Kapitel 14

Wir gehen durch die Gänge, die nur spärlich beleuchtet sind und treten dann in die große Halle ein. Auf der Bühne performen „Starfall" gerade einen schnelleren Song und mehrere Leute tanzen vergnügt. Und dann komm ich, das Geburtstagskind, welches gleich die Spaßbremse sein wird.
Es ist vermutlich am besten, wenn ich alleine auf die kleine Bühne gehen werde, wo die Band spielt und Mikrofone sind. So löse ich meinen Arm aus Kierons und lassen Sammy und ihn zurück, während diese in die Menge tanzender Leute gehen.
Ich schaue auf die Uhr: 22 Uhr, wir waren wohl doch ziemlich lange draußen und Matteo hat uns bestimmt gesucht. Jetzt habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen, schließlich habe ich Kieron vor ihn gezogen und nicht mit meinem besten Freund geredet. Hoffentlich ist er nicht sauer, das kann ich echt nicht gebrauchen.
Ich gehe die zwei Stufen zur Bühne hoch, als Jona gerade den Endton des Songs singt und spielt. Dann sieht er mich und ich trete zu ihm auf die Bühne, er ahnt wohl, dass ich etwas sagen möchte und tritt einen Schritt zurück zu seinen Bandmitgliedern.
Vor mir steht nun so ein Mikrofonhalter mit einem Mikrofon befestigt und leicht zitternd entnehme ich es und teste kurz, ob es an ist. Die Leute, die gerade noch getanzt haben, wenden sich der Bühne und mir zu, während sie lächeln und winken.
Ich lächele zurück, um meine verdammte Aufregung zu überspielen. Und als ich anfange zu sprechen, wenden sich sogar, die Leute hinten an der Bar zu mir um.
„Hey Leute, ich freue mich, dass ihr alle heute gekommen seid, um mit mir meinen 16. Geburtstag zu feiern. Deswegen möchte ich meiner Freundin Samira auch nochmal danken, weil sie das hier alles auf die Beine gestellt hat"
Die Menge klatscht und Samira grinst, während ihr die Leute auf die Schulter klopfen. Ich hingegen habe keine Zeit mich richtig zu freuen oder zu schauen, welche Leute gerade vor mir stehen, weil jetzt das Entscheidende kommt.
„Und noch etwas möchte ich euch erzählen. Ich habe zu meinem Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk bekommen. Meine erste Wandlung"
Meine Mitschüler fangen an zu klatschen, doch ich unterbreche die Freude.
„Ja, ich hatte meine erste Wandlung, aber sie war etwas anders als erwartet. Viele von euch wissen ja, dass ich adoptiert bin und trotzdem ist etwas Unerwartetes passiert. Ich habe mich nicht in einen Raben verwandelt, sondern in einen Luchs"
Stille und dann beginnt ein leises Flüstern. Fast schon in Panik fange ich gekünstelt an zu lächeln und probiere die Situation zu retten.
„Das ist bestimmt für die meisten für euch sehr überraschend, war es für mich auch, aber ich hoffe, dass diese Nachricht unsere Party und unsere guten Bekanntschaften nicht kaputt machen wird"
Immer noch ist es zu still und meine Freunde, die schon Bescheid wissen halten sich etwas zurück und lächeln mir nur zu.
Endlich bricht jemand die Stille, aber ich kann nicht erkennen wer es ist, weil diejenige hinten an der Bar im Halbdunkeln ist und zu uns nach vorne herüberruft. Die Person scheint wohl schon etwas getrunken zu haben, weil ich sogar über die Entfernung das riechen kann und die Stimme meiner Mitschülerin etwas lallt:
„Ach ist doch egal was du bist, du bist viel zu nett, da wären man schon echt blöd sich von dir abzuwenden und sich jetzt den Spaß zu verderben!"
Wer auch immer das gesagt hat, ich bin froh, dass sie es gesagt hat, denn als ich mich über das Mikrofon bedanke, scheinen auch die anderen sich aufzulockern und stimmen dem mir unbekannten Mädchen zu und lächeln mich wieder an. Ich sehe zwar, wie zwei oder drei Leute aus der Halle gehen, aber es war mir irgendwie klar, dass es Leute geben wird, die damit nicht klarkommen werden.
