Kapitel 16
Das Klingeln meines Weckers weckt mich.
6:30 Uhr am Montagmorgen.
Müde und gähnend räckel ich mich im Bett und meine Motivation aufzustehen ist gerade bei Minus zehn.
Ich schlage meine Decke zurück und drücke meinen Wecker aus. Wenn ich so überlege, ist es schon echt krass, dass noch nicht mal eine Woche rum ist, seitdem ich meine Wandlung hatte.
Letzten Montagabend war ich noch so traurig und wie fühle ich mich heute?
Es ist ein Gemisch aus Gefühlen, aber zusammenfassend kann man sagen, dass ich mich überfordert fühle.
Denn nicht nur, dass ich ein anderes Tier bin und mit Terry gekämpft habe, jetzt hat auch noch dieser Arzt angerufen, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit was mit Terry zu tun hat, und bei diesem Arzt habe ich heute um 17:30 einen Termin. Obwohl ich nicht mal richtig weiß warum.
Ich hatte sogar noch versucht ihn anzurufen, aber die Idee ist mir erst am Sonntag gekommen und dann war er natürlich nicht mehr erreichbar. Dann muss man aber auch bedenken, dass er am Samstagmittag bei uns zuhause angerufen hat. Haben Ärzte da nicht normalerweise zu oder da kommen nur Notfälle dran?
Es ist alles etwas merkwürdig, verwirrend und überfordernd.
Keine Ahnung, warum ich heute so depri denke, eigentlich bin ich gar nicht so drauf, aber da sieht man mal, was der Montagmorgen mit einem macht.
Als ich geduscht, mich angezogen und gefrühstückt habe, fahre ich mit Matteo und Samira zur Schule. Zoe wurde heute von Mark abgeholt, weswegen sie ganz aus dem Häuschen war und wir sie nur zu gerne mit ihm haben fahren ließen.
Der Morgen ist wieder kalt, zumindest sagen das meine Freunde, mir ist mal wieder nicht so kalt, aber weil Samira keine Ruhe geben wollte, habe ich eine Jacke mitgenommen. Solche Phänomene können vermutlich auch mit meinem Luchs erklären: Durch ein besonders dickes Fell wird einem Luchs nicht so schnell kalt und meinem Körper geht es wohl ähnlich, obwohl ich nicht gewandelt bin. Deshalb vermute ich auch, dass Samira im Wasser, als Mensch, nicht so schnell frieren würde. Allerdings weiß sie das selbst nicht und will meine Theorie aber mal überprüfen.
Als wir an der Schule ankommen, scheint alles erstmal normal zu sein: Kleine, leicht nervige, Kinder, müde Schüler und allzu motivierte Lehrer.
Aber mein Jahrgang scheint sich übers Wochenende verändert zu haben, zumindest ein Teil von denen. Dieser Teil steht nämlich tuschelnd herum und schaut mich seltsam an, während ich an ihnen vorbeigehe.
Mir ist ziemlich klar, dass wohl jetzt der ganze Jahrgang der 10. Klasse Bescheid weiß, dass ich ein Luchs bin. Nur bin ich mir nicht sicher, ob Terry von unserem Kampf erzählt hat, schließlich wäre das das super Gesprächsstoffmaterial.
Natürlich sind manche meiner Mitschüler auch normal und grüßen mich, andere aber sind zurückhalten und unsicher, was sie tun sollen. Naja, solange sie mich nicht fertigmachen oder über mich lästern, habe ich kein Problem mit sowas.
Es klingelt zum Unterricht und wir gehen hinein. Die Stunden dauern wieder ewig, aber diesmal ist es mir ganz Recht, weil ich absolut keine Lust auf den Arzt Termin habe. Zwischendurch scheint Herr Vulpes mit mir reden zu wollen, aber da ich andere Probleme habe, vertröste ich ihn auf morgen und bin froh, dass ich den Vormittag und Mittag nur mit meinen Freunden verbringe, welche mich tatkräftig vom Termin nachher ablenken.
Doch je länger ich in der Schule sitze, desto schnell vergeht die Zeit und schon bald ist die Mittagspause vorbei und die letzte Doppelstunde angebrochen.
Schweigend, aber auch zappelig sitze ich auf meinem Stuhl, sodass mich mein Lehrer sogar zum Aufpassen ermahnt. Diese Nervosität steigt in mir hoch, wie Wärme in einem Wasserkocher und ich nehme mir einem Stift, auf dem ich herumkaue, damit ich nicht noch irre werde.
Meine Mitschüler scheinen meine Aufregung zu bemerken, aber sie tun es wohl als etwas Harmloses ab.
