Epilog (15 Jahre später)
„Und was ist dann passiert, nachdem du das Video im Internet veröffentlicht hast?" fragt Laura gespannt und wippt neugierig auf ihrem Stuhl hin und her.
Ich streiche mir lächelnd eine Strähne aus dem Gesicht, welche nicht durch meinen Zopf gehalten wird und beantworte ihre Frage: „Natürlich waren Terry und ihre Freunde geschockt, sie hätten nicht damit gerechnet, dass wir das Video von Oren und den ganzen anderen Dingen in Terrys Haus wirklich öffentlich machen würden. Und in diesem Überraschungsmoment kamen Samira und Matteo mit der Polizei. Im Nachhinein ist mir klar, wir hätten sie schon vorher informieren sollen. Du musst dir vorstellen, als ich so alt war wie du, waren die Hüter nicht immer gerecht. Man war also nie sicher, ob man ihnen vertrauen konnte.
Aber sie kamen zum Ärztehaus, sahen die Beweise und haben dann die Pumas und ihre Helfer festgenommen"
„Und was haben die Menschen gesagt, als sie das Video von euch gesehen haben?" fragt das 15-jährige Mädchen weiter.
„Zu unserem Glück haben sie es für bearbeitet gehalten, sie dachten es sei ein Ausschnitt aus einem Film. Nur die Wandler wussten, was dieses Video bedeutet und haben gegen solch eine Kriminalität demonstriert. Vielen wurde erst dann bewusst, was es für einen Schaden angerichtet hat, manche Wandler als "falsch" zu bezeichnen, sie auszunutzen und auszugrenzen"
„Gut, dass das heute nicht mehr so ist. Sonst würde ich mir wirklich Sorgen machen" erwidert Laura nachdenklich und streicht sich durch ihre kurzen dunkelbraunen Haare.
„Ja, aber du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. Auch der Orden der Vier wurde überführt und offiziell verboten. Vieles hat sich geändert und Leute, wie ich, sorgen dafür, dass besondere Wandler und Werwesen, wie du, es nicht mehr so schwer in der Gesellschaft haben" sage ich lächelnd und lege meine Hand auf Lauras Bein.
Laura ist nämlich auch ein Werwesen, allerdings eine Fledermaus und kein Luchs. Sie wurde ebenfalls von Wandlern adoptiert, die aber schon eine Ahnung hatten, dass sie ein besonderer Wandler sein könnte.
Vor einigen Wochen, passend zum ersten Vollmond nach ihrem 15 Geburtstag, hat sie sich dann das erste Mal gewandelt.
Und ab dem Punkt komme ich ins Spiel; schon seit Jahren biete ich jungen Wandler Beratung und Training an. Oft haben die Jugendlichen Schwierigkeiten mit der Wandlung oder sind nicht das Tier ihrer Eltern und können deswegen keine Unterstützung von ihnen bekommen. Ganz selten, also wirklich sehr selten, treffe ich dann auch andere Werwesen. Laura ist die dritte, Arka nicht mitgezählt.
Nachdem die Sache mit Terry geklärt war, habe ich nämlich öffentlich öfters über meine Geschichte gesprochen, natürlich nur vor Wandlern, und meine Beratung, die hier bei mir in einem extra Raum im Erdgeschoss stattfindet, hat sich deshalb wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
Und als Lauras erste Wandlung war, haben sich ihre Eltern bei mir gemeldet und sogar extra eine Ferienwohnung für ein Wochenende gemietet, damit ich ihrer Tochter helfen kann.
Obwohl Laura nicht unbedingt Hilfe braucht, ist es wichtig andere Werwesen über Risiken und vor allem den Vollmond und ihre Kraft aufzuklären. Heute haben wir schon darüber gesprochen, welche Kraft sie wohl hat.
Ich habe ihre Kraft improvisatorisch Kraft der Verbindung genannt. Laura kann auf Anhieb verstehen, wer mit wem befreundet oder verfeindet ist.
Ob sie mit dieser Fähigkeit noch mehr machen kann, wissen wir noch nicht sicher, aber genau deshalb sitzt sie mir im Moment gegenüber, während die Sonne langsam untergeht und das Zimmer in rotes Licht taucht.