Um die Party wieder in Stimmung zu bringen, sage ich noch etwas Letztes in Mikrofon:
„Und jetzt will ich die Party nicht weiter aufhalten und gebe nun Jona wieder das Mikro zurück. Euch noch ganz viel Spaß!" lachend verlasse ich die Bühne und Jona übernimmt ganz professionell den Übergang zum nächsten Song, als hätte meine kurze Rede gar nicht stattgefunden.
Fast schon selbstsicher springe ich die Treppenstufen hinunter und gehe zu meinen Freunden. Matteo, Kieron, Nathaniel, Samira und Jodie beglückwünschen mich und auch die anderen kommen zu mir. Ich werde viel gefragt, Hauptthema ist aber meine erste Wandlung.
Und trotz der vielen Fragen und Gespräche kann ich den Abend genießen. Ich tanze, bekomme kleine Geldgeschenke und trinke sogar ein Glas Sekt, welcher aber nicht so mein Fall ist und ich wieder auf Cola umsteige. Der Abend ist nicht perfekt, aber auch nicht schlecht, aber schlimmer kann es ja nicht werden, oder?

00:30 Uhr.
Die Party ist etwas ruhiger geworden, da die Bar vor einer halben Stunde zu gemacht hat und jetzt nur noch Reste von geöffneten Flaschen dort stehen. Auch „Starfall" spielt nur noch ruhigere Lieder, weil Samira und ich ihnen gesagt haben, dass die Party nicht mehr lange dauern soll. Samira hat zwar die Nachbarn in der Umgebung informiert, aber wir wollen es nicht auf die Spitze treiben und wenn dann die menschliche Polizei gerufen wird, könnte das echt zu Problemen führen.
Matteo ist schon nach Hause gegangen, weil er noch nicht 16 ist und seine Eltern das etwas kritischer sehen. Kieron und Olivia tanzen wie viele andere Paare vor der Bühne und Elian benutzt das letzte Mal die Nebelmaschine.
Sammy und ich stehen an die Hallenwand gelehnt mit unseren Getränken und unterhalten uns über alle möglichen Sachen. Nebenbei vereinbaren wir, dass wir uns morgen Mittag, beziehungsweise heute Mittag, treffen werden und dann aufräumen werden. Matteo meinte vorhin, er würde dann auch helfen und wir müssten ihm dann einfach Bescheid sagen.
Ich lasse meinen Blick über die paar Leute streifen, die noch da sind und bin doch ganz glücklich darüber, dass meine beste Freundin das für mich organisiert hat.
Nach ein paar Minuten endet die Musik und die Leute gehen schon fast automatisch nach Hause und Sammy und ich müssen kaum noch nachhelfen. Selbstverständlich bedanken wir uns für das Kommen und verabschieden uns. Auch Jona und seine Band verabschieden Samira und ich und diese bedanken sich ebenfalls, weil wohl manche Mitschüler Interesse hätten der Band beizutreten.
Zu meinem Outing sagen sie nichts und die Bezahlung für den heutigen Abend hat wohl schon stattgefunden, bevor ich hier angekommen bin. Die Bandmitglieder packen nämlich einen Teil ihrer Instrumente ein und gehen dann aus der großen Eingangstür.
Nun machen wir uns auch auf den Heimweg. Zuerst schalten wir aber überall das Licht aus, aber öffnen die Kippfenster der Sporthalle, die so weit oben sind, dass dadurch niemand einbrechen kann. Wir heben im Gehen noch ein paar Gläser auf, aber das meiste lassen wir so wie es ist, weil wir schon etwas müde sind und morgen noch genug Zeit zum Aufräumen haben.
Ich lege meiner besten Freundin meinen Arm auf die Schulter und zusammen gehen wir nur mit Sammys kleiner Tasche mit Handy und Schlüssel durch die Hallentür. Sammy schließt hinter uns ab und wir atmen beide die frische Nachtluft ein.
Irgendwie merkt man deutlicher, dass ich etwas wacher bin als meine Freundin und meine Theorie ist, dass Otter nur teilweise nachtaktiv sind und sie deshalb schon müde ist und ich kaum was von meiner Müdigkeit merke.
