1. Sabrina
Sabrina saß in einem blauem PKW, doch sie fuhr nicht. Ihr Vater saß am Steuer, auf dem Beifahrersitz saß ihre Mutter. Die Braunhaarige schaute aus dem Fenster und fixierte mit ihren dunkelblauen Augen die vorbeiziehende Landschaft. Immer wieder schaute sie auf ihr Handy, spielte irgendwelche Spiele, die sie sich irgendwann mal runtergeladen hatte.
Es war schon eine Ewigkeit vergangen, seit dem die Drei losgefahren waren, zumindest fühlte es sich so an. Sabrina versuchte die ganze Zeit ihre Eltern auszuquetschen wo sie denn hinfuhren und nervte die beiden die ganze Zeit über mit der Frage "Wann sind wir da?" Sabrinas Eltern schwiegen aber schließlich sollte es eine Geburtstagsüberraschung für die gerade zehn Jahre alt gewordene werden. Das hatten sie ihr erzählt aber auch nicht mehr und schon die ganze Zeit schwiegen sie wie Gräber darüber. Sabrina war schon die ganze Zeit total hibbelig und wippte hin und her, während sie versuchte ihre Eltern auszuquetschen. Als sie bemerkte, dass das nicht klappte, begann sie wieder aus dem Fenster zu starren und ab und zu die sinnfreien Spiele auf ihrem Handy zu spielen
Eine weitere halbe Stunde verging, während die Drei im Auto fuhren. Plötzlich hörte Sabrina ihre Mutter wie sie schrill den Namen ihres Vaters schrie, der gerade auf das Navigationsgerät geschaut hatte. Ruckartig riss Sabrina den Kopf von der Fensterscheibe, aus der sie geschaut hatte, zur Frontscheibe herum. Alles was sie sah war ein anderes Auto, das in ihres hineinraste. Alles was sie hörte war der Schrille Schrei ihrer Mutter. Noch einmal sog die Zehnjährige den vertrauten Geruch des Autos ein, dann wurde alles schwarz.
Geweckt wurde sie durch ein stetiges Piepen, das an ihrer rechten Seite stattfand. Menschen im weißem Kitel kamen hereingestürmt. Sie redeten mit ihr, doch sie hörte nichts. In ihren Ohren vermischte sich das Piepen mit dem Schrei ihrer Mutter, den sie zuvor noch gehört hatte. Geschockt riss das Mädchen die Augen auf und schrie "Wo sind meine Eltern? Ich muss zu meinen Eltern! Lassen sie mich zu ihnen gehen! Ich muss zu ihnen!" "Es tut mir Leid, Kleine. Deine Eltern haben es nicht überlebt, sie waren sofort tot." erklärte ihr eine Ärztin, während sie sich zu dem verschreckten nun aufrecht sitzenden Mädchen gesellte, das in Tränen ausgebrochen war.
Immer wieder wippte sie vor und zurück, völlig verstört von den Worten, die sie nicht hatte hören wollen. Die Ärztin versuchte sie zu beruhigen aber es war ihr völlig unmöglich. Sabrina war nicht dumm, sie wusste schon bei dem ersten Satz, was der zweite wohl nach sich ziehen würde. Das war das letzte Mal, dass sie ihre Eltern sah und hörte und sie konnte sich nicht einmal verabschieden. Das war der schrecklichste Geburtstag, den sie sich hätte vorstellen können.
Völlig verschwitzt und vor und zurück wippend wachte die junge Frau auf. Verstört blickte die mittlerweile Zwanzigjährige auf sich und die Position in der sie sich befand. Der Spiegel ihr gegenüber zeigte ihr eine ihr unbekannte Frau. Ihre dunkelbraunen, komplett fettigen Haare umrahmten ihr Gesicht, ihre dunkelblauen Augen hatten ihren alten Glanz verloren, matt schauten sie ihr im Spiegel entgegen. Sie stand auf, ihr Rücken schmerzte von der ungemütlichen und verkrampften Position, die sie, während dieses Alptraums, angenommen hatte. Das schlimme war, dass das kein normaler Alptraum war. Es war eine Erinnerung und zwar die schlimmste, die es für sie gab.
