Chapter 14

‚All I Need is you'.

...

Emma

Ich konnte mich einfach verdammt nochmal nicht von seinen Lippen lösen. Ich sollte mich dagegen wehren, aber mein Körper machte einfach weiter. Er gab mir etwas, was ich weiterhin fühlen wollte. Mit seinen Berührungen lies er den alten Schmerz vergehen und ich konnte endlich an etwas anderes denken.

Ein Kribbeln durchfuhr meinen ganzen Körper und ich verlor bald meine Beherrschung. Eigentlich war es so gut wie mein erster, richtiger Kuss. Denn die, die ich bis jetzt hatte, waren alle nur Party-Küsse ohne Gefühle. Einfach nur zum Spaß. Bei ihm jedoch, war das etwas ganz anderes.

Er fuhr meinen Rücken hinauf und ich könnte von Gefühlen der verschiedensten Art explodieren. Hoffentlich nutzte er mich nicht für seine Zwecke aus. Ich löste mich langsam von ihm und sah, wie er wieder anfing zu zittern. Während des Kusses hatte er sich wahrscheinlich zusammen gerissen, aber jetzt atmete er dreifach so schnell.

Der Entzug machte sich bei ihm wieder bemerkbar, aber ich war zufrieden, solange ich ihn für eine kurze Zeit ablenkte. Eine Leere empfing mich, denn er berührte mich nicht mehr und ich fühlte mich schon wieder so verloren. Ich fühlte mich einsam und leer.

Er zog mich zitternd in seine Arme und umarmte mich, als würde ich gleich verschwinden, aber dies würde ich nicht tun. Ich kannte ihn noch nicht einmal lange und schon jetzt wusste ich nicht mehr, was ich ohne ihn machen würde.

Er drückte mir einen Kuss auf meinen Haaransatz und ich spürte, wie meine Beine nachgaben. Wenn er mich nicht festhalten würde, würde ich umkippen.

Er entfernte sich wieder etwas von mir, aber hielt mich immer noch am Arm.

"Was tun wir nur?", fragte er und darauf konnte ich ihm leider keine Antwort geben.

"Wenn ich das nur wüsste", sagte ich letztendlich und musste selbst erst einmal mit der Situation klar kommen. Er lächelte leicht und schüttelte seinen Kopf. Oh Gott, wie gerne würde ich dieses Lächeln öfters sehen. Sofort wurde mir warm und ich bekam eine Gänsehaut.

Was tat er nur mit mir?

Er lief etwas weg und alles in mir schreite schon wieder nach ihm. Ich wollte ihm meine Unterstützung geben, obwohl er da selber durch musste. Er sah auf den Boden und schien über etwas nachzudenken.

"Was denkst du gerade?", fragte ich ihn schließlich und er wendete seinen Blick von dem Boden wieder auf mich ab.

Diese Augen. Sie waren gar nicht braun, in Wirklichkeit waren die Ränder schwarz und erst in dem Verlauf zur Mitte wurden sie immer mehr Braun, bis dann noch einmal ein tiefes dunkelbraun kam, welches dann zu seiner Pupille führte.

"Ich dachte gerade über uns nach. Du kommst mir so bekannt vor Bella. Ich weiß nicht woher, aber ich bekomme das Gefühl nicht los, dass ich dich irgendwo schon einmal gesehen habe", erwiderte er. Ich konnte mich daran erinnern, dass ich das auch bereits gedacht hatte.

Ich schob es einfach auf den wenigen Kontakt, den ich bis jetzt zu den Menschen hatte. Er gab mir das Gefühl, ich könnte ihm vertrauen. Anderseits, fühlte ich mich schrecklich, denn eigentlich kannte ich ihn noch gar nicht richtig.

Bekannt kam er mir trotzdem vor, echt komisch.

"Das reden wir uns bestimmt beide nur ein. Den Gedanken hatte ich aber auch bereits. Ich bin einfach nur froh, dich zu haben, obwohl ich dich nicht richtig kenne", fügte ich noch hinzu und wunderte mich über mich selbst.

Wirklich, schon ewig hatte ich nicht mehr geweint, weder hatte ich so offen und so viel gesprochen, bis er in mein Leben kam, beziehungsweise, bis ich ihm gefolgt war. Ich war ihm aber dankbar, dass er meine Pläne und mein Leben derartig auf den Kopf stellte.

Wer wusste denn, ob ich sonst nicht schon längst wieder daheim vor meinem zerbrochenen Spiegel stehen würde und das kaputte Mädchen darin ansehen würde?

Ich lächelte ihm noch einmal zu und gab ihm Bescheid, dass ich schnell heim gehen würde. Er müsste jetzt eine Weile alleine klar kommen, denn ich musste erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen. Also begab ich mich auf meinen Heimweg. Ich wollte zurück in meine Wohnung. Er wollte jetzt bestimmt seine Ruhe.

