Kapitel 19 ↬ Briefe aus Timbuktu


Der Tag ist einfach dermaßen für die Tonne, dass ich Felix beinahe schon dankbar sein muss, für die Pause, die er mir gegen 17 Uhr genehmigt. Dass ich in knappen drei Stunden Feierabend haben werde, interessiert ihn dabei wenig. Anmerken werde ich es aber auch nicht. Selbst schuld, wenn er nie zuhört oder sich für nichts Anderes interessiert, als mir die Zeit hier möglichst schwer zu machen.

Völlig geschreddert trete ich also aus einem der hinteren Eingänge des Heims nach draußen und laufe dabei beinahe direkt gegen eine Wand. Für die relativ späte Uhrzeit ist es schrecklich schwül und nach einem Blick gen Himmel bin ich mir sicher, heute wird es ordentlich scheppern. Hoffentlich kühlt es sich ein bisschen ab. Bleibt es so eklig, werde ich kein Auge zu tun, da bin ich mir sicher.

Aufgrund der Tatsache, dass mir schon nach zwei Stufen, die ich runtergehen muss, der Schweiß auf der Stirn steht, entscheide ich mich gegen einen Kaffee und hole mir stattdessen einen kühlen Eistee aus dem Spätkauf um die Ecke.

Der Verkäufer lächelt mir freundlich zu, scheint aber meine Nachfrage nach Pfandrücknahme einfach nicht zu verstehen. So lächle ich nur schlicht zurück, zahle und gehe zu der kleinen Holzbank, auf der ich schon einige Pausen verbracht habe.

Weil ich aber so gar keine Lust auf das Chaos habe, dass sich über mich ergießen würde, würde ich WhatsApp öffnen, greife ich nach dem Stapel Briefe.

Warum ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass mein Onkel die Post im Vorfeld sortiert hat, weiß ich selber nicht. Doch bevor ich auch nur irgendetwas tun kann, muss ich Rechnungen und dergleichen für Guido und Sebastian sortieren, bis ich einen Brief mit meinem Namen entdecke.

Es sieht aus, als wäre man mit einem LKW drübergefahren. Der Umschlag wurde zugeklebt, geöffnet und dann einfach mit einer Menge Tesafilm wieder zu gepflastert. Einzig Tackerklammern oder Panzerband fehlen noch, um das hässliche Bild abzurunden.

Primär geht mir aber erstmal nur eines durch den Kopf: Ich muss die ganze andere Post morgen wieder zurückbringen und da habe ich nun wirklich gar keine Lust drauf.

Aufgrund dessen und der Tatsache, dass ich mich darüber erst einmal ordentlich aufregen muss, schaue ich gar nicht mehr, wo der Brief eigentlich herkommt. Genau so liebevoll, wie er geschlossen wurde, reiße ich ihn auf und falte die Seiten auseinander. Es sind tatsächlich Seiten, wann ich das letzte Mal so viel beschriebenes Papier in der Hand hatte, weiß ich gar nicht und so sehe ich mir die zerfledderten, karierten Blätter näher an.

» Fliegender Flitzkurier! Seine Eisigkeit verlangt dein sofortiges Erscheinen!«

Meine Kinnlade klappt nach unten, Gänsehaut rieselt sofort über meinen Rücken und ich kann nicht verhindern, dass Tränen langsam meine Wangen hinab kullern. Diese Sauklaue würde ich überall auf dieser Welt wiedererkennen. „Das ist nicht wahr", flüstere ich leise und eher zu mir selbst, nicht wissend, wie ich damit nun umgehen soll. Dabei habe ich gerade mal einen Satz gelesen und halte noch mindestens drei Seiten in der Hand. Ich kann das nicht.

Wie lange habe ich genau darauf gewartet? Ich weiß es nicht. Und trotzdem kann ich diesen Brief nicht weiter lesen. So viele Emotionen und Gedanken schießen mir gleichzeitig durch den Kopf, ich kann es nicht in Worte fassen und schon gar nicht begreifen. Ich fühle mich, wie dieser Brief aussieht: Absolut zerschreddert.

Es dauert eine ganze Weile, bis ich mich zusammenreißen kann und den Brief wieder aufnehme.

» Fliegender Flitzkurier! Seine Eisigkeit verlangt dein sofortiges Erscheinen!