Als sie in ihrer Küche ankam und etwas trank, war ihre Kehle trotz der klaren und schimmernden Flüssigkeit staubtrocken. Die Küche war leer, alles was man hören konnte war der Wasserkocher, der vor sich hin dampfte. Sabrina hatte ihn eingeschaltet, um sich einen Kaffee zu machen. Als das Wasser gekocht war, schüttete sie Kaffee in die Tasse und das Wasser dazu. Sie holte sich ihre Milch aus dem Kühlschrank. Sie trank Kaffee nie schwarz, schwarzer Kaffee war für sie zu bitter, zu düster, zu trostlos, das machte ihr Angst, das erinnerte sie zu sehr an die Vergangenheit.
Genervt stöhnte sie auf, als sie bemerkte, dass sie zum Supermarkt muss, um sich etwas brauchbares zum Essen zu holen. Morgens hatte sie zwar keinen Hunger aber sie brauchte definitiv noch etwas fürs Mittagessen. Der nächste Supermarkt war aber viel zu weit weg, sodass sie ihn nur mit dem Zug erreichen konnte.
Als sie am Bahnhof war und der Zug langsam vor ihr zum Stehen kam, stieg sie sehr zögernd ein. Irgendwann fuhr ein anderer Zug an dem vorbei in dem Sabrina stand. Der Zug kam kurz ins Ruckeln, sie schloss die Augen, zuckte zusammen und wartete auf einen Aufprall, der nicht kommen würde. Normalerweise merkte das niemand, die Menschen waren zu beschäftigt mit sich selbst, doch heute war es anders. "Hey, alles okay?" fragte sie ein junger Mann, er war ungefähr in ihrem Alter. Er hatte blonde, lockige Haare und blau-graue Augen. Sie wollte sagen, dass es das nicht ist, dass es ihr beschissen geht, dass das Leben ungerecht ist, weil es ihr ihre Eltern genommen hat. Sabrina lächelte aber nach Außen bloß und sagte "Ja, danke."
Dann kam der Zug endlich an, fürs erste war die Horrorfahrt für sie vorbei. Sie machte sich auf zum Supermarkt, kaufte ein was sie brauchte und setzte sich dann wieder in den Zug. Diesmal gab es kein Ruckeln, sie zuckte nicht zusammen, musste nicht die Augen schließen. Nur die Angst vor einem Aufprall blieb.
Es war 14:25Uhr, als Sabrina sich zu ihrem wöchentlichem Termin bei ihrer Psychologin auf machte. Sabrinas Psychologin wohnte ungefähr fünf Minuten von ihr entfernt, so musste sie nicht im Zug oder Bus fahren.
Das Gespräch war fast vorbei, da sagte Mrs. Meyers, ihre Psychologin "Sabrina, du machst wirklich gute Fortschritte aber weißt du die Praxis wird bald eine Art Treffen veranstalten für Leute, die es genau so schwer haben." "Also Freaks mit Freaks, weil normale Menschen uns nicht ertragen?" fragte die junge Frau frech und mit gerunzelter Stirn. "Nenn es wie du willst, ich werde dir nicht sagen wann das Treffen es ist, es wird irgendwann sein, unter einem unserer Termine." erwiderte die Ältere. Sabrina gab sich geschlagen, die Termine konnte sie nicht ausfallen lassen und sie wusste ja nicht welcher es sein würde. "Meinetwegen." "Das wird dir gut tun, glaube mir."
Mit diesen Worten schob die Psychologin ihre Patientin aus dem Raum. "Woher will sie wissen was mir gut tun wird?" dachte die junge Frau genervt, als sie sich auf dem Nachhauseweg befand. Das würde sie aber niemals ihre Psychologin fragen, die zu einer Art Familienmitglied geworden war.
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