Kapitel 57
„Und wie war's gestern Abend?" fragt Ced neugierig und schiebt sich sein Toast mit Marmelade in den Mund.
Wir sitzen am Tisch und frühstücken zu dritt mit Arka, weil Sara zur Arbeit gegangen ist. Es ist schließlich Montagvormittag. Arka hat sich von der Arbeit heute abgemeldet, damit er bei uns, seinen Gästen, sein kann.
Arka und ich sind gestern Abend erst recht spät wieder gekommen und da ich fast im Stehen eingeschlafen bin, hatte Ced noch keine Zeit sich über die Erlebnisse zu erkundigen.
„Es war echt anders als beim normalen Wandeln. Mein ganzer Körper hat gejuckt und es war richtig anstrengend ein Mensch zu bleiben. Ging dir das auch so Arka?" meine ich.
„Ja, das Gefühl wird zwar über die Jahre erträglicher, verschwindet aber wohl nie"
„Und was habt ihr die ganze Nacht gemacht? Ihr wart schließlich Stunden weg. Ich hatte Zeit für zwei Filme und Sara ist nach dem ersten ins Bett gegangen"
Ich überlege, denn eigentlich haben wir wirklich nicht viel Spannendes gemacht, zumindest kann ich mich nicht dran erinnern.
„Wir sind ziemlich viel rumgelaufen, oder?" antworte ich grübelnd an Arka gerichtet.
Dieser nickt und zuckt dann mit den Schultern: „Wir sind an Vollmond besonders tierisch und deshalb folgt man seinen Instinkten, die einen meistens auf Erkundungstour schicken. Dinge, die als Mensch unwichtig scheinen, sind auf einmal interessant"
„Verstehe" antwortet Ced nickend und trinkt einen Schluck Kaffee.
„Und hast du Vivien angerufen?" frage ich nun ebenfalls und ein Lächeln umspielt Ceds Lippen.
Oh ja, er hat sie auf jeden Fall angerufen.
Er nickt und meint dann strahlend: „Ja, sie hat sich richtig gefreut, dass ich angerufen habe und natürlich, dass wir Arka gefunden haben. Naja und dann meinte sie noch, dass ..." will er verträumt erzählen, aber ihm scheint eingefallen zu sein, dass Arka mit am Tisch sitzt und er unterbricht seine Erzählung.
Arka vertraut zwar Ced, aber nicht andersherum. Ced möchte keine privaten Informationen mit ihm teilen und allgemein war er bei den Bachs nichts so sprudelnd wie sonst immer. Wenn ich an den ersten Tag denke, an dem wir uns kennenlernten; da war er total offen und hat mir sofort vieles über seine Vergangenheit erzählt. Selbstverständlich nicht alles, das kam erst über die Zeit und ich kann natürlich nicht sagen, ob Ced noch mehr Geheimnisse hat.
Aber auch wenn er welche hat, ist das voll in Ordnung. Ich habe, glaube ich, keine Geheimnisse vor ihm, ich könnte mich jedenfalls an keins erinnern. Ich bin wie ein offenes Buch.
Da fällt mir noch eine Frage ein, die ich Arka gestern Abend schon gefragt habe.
„Arka, was glaubst du denn was ich für eine Kraft habe. Du musst wissen Ced, Arka hat als Werwesen die Kraft der Überzeugung, also er kann sozusagen Leute beeinflussen... Aber er würde das niemals als was Böses benutzen" füge ich noch schnell hinzu, weil Ced so aussieht, als würde er Arka seinen Kaffee am liebsten auf den Schoß kippen wollen.
„Hast du uns auch kontrolliert?" stößt Ced heraus und ich lege ihm beruhigend meine Hand auf seinen Arm.
„Ja, aber glaub mir ich hab euch zu nichts Schlimmen überzeugt. Bloß, dass ihr über Vollmond hierbleiben solltet und dass ihr euch beruhigt. Außerdem war es doch gut, dass Irina hier war, wer weiß was an Vollmond ohne mein Wissen passiert wäre"
„Ich hätte auf sie aufgepasst, so wie ich das die letzten Tage schon mache" kontert Ced kopfschüttelnd.
„Hey, beruhigt euch mal ihr zwei, es ist alles okay" meine ich eindringlich und schaue die zwei bestimmend an.