Mittlerweile weiß ich schon gar nicht mehr selbst, ob mein Verhalten noch harmlos ist. Vielleicht will Herr Doktor Ursus mich deshalb sprechen.
Ich lege meinen Stift zurück, weil ich befürchte, dass das Holz splittern könnte, wenn ich so weiter mache.
Und endlich klingelt die Glocke und ich renne schon fast aus dem Klassenzimmer und Gebäude. Diese Anspannung, die in mir steckt, muss ich jetzt sofort loswerden...!
Ich laufe und renne über den noch fast leeren Pausenhof, springe über kleine Bänke und lasse mir den Wind um die Nase wehen.
Als Samira mich so sieht, scheint sie erst überrascht zu sein, aber sie scheint doch zu verstehen was mit mir los ist und hält mich nicht auf, als ich fast ein paar Schüler umrenne. Natürlich kann ich denen blitzschnell ausweichen und ich merke, wie meine Aufregung weniger wird und es mir um einiges besser geht.
Mit Samira schwinge ich mich auf unsere Fahrräder und wir fahren die Straßen lang nach Hause. Sie wünscht mir noch viel Glück, als wir uns auf dem Weg trennen und sie zu sich nach Hause fährt. Ich bin auch schon bald zuhause, dort lasse mich auf unser Sofa fallen und esse ein paar Gummibärchen, die dort auf dem Tisch liegen.
Bevor ich gleich wieder losfahren muss, esse ich noch schnell einen Müsliriegel und verschwinde im Badezimmer, um mir meine Zähne zu putzen. Schon fast vergesse ich, dass ich ja noch meine Schuluniform trage und gehe noch hoch in mein Zimmer, um mich umzuziehen.
Aus Zoes Zimmer höre ich Musik, aber ich will sie nicht stören, weil ich ja eh gleich wieder weg bin.
In meinem Zimmer ziehe ich den roten Rock, die Leggings und die Bluse aus, lege sie auf mein Bett und suche mir in meinem Kleiderschrank neue Sachen heraus.
Ich entscheide mich für eine blaue Jeans und ein langarmiges hellgraues Shirt, weil diese sehr neutral und nicht zu aufgedreht wirkem, schließlich weiß ich nicht, was heute noch so alles passieren wird. Und ich will nicht, dass ich beim ersten Treffen mit diesem Arzt irgendwie komisch wirke.
Schließlich bin ich fertig, packe noch schnell mein Handy in meine Jacke und fahre dann mit dem Fahrrad los zu meinem Arzttermin.
Ich fahre aus unserer Wohnsiedlung heraus und in die Nähe der Stadt, dort ist nämlich die allgemeine Praxis für Wandler auf einem Privatgrundstück. Das dreistöckige Gebäude ist wohl wie jede Praxis von außen deutlich als Praxis zu erkennen, allerdings muss man am Tor klingeln, um erstmal zum Weg, der zum Gebäude führt, zu kommen.
Da ich zehn Minuten zu früh da bin, weist mich die Dame am Empfang an, mich in das Wartezimmer zu setzen.
Wie auch das Wartezimmer, ist alles in Weißtönen gehalten, weil das Sauberkeit ausstrahlen soll, aber meiner Meinung nach wirkt es einfach nur kalt und unangenehm.
Im Wartezimmer sitzen schon ein paar andere Leute auf Metallstühlen mit schwarzem Polster. Alle Patienten sind sehr unterschiedlich und ich betrachte sie unauffällig, als ich mich auf einen Stuhl niederlasse.
Ein Vater mit zwei kleinen Kindergartenkinder versucht seine beiden mit Büchern und Spielsachen abzulenken, während seine Frau mit ausgefüllten Papieren zur Rezeption geht. Ein älterer Mann blättert in einer Apotheken Zeitung und ich vermute, dass er Zahnschmerzen hat, weil er sich immer wieder an seine Wange fasst. Nun kommt auch noch ein Mädchen in meinem Alter herein und setzt sich ein paar Stühle weiter hin und schaut auf ihr Handy. Um ihren Arm ist ein blauer Gips, welchen sie auf ihr Bein ablegt.
Der einzige Patient, an dem man sieht, dass es sich hier um eine Wandlerklinik handelt, sitzt gegenüber von mir und ist ein Mann, der wohl so alt ist wie mein Vater. Dieser Mann hat seinen linken Arm in eine Schlinge gepackt, allerdings ist dieser Arm eine Mischung aus Flügel und menschlichem Arm und braune Federn fallen immer wieder herunter. Ich weiß nicht, was diesem Mann passiert ist, aber dass er seinen Arm verletzt hat und ihn deshalb nicht zurückwandeln kann, ist nicht besonders gut.