Wobei, unsere Eisigkeit verlangt wohl eher sofortiges Unterbinden dieser Verbindung – sag mal, was labere ich hier eigentlich für eine Scheiße? Und warum zum Geier (hehe, ist witzig wegen dem Vogelvieh, weißt du) warum zum Geier, erinnere ich mich an den Scheiß? Vermutlich, weil du mich jahrelang mit dem grünen Fliegevieh gefoltert hast.

Aber ist ja auch eigentlich egal. Ich dachte, ich schreibe hier einfach mal irgendwie, irgendwas. Hauptsache mal drauf los geschrieben, war so mein Plan. Ist ja schließlich nicht einfach gewesen an meine neue Adresse ranzukommen, huh? Da kann man schon mal antworten. Sorry an der Stelle, dass es solange gedauert hat. Bin ein bisschen überfordert mit der Situation um ehrlich zu sein. Es wundert mich sowieso, dass der Alte das zulässt, das du mir hier schreibst. Du bist doch noch daheim oder? Ich glaube ja schon. Du bist einfach nicht der Typ für alles andere, als Dorf. Was würde überhaupt dein Gaul machen, ohne deinen fetten Arsch auf seinem Rücken?

Spaß beiseite.

Irgendwie schön auch mal zu denjenigen zu gehören, die hier vom Postboten was zugesteckt bekommen.

Wie geht's dir? Frag bloß nie wieder, wie's mir geht. Keinen Bock zu lügen. (An der Stelle, Hallo an die Gestapo-Verschnitte, die sich den scheiß erstmal schön durchlesen. Seid wenigstens so nett und klebt den Brief wieder ordentlich zu. Wie ich meine Schwester kenne, verliert sie die Hälfte, bevor sie alles gelesen hat.)

So, wo war'n wir?«

Ich bin auf jeden Fall mitten im Weinen, als ich seinen Brief lese. Mit jedem einzelnen Wort, kann ich mir seine Mimik genau vorstellen. Der freundliche Gruß an die Gefängnisbeamten war sicherlich mit einem breiten Grinsen dahin geschmiert worden.

„Wat is denn mit dir los? Is wat passiert?"

Mir rutscht das Herz beinahe in die Hose, als sich eine fremde Stimme meldet. Ohne mit der Wimpern zu zucken setzt sich eine junge Frau, kaum älter als ich es bin, zu mir auf die Bank und sieht mich besorgt an. „Hat Felix dich wieder geärgert? Boah dieser Spacken ey, dem werd' ich wat erzählen, ey!"

„Woah, woah, woah, Stopp. Ich verstehe hier gar nichts mehr. Kennen wir uns?" Charmant ist sicher anders aber ich habe eben auch deutlich andere Sorgen im Moment. Meine Toleranz für Felix-related-bullshit ist heute einfach auf seinem bisher tiefsten Punkt angelangt.

Statt sich aber in irgendeiner Weise angegriffen zu fühlen, lehnt sich die hübsche junge Frau zurück und lacht. Mich selbst überrascht es, dass ich sie daran erkenne. Und vielleicht an ihrer Aussage: „Ich bin nur hier, um Felix den Schlüssel zurück zu bringen."

Erst dann macht es vollständig ‚Klick'. Das ist die Arme, die Felix mit der billigen Plastikpuppe betrogen hat, die ihn wiederum abgeschossen hat. Wenn ich genauer drüber nachdenke, dann hat er die lachende, junge Frau neben mir auch mit Luca betrogen und so langsam verliere ich mich in meinen Gedanken. Ob sie weiß, dass sich ihr Freund gefühlt durch die halbe Stadt vögelt? Ob man ihr das sagen sollte? Vermutlich eher nicht. Am Ende werde ich mit Steinen an den Füßen im Fluss versenkt. Welcher war das nochmal? Donau, Rhein? Im Endeffekt egal, denn das schallende Lachen der jungen Frau holt mich aus meinen Träumereien.

„Du warst aber mal janz wo anders, wa?" Meine Unlust auf Gespräche übernimmt das Antworten für mich: „Hä?"

Grinsend setzt sie sich in einen Schneidersitz und streicht sich eine kurze, blonde Strähne hinters Ohr, bevor sie nickend sagt: „Ach stimmt, du bist aus Hessen, wa? Ja hat Felix mir erzählt. Dit berühmte hessische Fragewort mit zwee Buchstaben."