Beide seufzen und Ced sagt etwas ruhiger zu Arka: „In Ordnung, ich verzeihe dir, aber bestimme nie wieder über mich!"
„Versprochen" antwortet Arka schlicht und schüttelt Ceds Hand.
„Möchtest du auch von mir ein Versprechen, Irina?" fragt der Werluchs rhetorisch und hält mir seine Hand hin.
Ich überlege kurz und schüttele dann den Kopf.
Verwirrt betrachten mich die zwei jungen Männer und ich versuche meinen Gedankengang zu erklären:
„Du darfst mich noch zweimal kontrollieren, ich will wissen wie das ist. Also ich will es bewusst mitbekommen. Einmal etwas Alltägliches und dann will ich, dass du mich zu etwas überzeugst, was ich sonst nicht machen würde"
Beide sind überrascht, doch Arka findet zuerst seine Stimme wieder: „Natürlich, wenn du das gerne möchtest. Beim Alltäglichen habe ich eine Idee, aber für das andere brauche ich Ceds Rat, er kennt dich schließlich besser"
Wir schauen zu Ced, der immer noch sehr steif auf seinem Stuhl sitzt und es erstmal verarbeiten muss, trotzdem nickt er mit dem Kopf.
„Können wir es denn direkt jetzt machen oder muss ich sozusagen vergessen, dass du es vorhast?" frage ich.
Arka denkt kurz nach und antwortet dann: „Also für mich ist es jetzt etwas schwieriger, weil du weißt was gleich passieren wird, aber das bekomme ich hin"
„Na dann los" sage ich nun doch etwas aufgeregt und klammere mich leicht an meinen Stuhl. Aber mir ist bewusst, dass ich diese Erfahrung will.
„Verzeih mir, wenn ich es in einem gebieterischen Ton sagen sollte. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es anders klappt. Und was du auch gerne machen kannst, ist dich wehren" fügt Arka noch hinzu und ich nicke.
Auch lächele ich Ced freundlich zu, der immer noch starr zu mir hinüberschaut. Ich will gerade etwas zu Ced sagen, da höre ich Arkas Worte. Sie klingen anders, angenehmer:
„Irina, würdest du den Honig aus dem Schrank holen. Er ist fast leer"
Er schaut mich an und das Bedürfnis aufzustehen und für ihn den Honig zu holen, ist verlockend. Doch mit einem Blick auf die Teller, widerstehe ich dem Drang und sage selbstbewusst:
„Warum denn? Wir sind doch mit Essen fertig" normalerweise hätte ich das niemals zu Arka gesagt, aber da ich weiß, dass ich mich gegen seine Kraft wehren darf, tue ich das auch.
Er nickt, teils zufrieden, teils angespannt.
Dann schaut richtet sich sein Blick wieder auf mein Gesicht und schaut mir tief in die Augen. Als er seinen Mund öffnet, kommen die Worte genauso süß und angenehm heraus, wie gerade eben. Nur sein Tonfall ist anders.
„Irina, öffne ein Fenster, mir ist warm!"
Auch wenn ich weiß, dass Arka seine Kraft nutzt, ist der Gedanke, seinem Wunsch nicht nachzukommen, erschreckend schmerzlich. Schnell springe ich auf und eilen zum Fenster, welches nur wenige Meter von mir entfernt ist und öffne es. Kalter Wind schlägt mir entgegen und ich kann sofort wieder klar denken.
Ich drehe mich um und sehe, dass Ced aufgestanden ist. Sorge liegt in seinem Blick.
Ich fasse mir an den Kopf und muss dann lächeln: „Das war echt krass"
Als Arka spricht, sind seine Worte wieder normal:
„Ja, du warst echt gut, du hast dich gut gewehrt. Aber könntest du das Fenster wieder zu machen? Sonst weht hier alles weg"
Nur zu gerne schließe ich das Fenster, da einige Regentropfen auf meine Klamotten fallen.
„Und dir geht's wirklich gut?" fragt Ced und ich lege ihm beruhigend meine Hand auf sein Bein.
„Klar, das war nicht schlimm. Ich hatte einfach nur das Bedürfnis auf Arka zu hören. Und jetzt musst du dir etwas mit Arka überlegen, was ich nicht machen würde. Bitte nichts zu Peinliches, aber kann natürlich auch lustig sein" sage ich lachend und Ced lächelt etwas beruhigt.