Ich schaue auf die Uhr und stehe dann langsam auf: „So Laura, unsere Zeit ist für heute rum, morgen Abend treffen wir uns dann wieder und reden nochmal richtig über den Vollmond, in Ordnung?"
Laura steht ebenfalls lächelnd auf und schüttelt mir die Hand:
„Ich bin schon sehr gespannt. Und danke Irina, dass du mir Tipps gibst"
„Das ist doch selbst verständlich" antworte ich lächelnd und bringe sie aus dem Raum heraus zur Tür.
„Bis morgen und grüß deine Eltern von mir"
„Das mach ich, bis morgen" sagt Laura winkend, wandelt sich und fliegt in Richtung Ferienwohnungsviertel.
Ich schaue ihr nach und schließe dann die Eingangstür hinter mir.
„Na, wer war heute da?" fragt eine raue Stimme und ich drehe mich lächelnd um. Hinter mir steht Josh, braun-schwarze Haare, 35 Jahre alt und mein Lebenspartner seit 11 Jahren.
Ich gehe zu ihm und er nimmt mich locker in den Arm und streicht über meine Schulter: „Laura, eine Werfledermaus"
„Oh, also jemand ganz besonderes" sagt Josh und spielt mit meinem Zopf herum, während er mir einen Kuss auf den Kopf drückt.
„Die anderen Kinder sind auch besonders, aber ja bei einem Werwesen muss man immer besonders viel erklären" erwidere ich und gebe ihm dann einen zärtlichen Kuss auf den Mund.
„Wie war die Arbeit, mein Stern?"
„War in Ordnung, wie immer. Ist ja jetzt auch Wochenende" antwortet er lächelnd.
Josh ist Biologe, wir haben uns in der Menschenuni kennengelernt, da ich ebenfalls Biologie studiert habe. Wir haben uns in der Bibliothek getroffen, weil er so versunken in ein Buch war, dass er in mich hineingelaufen ist. Das war ihm peinlich, sodass er mich als Entschuldigung auf ein Eis eingeladen hat, es war Hochsommer gewesen.
Bei unseren folgenden Gesprächen haben wir gemerkt, dass wir fast alle Kurse zusammen haben und uns für ähnliche Sachen interessieren. Dann haben wir immer mehr zusammen gemacht und aus Freundschaft wurde Liebe.
Josh ist ein Wolf und es hat ihn überhaupt nicht gestört, dass ich als Werluchs mit meiner Lebensgeschichte schon fast eine kleine Berühmtheit bin.
Er ist mein Fels in der Brandung und da wir uns so sehr lieben, haben wir vor bald zu heiraten, allerdings wollen wir uns nicht Ehewandeln lassen, das war mir wichtig, nachdem mir meine Mutter erzählt hat, wie schwer ihr die Zeit um der Ehewandlung fiel. Und auch Josh teilt meine Meinung, er ist glücklich als Wolf und ich als Luchs. Außerdem möchten wir Kinder sowieso lieber adoptieren.
„Und wie war deine Arbeit so, abgesehen von Laura?" fragt mein Partner mich und zusammen gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns auf das Sofa.
Vor ein paar Jahren haben wir uns dieses kleine Haus gemietet, in dem wir nun zusammen wohnen, es liegt ungefähr ein Stunde zu Fuß, also eher gesagt zu Pfote, von meinem Heimatort entfernt.
„Auch wie immer, aber wir sind mit unserem Projekt gut weitergekommen" antworte ich und streiche über den Stoppelbart von Josh.
Neben meinen Beratungsstunden bin ich nämlich auch Genetikerin, sozusagen wie Doktor Ursus, nur in netter und nicht so hinterhältig. Vormittags beschäftige ich mich mit Vererbung, besonders natürlich mit Wandler DNA, und nachmittags helfe ich Kindern.
Diese Abwechslung ist ein Luxus, den nicht alle haben könne, aber ich hab das Glück und es bringt mir unglaublich viel Freude.
„Das freut mich, würdest du mir mein Buch noch kurz geben, bevor wir uns auf den Weg machen?" fragt er und ich reiche ihm sein Fantasy Krimi Buch aus dem Schrank hinter mir, während ich mir einen Bilderrahmen aus dem Schrank nehme.