Und schon tritt mein Sarkasmus an erste Stelle. „Dein Akzent klingt aber auch eher nach einer Behinderung, da find ich meinen aber völlig ok."

Mit einem Mal schafft das noch immer namenlose Mädchen mich ebenfalls zum Lachen zu bringen. Ihre Lache ist irgendwie speziell, sie ist ansteckend und ehrlich. Kurz um: Es tut gut und um ein Haar hätte ich Tommis Brief komplett vergessen, doch das verhindert sie, so schnell, wie sie meine Laune gebessert hat. „Sag mal, was ist das denn eigentlich, warum du so traurig warst?" Ihre Hand streicht mir ebenfalls vorsichtig eine Strähne hinters Ohr, als ich meinen Kopf senke. Dass wir uns nicht kennen, uns gänzlich fremd sind und praktisch erst zwei Mal gesehen haben, interessiert sie herzlich wenig. Mich aber seltsamerweise auch, denn es tut einfach irgendwie gut. Die hübsche Frau hat einfach dieses gewisse Etwas, eine bestimmte Wärme, in der man nicht anders kann, als sich geborgen zu fühlen.

Also bin ich ehrlich. „Ein Brief von meinem Bruder." Nach kurzer Stille füge ich hinzu: „Aus Plötzensee" und hoffe, dass sie weiß, wovon ich rede, ohne, dass ich es aussprechen muss.

Anscheinend weiß sie es genau und es würde mich nicht im Geringsten wundern, wenn sie Felix einmal von dort hatte einsammeln müssen. Ein einziges, trockenes ‚Oh fuck' und sie legt ihren Arm um meine Schulter, presst meinen Kopf an ihre und streichelt über meinen Arm. „Soll ich solange bleiben, bis du durch bist? Falls du reden willst?"

Schnaubend schaue ich ihr in die eismeerblauen Augen: „Hab ja keine andere Wahl, oder?"

Wir teilen den selben Humor, das steht fest, ist aber leider ziemlich irrelevant, denn ihr Angebot wird eher zu seiner Drohung. Stumm nötigt sie mich, es hinter mich zu bringen, solange ich nicht alleine bin.

Rückblickend bin ich froh darüber.

»So, wo war'n wir?

Ach ja, unser Alter. Tessa, ich würde dir gerne antworten auf deine ganzen Fragen. Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass dein Brief durch die Kontrolle gekommen ist. (Grüße gehen raus, an dieser Stelle!) Aber ich kann, darf und werde nichts beantworten, was in diese Richtung geht. Ich hab da auch ehrlich gesagt, gar keinen Bock drauf.

Und ich will dich nicht sehen. «

Ich muss schwer schlucken, als ich diesen Satz lese. Auch, wenn schon der nächste erklärt, wie er es meint, komme ich nicht darum herum, ein schlechtes Gewissen zu haben. Wie lange ist es her, seit er in dem Loch sitzt? Zwei, vielleicht sogar drei Jahre? Sagt es nicht schon unheimlich viel aus, dass ich es nicht einmal genau weiß?

Ich liebe meinen Bruder, das tue ich wirklich. Schon immer hielten wir zusammen gegen unsere Eltern. Selbst in der Zeit, als er sich um dreihundertsechzig Grad drehte. Aber ist es nicht irgendwie, wie sagt man, hypokritisch, scheinheilig, eklig, dass ich ihn genau jetzt, wo meine Eltern beschlossen habe, dass auch ihre Tochter eine Versagerin ist, zu ihm zurück krieche?

Ich möchte ihn sehen und ich werde es versuchen. Egal, wie lange ich ihn dafür überreden muss, diesen Entschluss fasse ich.

»Nicht so, Prinzessin.

Deshalb machen wir das, wenn wir das machen, so, ok? Ich weiß, du bist stur, ich weiß, du wirst es nicht akzeptieren aber das ist mir egal. Es war aber cool von dir zu hören. Auch, wenn's mich wundert, dass ausgerechnet jetzt was kommt. Ist ja doch eine Weile her...

Ich mache dir aber keine Vorwürfe, also höre auf zu heulen ok?

