Kapitel 50

„Und deshalb habe ich beschlossen, dass ich diesen Werluchs finden möchte" sage ich zufrieden und stemme meine Arme in die Seite.
Vor wenigen Minuten sind wir wieder im Hauptquartier angekommen und mussten deshalb nicht im Wald oder so übernachten. Das wäre für Ced auch vermutlich körperlich zu viel gewesen und für mich seelisch.
„Verstehe, das war bestimmt nicht leicht für dich, deine Eltern zu sehen" sagt Aura mitfühlend, nachdem ich allen, sogar Juno und Mika von unserer kurzen Reise erzählt habe. Wir haben nämlich beschlossen, dass es am besten ist auch die beiden jüngsten in das Notwendigste einzuweihen. Verheimlichen kann man Juno sowieso kaum etwas.
Ich nicke, verschweige aber meine Hin und Her Gerissenheit.
„Aber wie findet man einen Werluchs?" fragt Mandarin schon eher an sich selbst gerichtet.
„Das könnte wirklich schwierig werden, schließlich bekommt man so normal nichts von Werwesen mit. Alle halten es, wenn nur für Legenden" erklärt Ced.
„Ja, während ihr unterwegs wart, habe ich auch schonmal gegoogelt und in den sozialen Netzwerken umgehört," beginnt Vivien zu erzählen
„Und?" frage ich.
„Sehr schwierig, auf Wandler Seiten findet man nichts, nicht mal Kommentare, die man in die Richtung deuten könnte. Allerdings scheint es auch manche Rudel von Werwesen zu geben. Die scheinen, aber von Menschen zu sein: klischeehafte Bilder, Rangordnung mit Alpha Getue und so einen Kram. Ein echter Werluchs würde lieber unter Wandlern bleiben als unter Menschen"
„Aber wenn er nichts von Wandlern weiß? Schließlich könnte er auch bei Menschen aufgewachsen sein" erwidere ich.
„Das kann zwar sein, aber vor allem Luchse, das weißt du ja, Irina, haben geschärfte Sinne, um andere Wandler zu erkennen. Das ist vor allen bei Raubtieren wichtig. Also auch wenn dieser Werluchs nichts von Wandlern gewusst hätte, müsste er auf jeden Fall kurz nach seiner ersten Wandlung welche gerochen, gehört oder gesehen haben"
„Da hat Vivien recht, wir sollten uns nicht auf Internet Rudel konzentrieren" sagt Ced nickend und auch ich stimme den beiden zu, die Argumente sind nur all zu logisch.
„Aber können wir ihn dann finden?" fragt Juno, die sich vorher nicht eingemischt, sondern nur genickt hat.
„Wir bekommen das schon hin und ihr vier müsst euch gar keine Sorgen deswegen machen" sagt Aura und spricht damit die Zwillinge, Mika und Juno an „Wir können jetzt auch schonmal Abendessen machen, während die Anderen das weiter diskutieren"
„Aber ich will weiter zuhören" sagt Iven und verschränkt seine Arme vor der Brust.
„Sie erzählen es uns bestimmt später noch, oder Ced?" sagt Oren beschwichtigend zu seinem Bruder und wirft einen vielsagenden Blick zu Ced, der lacht, aber dann nickt.
Seufzend verlässt Iven mit seinem Bruder als letzter das Zimmer von Vivien und Juno, in dessen Mitte ein Doppelbett steht.
Auf das besagte Bett setzt sich jetzt auch Mandarin, während ich an die Wand gelehnt stehen bleiben. Eigentlich sollte ich mich hinsetzen, aber ich und mein Luchs sind noch so aufgewirbelt von der Reise und dem Erlebten, sodass das Ausruhen bis nachher warten muss.

