nuscheln. Amirs Name fällt, Alilas und dann höre ich mich tatsächlich sagen: „Das Schlimmste sind ihre Augen. Die sind so braun und rund und tief und sooo sehr wie Alilas. Und dieser Trotz, diese Sturheit. Boah, das macht mich-" „Richtig fuchsig", höre ich Matze dazwischenfahren und prompt fangen wir beide an zu Lachen. Was zur Hölle?
„Mach die Scheiße aus", zische ich und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ich will nicht wahrhaben, was ich da gesagt haben soll. Und vor allem nicht, dass es stimmt. Was mich vom ersten Moment an, in dem Thea ins Heim gestolpert ist, genervt hat, sind ihre Augen. Dasselbe Braun, derselbe freche Glanz, derselbe Trotz und sie kriegt verdammt nochmal dasselbe Grübchen auf ihrer linken Wange, wenn sie schadenfroh Situationen beobachtet. Das darf doch nicht wahr sein? Alila und Thea sind Welten voneinander entfernt. Wortwörtlich.
„Redest du jetzt endlich mal mit irgendwem darüber, was damals passiert ist? Du musst nicht mit mir reden und schon gar nicht mit Thea. Aber mit irgendwem und wenn's ein Scheiß Seelenklempner ist, ist mir egal. Aber so kann's doch nicht weitergehen, Felix." Ihre Hand schleicht sich langsam in meine und sie zwingt mich sie anzusehen. In ihrem Blick schwingt eine so große Ladung Mitleid mit, dass mir schlecht wird. Ich spüre, wie meine Augen anfangen zu brennen und ich schiebe es instinktiv auf das Gras, auch, wenn es keinen Sinn ergibt. Immer weiter rede ich mir ein, es hat nichts mit ihren Worten zu tun, es ist mir egal.
So lange, bis die erste Tränen meine Wange hinab fließt und ich sie wütend wegwische. Ich will nicht mehr weinen, nicht wegen solcher Arschlöcher, nicht, weil die Welt ja ach so unfair ist.
„Ich habe keinen Bock mehr auf die Scheiße!" schreie ich und springe auf. Nele erschrickt und das gar nicht wenig. „Mischt euch doch einfach nicht ein, was haltet ihr denn davon? Kümmere dich lieber um dein eigenes Leben ja?" Mein Puls ist in unermessliche Höhen gestiegen, ich bin unsagbar wütend und weiß nicht wo hin mit mir. Also tue ich, was auch mein Teenager-Ich schon so gerne getan hat. Mit einem gezielten Tritt landet mein Fuß an der blechernen Mülltonne, die an dem Straßenschild vor uns hängt. Mit lautem Scheppern landet das orangene Blech auf dem Boden und der Müll verteilt sich demonstrativ auf der Straße. Es geht mir am Arsch vorbei.
Genau, wie die Tatsache, dass meine Schicht eigentlich noch eine halbe Stunde geht. Statt mich aber darum zu kümmern, schreibe ich Gaby, heuchle ihr irgendwas von einem Notfall bei meiner Oma vor und versichere mich, dass sie das letzte Bisschen für mich abdecken kann, bevor die Nachtschicht antanzt. Sie ist ein herzensguter Mensch und so kann es mir gehörig am Arsch vorbei gehen, was weiter passiert. Ich kann einfach weg und genau das brauche ich jetzt.
Dampf ablassen, Kopf abschalten, Licht ausknipsen.
Nur deshalb und aus keinem anderen Grund bestätige ich Matze und Malte den kleinen Auftritt beim Open Mic. Wie es mir wirklich geht ist dabei so unsagbar irrelevant.
Bei der Veranstaltung handelt es sich um einen kleinen Wettbewerb. Der Anmeldeschluss hierfür war bereits gestern und es wundert mich nicht im Geringsten, dass ich, wie durch Zufall auf der Liste gelandet war. Das einzige, was mich daran hindert, Matze den Kopf abzureißen, ist der Drink, den er mir spendiert und die Tatsache, dass er mein Auto mitgebracht hat.
„Weißt du schon, was du machen wirst?" fragt er interessiert und es wundert mich, dass er mir nicht auch schon einen Text ausgedruckt hat. „Nö, ich improvisiere", antworte ich und amüsiere mich prächtig über seinen panischen Blick. Mir würde schon etwas einfallen und wenn nicht? Na dann konnte der Tag auch nicht beschissener werden. So zumindest die Ansicht, bis ich einen dunklen Schopf durch die Menge in unsere Richtung laufen sehe. Sauer schnappe ich mir meinen angeblich besten Freund bei der Schulter und ziehe ihn näher zu mir, damit er auch ja mitkriegt, wie angepisst ich bin. „Alter, hast du nicht gemacht."
