Kapitel 24
„Blut?" fragt Ced besorgt.
„Ja, ich glaube nämlich nicht, dass sich das Wasser plötzlich gefärbt hat" meine ich verzweifelt ironisch.
„Kann es nicht einfach sein, dass du deine Tage bekommen hast oder hattest du die schon nach deiner Wandlung?"
Oh... ich hatte schon ganz vergessen, dass das ja passiert, nachdem ich meine erste Wandlung habe.
„Ne, hatte ich noch nicht. Also ist es wohl das. Aber was soll ich denn jetzt machen? Ich habe doch gar keine Binden oder sowas dabei" antworte ich verzweifelt.
„Tja ich auch nicht, aber warte ich flitze schnell mit unseren Sachen los und besorge was. Du bleibst hier und wartest auf mich, alles klar?"
„Naja ich kann ja auch schlecht irgendwo hin" erwidere ich.
„Da hast du auch wieder Recht" stimmt Ced mir zu und ich kann sein Grinsen spüren, ohne es zu sehen.
Und dann ist Ced verschwunden, weswegen mir nichts anderes übrig bleibt als zu warten. Hoffentlich braucht er nicht so lange, schließlich will ich hier nicht lange auf der Toilette hocken müssen.
Nach ein paar Minuten höre ich draußen Schritte. Aber es sind mehr Personen. Ist das Ced oder irgendwer anders?
„Junger Herr? Dort drüben sind die Männer Toiletten. Hier ist für die Frauen, da dürfen Sie nicht hin!"
höre ich eine ältere Frau sprechen.
„Ach, ich muss doch gar nicht" Ceds Stimme „aber eine Freundin von mir ist hier und braucht meine Unterstützung. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Und keine Sorge, wir sind in Nullkommanichts verschwunden. Lassen Sie mich also kurz durch? Danke"
Die Schritte kommen näher und Ced klopft an meine Tür.
„Irina? Ich hoffe mal du bist hier drinnen, wäre sonst mega peinlich"
„Ja ich bin hier."
„Ich habe eine Packung Binden dabei und ich werfe sie jetzt rüber zu dir, sonst bringt mich diese Frau beim Eingang noch um"
„Verstehe, wirf rüber"
Ced wirft die Packung hoch und ich fange sie mit meinen Händen auf. Schnell packe ich eine Binde aus, mache sie in meine Hose, spüle noch schnell und verlasse dann die Kabine. Die Hände sind schnell gewaschen und die Frau, mit der Ced gerade gesprochen hat, verschwindet in einer anderen Kabine.
„Na dann mal raus, ich bin ja ein richtiger Schuft, dass ich es nur wage in die Richtung einer Mädchen Toilette zu schauen"
Feixend treten wir auf die leere Fußgängerzone hinaus und gehen weiter. Alle Länden, an denen wir vorbei gehen haben schon geschlossen und ich frage mich, woher Ced so schnell die Binden her hat. Das frage ich ihn auch direkt, woraufhin er meint:
„Ich bin geflogen. Es war niemand da und ich hatte deine Tasche, da war es am einfachsten schnell zu einer Tankstelle zu fliegen und das dort einzukaufen. Du hättest dem Blick vom Kassierer sehen sollen" grinsend reicht mir Ced meinen Rucksack.
„Geht's dir denn gut wegen deiner Periode? Hast du Schmerzen und soll ich deswegen lieber deinen Rucksack tragen?"
Ich horche in mich hinein. Nein, da ist kein Schmerz, es fühlt sich alles an wie sonst auch immer.
„Ne alles gut, ich kann ihn ruhig tragen. Zumindest, wenn wir bald am geheimnisvollen Ort ankommen"
„Na dann. Natürlich kommen wir da bald an, habe ich doch schon gesagt. Wenn wir durch die Fußgängerzone durch sind, ist es nicht mehr weit" erklärt Ced optimistisch.
„Auf geht's" neugierig gehe ich einen Schritt schneller durch die Nacht, weil ich gespannt bin, wo Ced mich hinbringt.
Hinter der Fußgängerzone ist überraschender Weise kein Industriegebiet oder weitere Einkaufsläden, sondern ein weitläufiges Wohngebiet, welches mich ein bisschen an mein Zuhause erinnert. Ich spüre, dass wir bald da sind und außerdem laufen wir schon länger als eine halbe Stunde.