Erzähle mir lieber, was du machst. War dein Abi genau so scheiße, wie gedacht? Spielst du immer noch den Blasehasen? Hast du Rici –oder wie der Vogel hieß- endlich rumgekriegt? Wobei, die Frage beantwortest du besser nicht. Ich will mir meine kleine Schwester nicht beim –okay wir hören auf an der Stelle.

Lass mal wieder von dir hören, ja?

*Achtung eklig*: Hab dich lieb,

Tommi.

P.S.: Ich kann immer noch zeichnen, guck auf die letzte Seite.«

Und tatsächlich, die letzten zwei Seiten seines Briefes sind nur Kritzelein. Memes, kleine Sketche, Schmiereien, die er gerne auch an seine Wände, meine Blöcke oder gar meine Schuhe geschmiert hatte.

Doch es sind nicht die Zeichnungen, die mich wieder weinen lassen, sondern mein schlechtes Gewissen. Ich würde in diesem Moment nichts lieber tun, als ihn in den Arm zu nehmen.

Schweigend übernimmt das Mädchen neben mir diese Aufgabe und es ist mir absolut schnuppe, dass ich das Shirt einer Fremden ruiniere. Mindestens genau so sehr, wie die Tatsache, dass ich meine Pause überzogen habe.

Was natürlich nicht bedeutet, dass mir Felix nicht genau das vorhält, sobald ich das Heim mit meiner Begleitung betrete.

„Sag mal, arbeitet ihr auf dem Dorf nach Stand der Sonne oder bist du einfach nur zu blöd, die Uhr zu lesen?" zetert er direkt los, ohne überhaupt darauf zu achten, was um ihn herum passiert. Selbstgefällig grinsend steht Luca einen Schritt hinter ihm und fügt hinzu: „Ich tippe auf B."

Ich selbst bin einfach viel zu sehr durch den Wind, als das mir darauf noch irgendein Konter eingefallen wäre. Doch das Mädchen mit dem kurzen Bob, wäre nicht mein Menschgewordener Schutzengel, wenn sie mir nicht direkt zur Seite gesprungen wäre: „Noch so'n Spruch, Kieferbruch, Püppchen." Es ist mir wirklich ein inneres Fest, wie Luca die Spucke im Hals stecken bleibt und gerade, als sie sich bei ihrem Ficker darüber beschweren will, merke ich, wie sich die Hand des Mädchens um mein Handgelenk legt, bevor sie sich an Felix wendet. „Und Flix, du kommst jetzt mal schön mit, ich hab da noch 'nen Hühnchen mit dir zu rupfen, Bruderherz."

„Warte mal, was?" denke ich leider laut und sehe ungläubig zwischen den beiden hin und her.

„Ja glaubst du etwa ich gehöre zu den armen Schweinen, die sich von dem hier flachlegen lassen?" Und wieder werde ich Zeuge, wie Luca sprachlos, wie bestellt und nicht abgeholt, im Gang herumsteht, bevor sie beleidigt abdampft.

Dummerweise bietet sie Felix aber auch eine ordentliche Steilvorlage. „Also ich wusste ja, dass du dumm bist. Aber für so dumm habe selbst ich dich nicht gehalten." Ein Moment der - für mich – unangenehmen Stille kommt auf, bis Felix ihn kopfschüttelnd und lachend unterbricht: „Als ob ich Nele flachlegen würde, ey. Da ist nichts dran. Kein Arsch, keine Titten" – „Pass mal lieber auf, dass du nicht gleich ohne Schwanz da stehst, mein Lieber", kontert seine Schwester und wenn ich sie nach den Gesprächen auf der Bank vorm Café nicht schon geliebt habe, dann tue ich es spätestens jetzt.

Diese spontane Liebe verschwindet jedoch keine zwei Minuten später wieder, als sich das herzensgute Mädchen dazu entschieden hat, Felix' und meine Differenzen anzugehen. Der Griff um mein Handgelenk lockert sich erst, als wir im Personalraum angekommen sind. Bestimmt schiebt sie mich auf einen der Stühle und ihren Bruder auf die Eckbank.

Triumphierend baut sie sich vor uns auf und ihre plötzliche Autorität wirkt einschüchternder auf mich, als ich es je zugeben würde. Statt ihr aber zu zuhören, mustere ich das Mädchen und erkenne nur zwei Ähnlichkeiten zu dem Proll. Klare, einnehmende blaue Augen und eine unförmige Nase. Oberflächlichkeiten, die nicht sofort auffallen, sondern eher eine eindringliche Analyse erfordern.