Ich kuschele mich an meinen Liebsten, während er anfängt zu lesen und ich streiche über das Holz des Rahmens und das kühle Glas.
Das Foto, welches sich dort drinnen befindet, wurde kurz nach unserer Befreiungsaktion vor 15 Jahren gemacht, der ganze Zoo ist zu sehen, aber auch ich, Arka, Kieron, Sammy und Matteo.
Heute sehen alle natürlich anders aus, aber ich habe das Bild gerne hier im Wohnzimmer stehen, weil es das einzige ist, wo all meine alten Freunde zusammen drauf sind, denn nach einigen Monaten oder Jahren haben sich die Wege gegabelt.
Ich wandere mit meinem Finger von Person zu Person und versuche mich daran zu erinnern, wo sie gerade ist und was sie gemacht hat.
Iven und Oren: mit den beiden Pferdezwillingen mit den roten Haaren, habe ich nicht mehr so viel Kontakt, vor vielen Jahren sind sie in die USA ausgewandert. Mein letzter Wissensstand ist, dass sie sich amerikanischen Ureinwohner angeschlossen haben, um über den schamanischen Tierglauben zu lernen. Ich muss zugeben, ein wirklich interessantes Thema, hätte ich Josh nicht kennengelernt wäre ich vielleicht auch um die Welt gereist, um Dinge über andere Kulturen zu erfahren. Doch mit meinem Stern zieht es mich nicht mehr so weit in die Ferne, da ich hier und jetzt glücklich bin.
Auch Iven und Oren waren sehr glücklich, als sie vereint wieder aus dem Ärztehaus gehen konnten. Zum Glück blieben bei Oren keine bleibenden Schäden, außer einige Narben.
Mein Finger wandert weiter zu Mandarin mit ihren silbernen Haaren, die sie als Schneeleoparden ausmacht. Sie lächelt auf dem Foto und ich muss ebenfalls lächeln, da ich weiß, wie glücklich sie jetzt ist.
Nachdem ich sozusagen berühmt geworden bin, habe ich Werbung für Mandarins besonderen Parfüme gemacht und in Null Komma Nichts, hat sie Angebote und viele Briefe von interessierten Duftherstellern bekommen. Diese Aufträge haben zu viel Geld geführt, weshalb Mandarin vor genau 10 Jahren ihre eigene Parfümerie eröffnete, nicht weit entfernt von meinen Eltern.
Immer wenn ich nach Hause fahre, komme ich zu ihrem Laden und besuche Mandarin kurz. Nur ganz selten wirkt sie gestresst, ansonsten merkt man einfach, wie glücklich sie ist, weil sie ihren Traumberuf hat und das freut mich unglaublich.
Neben Mandarin stehen Aura, Sammy und Matteo. Es ist seltsam die drei zusammen zu sehen, da sie sich ihre Wege weit gegabelt haben. Mit Aura habe ich gar keinen Kontakt mehr, Mandarin erzählt manchmal von ihr, aber ich habe mit der ehemaligen Zoo Mutter nichts mehr zu tun, deshalb weiß ich auch nur, dass sie immer wieder ihren Wohnort wechselt, wie es damals der Zoo tun musst.
Auch mit Matteo habe ich kaum noch Kontakt, er ist zum Studieren nach Frankreich gezogen und hat dort ebenfalls seine große Liebe kennengelernt: Clément. Zu aller Überraschung ein Mann und kein Wandler. Dadurch, dass Matteo jetzt aber schon ewig in Frankreich wohnt und ich ihn selten besuchen kann, ist unsere Freundschaft eher eine schöne Erinnerung.
Mit meiner damals besten Freundin Sammy habe ich hingegen mehr Kontakt, allerdings ist sie auch weit weggezogen, und zwar nach Wien, um dort Sprachwissenschaften zu studieren.
Wegen ihrem jetzigen Job ist sie oft auf Achse und kommt deshalb immer mal wieder vorbei, um mich und Josh zu besuchen und auch ich versuche sie, so oft es geht, zu treffen. Im Gegensatz zu Matteo und mir, hat Sammy keinen festen Partner, sie sagt, sie will das locker angehen lassen, der richtige wird schon kommen.