Zu gerne würde ich mich verziehen, bin aber leider zu spät. „Hey", flötet sie, als wäre heute einfach gar nichts passiert. Wie lange war ein Tag nochmal? 5679 Stunden? Es fühlt sich im Moment auf jeden Fall danach an. „Luca." Sage ich schlicht, nicke und wende mich wieder ab.
Dem Himmel sei Dank stürmt im nächsten Moment auch schon Malte auf uns zu und kippt mir beinahe sein Bier übers Hemd. „Felix, du musst", brabbelt er schnell und viel zu atemlos für das bisschen. „Hm", kommt es daraufhin lediglich von mir und ich begebe mich mit ihm im Schlepptau in den Backstage.
Der Ablauf ist derselbe, wie immer, nur, dass ich gerade doch ein klein wenig nervös bin, weil ich immer noch nicht weiß, was ich sagen soll. Der Moderator dieser zugegebenermaßen doch etwas albernen Veranstaltung kündigt mich an, erzählt denselben Brei, den jeder Moderator über die Slamer erzählt und drückt mir aufgesetzt grinsend das Mikro in die Hand.
Fuck.
Das Bühnenlicht blendet mich ungemein und ich bin mir sicher, meine ohnehin schon großen Pupillen gleichen Ufos. Sobald der Spot auf mich gerichtet ist, kneife ich die Augen enger zusammen. Das Publikum wird unruhig und ich erzähle, was mir als erstes in den Sinn kommt. Es ist kein Text und das gebe ich auch zu, doch die Violinistin, die vor mir „gespielt" hat, zeigt, dass das egal ist.
»Glaubt ihr eigentlich, es gibt Enten -« und schon habe ich die ersten Lacher auf meiner Seite. »Kontroverses Statement.« Ich lasse eine kurze Pause und sehe, wie mich Luca, Malte, Matze und Nele mit großen Augen aus der ersten Reihe anstarren. Letztere schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn und schüttelt mit dem Kopf. Ich frage mich gar nicht erst, wo sie so schnell hergekommen ist und wie sie die Plätze ergattert haben, sondern führe mein Gedankenspiel weiter aus: »Glaubt ihr eigentlich es gibt Enten, die auffallend schlechter in Enten-Sachen sind, als andere Enten? Also so richtig auffällig, dass es so richtig auffällt. Sodass selbst Unbeteiligte sagen „Bro, du bist keine gute Ente, alter. Du bist richtig schlecht in Enten-Sachen oder? Du kannst das gar nicht, wa? Ih. Ih. Ih.« Das scheint tatsächlich zu funktionieren, denn auch hier bekomme ich mehr Lacher, als ich sie objektiv gesehen verdient hätte. Somit kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und fahre fort: »Menschen sind ja auch unterschiedlich geschickt. Das gibt's doch bei Enten bestimmt auch. Die ganzen anderen Enten können so cool auf dem Wasser landen« passend dazu mache ich eine unnötig präzise Gleitbewegung gen Boden und muss unangenehmer Weise feststellen, dass mir der Rücken ganz schön weh tut. Was mache ich hier eigentlich? »Das ist übrigens das Coolste, was eine Ente kann. Und dann gibt's immer ein so ne Göppel-Ente kazkazkaz« Okay spätestens jetzt bin ich mir sicher, die Leute möchten mich einweisen oder lachen einfach aus Mitleid. Das dumme an der Sache? Ich habe noch Zeit und Spaß bei der Nummer. »Wo die sich dann bei jeder Landung so halb den Flügel brechen und es so geht: „Woah Jungs, helft mir ick ertrinke!" So ne richtige Opfer Ente. Die ist auch voll abgemagert so, weil die nicht so cool essen kann, wie diese Enten das machen. Bei der ist das jedes Mal so „Huuuuuh Jungs, helft mir ich krieg keine Luft mehr!" Richtig weirde Duck. Du bist eine weirde Duck, Bro. Eine weirde Duck.« Wo genau ich mit dieser klassischen Null-Geschichte hin will, weiß ich selbst nicht. Und die Ideen gehen mir auch aus, also labere ich einfach weiter, solange ich noch keine Tomate im Gesicht habe. Sagte man nicht Ehrlichkeit währt am Längsten?