„Hmm und wie finden wir den oder die mysteriöse Werlüchsin denn jetzt?" fragt Mandarin und streicht sich eine silberne Strähne aus ihrem Gesicht „Schließlich können wir nicht so einfach in Zeitungsarchiven suchen. Wir haben keinen Anhaltspunkt wie alt die Person ist, aus welcher Umgebung sie kommt, nicht mal das Alter"
„Ja das könnte echt kompliziert werden und auf deinen Treffen mit den anderen Luchsen hat niemand irgendwas in der Art angedeutet?" fragt Vivien, doch ich schüttele den Kopf
„Soweit ich mich erinnern kann, war da nichts. Oder kannst du dich an etwas erinnern?" frage ich Ced und tippe ihn sanft in die Seite, da er gerade am Grübeln zu sein scheint.
„Was? Ach so, nein ich hab da auch nichts mitbekommen"
„Warum bist du denn so in Gedanken?" frage ich neugierig.
„Hast du etwa eine Idee?" fragt Vivien ebenfalls.
„Sozusagen, ich muss etwas nachschauen und eventuell mal schnell telefonieren. Entschuldigt mich kurz" Ced schaut hektisch auf die Uhr, springt dann vom Bett auf und verlässt schnurstracks das Zimmer.
Verwundert schaue ich zu den beiden älteren Mädchen, die aber auch nur mit den Schultern zucken.
„Ich habe aber vielleicht auch eine Idee" beginnt Mandarin „Was ist mit deiner Lehrerin, hat sie euch von anderen Werwesen erzählt, als sie die Theorie erklärt hat?"
„Nicht das ich wüsste" murmele ich nachdenklich.
„Naja, dann könntest du sie doch kurz anrufen und sicherheitshalber fragen, ob sie den Werluchs nicht sogar kennt" meint Mandarin.
„Ja mach das doch, ist besser als nichts oder als auf Ced zu warten" sagt Vivien grinsend.
„Ihr habt Recht, ich rufe sie schnell an" erwidere ich zwinkernd und krame mein Handy raus.
Als ich es anschalte, ploppen einigen Nachrichten auf. Einige von Samira und viele von meinen Eltern. Auch einige verpasste Anrufe.
Ich wische sie kurzerhand weg und wähle die Nummer von Frau Simons.

„Und" fragt Mandarin, als ich aufgelegt habe, obwohl sie schon durch meine Mimik beim Telefonieren gesehen hat, dass ich keinen Erfolg hatte.
„Nein, sie wusste nichts" ich schüttele den Kopf. Frau Simons konnte mir nur von den Leuten erzählen, die ich sowieso schon selbst getroffen hatte. Diese Spur hat uns leider nicht weitergebracht.
„Uff, dann müssen wir wohl auf Ceds Idee hoffen" sagt Vivien und fährt mit ihren Fingern durch ihre kurzen schwarzen Haare und räkelt sich dabei auf ihrem Bett.
Wie aufs Stichwort öffnet Ced mit einem breiten Lächeln die Tür und tritt in den Raum hinein.
„Wenn man vom Teufel spricht" sagt Mandarin lachend.
„Leute, ich hab eine Spur oder eher einen nächsten Schritt für unsere Suche" meint Ced zufrieden und stellt sich neben mich.
„Ja?" frage ich überrascht.
„Nun spuck's schon aus!" sagt Vivien grinsend.
„Ich habe gerade einen Termin gemacht. Für morgen Vormittag" beginnt Ced.
„Und bei wem?" frage ich gespannt.
„Lass mich ausreden" sagt er grinsend und streckt mir die Zunge raus.
„Wir beide haben morgen einen Termin bei einer Wandler Psychologin hier in der Nähe" sagt Ced stolz, doch ich schaue ihn nur irritiert an.
„Hä, wie soll uns das weiterhelfen?"
„Au warte, ist das etwa die, wo du schonmal von erzählt hast?" fragt Mandarin, der anscheinend ein Licht aufgegangen ist.
„Genau"
„Könntet ihr mich einmal bitte aufklären? Warum sollen wir zu einem Arzt gehen, schließlich kann man Herr Doktor Ursus auch nicht vertrauen"
„Das ist was anderes, ich kenne die Ärztin und war schonmal kurz bei ihr. Ihr kann man vertrauen" erklärt Ced zuversichtlich.
„Aber warum es eigentlich noch genialer ist, dass wir einen Termin bei ihr haben: sie hat in ihrer Studienzeit mal eine Facharbeit über Werwesen geschrieben"
„Wie bitte, das gibt's doch nicht!" meine ich fassungslos und mir bleibt der Mund offenstehen. Ced kennt eine Ärztin, der man vertrauen kann und die sich auch noch mit Werwesen auskennt, sie könnte unsere Lösung sein.
„Aber das habe ich im Internet gar nicht gefunden?" meint Vivien verwirrt.
„Das kann man auch nicht so finden, die Facharbeit wurde nicht veröffentlich, aber wenn man auf die Seite ihrer Praxis geht, sind ihre Arbeiten, auch die nicht veröffentlicht wurden, notiert. Und aus irgendeinem Grund konnte ich mich da gerade wieder dran erinnern"
„Wow, Ced das ist echt krass. Ist schließlich Jahre her, dass du bei ihr warst" sagt Mandarin anerkennend und Ced nickt dankend.
„Also was sagst du Irina, gehen wir da morgen hin?" fragt Ced nun mich.
„Aber selbstverständlich!" rufe ich aus und drücke Ced einmal. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich auf einen morgigen Arzttermin mal so freuen würde.