Es ist still hier draußen, niemand ist zu sehen und nur durch manche Fenster von den Häusern scheint Licht. Frösche quaken und das Zirpen von Grillen kann man in der Ferne erahnen, ein wirklich schöner Abend. Nur den Mond und die Sterne kann man nicht so gut sehen, weil ein paar Wolken die Sicht versperren.
Ich hüpfe schon fast über den Asphalt Weg und Samira lacht leise vor sich hin. Wir sind nicht durch Alkohol angeheitert, wir haben kaum etwas davon getrunken, sondern wir genießen einfach unsere gemeinsame Zeit. Das letzte Mal als wir so alleine waren, war vor ein paar Tagen bei meiner ersten Wandlung.
Ich höre so vieles in dieser Nacht, unsere Schuhe auf dem Weg, das Rascheln des Schlüssels und die ganzen Naturgeräusche. Doch plötzlich höre ich noch etwas anderes und bleibe reflexartig stehen. Samira geht ein paar Schritte weiter, als sie aber merkt, dass ich stehen geblieben bin kommt sie zurück und fragt:
„Irina alles gut? Warum bleibst du stehen?"
Ich horche weiter in die Nacht und blicke mich um.
„Ich höre etwas. Ich glaube es sind Schritte, es kommt jemand auf uns zu. Aber ich weiß nicht, wer und irgendwas ist anders, was mir nicht gefällt..."
Samira blickt sich nun ebenfalls um, aber nimmt mich dann bei der Hand und zieht mich weiter. Es ist nicht weit bis nach Hause, vielleicht noch 10 Minuten Fußweg und irgendwie fühlt es sich so an, als müsste ich mein Zuhause verteidigen. Aber vor wem? Wer ist diese Person, die mitten in der Nacht uns entgegenkommt?

Als wir um eine Kurve gehen, sehen wir die Silhouette einer Person, die ein paar Straßenlaternen weiter alleine in unsere Richtung kommt.
„Sammy, das ist Terry!"
„Oh fuck" murmelt meine Freundin genervt, aber auch etwas gestresst. Terry, die falsche Wandler fertig macht und die sich als etwas Besseres sieht, alleine nachts nach meinem Outing zu treffen ist kein gutes Omen.
Auch Terry scheint uns nun zu erkennen, erst scheint sie überrascht zu sein, aber dann mischt sich ein teuflischer Ausdruck in ihr Gesicht. Obwohl mir mein Herz in meine Hose rutscht, bekomme ich auch gleichzeitig so einen Adrenalinschub, dass ich Angst habe, dass ich mein Kleid kaputt mache.
Bevor unsere Wege sich kreuzen, bleiben wir stehen. Wir unter der einen Straßenlaterne, Terry unter der anderen, alleine in der Nacht.
Der Adrenalinkick bringt mich dazu mutiger sein und das erste, was ich sage, ist wohl schon ziemlich provokativ:
„Na Terry, was machst du denn hier so spät hier? Du wohnst doch in einem "viel besseren" Viertel?"
Terry wirft ihre brustlangen dunkelblonden Haare über ihre Schulter und schaut uns hochnäsig an.
„Natürlich wohne ich nicht hier. Hier wohnen ja nur Idioten und Menschen. Aber ich muss nun mal durch dieses Drecksloch, um nach Hause zu kommen"
„Na dann viel Spaß" wirft Samira ironisch ein.
Aber unser Wortgefecht scheint noch nicht zu Ende zu sein, denn niemand von uns bewegt sich und Terry will wohl noch weiter provozieren.
„Ach übrigens, wisst ihr was ich vorhin erfahren habe? Bei eurer Party, da hast du dich Irina geoutet, nicht wahr? Kieron hat ja noch nicht gereicht, aber es war klar, dass DU auch so ein Ding bist"
Ich schnaube wütend und merke, wie meine Zähne sich verschärfen und meine Fingernägel länger werden.
„Und ich habe mitbekommen, dass du behauptet hast ein Luchs zu sein. Ich meine, bist du eigentlich wirklich blöd? Wer soll dir das denn glauben" sie lacht höhnisch.