Ich schaue mich im Raum um, weil ich keine Lust habe, mir eine Zeitschrift durchzulesen. Durch das Fenster scheint die Sonne herein und macht das Wartezimmer um einiges freundlicher.
Von meinem Platz aus kann ich in den Gang vor dem Wartezimmer schauen, wo ein Schild hängt. Darauf steht, welcher Praxen sich wo befindenJetzt wo ich das Schild so betrachte, wundere ich mich, dass ich in diesem Wartezimmer warten muss, denn es gibt bestimmt in einem den anderen Stockwerken noch ein weiteres Wartezimmer.
Genau in dem Moment kommt ein Arzthelfer in unser Wartezimmer und ruft: „Irina Corvus und Otto Ware bitte"
Der alte Mann mit den Zahnschmerzen und ich stehen auf und gehen mit dem Arzthelfer in den Flur. Herr Ware wird in das Zahnarztzimmer gebracht und mich begleitet der junge Mann mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock.
Immer noch weiß ich nicht, was Herr Doktor Ursus von mir will, aber ich vermute doch mal sehr stark, dass ich gleich nicht operiert werde.
Der Arzthelfer bringt mich wirklich zu einem kleineren Wartezimmer, in dem ich kurz Platz nehmen soll und dort sitze ich alleine für ein paar Minuten herum. Auch hier sind die Stühle aus Metall mit einem schwarzen Polster und gedankenverloren streiche ich über die kalten Stangen des Stuhles.
„Irina Corvus in Raum 215 bitte" sagt eine Stimme aus der Decke und ich erschrecke mich erstmal, weil ich damit gerechnet habe, dass wieder ein Helfer vorbeikommt.
Ich stehe auf und verlasse das Wartezimmer. Ein weiteres Schild zeigt mir an, dass Raum 200 bis 203 Operationsräume sind und danach der Forschungs- und Psychologie Bereich folgt.
Naja ein Glück, dann werde ich wohl schon mal nicht operiert werden, denke ich ironisch, aber auch mit Erleichterung.
Ich gehe den hellen Flur entlang und überfliege nur schnell die Schilder, die neben den ebenfalls weißen Türen befestigt sind. Schließlich bleibe ich vor einer Tür stehen, auf der 215 steht, ein Name steht dort nirgends, aber die Stimme meinte, dass das mein Raum ist, also klopfe ich und nach einem Herein, von innen, trete ich ein.
In dem Raum sitzt, an einem Schreibtisch, ein größerer und etwas breiterer Mann mit schwarzen kurzen Haaren und schreibt gerade etwas auf ein Blatt Papier auf.
Der Raum sieht nicht so wirklich aus, wie ein Arztzimmer, eher wie ein Besprechungsraum, zwar steht dort eine Liege und auch ein paar Untersuchungsinstrumente liegen dort, aber ansonsten strahlt es nicht den Arzt Vibe vom restlichen Haus aus.
Vor dem Schreibtisch stehen zwei Stühle, ich setzte mich hin und mustere Herr Doktor Ursus. Dieser rückt gerade seine Brille zurecht, fummelt an seinem weißen Kittel herum und dreht sich dann zu mir um.
„Hallo Irina, schön, dass du da bist. Ich bin Herr Doktor Ursus" er reicht mir seine Hand und ich schüttele sie. Im Moment weiß ich noch nicht, was ich von diesem Arzt denken soll, also bleibe ich möglichst neutral.
„Ich hatte am Samstag angerufen und mit deinem Vater einen Termin gemacht, du warst dann ja leider nicht zu Hause, aber das macht überhaupt nichts, weil wir beide uns ja jetzt unterhalten können"
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich wie ein kleines Kind behandelt und ich versuche unser Gespräch auf den Punkt zu bringen.
„ Ja, jetzt bin ich hier. Warum sollte ich denn herkommen? Brauch ich eine Impfung oder müssen sie etwas bei mir untersuchen?"
„Oh nein, keine Sorge" er schüttelt energisch den Kopf „Du wirst nicht geimpft werden und untersuchen muss ich dich auch nicht. Ich möchte dir einfach nur ein paar Fragen stellen, du hast vielleicht schon gemerkt, dass wir im Psychologie Bereich des Hauses sind?"
Etwas verwirrt nicke ich, weil ich es mir schon ein bisschen gedacht habe, aber trotzdem erklärt sich mir dadurch nicht, warum ich genau hier bin.
„Und was für Fragen sind das?"