Beziehungsweise brauchte auch ich Zeit, zum nachdenken.

Ich steckte meine Hände in meine Hosentaschen und zuckte kurz zusammen, als ich ein kleines zerknülltes Papier darin fand. Ich nahm es heraus und öffnete es:

'Falls ich dir nochmal deinen Arsch retten muss.'

Stand darauf und darunter, war eine Handy Nummer.

Ich lächelte schon wieder in mich hinein, aber im nächsten Moment stockte ich wieder in meiner Bewegung. Wie zur Hölle hatte er mir das in die Taschen geschmuggelt? Vor dem See konnte es nicht sein, denn da hatte ich meine Hände ebenfalls in den Taschen und hatte nichts bemerkt.

Er musste es während des Kusses gemacht haben oder ich war einfach nur zu dumm, um es zu bemerken. Der Typ war nicht nur Hammer vom Charakter her und im Küssen, er war auch ein unglaublich guter Taschendieb. Beziehungsweise ein in die Taschen Schieber. Okay, das hörte sich jetzt wirklich dumm an.

Wie konnte ich es nicht bemerkt haben? Er hätte mir auch Gott weiß was unterschieben können.

Er war einfach zu gut für mich.

Ich wusste nicht einmal wo mein Handy war, aber in Betrieb war es. Ich hatte mir vor einem Jahr mal ein Iphone 4s zugelegt. Ich brauchte kein besseres, denn ich schrieb sowieso mit niemanden. Manchmal nahm ich es mit als Uhr oder ich nutzte die Karten.

Ich könnte mir selbst eine Ohrfeige geben, aber sofort beruhigte ich mich wieder. Was hätte ich denn ohne die Nummer getan? Ich war einfach weggelaufen. Sie änderten ihren Schlafplatz wahrscheinlich bald wieder und ich wusste nicht, ob ich alleine zurück zu seiner Wohnung gefunden hätte.

Als ich bei mir ankam, stank es nach Möbeln. Ich hasste den Geruch und öffnete sofort die Fenster. Auf dem Küchentisch lag eine zerbrochene Vase und im Wohnzimmer hatte ich meinen Fernseher zerschlagen. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte den Drang hier aufzuräumen.

Ich nahm also eine riesige Tüte, holte Besen und Mülleimer aus der Ecke und machte mich ran an die Arbeit. Sonst gefiel es mir hier, in den Scherben zu leben. Das alte Blut riechen zu können, aber jetzt ekelte ich mich vor mir selbst.

Auf einmal kam mir die Erklärung in den Sinn. Es war er, der mich solche Dinge tun lies, obwohl er es nicht einmal verlangte.

Er war bereits jetzt der Auslöser sämtlicher Dinge. Ich erwischte mich schon jetzt dabei, wie ich anders dachte. Es war faszinierend.

Nach einer guten Stunde war ich fertig und stolz auf mein Werk. Wohl oder übel müsste ich morgen in den Laden, um mir einen neuen Spiegel zu kaufen. Das Geld hatte ich.

Als mich mein Kopf erinnerte, dass morgen Sonntag war, lächelte ich schon wieder traurig. Zu gerne wäre ich morgen einkaufen gegangen. Was ich mir jedoch in den Kopf gesetzt hatte, zog ich auch durch. Ich würde einfach einbrechen.

Spätestens bei dem Gedanken wurde mir auch bewusst, dass ich wieder in alte Verhaltensmuster zurück fiel. Jedoch würde ich das noch einmal durchziehen. Ganz hatte er mich also noch nicht geändert, dass könnte auch noch eine Weile dauern.

Ich nahm mein Handy, welches zum Glück noch Akku hatte und tippte auf 'Neuen Kontakt'.

Kurz überlegte ich, wie ich ihn einspeichern sollte, aber es fiel mir recht leicht.

'The Broken One', schrieb ich letztendlich und mir war es egal, wie kindisch das war. Aber ihn einfach Jason zu nennen, wäre nicht meine Art gewesen und außerdem passte es einfach nur zu gut.

Ich ging auf WhatsApp und suchte seinen Kontakt dort.

'Wo bist du?', schrieb ich und sofort erwärmte sich mein Herz wieder. Mittlerweile hatte ich nicht einmal mehr mitgezählt. Früher, hatte ich mir die Momente sogar notiert, in denen ich etwas in meinem Körper fühlte. Nach meiner Art würde ich jetzt sagen: 'Die Momente, als jemand eins meiner Schlösser geknackt hatte, oder eine Tür geöffnet hatte. Türen und Schlösser zu meinem Herzen.'