Je weiter wir gehen, desto größer werden die Gärten und eine Schrebergarten Siedlung zu unserer Linken nimmt einen großen Teil der Fläche ein.
Schließlich kommen wir zu einem etwas älterem und zerfallenem kleinen Haus, welches direkt neben den Schrebergärten liegt. Die anderen Häuser liegen alle etwas weiter entfernt, da wohl niemand direkt dort neben ihnen wohnen möchte oder darf.
Das Haus ist mit seinem grauen Putz sehr einfach gemacht, doch die Fenster im Erdgeschoss und ersten Stock haben Schnörkel und lassen das Haus auf das vermutliche Alter hindeuten. Hätte ich geraten wer in diesem Haus wohnt, hätte ich auf ein altes Ehepaar getippt.
Deswegen bin ich jetzt sehr verwundert als Ced seinen Schlüssel aus der Tasche holt und ihn ins Schloss des alten Hauses steckt.
„Das ist der geheime Ort?" frage ich verwundert und versuche durch die Fenster zu linsen, doch überall sind die Vorhänge zugezogen.
Ced nickt, aber hält einen Finger vor den Mund und flüstert: „Ja, aber wir müssen jetzt ein bisschen leiser sein, die anderen sind vielleicht schon im Bett, da morgen Samstag und dann ein spezieller Gottesdienst ist"
„Die anderen?" flüstere ich zurück.
„Ja, das sind alles Freunde von mir. Aber die kannst du auch noch morgen kennenlernen. Wir müssen uns jetzt erstmal ausruhen, also komm mit mir rein"
Ced dreht den Schlüssel weiter im Schloss um, wodurch es klickt und die Tür leise aufgeht.
Drinnen ist es dunkel, aber durch meine Luchsaugen kann ich Jacken und Schuhständer erkennen. Für mehr reichen meine Augen allerdings auch nicht, weswegen ich meinem Begleiter schnell in den Vorraum des Hauses folge und dann die Tür hinter mir schließe.
Genug Zeit zum Umschauen habe ich nicht, den Ced nimmt meine Hand und führt mich durch den spärlich beleuchten Flur an mehreren Zimmern vorbei, eine Treppe nach oben.
Das Treppenholz quietscht und knackt leicht, aber Ced und ich gehen unbeirrt weiter. Anscheinend sind „die Anderen" wirklich schon im Bett und schlafen, weil kein Licht an ist und man keinen Mucks hört.
An den Wänden des ersten Stockes hängen Bilder, allerdings keine Persönlichen, sondern nur von Landschaften oder Denkmälern. Auch den Eifelturm von Paris sehe ich und direkt neben diesem Bild bleibt Ced stehen und öffnet eine einfache Tür und führt mich hinein.
Als wir drinnen sind, schließt er die Tür und knipst das Licht an. Schon ganz geblendet halte ich mir die Hände vor die Augen und versuche mich umzuschauen.
„Willkommen in meinem Zimmer oder auch das Notfall- und Chaos Zimmer" meint Ced lächelnd.
Und tatsächlich, das Zimmer ist wirklich nicht sehr ordentlich, überall liegen Bücher und Klamotten herum. Allerdings können diese nicht von Ced sein, für einige wäre er viel zu groß und dort drüben auf der Fensterbank liegt ein Kleid.
Auf meinen fragenden Blick antwortet er schulterzuckend: „Tja, ich bin halt selten zuhause und viel unterwegs, da wird dieses Zimmer oft für andere Zwecke oder für andere Leute als Umkleide genutzt"
Er bedeutet mir an, dass ich meinen Rucksack zwischen den Schrank und den Schreibtisch mit Stuhl stellen kann.
Ich stelle ihn dort ab, ziehe meine Schuhe aus und beobachte, wie sich Ced auf seinem Bett auszieht. Und das in so einem Tempo, dass ich gar nicht Zeit habe wegzuschauen. Allerdings lässt er zum Glück sein T-Shirt und die Boxershorts an und sagt dann zu mir:
„Ich denke du solltest im Bett schlafen, theoretisch könnten wir beide drin schlafen, aber ich denke so viel Nähe brauchen wir im Moment noch nicht"
Ich nicke lächelnd, obwohl ich das ‚noch' in seinem Satz kaum ignorieren kann. Um mich abzulenken, schaue ich mich in Ceds Zimmer um.