Ich muss in mich hineingrinsen, wenn ich das nur der Samira von damals erzählt hätte.
Vor Aura stehen Mika und Juno, es ist seltsam die beiden so jung zu sehen, wenn man überlegt, dass die beiden nun über 20 sind. Juno ist vor wenigen Jahren nach Indien gegangen, aus dem freundlichen und aufgedrehten Mädchen ist eine Kämpfernatur geworden, in Indien will sie sich vor allem für Frauen einsetzten und ich unterstütze sie soweit ich kann, indem ich Werbung für die Organisation mache, in der Juno ist. Ich glaube auch, dass Junos Wandlung in einen indischen Elefanten sie positiv verändert.
Man sagt zwar Wandler würden sich durch die erste Wandlung nicht ändern, aber ich glaube, Juno fühlt sich als Elefant besonders stark und traut sich deshalb vieles zu. Auf jeden Fall bin ich stolz auf sie.
Und auch auf Mika bin ich stolz, damals war er recht schüchtern, doch auch das hat sich mit den Jahren geändert. Ich bin so froh, dass nach der Veröffentlichung von dem Video, sich die Welt geändert hat, es mehr Respekt gab.
Mika ist feinfühlig, ich hätte es nicht ertragen, wäre so ein Junge in einer manipulativen Welt aufgewachsen. Der Schafsjunge ist im Moment dabei sein Referendariat an der Grundschule zu machen, sogar an der Grundschule, an der mein Vater arbeitet. Immer wenn ich ihn treffe, sehe ich die Lebensfreude und Ausgelassenheit, die er endlich mit den Kindern teilen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass er ein guter Vater sein würde.
Oft denke ich auch an Terry und die Pumazwillinge zurück, meistens weil mich Kindern nach meiner Geschichte fragen.
Aber was ist passiert, nachdem ich das Video veröffentlicht habe?
Als die Polizei gekommen ist und gesehen hat, auch anhand des Videos, dass Terrys Familie offensichtlich daran schuld ist, dass Oren misshandelt und gefangen wurde, haben sie sie und den Bären Arzt erst einmal festgenommen. Damals hätten Ced und ich wohl niemals gedacht, dass die Wandlerpolizei auf unserer Seite sein könnte.
Danach haben wir ihnen unsere Geschichte erzählt, sodass sich dann auch das Gericht, unter Wandler ebenfalls Hüter genannt, eingeschaltet hat.
Das Trio wurde, was für Außenstehende erst einmal seltsam klingt, verbannt. Laut Wandler-Gesetzen ist es ihnen verboten bestimme Grenzen in Europa zu überschreiten, Wandler-Karten haben nämlich etwas andere Grenzen. Würden sie wieder das Gebiet betreten, würde ihnen eine lange Haftstrafe drohen.
Daraufhin ist Terry mit ihrer gesamten Familie, inklusive Steve und Scarlett, nach Brasilien gezogen, hoffen wir, dass sie da nicht so einen Schaden anrichten können wie hier.
Und auch Doktor Ursus hat eine Strafe und eine Verbannung bekommen, da er einen Minderjährigen ohne Zustimmung festgehalten und operieren wollte.
Ob er mit den Kuguars nach Brasilien gezogen ist, weiß ich nicht, allerdings könnte ich mir es vorstellen, denn auch wenn der Orden der Vier verboten wurde, existieren bestimmt immer noch Freundschaften zwischen den Familien.
Ich wandere mit meinem Finger weiter, während Josh sich kurz bewegt, um eine Seite weiterzublättern. Die nächste Person auf dem Bild sind Kieron und ich.
Und zwar haben wir durch Kieron herausgefunden, wie das Trio das Hauptquartier vom Zoo finden konnte. Und Samira hatte tatsächlich Recht damit, dass Kieron uns so etwas nicht antun würde. Indirekt ist es seine Schuld, aber der eigentliche Täter ist Olivia, also seine ehemalige Freundin.
Kieron hat von ihr herausgefunden, dass Terry sie dazu gebracht hat Kierons Suchverläufe zu checken, denn die Wache, die damals Ced in der alten Gärtnerei bewacht hatte, hatte Terry wohl von einer Eule erzählt, die er gesehen hatte.
