2. Kathrin
Kathrin blieb stehen und zwar mitten auf dem Gehweg. Es hatte angefangen zu regnen. Sie liebte den Regen. Also breitete sie ihre Arme aus und reckte ihr Gesicht gen Himmel.
Die Menschen schauten sie komisch an und zwar nicht, weil sie alle kein Verständnis dafür hatten, dass man Regen mag. Das Verhalten der Personen um sie herum hatte einen ganz anderen Grund aber Kathrin ließ sich nicht stören.
Irgendwann hörte es auf zu regnen. Ihre Wangen waren nass geworden von dem vielem Wasser, dass aus dem Himmel gefallen war. Sie lächelte, das erinnerte sie an Früher. Dann setzte die junge Frau ihren Weg fort. Mehrmals sprang sie in die gerade entstandenen Pfützen, in denen sich ihre blonden Haare, ihre grünen Augen und ihr etwas pummeliger Körper spiegelten.
Wieder wurde sie komisch angeschaut und zwar nicht, weil sie in die Pfützen sprang wie ein kleines Mädchen. Das wiederauftretende Verhalten der Vorbeigehenden hatte einen ganz anderen Grund.
Plötzlich stoppte Kathrin. Sie sprang nicht mehr glückselig in ihre Pfützen.
Kathrin wurde durch das Klingeln ihres Handys unterbrochen. Ein Fingertippen, dann ging sie auch schon ran. ,,Hallo Kathy, ich wollte bloß fragen wie es dir geht, mein Sonnenschein.", erklang die ruhige Stimme ihrer Mutter und Kathrin konnte sie förmlich lächeln hören. ,,Oh, mir geht's gut, Mama.", antwortete sie glücklich.
,,Mama? Kathy, ich bin's, Rachel. Wo bist du?", nun erkannte die 23jährige die besorgte Stimme ihrer großen Schwester. ,,Rachel? Aber da war eben noch Ma am Telefon. Sie hat mit mir geredet. Sie hat mich gefragt wie es mir geht.", bestritt Kathrin. ,,Ich weiß, dass du sie gehört hast, Kathy. Sag mir wo du bist.", schlichtete Rachel.
Sie nannte ihrer Schwester die Adresse und wartete dann, da diese sie abholen wollte. Kathrin wurde warm, ihre Shorts klebten an ihren Beinen und ihr Shirt, tat es diesen gleich. Schweiß lief der jungen Frau übers Gesicht.
Nach kurzer Zeit sah sie ein Auto auf sich zukommen. Sie bekam Angst und begann zu rennen. Das Auto verfolgte sie bis zu dem Punkt an dem sie nicht mehr konnte. ,,Kathy, ich bins Rachel." Die 5 Jahre ältere hielt sie an den Schultern fest und Kathrin erkannte sie. ,,Dr. Henkel wartet schon sicher auf dich." ,,Oh, den Termin, den hab' ich ja ganz vergessen.",,Schon okay, lass uns hinfahren, ja?"
Die Schwestern stiegen ein, Kathrin zitterte etwas. ,,Ich war wieder so.", stellte die Jüngere fest. ,,Wie?", fragte Rachel gespielt unwissend. Sie schaute ihre Schwester an, welche zurückgab:,,Du weißt was ich meine." Die Ältere schaute wieder auf die Straße und erwiderte:,,Das ist jetzt erstmal ein Teil von dir.",,Ich weiß...Ich will einfach, dass das aufhört. Ich möchte nicht ständig das Gefühl haben verfolgt zu werden. Ich will mir keine Dinge einbilden, die andere nicht sehen oder Stimmen hören, die außer mir niemand hört.", redete die junge Frau sich von der Seele.
Die beiden kamen an der Praxis an. Den Rest der Fahrt hatten sie in Schweigen verbracht. Jeder war seinen Gedanken nachgegangen. Ab und zu hatte Kathrin das Gefühl ein Auto verfolge sie aber das Gefühl war diesmal zum Glück so schnell weg wie es gekommen war.