„Und wo wirst du dann schlafen? Mein Schlafsack ist schließlich weg..." sage ich, als ich keine andere Schlafmöglichkeit erspähen konnte.
„Ach, das ist kein Problem, ich schlafe in meiner gewandelten Form. Wenn du so gütig wärst und mir ein Kissen borgst, hätte ich nichts dagegen" er zwinkert mir zu.
Aber irgendwie ist mir das unangenehm. Schließlich bin ich hier der Gast und raube meinem Gastgeber das Bett. Ich versuche Ced zu überreden, doch der ist so überzeugt, dass ich irgendwann aufgebe und mich gähnend umziehe, allerdings so, dass Ced mich nicht beobachten kann.
Als ich fertig bin knipse ich das Licht aus und schlüpfe ins Bett. Ced hingegen legt ein Kissen auf den Schreibtisch, wandelt sich dann vor meinen Augen und fliegt auf das Kissen, wo er seinen Kopf unter seine Flügel steckt.
„Gute Nacht, Irina." meint er noch, doch bevor ich antworten kann, fallen mir meine Augen schon zu und ich schlafe tief und fest.
Ich renne so schnell ich kann. Meine Füße schmerzen so sehr, denn meine Schuhe sind kaputt, sodass ich eigentlich barfuß laufe. Ich darf mich nicht umdrehen, denn wenn ich das tue, werde ich langsamer werden und das ist was sie wollen.
Warum Terry und ihre Freunde mich gefunden haben, verstehe ich nicht, schließlich haben wir das Parfüm auf dem Weg immer wieder benutzt.
Aber darüber darf ich mir jetzt keine Gedanken machen, Fakt ist die drei jagen mich, wie schon heute Morgen.
Ein Fauchen, nein mehreres Fauchen.
Panisch ziehe ich meine Geschwindigkeit an und versuche durch die Schrebergärten zu fliehen, doch meine Verfolger holen immer weiter auf. Es ist mir klar, obwohl ich es nicht sehe.
Es ist aussichtslos! Warum gebe ich nicht einfach auf!? Dann ist es wenigstens vorbei.
Nein, ich werde nicht aufgeben!
Im Laufen versuche ich in meinem Inneren nach meinem Luchs zu tasten, doch das Einzige, was ich finde ist eine Vorstellung vom Aussehen eines Luchses, sonst nichts.
Das kann nicht sein, jetzt wo ich die Wandlung so dringend brauche, ist der Luchs einfach weg! Ich werde sterben, wenn ich mich jetzt nicht verwandeln und schneller laufen oder kämpfen kann!
„Ced! Samira! Matteo! Kieron! Ihr müsst mir helfen!" schreie ich in der Hoffnung, dass mich jemand hört. Doch das scheint meine Verfolger noch mehr zu reizen und als ich mich kurz umblicke, sehe ich wie ein Puma mit einem Fauchen und gelben Augen auf mich zu springt und mich im nächsten Augenblick treffen wird.
Das Umschauen war mein größter Fehler, denn ich falle über irgendwas und liege auf dem Boden. Mein springender Verfolger kommt wie in Zeitlupe angeflogen und landet auf meinem Bauch, sodass ich aufschreie, weil sich die Krallen in meine Haut bohren.
„Ich werde dich fertig machen, du Missgeburt!" raunt mir der Puma mit Terrys Stimme zu, kichert dann und reißt ihr Maul auf, um mir den Hals zu beißen.
Ich schreie und schreie und ...
Ich schlage die Augen auf und Schweiß rinnt von meiner Stirn. Erst jetzt realisiere ich, dass das gerade eben nur ein Traum war und ich in Ceds Bett in seinem Zimmer liege.
Ehrleichtert streiche ich mir meine Haare aus der Stirn, welche dort kleben und atme einmal tief durch.
Hoffentlich habe ich nicht wirklich geschrien, denn ich will Ced auf keinen Fall mitten in der Nacht wecken. 4:30 Uhr sagt der Wecker und auch schon kleine Lichtstrahlen schlüpfen durch die Gardinen vorm Fenster. Aber da es Herbst ist, wird es draußen noch ziemlich dunkel sein.