Da hatte Terry wohl Eins und Eins zusammengezählt und Olivia auf ihren Partner Kieron, die Eule, angesetzt. So hat diese dann die Adresse im Suchverlauf gesehen, als Kieron genau herausfinden wollte, wo das Hauptquartier ist und Olivia hat sie dann Terry verraten, die mit ihrem Familien-Einsatzkommando zum Haus bei den Schrebergärten geeilt ist.
Als Kieron erfahren hat, dass seine Freundin ihn ausspioniert hat, war er so wütend, dass er sich von ihr getrennt hat. Das hätte ich an seiner Stelle auch gemacht.
Olivia hat sich zwar bei mir entschuldigt, hat aber sofort die Schule gewechselt.
Kieron hingegen hat die Schule mit mir und meinen Freunden zu Ende gemacht und ist dann weggezogen, um eine Ausbildung zu machen, in der er auch nachts arbeiten kann. Mindestens einmal im Jahr sehen wir uns, wenn er zu Weihnachten zu seinen Eltern nach Hause fährt. Ich habe gehört, dass er wohl auch manchmal Kontakt mit Vivien hat, das Mistrauen der beiden scheint wohl vergessen zu sein.
Neben mir auf dem Bild steht Arka und seine Hand ruht stolz auf meiner Schulter.
Nach unserer Aktion im Krankenhaus und vor allem nach Ceds Schlag hing der Haussegen zwischen den beiden und mir selbstverständlich schief.
Ich glaube Arka zwar, dass er nicht die Seite gewechselt hätte, aber dass er gezögert hat, als ihm der Arzt dieses seltsame Angebt gemacht hat, hat mich schon dermaßen durcheinandergebracht.
Auch Ced hat sich bei Arka entschuldigt, schließlich hat uns seine Kamera Idee gerettet.
Ich kehre mit meinen Gedanken wieder zum Bild zurück und mustere mich. Es ist seltsam mich so jung zu sehen, beziehungsweise ist es seltsam zu wissen, dass ich jetzt so alt bin, wie Arka auf dem Foto.
Irre wie schnell die Zeit vergehen kann, denn es kommt mir nicht wie 15 Jahre vor.
Vor 15 Jahren war ich ein für alle erst ein Rabenblut, dann ein Luchs Spurius und nun ein Werluchs.
Zwar wird der Name Spurius nicht mehr benutzt, aber der biologische Fachbegriff für falsche Wandler, wird wohl leider weiterbestehen. Aber wenigstens wird niemand mehr als falsch bezeichnet. Und daran bin ich nicht ganz Unschuld.
Auf dem Foto sind Arkas Haare komplett braun, doch im Jetzt haben sich schon ein paar graue Strähnen eingeschlichen.
Das weiß ich, weil ich Arka manchmal am Vollmond treffe. Wir sind ja nicht verpflichtet uns an Vollmond zu verwandeln, aber es ist schön bei jemanden zu sein, der die innere Zerrissenheit kennt und sie auch wie man selbst im gleichen Moment fühlt.
Natürlich haben wir nicht jeden Vollmond Zeit, aber wenn es passt, dann treffen wir uns und es fühlt sich dann für mich an, als würde ich mich mit einem älteren Cousin unterhalten, einfach locker und freundschaftlich.
Dann treffe ich auch seine beiden Kinder, die immer größer werden. Kurz nach unserem Abenteuer ist Sam geboren, ein Luchs, allerdings kein Werwesen, da seine Haare und Augen normal passend sind. Anscheinend kann das Gen der Werwesen wirklich nur durch einen Biss an Vollmond übertragen werden, wirklich ungewöhnlich. Ein paar Jahre später hat Sam dann noch einen kleinen Bruder bekommen, dieser ist ein Salamander, wie seine Mutter.
Aber ich glaube, aus der Truppe bin ich die Einzige, die sich mit Arka und seiner Familie trifft.
Allerdings kann ich das auch verstehen, Arka ist speziell, mir macht das nichts aus, aber ich weiß, dass manche einfach nicht damit klarkommen.
Ced hatte recht mit seiner Sorge, dass der Mann ein Experimentierfanatiker ist und leider hatte so auch Herr Doktor Ursus recht. Arka versuchte schon öfters mal Dinge, von denen ich mich distanzierte.