„- So, habt ihr mich verstanden?" Felix reagiert nicht sonderlich begeistert, als sie ihre Ausführungen, abgestützt auf der Tischplatte und ernst dreinblickend, abschließend. Mein Problem dabei ist: Ich habe mal wieder nicht zugehört und schaue daher kurz fragend zu ihm. Dumm nur, dass Felix meinen Blick fehlinterpretiert und eher wenig euphorisch aufseufzt. „Ja, ok, wenn's unbedingt sein muss. Samstag haben wir Frühdienst."

Wie komme ich denn bitte aus der Nummer wieder heraus?

Gar nicht, lautet die Antwort, denn ich lerne schnell, dass man Nele nicht viel ausschlagen kann. Fröhlich grinsend springt sie einmal auf und ab, klatscht dabei in die Hände, wie eine fünfjährige und vertreibt die eben noch bosshafte Version ihrer selbst damit im Handumdrehen.

„Perfekt, dann hole ich euch Samstag nach der Arbeit ab, wir gehen was Essen und dann gucke ich mit – sag mal, wie heißt du eigentlich, haben wir schon darüber geredet?" wendet sich Nele mitten in ihren fröhlichen Samstagabendplanungen an mich. „Das ist Theresa", kommt mir der Berliner Vollspacken zu vor und grinst mich selbstgefällig an. Dieses blöde Lächeln hat einen Hauch von ‚Hast du jetzt von der Scheiße'. Nur, dass ich für die Scheiße nicht das geringste kann.

„Hm", kommentiert Nele und ist mit einem Mal gar nicht mehr so hyperaktiv, sondern seltsam nachdenklich. „Nimm 's mir nicht übel aber das ist langweilig. Ich nenne dich Thea, klingt niedlich."

Was bitte sollte ich darauf noch antworten? Alles, was nicht Theresa ist, ist mir lieb.

Im Endeffekt ist der Tag also als nicht gänzlich für die Tonne zu verbuchen. Ich habe eine Verabredung fürs Wochenende, man kann mir also keine anti-sozialität vorwerfen und ich habe endlich ein Lebenszeichen von meinem Bruder. Alles andere heute war beschissen und genau das schreibe ich direkt an Tommi. Von unzähligen weiteren Fragen gespickt beschließe ich den fertigen Brief einzuwerfen, wenn ich die verbliebene Post zurückbringe. Dass mein Handy noch nicht vor Nachrichten deswegen explodiert wundert mich, als ich nach einer fixen Dusche nur in Unterwäsche im Bett liege. Das erhoffte Gewitter lässt eine ganze Weile auf sich warten, die ich wach im Bett liege und nachdenke.

Was werde ich wohl machen müssen, damit Tommi einem Besuchstermin zustimmt? Wie lange müssen wir noch schreiben, bevor er es tut? Wird er es überhaupt machen? Und wenn er es tut – was dann? Ob das Gefängnis ihre Eltern darüber informierte, dass ihr Sohn Briefe empfing? Aber warum sollten sie das tun?

Mitten in dieser Gedankenflut, die deutlich länger andauert, als ich dachte, fängt es an zu Donnern. Helle Blitze ziehen wunderschöne Linien durch die Stadt und ein lauwarmer Wind fegt mir durch das Haar, als ich das Fenster öffne. Der Geruch, kurz bevor es endlich anfängt zu regnen, ist wunderschön. Schöner noch, als der Duft nach langersehntem Wasser.

Doch das beginnende Gewitter ist nicht das einzige, was mich in dieser Nacht wachhält.

Mit einem Mal beginnt mein Handy zu vibrieren. Erst sind es nur Textnachrichten einer unbekannten Nummer. »Tessa? Bist du da?« »Hab mein Handy verloren, deshalb die andere Nummer« »Bist du noch wach?« »Könnte deine Hilfe gebrauchen«

Werauch immer das sein mag, ich habe absolut keine Lust darauf und will mein Handyeigentlich gerade wieder beiseite und mich ins Bett legen, als es erneutvibriert.

 Eine unbekannte Nummer ruft mich an. 

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