Vermutlich würde ein normaler Mensch die Sonnenstrahlen gar nicht bemerken. Aber tja, ich bin halt kein normaler Mensch.
Ich horche in das dunkele Zimmer und höre das leise Schnarchen von Ced. Können Vögel eigentlich schnarchen oder höre ich das, weil ich alles, was ein Wandler sagt auch in Worten verstehe? Das ist mal ne interessante Frage, aber nicht für jetzt. In der Nacht sollte man nicht so philosophieren, wenn man doch gerade wegen einem schlimmen Traum aufgewacht ist.
Wenn ich so an den Traum denke, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Vor allem wenn ich an Terrys miese Worte denke, aber auch als ich meinen Luchs nicht finden konnte.
Ich versuche wie in meinem Traum, nach meinem Luchs zu tasten und stoße auch sofort auf Emotionen, Gefühle und Sinne.
Mein Luchs ist nicht weg und wird es wohl auch erstmal nicht sein. Auch wenn ich ihn eigentlich nicht haben möchte, kann er schon ganz nützlich sein und man sehnt sich ja auch erst nach Dingen, wenn sie nicht mehr da sind.
Jetzt wo ich so in mich hinein höre, spüre ich auch leichte Schmerzen in meinem Bauch. Ich vermute mal, dass die durch meine Periode entstehen. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn ich mal auf Toilette gehen würde?
Ich schwinge meine Beine ganz vorsichtig aus dem Bett und schleiche auf Zehenspitzen zur Zimmertür, um Ced nicht zu wecken. Dann öffne ich die Tür leise und trete hinaus auf dem Flur. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich gar nicht weiß, wo das Badezimmer hier im Haus ist.
Nervös beiße ich auf meinen Lippen herum. Natürlich könnte ich jetzt Ced fragen, aber nein, ich finde das schon selbst heraus.
Nach unten will ich nicht, schließlich wissen „die Anderen" Mitbewohner von Ced gar nicht, dass ich da bin und da will ich nicht unten ausversehen was kaputt machen.
Also beschließe ich, zuerst einmal hier im oberen Geschoss nach einem Badezimmer zu suchen, weil ich vermute, dass es in diesem Haus zwei davon geben könnte.
Ich gehe an einer Tür vorbei, an der ein Zettel mit der Aufschrift „Mika, Iven und Oren" hängt und höre auch gleichmäßiges Atmen hinter der Tür. Folglich ist hier kein Badezimmer.
Auch an der nächsten Tür hängt ein Zettel mit Namen: „Mandarin und Aura". Hier wohnt also die Freundin von Ced, die die Parfüme herstellt.
Jetzt bleibt mir nur noch ein Zimmer in die andere Richtung des Flurs in der Nähe der Treppe übrig und ich schleiche am Zimmer von Ced und an der Treppe vorbei und stehe vor einer Tür ohne Zettel.
Ich lege mein Ohr an die Tür und kann aber keine Geräusche hören, das heißt das hier ist ein Abstellraum oder ein Badezimmer, ein Schlafzimmer auf jeden Fall nicht.
Vorsichtig drücke ich die Türklinke herunter und spähe in das Zimmer. Und zum Glück ist es wirklich ein Badezimmer.
Schnell husche ich hinein und knipse das Licht an. Das Badezimmer ist relativ einfach eingerichtet, eben mit allen Sachen, die man so braucht: Toilette, Waschbecken und kleine Schränke. Nur die Badewanne mit integrierter Dusche fällt etwas aus dem Konzept, da sie eindeutig aktueller wirkt als all die anderen Einrichtungen.
Schnell gehe ich auf die Toilette und wasche mir die Hände, dabei versuche ich die ganze Zeit möglichst leise zu sein.
Dann flitze ich aus dem Badezimmer, natürlich habe ich das Licht wieder ausgeschaltet, und gehe zurück in "mein" Bett.
Dort drinnen decke ich mich zu, grübele noch ein bisschen über meinen Traum nach, aber schlafe dann trotzdem relativ schnell ein.
„Hallo? Bist du schon wach?"
Müde wache ich durch die Frage auf und reibe mir über die Augen. Als ich sieöffne, schaue ich in das Gesicht eines kleinen Mädchens mit großen braunenAugen.
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