Vor allem die Wirkung an Super oder Blutmonden interessiert ihn brennend. Teilweise versuchte er mich zu überzeugen bei seinen Experimenten mitzumachen, doch ich lehne ab und nehme Abstand. Dann scheint ihm bewusst zu werden, dass er mal wieder übertrieben hat und entschuldigt sich ehrlich bei mir.
Trotzdem denke ich, dass Arka mich nicht extra verwandelt hat und dass seine Interessen wirklich nur seiner Wissenserweiterung dienen.
Außerdem weiß ich durch meine Kraft, dass Arka nichts Schreckliches bei seinen Experimenten macht, trotzdem halte ich mich da bewusst raus.
Ced war mit Arka schon von Anfang an nicht ganz grün und deswegen ist es kein Wunder, dass er, nachdem sich der Zoo langsam aufspaltete, keinen Kontakt zu Arka und seiner Familie suchte.
Mein Finger wandert zu den letzten zwei Personen ganz rechts auf dem Bild und ich vergesse meine vorherigen Gedanken: Vivien und Ced.
Ich muss lächeln, als ich die beiden auf dem Foto sehe, Händchen haltend, vor wenigen Tagen waren sie offiziell zusammengekommen und die Liebe hatte gehalten.
Vor drei Jahren haben die beiden geheiratet, natürlich ohne Ehewandlung, und Ced konnte seinen Adelstitel endlich ablegen.
Er hat mir damals erzählt, was für ein großer Schritt, es für ihn sei, sich an Vivien zu binden.
Ced macht sich immer Sorgen, dass seinen Liebsten irgendetwas schlimmes passieren könnte. Die vielen Jahre seiner Flucht haben nicht nur Narben auf seiner Haut hinterlassen. Aber Vivien weiß, wie sie mit seinen Sorgen umgehen kann, sodass sie es auch war, die den Heiratsantrag gemacht hat. Typisch Vivien.
Und Ced hat noch etwas geschafft, während seine Freundin ein Studium angefangen hat und in die Uni gegangen ist, hat Ced sich mit seiner und meiner Geschichte auseinandergesetzt und darüber ein Buch geschrieben, welches sowohl Wandler als auch Menschenkinder lesen.
Er hat alles in eine fiktionale Fantasy Geschichte namens „Bernstein-Augen" verpackt, in dem ein Geschwisterpaar Abenteuer erleben, weil sie sich in Tiere verwandeln und in fremde Welten reisen können. Aber Ced und ich wissen, dass das meiste aus der Geschichte unsere Geschichte ist, denn die Bernstein-Augen, von denen er schreibt, sind meine.
Aber was ist mit Ceds Eltern passiert, schließlich sind sie dafür verantwortlich, dass ihr Sohn gejagt wurde?
Leider konnten diese nicht verbannt werden, dafür hat ihr Adelstitel noch zu hohen Einfluss und Wichtigkeit im Meer, stattdessen mussten sie eine hohe Schadensersatzsumme an Ced zahlen. Ich an seiner Stelle hätte das weiter angefochten, doch er scheint froh zu sein, dass seine Eltern ihm nun nichts mehr antun können und dass die Sache vorbei ist.
Jedoch, soweit ich mitbekommen habe, pflegt Ced nun wieder den Kontakt zu seinem Bruder Coral. Dieser hat zwar die Frau geheiratet, die seine Eltern bestimmen hatten und ist noch weiterhin in der Familie integriert, aber der junge Delfin hat sich von den Machenschaften der anderen Adeligen distanziert und will dafür sorgen, dass es in Zukunft gerechter zugehen wird. Schließlich ist Coralius der nächste Erbe des Adelstitels „von Atlantis" und wird somit irgendwann Herrscher über einen Teil des Ozeans sein.
Denn Adelige wird es wohl noch viele Jahre lang geben, hoffen wir einfach, dass sie sich genauso ins Positive verändern, wie die anderen Wandler.
Ced spricht nicht oft über seine Vergangenheit, aber im Inneren glaube ich, dass Coralius schon seit Langem mehr für ihn war als nur ein Mitglied seiner Familie.
Ich glaube, dass er der Grund war, warum Ced weitergekämpft hat und nun noch am Leben ist. Er hat es für ihn getan, für Coral.