„Ich werde mir etwas überlegen" sagt er zwinkernd und stößt mir freundschaftlich in die Seite. Dann überlegt er kurz und flüstert Arka dann etwas zu.
Dieser nickt lächelnd und die beiden stehen auf. Ich beobachte Ced, wie er zum Radio geht und es aufdreht. Keine Ahnung, was die beiden vorhaben.
Arka kommt auf mich zu und legt mir seine Hand auf die Schulter.
Ich spüre die Wärme, die von seiner Hand ausgeht und schaue ihm in die Augen. Etwas nervös atme ich aus und ein und warte auf Arkas Worte.
„Irina"
Vermutlich sagt Arka meinen Namen ganz normal, doch für mich hört es sich wie in doppelter Lautstärke an. Es ist verführerisch, aber nicht auf romantischer Ebene. Ich will, dass er meinen Namen nochmal sagt, durch seinen Mund klingt es viel schöner als sonst. Ich blende alles um mich herum aus. Das Gefühl ist irgendwie gruselig, aber Arkas warme Hand zieht mich weiter in seinen Wortesog.
„Hörst du die Musik, Irina?" fragt er weiter und ja, da ist Musik. Ich spüre den Rhythmus und höre sie. Instrumente und Gesang. Es ist ein schnelles Lied, ein Pop-Song.
„Los fang an zu tanzen!" sagt er bestimmt und es ist verlockend, aber ich kann doch nicht tanzen. Bei mir sieht das nicht schön aus.
Arka bemerkt mein Unbehagen und kommt näher und flüstert mir bestimmt, aber sehr verlockend ins Ohr: „Na los Irina, tanz jetzt und schnapp dir Ced, der muss mitmachen"
Ein Lächelnd liegt auf seinem Mund, das ist das letzte was ich bemerke, bevor ich mich tanzend in der Mitte der Küche befinde. Die Musik fließt durch meine Adern und ich gebe ihr nach. Ich will Arkas Befehl befolgen, auch wenn ich weiß, dass ich bestimmt total bescheuert aussehe.
Ich stoße ein Lachen aus und sehe Ced, der in der Ecke steht und mich leicht lächelnd beobachtet. Stimmt ja, Ced muss mit mir tanzen, Arka will es so.
Ich bewege mich, die Arme bewegend, auf Ced zu und der scheint ganz schön überrascht zu sein. Das hat er Arka bestimmt nicht gesagt, dass er mir das sagen soll.
Ich schlinge meine Arme, um ihn und bewege mich grinsend im Takt hin und her.
Arka entweicht bei unserem Anblick ebenfalls ein leises Lachen und Ced muss auch schmunzeln. Schließlich ist er gezwungen sich mit mir zu bewegen, er lässt es nur zu gerne über sich ergehen.
Arka unterbricht uns, indem er die Musik leiser stellt und in seiner normalen Stimme sagt: „Ist gut ihr zwei. Irina, ich glaube du erdrückst Ced gleich"
Schnell lasse ich los und muss dann aber doch grinsen: „Boah Ced, du sahst so witzig und überrascht aus"
„Kein Wunder, das hatte ich schließlich nicht mit Arka abgemacht" sagt Ced grinsend, ohne Wut in seinem Worten „aber du sahst auch nicht schlecht aus, ich hab dich noch nie so locker erlebt"
„Ich bin auch nicht gut im Tanzen, normalerweise, hätte ich das niemals gemacht" sage ich und denke aber auch an die Macht, die Arka hätte, wäre er auf dem falschen Pfad gelandet.
„Aber ich verspreche dir nun, dass ich dich nie wieder auf diese Art von etwas überzeugen werde. Ich glaube aber sowieso, dass du es nun verhindern und dich wehren könntest. Aber egal, versprochen" sagt Arka und schüttelt meine Hand.
„Und was glaubst du nun was meine Kraft ist?" frage ich nach, während wir zusammen den Tisch abräumen. Die Zeit ist wie im Flug vergangen, sodass jetzt schon fast Mittag ist.
Arka stellt die sauberen Teller in den Schrank und erklärt dann:
„Ich glaube, dass du die Kraft des Vertrauens hast. Man möchte dir gerne die Wahrheit erzählen und freundlich zu dir sein, ohne dass du irgendwas dafür tun musst"
Wirklich? Ist das meine Superkraft?