»Weiß auch nicht, worauf ich damit hinaus wollte« gebe ich deswegen ehrlich, nach einer kurzen Pause zu. Und die ersten ehrlichen Lacher folgen. Wenigstens Etwas. »Aber ich dachte an irgendeinem Punkt muss ich es ansprechen. Das ist ja offensichtlich der elephant in the room hier.« Und weil das alles noch nicht komisch genug ist, lehne ich mich nach rechts und mime eine flüsternde Person: »Das kann er nicht totschwiegen, irgendwann muss er's ansprechen, na klar. Klar.« Und weil ich jetzt wirklich absolut nicht mehr weiß, was das eigentlich hier soll, bedanke ich mich dreieinhalb Minuten vor Ablauf der Zeit und gehe von der Bühne. Völlig perplex guckt mich der Moderator an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen und stolpert unbeholfen zurück auf die Bühne. „Eh, ja. Das war Kandidat Nummer 5, Felix Wagner. Und ich muss jetzt die restliche Zeit füllen, ehm. Was geht eigentlich mit der Deutschen Bahn, huh?"
„Und ick bin raus, Freunde", sage ich grinsend zu meinen Freunden, schnappe mir Lucas Hand und lasse den Rest links liegen. Einige Meter folgt sie mir über den Asphalt auf die andere Straßenseite, bevor sie sich ruckartig meinem Griff entzieht. „Alter, was geht denn mit dir?" Eine Sekunde lang schaue ich sie an. Warum reagiert sie erst jetzt? Ich habe sie quer durch den Club bis auf die andere Straßenseite gezerrt und sie reagiert erst jetzt? Tja, was geht mit mir. Ich bin im Begriff etwas nicht grade Gentlemanlike'es zu machen. Statt ihr aber ordentlich zu antworten, nehme ich ihre Hand und scanne sie von oben bis unten. Vielleicht hat Nele nicht unrecht. Vielleicht sind es wirklich nur ihre pechschwarzen Haare, die dunklen Augen -reines Braun ist es nicht - und der südländische Touch, den ich an ihr mag. Rückblickend kann es nichts Anderes sein, denn ihr Charakter ist für'n Arsch, das habe ich heute gemerkt. Anders kann ich mir nicht erklären, warum sie das Leben eines Patienten leichtfertig aufs Spiel setzt, nur um eine Praktikantin loszuwerden. Dummerweise muss ich mir aber eingestehen: Das Adrenalin macht mich ein kleines bisschen horny. Also lasse ich meine linke Hand ein wenig tiefer gleiten, als sie vorher schon lag, während die Rechte den Griff um ihr Handgelenk verstärkt. Mehr muss ich nicht tun, bis sie anfängt zu grinsen. Bewusst schalte ich an dieser Stelle mein Hirn aus und lasse mich einfach von ihr zu meinem Wagen führen. Immer wieder gehen meine Finger auf Tuchfühlung, ich kenne ihre Schwachpunkte und, dass ich es schamlos ausnutze, ist mir so egal wie alles an diesem Scheißtag.