„Meine Blume, wollen wir langsam los?" sagt Josh und streicht mir über die Wange.
Ich blicke lächelnd zu ihm hoch, räkele mich und lege das Bild zur Seite:
„Natürlich, wir wollen ja nicht, dass die auf uns warten müssen"
Mein Lebenspartner nickt und wir stehen auf, um uns unsere Mäntel und Schuhe anzuziehen. Obwohl der Sommer beginnt, ist es abends recht kalt, wenn die Sonne weg ist.
Zusammen treten wir aus der Haustür, schließen ab und Hand in Hand schlendern wir zu unserem gemeinsamen Auto. Josh steigt auf der Fahrerseite ein, ich nehme die rechte Tür und wir fahren los.
Wir lassen unser Zuhause zurück und fahren in Richtung Harz, denn dort wohnen Ced und Vivien jetzt, nämlich in der Nähe von Dean Hug.
Ja wirklich, als Ced und ich damals den Luchs Dean Hug getroffen haben, hatten Ced und er sich total gut verstanden und Dean hat Ced eingeladen, dass er sich mal mit ihm und seinen Freunden treffen könnte.
Diese Einladung hat Ced nur zu gerne angenommen und über die Jahre sind die beiden beste Freunde geworden und Vivien und Ced sind dann dort in die Nähe gezogen. Außerdem ist der Harz mit seinen Wäldern und versteckten Winkeln ideal für Wandler, um sich ungestört wandeln und austoben zu können.
Einmal im Monat treffen Josh und ich uns mit Ced und Vivien, um einen schönen Abend zu haben. An manchen Tagen kommen nach Freunde von uns oder von Ced mit, aber heute sind wir nur zu viert.
Nach gut ein anderthalb Stunden Fahrt fährt Josh auf einen befestigten Parkplatz am Wald in der Nähe eines Friedhofs. Ab hier gehen wir das Stück zu Fuß weiter.
Lächelnd schlendern Josh und ich am Wald entlang, der teilweise von Laternen spärlich beleuchtet wird und Josh knurrt mich immer mal wieder spaßeshalber an, weshalb ich kichern muss und lächelnd den Finger vor den Mund halte.
„Die haben uns doch eh schon gehört" sagt Josh grinsend und drückt mir einen Kuss auf die mit ihm vereinte Hand.
„Natürlich hören wir euch" hören wir eine weibliche Stimme und Vivien tritt grinsend unter einer Laterne hervor.
Josh lacht: „Hi Vivien, wo ist denn Ced?"
Wie aufs Stichwort fällt beziehungsweise saust ein Vogel vom Himmel und kurz bevor er auf dem Boden aufschlägt wandelt er sich in Ced.
„Ced, du bist so einer Angeber!" sage ich grinsend, während Ced triumphierend die Arme ausbreitet und keck zu uns hinüberschaut.
Ich löse meine Hand von Josh und laufe mit schnellen gezielten Sprüngen auf Ced zu und falle ihm in den Arm.
„Ich bin doch kein Angeber. Schön dich zu sehen, Luchsmädchen" flüstert Ced mir grinsend ins Ohr.
„Niemals, auch schön dich zu sehen, Adlerjunge" erwidere ich schmunzelnd und wuschele ihm mit meiner Hand durch seine braun blond gefleckten Haare, sodass sie wild abstehen.
Ced lacht und drückt mich fest an sich, löst sich dann von mir und schaut mich lächelnd an:
„Es ist aber wirklich schön dich zu sehen, Irina"
Ich lächele und nicke, dann trete ich einen Schritt zurück und Josh legt seinen Arm um meine Schulter, während Vivien ihren um Ceds Taille legt.
„Wollen wir los?" fragt Josh fröhlich und wir nicken alle ebenso begeistert.
Schritt für Schritt gehen wir tiefer in den Wald und verlassen die Wege, wo hoffentlich keine weiteren Rätsel oder Gefahren warten, aus denen Ced mich in Sicherheit tackeln muss.
Denn nun bin ich erfahren genug, mich selbst aus Gefahren zu retten oder zumindest sie zu umgehen.
Irgendwas muss ich aus meinen Abenteuern ja schließlich gelernt haben.
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