„Wow, das ist die Praxis?" überrascht schaue ich mich um. Das Haus, vor dem wir stehen, erinnert in keinstem Fall an das Ärtzehaus von Zuhause, sondern eher an die Praxis von Familie Kaiser. Es sieht aus wie ein überdurchschnittlich großes zweistöckiges Wohnhaus.
Wir waren zu Fuß etwa 2 Stunden unterwegs und stehen nur am Rande der nächstgroßen Stadt auf einem kleinen Parkplatz, auf dem rund sechs Autos Platz hätten. Allerdings sind nur drei von ihnen belegt.
„Ja, sie ist recht unauffällig, aber trotzdem sehr beliebt. Viele Leute kommen her, denn es gibt kaum professionelle Wandlerpsychologen. Die Welt geht davon aus, dass ein paar normale Beratungslehrer die Kids schon vor solchen Problemen retten können. Aber naja, funktioniert nicht immer" antwortet Ced kritisch.
„Da hast du recht und wie kommt es, dass wir so spontan einen Termin bekommen haben, wenn so viele Leute zu dieser Ärztin wollen?"
„Ähm naja, ich war ja schonmal hier..." antwortet Ced auf eine seltsame Weise, sodass ich das Bedürfnis habe nachzubohren.
„Ja und? Das bedeutet doch nicht, dass du deshalb so einfach wieder reinkommst, oder?" ich stoße ihm spielerisch in die Seite und seine Wangen färben sich leicht rot.
„Weißt du was, wir sollten jetzt rein gehen, schließlich haben wir gleich einen Termin" sagt Ced und schubst mich sachte durch die unscheinbare Eingangstür, die von rankenden Pflanzen flankiert wird. Mit einem Lächeln ergebe ich mich, aber nur für jetzt. Irgendwas scheint Ced zu verbergen, das werde ich wohl später aus ihm herauskitzeln müssen. Aber vielleicht erfahre ich es auch schon gleich von alleine.

Der Eingangsbereich der Praxis ist das dann wieder so wie man sich es vorstellt: Weiße Wände, sterile Flächen und ein Empfangstheke, hinter der eine ältere Frau mit kurzen blonden Haaren sitzt und uns anlächelt, als wir in ihr Blickfeld geraten.
„Hallo, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?" beginnt sie freundlich, während ich die Tür hinter uns schließe.
Weit und breit scheint kein anderer Patient zu sein, aber am Ende des Flures kann ich weitere Türen und eine Treppe erspähen.
„Ich habe einen Termin bei Doktor Zea" sagt Ced ebenso freundlich und ich richte meine Aufmerksamkeit zurück auf das Gespräch.
„Mit Frau Doktor Zea oder mit Frau Professor Doktor Zea?" erwidert die Frau freundlich, aber mit einem leichten Lachen in den Augen. Es wirkt weder unfreundlich oder herablassend, sondern ganz natürlich.
„Da gibt es einen Unterschied?" fragt Ced etwas verwirrt, sodass die Empfangsdame kurz auflacht und dann erklärt:
„Ja, Frau Doktor Zea ist die Tochter von Frau Professor Doktor Zea. Sie ist in dieser Praxis seit einem Jahr"
„Oh, naja ich war schon lange nicht mehr hier. Aber ich habe einen Termin mit der Mutter" sagt Ced zufrieden und die Frau nickt.
„Dann bräuchte ich noch einmal ihren ganzen Namen bitte" sagt sie an Ced gerichtet, der ein bisschen rot wird.
Aber warum? Klar, ich habe seinen ganzen Namen noch nie gehört, aber da ist doch nichts Peinliches dran, oder?