Wie zum Beispiel der Moment mit der Oma, oder als ich das erste mal mit ihm sprach. Inzwischen, wusste ich nicht einmal mehr wie oft ich etwas in mir gespürt hatte. Irgendwie, jedes mal, wenn ich mit ihm redete.

Wie konnte es sein, dass ich ihn jetzt schon vermisste und ich gerade die letzten Stunden damit verbracht hatte, nur an ihn zu denken und bei ihm zu sein?

Es stellte die Nachricht nicht einmal zu, aber ich wollte jetzt wissen wo er war.

Ich zog mir dann doch noch eine Jacke drüber und lief dort hin zurück, wo ich hergekommen war. Zum See.

Als ich eine düstere Gestalt erkannte, traute ich meinen Augen kaum. Er war immer noch hier? Langsam wurde es auch immer dunkler und ich lief etwas schneller auf ihn zu. Neben ihm lagen Scherben und ich sah, wie er zitternd die Finger um die Wodka Flasche legte.

Als ich am Rand des Stegs bei ihm angekommen war, schrie ich kurz auf und hüpfte ein paar Schritte zurück.

Im Wasser schwamm eine Leiche, der Oberkörper war nach oben gerichtet und lies sich zwischen den dünnen Eisschichten umher treiben. Er hatte schon wieder jemanden ermordet? Normalerweise machten mir Leichen nichts aus. Aber wenn er sie umbrachte, machte es mir etwas aus, denn da wurde mir immer noch bewusst, wie viele Geheimnisse er eigentlich vor mir hatte.

Er war ein Geheimnis.

"J-jason", flüsterte ich und tippte ihn an der Schulter an. Er fuhr herum und schrie, sodass ich beängstigt wieder ein paar Schritte zurücktrat und er warf mit voller Wucht die Wodka Flasche auf den Boden. Sie zertrümmerte und die Flüssigkeit lief aus ihr heraus.

Die Flasche erinnerte mich zu sehr an mich. Beziehungsweise an uns. Unsere Welt, unser Leben war ebenfalls zertrümmert und würden wir uns bald nicht selbst helfen, würden wir genauso wie die Wodka Flasche, den Inhalt verlieren, zerbrechen und bluten.

Ich hatte Angst vor ihm, Gott, ich hatte nie Angst.

"Geh. Mir. Aus. Dem. Weg!", rief er wieder und ich zuckte nur noch mehr zusammen. So viel vertraute ich ihm also doch noch nicht. Ich wusste gerade gar nicht mehr, was ich von ihm halten sollte! Meine Meinung änderte sich andauernd.

Aber die Leiche im Wasser hatte mir soeben bewiesen, dass er keine Skrupel hatte.

"Du denkst gerade nicht ernsthaft nach, dass ich dich verletzen würde oder?", lallte er etwas.

Ich gab ihm keine Antwort und er verstand.

"Verdammt Bella, du denkst jetzt nicht ernsthaft, dass ich dich verletzen würde? Oder gar ermorden?", fügte er noch laut hinzu.

Ich schwieg wieder und plötzlich war er mir ganz nah, was mein Herz wieder dreifach so schnell schlagen lies.

"Niemals würde ich. Niemals könnte ich", flüsterte er mir zu und kurz konnte man nicht erkennen, dass er zu viel Alkohol im Blut hatte.

Ich hätte ihn nicht alleine lassen sollen. Innerlich versprach ich mir, ihn nie wieder alleine zu lassen verdammt. Das wären dann wohl immer noch die Auswirkungen des Entzugs, die bei ihm eintraten.

„Wieso hast du getrunken?", fragte ich ihn und er sah mich an, als würde er sich schuldig fühlen.

„W-weil ich dachte, es würde dann besser gehen. Ich dachte ich würde mich besser fühlen man", war alles was er sagte, bevor ich ihn dann in den Arm nahm.

Er drehte sich schnell wieder weg und fing an zu schluchzen. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und strich darüber.

"Verdammt Bella. Scheiß Drogen, scheiß Alkohol. Verdrecktes Leben", schrie er wieder etwas lauter, aber ich versuchte ihn zu beruhigen.

Dieses Mal war er es, der mich in den Arm nahm und er legte den Kopf auf meiner Schulter ab.

„Shh, komm her und beruhige dich, du musst dich beruhigen", sprach ich ihm leise zu und spürte aber, wie er sich noch mehr verkrampfte.

"Bella, ich kann nicht mehr. Wie kann es sein, dass egal wie viel ich mich räche, egal wie viele Drogen ich nehme, egal wie viel Alkohol ich trinke. W-wie kann es sein, dass sich alles in mir immer noch so gottverdammt leer anfühlt?", schluchzte er.

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