Nicht so richtig egal ist mir, wie wenig Luca für meine Erektion arbeiten muss. Ich stehe schneller als mir lieb ist und das nur, weil sie mich berührt. Aber dafür weiß ich mich schon zu rächen. Kaum das wir in ihrem Zimmer stehen, stoße ich sie unsanft aufs Bett. Bevor mit ihr hier irgendwas passiert, bin ich dran! Es ist keine große Arbeit, sie ist Wachs in meinen Händen und so reicht es, dass ich mit einer Hand sanft ihre Brüste massiere und mit der anderen in der Nachttischschublade krame. Meine Lippen saugen sich an ihrem Hals fest und ich spüre, wie sie nervös an meiner Gürtelschnalle herumbastelt. Schnell werde ich fündig und lasse die roten Stricke hinter ihrem Kopfkissen verschwinden. „Hast du dieses Mal wenigstens abgeschlossen?" fragt sie lachend zwischen den Küssen und ich kann mir ebenfalls kein Grinsen verkneifen. Theas Blick war schon göttlich, doch die Kleine war Nebensache. Ich hatte hier schließlich eine Mission und nur deshalb ließ ich zu, dass Luca uns drehte und sich weniger angenehm auf meinem Schritt fallen ließ. „Pussy", sie zwinkert frech und macht sich endlich ordentlich an meiner Hose zu schaffen. Im Handumdrehen bin ich komplett nackt, während sie immer noch BH und Jeans trägt. Ersteres ist vielleicht nicht unbedingt da, wo es hingehört aber doch noch an ihrem Körper. Und es bringt mich auf eine Idee. Stressig, wenn man in solch einer Situation, in welcher ich mich grade befinde, an die kleine Schwester denkt, doch es gibt eine plausible Erklärung. Nele zwang mich dazu Fifty Shades of Grey zu sehen, als ihre beste Freundin eine Mandelentzündung vortäuschte. Also empöre ich mich über Lucas Dresscode und werde -zugegebenermaßen- ziemlich sexy und ein bisschen arrogant angegrinst. „Was willst du jetzt dagegen tun?" „Was hältst du hiervon?" mit einem flinken Handgriff ziehe ich die roten Bänder hinter meinem Rücken hervor. Irgendwas, was ich gar nicht so recht definieren kann, blitzt in ihren Augen auf und willig streckt sie mir ihre Arme entgegen. Ein Kinderspiel, denke ich mir und muss mir das Lachen verkneifen. Auch, wenn es eklig ist, was ich hier mache. Ich habe nicht vor zu gehen, bevor ich befriedigt bin. Egal, in welcher Hinsicht. Während ich also damit beschäftigt bin, Luca anzubinden, bekomme ich immer wieder ihr Knie in den Schritt und ich frage mich, für wen zur Hölle das bitte erotisch sein soll. Also muss ich mich auf ihre wohlgeformten Brüste konzentrieren. Bevor ich aber meinen Spaß haben kann, checke ich nochmal ab, dass Luca nicht so einfach los kommt. Anders macht es schließlich weder ihr noch mir Spaß. Allen voran aber mir nicht.
„Felix, mach jetzt", säuselt sie erregt und ich muss nun doch grinsen. Vielleicht sollte ich sie noch ein bisschen ärgern. „Immer langsam mit den jungen Pferden", sage ich deshalb, grinse sie an und stehe auf. Einen Moment lang beobachtet sie mich geschockt, bevor sie anfängt sich zu empören. Ihr Gemecker lasse ich jedoch links liegen und gehe geradewegs auf ihren kleinen Kühlschrank zu. Wie nicht anders zu erwarten finde ich sowohl gut gekühlten Weißwein, als auch Eiswürfelchen in dem kleinen Gefrierfach. Ein paar der gefrorenen Würfel landen im dem randvoll geschenkten Glas, bevor Luca merkt, warum sie ihren BH noch trägt. „Und wie soll ich dich jetzt sehen?" fragt sie schmollend, als ich wieder über ihr knie. Wow. Intelligenz hat sie anscheinend auch nicht mit dem Löffel gefressen, also nehme ich einen extra großen Schluck, bevor ich mit einem der Eiswürfel Spuren auf ihrem nackten Oberkörper hinterlasse. Die junge Frau beginnt erregt zu stöhnen und versucht sich unter mir zu winden. Nützt nur nichts, wenn ich auf ihrer Hüfte sitze und ihre Hände an ihrem Bett hängen. „Ich wusste gar nicht, dass du so süß sein kannst", flüstert sie liebevoll und ich muss aufpassen, dass mich nicht verschlucke aber schon keine zwei Minuten später bereue ich, sie nicht auch noch geknebelt zu haben.
„Hat das deiner Ex gefallen oder wie kommst du auf den Christian Grey in dir?" Und so ist all meine Selbstkontrolle dahin, ich verschlucke mich und huste so stark, dass es keine Möglichkeit gibt die Tatsache, dass ich ihr Weißwein ins Gesicht spucke, als Absicht zu verkaufen. Mir muss aber gar kein verbaler Konter einfallen, ich nutze einfach mein in diesem Moment klingelndes Handy, um sie noch ein bisschen länger auf die Folter zu spannen. Meine Erektion ist ohnehin Geschichte. „Du gehst doch jetzt nicht da ran oder?" höre ich sie noch sagen, bevor der grüne Hörer auch schon betätigt ist, ohne dass ich checke, wer eigentlich so spät anruft. „Felix, du musst mir helfen. Ich bin am Ku'damm, hier gab's einen Autounfall und ich weiß nicht, was ich tun soll?!" schreit Thea beinahe schon panisch in den Hörer und ich springe erschrocken vom Bett. Was zur Hölle macht sie mitten in der Nacht am Ku'damm?