„Mein Name ist Cedemus von Atlantis" antwortet Ced schon fast flüsternd und die Frau notiert sich den Namen sichtlich überrascht.
Und auch ich schaue Ced mit halbgeöffnetem Mund an.
Damit hat sich meine Frage vom Anfang geklärt, warum Ced so schnell einen Termin bekommen hat: Er ist adelig oder hat zumindest adelige Verwandten.
Denn keiner in der Wandlergesellschaft trägt einen „von" Namen, das dürfen nur wirkliche Adelige. Ist echt altmodisch und vor Ced kannte ich auch keinen persönlich.
„Du bist adelig?!" forme ich mit meinem Mund, ohne es laut auszusprechen und schaue in aufdringlich fragend an.
Er scheint zu verstehen, was ich ihm sagen will und streicht sich durch die Haare, als wäre es ihm unangenehm, dass ich sein Geheimnis herausgefunden habe.
Das dreht die Sache nun wirklich um 180 Grad, wenn Ced wirklich ein Adeliger ist, hätte ich mich erstens viel besser verhalten müssen, es gab in einem Jahr sogar mal Etikette Unterricht falls wir je einen Adeligen treffen sollten, unsinnig fand ich damals, Terry ist ja nicht mal adelig und benimmt sich wie eine Prinzessin, niemals hätte ich gedacht, dass ich einen echten kennenlernen würde, und zweitens macht das die Situation für Ced noch gefährlicher, auch wenn er ein falscher Wandler ist. Unfassbar.
„Ähm Irina?" Ced stößt mich fragend in die Seite.
Verwirrt schaue ich zu ihm. Mit einem Kopfnicken in die Richtung Tresen, schnellt mein Blick zu der Frau, die mich fragend anschaut.
Anscheinend habe ich was verpasst als ich so in Gedanken über Ceds Identität nachgegrübelt habe.
„Wie bitte?" frage ich zerknirscht.
„Herr von Atlantis meinte gerade, dass sie ihn zum Termin begleiten würden, dafür bräuchte ich jetzt aber auch noch ihren Namen" meint sie freundlich.
„Achso, ja also ich bin Irina Corvus"
„Danke" Sie macht eine weitere Notiz, während Ced meinen bohrenden Blicken ausweicht.
„Genau, also Frau Professor Doktor Zea ist gerade noch mit einem anderen Patienten beschäftigt. Sie müssen hier den Flur entlang, die Treppe hoch und dann die erste Tür links in das Wartezimmer gehen. Soll ich das Ihnen kurz zeigen?"
„Nein das bekomme wir hin. Vielen Dank" antwortet Ced mit einem höflichen Nicken.
Die Frau nickt ebenfalls, aber irgendwie recht tief, obwohl sie viel älter ist als wir und Ced nimmt mich bei der Hand und zieht mich in das Innere der Praxis.
Ich will schon anfangen zu fragen, aber da wir einem jungen Arzthelfer entgegen kommen, halte ich vorerst meinen Mund.
Zusammen gehen wir die Treppe hoch und Ced öffnet mir lächelnd, aber mit einer leichten Röte im Gesicht, die Tür zum Wartezimmer.
In diesem kleinen Raum, sind nur wenige Stühle aufgestellt. Bilder hängen an der Wand und Zeitschriften auf kleinen Tischen. An das große Fenster tropft leise der aufkommende Regen.
Ced setzt sich auf einen der leeren Stühle und ich setze mich demonstrativ neben ihn. Zum Glück sind keine anderen Leute im Raum, sodass ich direkt losfragen kann.