,,Ich hole dich später wieder ab, ja?" Kathrin verdrehte ihre Augen, nickte aber und umarmte ihre Schwester. ,,Hab dich Lieb, Kathy", verabschiedete sich diese und Kathrin erwiderte dies.
Sie betrat die Praxis. Es war relativ warm in den Räumen aber nicht vom Klima her. Das war dank der im Sommer eingeschalteten Klimaanlagen angenehm kühl. Nein, die Wände hatten einfach angenehme Farbtöne. Dabei ging es von gelb und orange bis hin zu Sandfarbenen Tönen. Natürlich gab es auch Wände die blau oder grün gestrichen waren, manche hatten sogar zarte Fliedertöne. Die Praxis hatte mehrere Räume und Etagen und die einzelnen Räume waren mit Glaswänden getrennt. Man sah die Leute aber man hörte kaum einen Ton.
Kathrin betrat den ihr zugeteilten Raum und begrüßte ihren Psychologen. ,,Hallo Kathrin, wie geht es dir?", fragte Dr. Henkel sie, als sie sich gesetzt hatte. Eine Standardfrage und wie jedesmal antwortete Angesprochene:,,Den Umständen entsprechend, ganz okay." „Und wenn man nicht im Sinne der Umstände spricht?", fragte er und sah sie über seine Brille hinweg an. Sie antwortete nicht, das tat sie nie. Dr. Henkel, der das ja bereits gewohnt war, seufzte bloß und schrieb etwas auf sein Klemmbrett.
Danach fragte er noch ein paar Fragen zum Verlauf der Krankheit und wie sie sie in ihrem Leben beeinträchtigte. Kathrin antwortete ehrlich und gegen Ende erhob der Psychologe nochmals die Stimme: „Kathrin, es gibt da ein Programm, in das ich dich gerne einschreiben würde." „Wird das helfen, um wieder normal leben zu können?", fragte sie. Dr. Henkel nickte leicht und antwortete: „Wenn du dir Mühe gibst und dieses Programm wirklich ernst nimmst, dann kann es das, ja." Sie nickte entschlossen und erwiderte: „Wenn mir das wirklich helfen sollte, dann schreiben Sie mich dort ein." „Sehr gut, es geht am 10. Oktober um 9 Uhr los, die Teilnehmer werden dann hier vor der Praxis abgeholt.", erklärte er und sie nickte, um ihm zu signalisieren, dass sie verstanden hatte. „Gut, dann sind hier die nächsten Termine drauf und ich hoffe dich dann beim nächsten zu sehen.", sagte er, stand auf und reichte ihr den Zettel, den er von seinem Klemmbrett runtergenommen hatte.
Nachdem Kathrin den Zettel dankend angenommen hatte, stand auch sie auf und verabschiedete sich von ihrem Psychologen. Dieser tat es ihr nach und setzte sich dann wieder auf den Grünen Samtsessel, der im Zimmer stand, sobald Kathrin gegangen war.
Vor der Praxis wartete bereits Rachel auf ihre kleine Schwester und empfing diese lächelnd, als sie aus der Praxis trat. „Na Kathy, wie war's?", begrüßte sie Kathrin und umarmte sie, so gut es im Auto nun mal ging, als diese sich auf den Beifahrersitz setzte. „Hey, naja, Dr. Henkel hat da so ein Programm gefunden in das er mich eintragen wird. Es geht am 10. Oktober um 9 los, hier vor der Praxis. Er meinte, das könne mir helfen, wegen meinem...meinem Problem.", erwiderte Kathrin und lehnte sich etwas im Sitz zurück. „Das ist gut, Kathy, das ist sehr gut.", sagte sie und lächelte ihre Schwester breit an. Kathrin nickte jedoch bloß gedankenverloren und schaute durch das Autofenster.
Ein paar Minuten hatte es angefangen zu regnen, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht nur für Kathrin regnete, sondern auch für ihre Schwester und eine ganze Menge anderer Menschen. Kathrin liebte den Regen, denn als es passierte, schien die Sonne.
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