„Du musst es mir ja nicht glauben!" fauche ich ihr entgegen und wir treten näher an uns heran. Es tobt so viel Energie zwischen uns, dass es schon fast knistert. Doch Terry will nicht aufhören und ich merke, wie die Wut in mir immer weiterwächst.
„Du bist wohl wirklich dumm. Du bist höchstens ein kleines schwarzes Hauskätzchen, als ein Luchs. Du bringst nur Unglück und niemand wird je etwas mit dir zu tun haben wollen!"
Sie spuckt vor mir auf den Boden und es ist als würde etwas in meinem Inneren explodieren. Durch meine Ader fließt wieder das flüssige Feuer und ich renne auf sie zu, fahre meine Krallen aus und kratze sie über ihr perfekt geschminktes Gesicht.
Nun stehen wir nur noch wenige Meter auseinander und Terry streicht sich über die Wunde, aus der nun ein wenig Blut tropft. Aus ihrem hämischen Grinsen, ist nun ein zorniger Ausdruck geworden.
„Das wirst du bereuen!" faucht sie mir entgegen und ich merke erst jetzt, dass ich gerade das vermutlich einflussreichste Mädchen der Stadt angegriffen habe.
Samira steht verblüfft am Rande des Geschehens und weiß nicht, was sie tun soll.
Terry starrt mir mit so einem Zorn in die Augen und ich sehe, wie ihre Augen immer heller werden. Im ersten Moment ahne ich schon, dass sie sich gleich wandeln wird und gehe einen Schritt zurück.
Als ich das tue scheint eine Bombe in Terry zu explodieren, weil sie einmal laut faucht und im Sprung sich in einen Puma wandelt.
Alles in mir schreit nach Reaktion, als Terry vor mir steht und langsam und bedrohlich auf mich zu kommt. Schon fast automatisch spüre ich wie sich meine Nachhaare aufstellen und ich in Kampfposition auf den Boden gehe. Meine Arme und Beine verändern sich, mein Luchsfell wächst und schließlich stehen sich zwei Großkatzen fauchend gegenüber. Die Schmerzen spüre ich kaum, nur einen Kampfgeist.
Terry scheint für einen Moment überrascht zu sein, dass ich wirklich ein Luchs bin, aber nur eine Sekunde, dann ist wieder blanker Zorn in ihren Augen.
Meine Krallen sind ausgefahren und kratzen über den Asphalt, während Terry und ich uns bedrohlich umkreisen. Uns ist beiden egal, dass wir vermutlich viel zu laut und auffällig sind, denn das hier ist einfach gerade viel zu persönlich. Ich habe Terry im Gesicht gekratzt und das sieht sie als Anschlag auf ihr Leben und wird mich dafür büßen lassen.

Wir fauchen uns weiter gegenseitig an, doch ich will nicht den ersten Schritt machen, denn ein Kampf kann echt schmerzhaft werden und indirekt habe ich den ersten Schritt schon gemacht.
Ich höre eine Mischung aus schnarren und fauchen und sehe, dass Samira sich auch gewandelt hat, aber wir beide wissen, dass sie mir nicht helfen kann und Terry in so einer wütenden Phase gefährlich sein kann.
Dann passiert wohl das Unvermeidliche: Terrys Schwanz peitscht hin und her, sie spannt ihre Hinterbeine an und springt auf mich zu. Ich kann noch rechtzeitig zur Seite springen, doch ihre Tatze hinterlässt ein paar Kratzer auf meinem Rücken und ich schreie auf.
Terry lacht freudig und ich fauche, will aber nicht richtig kämpfen, sondern drohe nur an, weil meine Gegnerin mir in Sachen Kraft vermutlich überlegen ist. Hätte ich nur mal mehr Sport gemacht...
Auf einmal horchen wir drei auf, denn wir hören eine Polizeisirene näherkommen. Ich nutze den Moment der Ablenkung und springe an Terry vorbei, die nicht so schnell reagieren kann und renne um mein Leben in Richtung zuhause.
Ich höre noch das Platschen von Wasser, als Samira wohl als Otter in den Fluss springt, doch ich renne immer weiter.
Das Fauchen und wütende Schreien von Terry verfolgt mich noch die ganze Nacht. 

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