„Cedemus von Atlantis also?" sage ich fordernd, aber unglaublich neugierig.
„Ja" antwortet Ced und fährt sich wieder durch die Haare.
„Du bist also adelig und hast mir kein Wort davon erzählt" fahre ich fort und tippe ihm spielerisch in die Seite, um das Gespräch aufzulockern.
„Naja, die meisten reagieren so, wie du oder die Frau unten, wenn man ihnen erzählt, dass man adelig ist. Sie sind überrascht und fangen mit der überflüssigen Etikette an. Wetten, du hast für einen kurzen Moment überlegt, ob du dich irgendwie verbeugen musst, oder?" sagt er mit einem leidenden Lächeln.
„Nein, also... ja, ich hab schon kurz nach gedacht" antworte ich befangen.
„Siehste" meint Ced schulterzuckend. „Ich will nicht, dass mich die Leute für etwas Besseres halten und deshalb wissen auch nur Vivien und Aura, dass ich adelig bin bzw. war"
„War, weil deine Eltern dich rausgeschmissen haben?" frage ich nach.
„Ja, aber mein Titel bleibt so lange bis ich geheiratet habe. Man kann ja nicht so einfach seinen Namen ändern"
„Aber deinen Vornamen hast du geändert. Von Cedemus zu Ced. Sehr kreativ"
Ced schmunzelt über meinen Kommentar und klärt mich auf:
„Du musst bedenken, ich war damals 16 und wollte meinen Namen kurzerhand ändern"
„Hey, ich bin auch 16!" sage ich empört.
„Du weißt, wie ich das meine" meint Ced lachend und ich stimme ein.
„In meinem Ausweis konnte ich meinen Namen erst vor ein paar Monaten ändern, als ich 18 geworden bin. Aber davor hatte ich auch kaum Kontakt mit jemanden, der meinen Ausweis sehen wollte"
„Cedemus ist aber ein seltsamer Name, habe ich vorher noch nie gehört"
„Ja meine Eltern haben einen seltsamen und vor allem altertümlichen Namensgeschmack. Mein älterer Bruder heißt zum Beispiel Coralius"
„Oh ähm ja, das ist auch ungewöhnlich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du früher von allen Cedemus genannt wurdest"
Allgemein ist die Vorstellung von Ced in einer "normalen", okay er ist adelig, also eher unnormalen, Familie sehr seltsam. Wie er zur Schule geht, Hausaufgaben macht, im Meer schwimmen geht.

„Und was hat es mit deinem Nachnamen zu tun? Atlantis gibt es ja nicht und ..." doch Ceds Blick bringt mich zum Schweigen.
„Wie bitte, du willst mir nicht ernsthaft sagen, dass es Atlantis wirklich gibt?" meine ich baff, während Ced nickt, aber dann auch wieder den Kopf schüttelt.
So einfach scheint die Erklärung nicht zu sein.
Als er anfängt zu erzählen schaut er mich nicht an, sondern ins Leere, um sich an die Vergangenheit zu erinnern.