„Und warum genau ist das dein Problem?" frage ich, anstatt mir anmerken zu lassen, dass ich mir eventuell Sorgen mache, weil mir der Ton ihrer Stimme und der Tumult um sie herum so gar nicht gefällt. Schließlich weiß ich, was um diese Uhrzeit dort abgeht. Vier Worte ihrerseits reichen aus, dass ich mir meine Boxershorts überziehe und meine restlichen Klamotten einsammle. „Das sind meine Freunde."
Als ich ein bisschen zu wütend am Ku'damm ankomme, ist Thea ein einziges Wrack und ich weiß nicht, wie lange es anhält, denn auch, als wir am Krankenhaus ankommen, zittert sie wie Espenlaub. Das ich längst nicht mehr da bin, weil Nele mir eine beschissene Standpauke gehalten hat, ist mir bewusst. Was aber nicht heißt, dass ich es nicht ganz weit weg schiebe.
„Wie genau gedenkst du eigentlich an Informationen zu kommen?" frage ich noch während ich mir diesen Nils halb über die Schulter werfe und zusehe, wie sie den anderen Typen stützt. „Lass mich machen", lautet ihre wenig befriedigende Antwort und ich muss mich wohl oder übel damit zufrieden geben, denn mehr bekomme ich nicht. Sorgen mache ich mir trotzdem.
Später muss ich aber beeindruckt dabei zusehen, wie sie den Nachtschwestern eiskalt ins Gesicht lügt und irgendwas von Bruder und Verlobtem erzählt. Demonstrativ hält sie ihnen einen goldenen Ring unter die Nase, der mir jetzt erst auffällt.
„Krass, ich hätte nicht gedacht, dass das funktioniert", muss ich gestehen und gleichzeitig aufpassen, dass ich nicht im Stehen einschlafe. Langsam aber sicher scheint sich der Tag auf meine Knochen niederzuschlagen. Auf der Stelle könnte ich ins Koma fallen.
„Von wem ist der eigentlich?" versuche ich sie nach fünf Minuten im Wartezimmer abzulenken und nicke in Richtung des Rings. Ihr auf und ab Gelaufe macht mich wahnsinnig!
Andächtig streicht sie über das kleine Stückchen Gold und für eine Millisekunde leuchten ihre Augen. „Meinem Opa. Den hat er meiner Oma damals zur Silberhochzeit geschenkt und ich habe ihn zur Konfirmation bekommen."
Wirklich lange halten meine Ablenkungsmanöver nicht an und irgendwann herrscht eine eher unangenehme Stille. Trotzdem kann ich meine Augen nicht aufhalten und werde erst wieder wach, als sie an meiner Schulter rüttelt. Wobei „wach" definitiv das falsche Wort ist. „Die Jungs müssen noch bleiben", meint sie deutlich erleichterter und ich weiß nicht, was zum Henker ich mir dabei denke, als ich ihr auf Anfrage meine Autoschlüssel in die Hand drücke, doch ich tue es.
Schneller, als ich gucken kann, bin ich wieder eingeschlafen und werde das nächste Mal wach, als mein Auto unangenehm ruckt. „Sorry, abgewürgt", flüstert sie leise und steigt aus. Es dauert ganz schön lange, bis ich mich orientieren kann.
Wir sind zurück beim Schwesternwohnheim.
„Komm einfach mit hoch, ich schlafe auf dem Boden." Ich versuche mich zu wehren, doch es ist sinnlos, dafür habe ich ohnehin keine Kraft mehr. Wie ein Schluck Wasser in der Kurve hänge ich auf dem Beifahrersitz und muss mich regelrecht hoch hieven.
Auf dem Weg nach oben erzählt sie, ich habe im Halbschlaf von Gras erzählt. „Kannst du knicken, dass du jetzt noch fährst." Und so liege ich schneller, als ich gucken kann in einem weichen, warmen Bett, von wo aus ich zusehen kann, wie sie ihre ausgelatschten Chucks von den Füßen tritt und eine dicke Decke aus einem der Koffer kramt.
Sobald die Decke feinsäuberlich auf dem hässlichen PVC-Boden liegt rutsche ich an die Wand und klopfe neben mich. „Ich kicke dich nicht aus'm Bett, los jetzt."
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