Ich überlege, vertrauen mir Leute so leicht? Nun ja irgendwie ist da schon was dran, schließlich waren wir bei so vielen Luchs Familien und alle haben mich direkt in ihre Wohnung gelassen und mit mir geredet.
Es ergibt Sinn, alles.
„Wow, das erklärt einiges" stößt Ced zu meiner Überraschung aus.
„Was meinst du?" frage ich.
„Als ich das erste Mal getroffen habe, wollte ich dir helfen. Du kamst mir sofort ehrlich vor, obwohl ich dich nicht kannte und dass alles ein Trick vom Trio hätte sein können. Und auch alle im Zoo mochten dich sofort. Ich will jetzt nichts gegen dich sagen, Irina, aber wir alle waren offener, als wir es eigentlich wären, gegenüber einem kompletten Fremden"
„So ging es mir auch, als ich euch kennenlernte" fügt Arka nickend hinzu.
„Also bin ich sozusagen so etwas wie ein Lügendetektor?" probiere ich meine Kraft in Worte zu fassen.
„Theoretisch ja, aber du erkennst vermutlich keine Lügen, sondern es fällt Leuten einfach schwer dich anzulügen" denkt Ced laut nach.
„Und wie hat Aura es geschafft, vor mir zu verbergen, dass sie glaubt, dass ich ein Werluchs ist?" gebe ich zu bedenken.
„Es muss ihr wirklich wichtig gewesen zu sein" murmelt Ced, obwohl er auch nicht weiß, warum genau sie es getan hat.
„Deine Kraft funktioniert aber vermutlich nur so gut, wenn du selbst auch ehrlich und vertrauensvoll bist. Aber ich weiß, dass du das bist, wenn ich dich ansehe" sagt Arka und ich nicke. Seine Erklärung klingt logisch, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass meine Kraft auch ohne meine guten Eigenschaften funktionieren könnte.
Ich denke noch den ganzen Mittag über meine Kraft nach und frage mich, wie meine Reise wohl gewesen wäre, wenn mir die Leute nicht so vertraut hätten.
Vermutlich wäre ich schon bei der ersten Familie gescheitert.
Ced versucht mich immer wieder zum Tanzen zu überreden, doch ich lehne grinsend ab, obwohl er mir verdeutlicht, dass ich beim Tanzen nicht so schlecht aussehe, wie ich es mir vorstelle.
Gerade sitzen wir zusammen auf dem Sofa, bzw. auf unserem Bett und Arka ist kurz weg, um die Post wegzubringen. Er vertraut uns, dass wir seine Wohnung nicht verwüsten.
Plötzlich klingelt Ceds Handy und er zieht es aus der Hosentasche. Ich erwarte, dass es Vivien ist, doch auf dem Bildschirm steht Mandarins Name.
Ich stehe schnell auf, um die Musik auszumachen, während Ced den Anruf annimmt und auf Lautsprecher drückt.
„Hi Mandarin, ist alles okay bei euch?" fragt Ced leicht angespannt. Mein Blick huscht zu seinen Augen. Ich sehe ein Zucken, dass mir symbolisiert, dass es nicht normal ist, dass Mandarin anruft.
Mandarins Stimme klingt zittrig als sie antwortet:
„Ced, es ist etwas Schlimmes passiert. Ihr müsst sofort kommen!"
„Was ist los?" frage ich und eile zu Ced zurück.
„Oren wurde entführt. Das Trio hat ihn" stößt sie aus und fängt dann an zu schluchzen.
Ich kann die Worte nicht begreifen, die ich höre. Oren entführt. Einer der Pferde-Zwillinge, der so nett zu mir war.
Entführt vom Trio.
Und das bedeutet, dass das Trio beim Zoo war. Ceds Entführung war ein blöder Zufall, aber das Trio kann gar nicht wissen, wo das Hauptquartier des Zoos ist!
Plötzlich kocht eine Wut in mir hoch, so massig undhart, dass ich mich selbst fast davor erschrecke. Ich bin die erste, die wiederihre Stimme wiederfindet:
„Wir kommen, Mandarin und glaub mir, das Trio wird dafür büßen. Das Fass ist übergelaufen!"rufe ich wütend aus.
Meine Nägel und Zähne verspitzen sich und ich balle meine Hände zu Fäusten,sodass Blut aus meinen Händen lauft und auf den Boden tropft.
Dafür wird das Trio büßen.
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