„Ich kann nicht sagen, ob es Atlantis wirklich gibt. Manche sagen, sie waren schon da. Wollen aber nicht sagen, wo es genau ist und andere, wie ich, halten es für eine Legende. Das Meer ist noch sehr weit unentdeckt und man kann nicht ausschließen, dass es vielleicht so etwas ähnliches wie Atlantis gibt, aber ich halte die Behauptung von manchen Fischen, sie wären in die versunkene Stadt geschwommen, für Quatsch.
Aber ich bin der Einzige in meiner Familie, der das so sieht, sogar Coral glaubt daran, dass es irgendwo Atlantis gibt.
Und meine Eltern sind der festen Überzeugung, dass unsere Vorfahren das angebliche Atlantis erbaut haben sollen, woher soll unser Nachname sonst kommen, meinten sie immer.
Deswegen bezeichnet meine Mutter ihren Vater immer als Prinzen von Atlantis und dass ich und mein Bruder uns ebenfalls so verhalten können und sollten.
Sie wollte, dass unsere Familie noch mehr Ansehen hat, obwohl unser Nachname schon ein großes Ausrufezeichen ist"
„Und als du dich gewandelt hast, hast du den edlen Plan kaputt gemacht" schlussfolgere ich. Ced nickt.
„Das stimmt. Die Privatschule, auf die ich damals ging, akzeptierte keine falschen Wandler oder Kinder mit unverheirateten Eltern. Ich hätte wechseln müssen, für mich wäre das nicht so dramatisch gewesen. Viele meiner Freunde waren nur bei mir, weil ich adelig war. Nur auf meinen Bruder konnte ich wirklich zählen.
Aber meine Eltern machten aus meiner Wandlung ein furchtbares Drama, bei uns zuhause, niemals wäre das an die Öffentlichkeit gelangt, und haben mich dann sozusagen ausgesetzt"
„Sozusagen?"
„Naja, sie wollte mich eigentlich abschieben in ein schreckliches Internat. Meine Eltern hätten unglaublich viel Geld bezahlt, nur damit ich aus dieser "Schule" bloß nicht mehr rauskomme und ihre Ehre öffentlich zerstören könnte. Und dann bin ich, kurz bevor ich dorthin gebracht wurde, abgehauen. Ich weiß nicht mal, was meiner alten Schule erzählt wurde, warum ich weg bin, zumindest konnte ich keinem etwas von meiner ersten Wandlung erzählen"
„Und weil du verschwunden bist und eine "Gefahr" für deine Familie darstellst, könnte es sein, dass sie Steve und Scarlett auf dich angesetzt haben?"
„Ja, das vermute ich auch so"
„Das ist echt schrecklich" murmele ich tonlos und Ced schaut nun wieder zu mir herüber.
„Du musst dir um meine Gesundheit und meine Vergangenheit keine Sorgen machen, Irina. Ich fühle mich freier, als ich je war. Es ist gut so" schließt er und streicht mir beruhigend über die Schulter.
Anscheinend sehe ich wohl sehr mitgenommen aus.
Aber tatsächlich hätte ich nicht erwartet, dass Ced mir so viel offenbaren würde. Von seinem Leben als Adeliger, von seinem vergangen Leben, seiner Familie und schließlich der Atlantis Legende, wo man nicht weiß, ob es wirklich nur eine Legende ist.
Das hatte ich schließlich auch bei Werwölfen gedacht und wer weiß was es noch alles gibt, wo alle denken, dass es nur eine Legende ist.

„Was denkst du?" fragt mich Ced leise, aber neugierig.
Ich überlege einen Moment und frage dann gespielt Ernst: „Ced, ich muss dir was beichten"
Etwas erschrocken zieht er die Luft ein und schaut mich fragend an.
„Ich kann keinen Knicks, wie soll ich dich denn jetzt begrüßen?"
Er schaut mich für einen Moment verblüfft an und fängt dann an zu lachen. Und es ist ein wirklich echtes Ced-Lachen. Es ist so ansteckend, dass ich mitlachen muss und mir schon bald die Tränen bei dieser seltsamen Vorstellung kommen.
„Ich kanns dir beibringen, wenn du unbedingt vor mir knicksen möchtest. Aber dann musst du das schon immer machen, wenn wir uns sehen" sagt Ced schelmisch und reckt sein Kinn übertrieben nach oben.
Lachend schüttele ich den Kopf: „Nein danke, dann lassen wir das doch lieber"

Plötzlich öffnet sich die Tür zum Flur und der junge Typ von unten streckt seinen Kopf hinein.
„Cedemus von Atlantis und Irina Corvus?"
„Ja?" antwortet Ced gutgelaunt und richtet schnell seine zerzausten Haare.
„Folgen Sie mir bitte, Frau Professor hat jetzt Zeit" sagt er freundlich, aber auch etwas schüchtern.
„Sehr gut" energisch steht Ced auf und reicht mir seine Hand, sodass er mich mit einem Schwung aus dem gemütlichen Stuhl zieht.
Zufrieden lächelt er mich an und ich sehe in seinen Augen, dass es ihm gut getan hat, mit mir über seine Vergangenheit zu reden.

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