„Ach nichts schlimmes. Ich merke schon, dass du gerne anfangen möchtest, dann können wir ja direkt starten"
Also eigentlich möchte die ganze Sache nur hinter mich bringen, aber nun gut, los geht's.
„Also Irina, ich habe davon gehört, dass du dich zu deinem 16. Geburtstag gewandelt hast. Ist das richtig?"
Ich nicke und frage mich, woher er das weiß.
„Gut. Und du hast dich nicht in Raben, sondern in einen Luchs gewandelt?"
„Ähm ja, das habe ich. Woher wissen Sie das? Meine Eltern haben mich nur adoptiert und wussten nicht, dass wohl etwas bei der Ehewandlung von meinen richtigen Eltern nicht geklappt hat" versuche ich die Situation direkt zu entschärfen. Dieser Arzt soll sich bloß nicht zu viele Gedanken über mich machen.
Herr Doktor Ursus übergeht meine Frage einfach:
„Ah ja sehr interessant. Wie ist das Verhältnis zu deinen Freunden? Würdest du es als gut oder eher schwierig bezeichnen?"
„Gut, sind ja schließlich meine Freunde..." antworte ich verwirrt und Herr Ursus notiert sich meine Antwort.
„Wie sieht dein Schlafrhythmus aus? Hast du Probleme beim Aufstehen oder Einschlafen?"
„Mein Schlafrhythmus ist relativ normal, würde ich sagen und ich habe höchstens ein paar Probleme beim Aufstehen"
„Das klingt doch schon mal gut, Irina. Wie sieht es in der Schule aus? Hast du Probleme beim Lernen oder benötigst manchmal Hilfe?"
„Ich bin relativ gut in der Schule und habe selten Probleme. Warum fragen Sie das?"
„Das wirst du noch mitbekommen, keine Sorge. Wie sieht es bei dir mit Gewalt aus? Bekommst du zum Beispiel Prügeleien aus deiner Familie oder in der Schule mit?"
„Nein, meine Familie versteht sich gut. Und in der Schule bekomme ich das höchstens bei den jüngeren mit und dort ist es mir meistens egal" antworte ich verwundert. Was ist denn das für ein seltsamer Themenwechsel?
„Aha und wie sieht es bei dir aus, warst du schon mal gewalttätig? Das muss auch nichts Schlimmes gewesen sein"
Oh nein, ich ahne, worauf er hinauswill. Vermutlich hat ihm Terry von unserem Kampf erzählt.
„Ich stehe auch unter ärztlicher Schweigepflicht, also kannst du mir alles erzählen" versucht er mich zum Reden zu ermutigen.
„Ähm ja, ich habe neulich jemanden gekratzt"
„Aha und was hast du dabei gefühlt? War es erleichternd, ging es dir danach besser oder warst du erschreckt?"
„Ich weiß nicht genau, es war einfach ein Impuls, weil ich wütend auf die Person war und ich provoziert wurde. Aber irgendwie hat es schon gutgetan." gebe ich zerknirscht zu und bereue, dass ich das gesagt habe. Ich wollte diesem Arzt doch nicht so sehr vertrauen, wenn er was mit Terry zu tun haben könnte!
„Jaja, wenn man provoziert wird, ist es natürlich schwer ruhig zu bleiben. Hast du dich danach gewandelt, bewusst oder unabsichtlich?"
„Ich habe mich ein bisschen gewandelt, als ich gekratzt habe und danach habe ich mich bewusst gewandelt"
„Aber auch nur," betone ich als Herr Doktor Ursus das aufschreibt „weil die andere Person sich auch gewandelt hat!"
Dieser nickt mir lächelnd zu und schreibt weiter. Ich frage mich, wie lange dieses Interview wohl noch dauern wird und worauf er genau hinauswill.
„Danke Irina für deine Erklärung. Ist so etwas schon vor deiner Wandlung mal passiert und haben sich noch andere Sachen durch deine Wandlung geändert?"
„Nein, also bevor ich meine erste Wandlung hatte, ist sowas noch nicht passiert. Und natürlich hat sich einiges geändert, ich merke, dass der Luchs schon Einfluss auf mich hat, aber das ist nicht immer unbedingt negativ, schließlich bin das ja immer noch ich"
„Natürlich, das verstehe ich. Danke für deine ehrlichen Antworten, ich möchte jetzt zu einem bestimmten Thema kommen. Eine gewisse Person, die ich jetzt nicht nennen werde, hat mir auch schon von dem Kampf erzählt, weshalb ich dich hierhergebeten habe"
Das kann ja nur Terry gewesen sein, denn alle die davon sonst noch wissen, sind meine Freunde und die würden das nicht einem Arzt erzählen.
Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und verschränke die Arme vor der Brust, trotzdem lasse ich den Arzt weiterreden.
„Und ich habe das Gefühl, dass dein inneres Tier einen negativen Einfluss auf dich haben könnte. Dass nach deiner Wandlung solche aggressiven Impulse kommen, sollte beobachtet werden. Darum möchte ich dir etwas vorschlagen"
Er schaut auf seinem Zettel, bevor er weiterspricht.
„Irina, es gibt bei uns Betreuer, das sind meistens Psychologen, die sich um Wandler kümmern, wenn die Wandlung oder das Tier negative Folgen auf die Person haben. Und ich möchte gerne, dass dir so jemand hilft. Du müsstest dann einmal in der Woche hierherkommen und mit mir oder deinem Betreuer reden und eventuell ein paar Übungen machen"
„Ich soll Anti-Aggressionstraining machen!? Aber mir geht es doch gut, mit mir ist nichts falsch"
„Das sagt ja auch niemand, ich möchte dir einfach Sicherheit geben und das würde auch nichts für deine Eltern kosten"
Ich bin nicht wirklich überzeugt und schüttele verwirrt den Kopf. Doch Herr Doktor Ursus gibt nicht nach und versucht mich weiter zu überzeugen.
„Das könnte dir wirklich guttun. Wir können einfach erstmal einen Termin für Donnerstagnachmittag machen, dann kommst du mit deinen Eltern vorbei und ich spreche mit denen auch noch mal. In Ordnung?"
„Na gut meinetwegen, wenn Sie das unbedingt wollen... Welche Uhrzeit denn?"
„Danke Irina. Ah ja, ich glaube es könnte so um..." er schlägt seinen Kalender auf und wird aber unterbrochen, als die Tür aufgeht und der Arzthelfer von vorhin hineinkommt und mit ihm draußen was besprechen möchte. Herr Doktor Ursus nickt, entschuldigt sich kurz bei mir und verspricht bald wieder da zu sein.
Nun sitze ich alleine in diesem Raum und rein aus Neugier stehe ich auf und schaue, was so auf dem Schreibtisch liegt. Neben dem Kalender liegen unterschiedliche Stifte, aber auch der Zettel, auf dem mein Arzt gerade so viel aufgeschrieben hat. Ich überfliege es und es ist unser Interview in Stichpunkten zusammengefasst.
Nur unten seht etwas Kleines daneben gekritzelt, was er nicht gesagt hat:
„Fazit. Tierisches Verhalten nach Verwandlung, falsche Haarfarbe, ungewöhnliche Augen, geschlossene Klink ab vermutlich Freitag für unbestimmte Zeit, sie ist evtl. ..."
Mist, was steht da? Warum haben Ärzte nur so eine unleserliche Schrift? Ich bin evtl. was? Und warum soll ich in eine geschlossene Klinik?!
Langsam kommt Panik in mir hoch, dieser Arzt scheint nicht so nett und freundlich zu sein wie er tun.
Ich höre das Klicken der Tür und ich setzte mich schnell wieder auf meinen Stuhl.
Herr Doktor Ursus setzt sich wieder hinter seinen Schreibtisch und scheint nicht bemerkt zu haben, dass ich an seinen Sachen war.
„Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, die Uhrzeit. Komm doch bitte mit deinen Eltern am Donnerstag um 17:45 Uhr wieder. Danke dir und einen schönen Tag noch, du kannst jetzt gehen"
Meine Hände fangen an zu schwitzen und in meinem Hals ist ein großer Knoten, denn etwas anderes ist mir gerade noch zusätzlich ins Auge gefallen.
Hinter dem Arzt im Regal steht ein dickes altes Buch mit dem Titel Spurius Mutatius. Ich schlucke.
Er will mich vielleicht gar nicht wegen meiner angeblichen Aggression haben, sondern weil ich ein falscher Wandler bin... und das ist niemals gut, so viel habe ich schon gelernt.
Fluchtartig nicke ich nur schnell und verlasse danndas Zimmer.
Ich weiß nicht, was das alles bedeutet, aber ein paar Sachen weiß ich schon:
Erstens dieser Arzt hat irgendwas vor und lügt mich an und zweitens ich habeziemlich Angst vor dem was kommen wird.
Ich renne die Treppe herunter, ignoriere die anderen Patienten und Ärzte undgerate immer mehr in Panik, die Praxis lasse ich hinter mir und steige schnellauf mein Fahrrad.
So schnell es geht radele ich los, bloß weg von demjenigen, der mich in eineKlinik einsperren will. Und noch etwas wird mir jetzt klar:
Ich brauche einen Fluchtplan und zwar sofort...!
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