6. Kapitel
Tjark war verzweifelt. Warum hatte er nicht bemerkt, dass es Lasse so schlecht ging? Der Junge war doch die meiste Zeit bei ihm gewesen. Warum war es ihm nicht aufgefallen?
Wie Tilda gesagt hatte, brachte er den Jungen in ihre Kammer und legte ihn auf das Lager. Er holte die Felldecken und legte sie über ihn. Dann machte er das Fenster mit dem Sack dicht und schürte das Feuer.
Tilda kam gerade rein. Sie hielt einen Eimer in der Hand.
„Nein! Nicht zudecken. Ich muss ihn erst waschen. Und mach das Fenster wieder aus. Die Luft hier kannst du bald schneiden!"
Tjark hob eine Augenbraue.
"Der Heiler sagte damals, dass sie es warm haben sollen. Damit die schlechten Säfte aus dem Körper fließen!"
Tilda nickte.
„Das ist schon richtig. Aber erst einmal muss ich ihn abkühlen. Bring mir bitte ein frisches Hemd von Lasse. Ich werde mehrere brauchen. Bring alles, was du findest."
Sie setzte sich zu Lasse und entfernte die Decken und Felle. Dann zog sie Lasse bis zur Bruche aus und begann seinen Körper mit kaltem Wasser ab zu waschen. Lasse jammerte leise, aber sie setzte ihr Tun fort.
„Das ist nicht gut. Du quälst ihn! Du musst ihn warmhalten!", forderte Tjark.
Tilda starrte ihn böse an.
„Nein! Ich muss ihn erst abkühlen. Und jetzt lass mich machen!"
Tjark ballte seine Hände zu Fäusten.
„Ich hole den Heiler!"
Sie schnaubte.
„Das kannst du machen. Aber wann wirst du wieder hier sein? Dann ist es zu spät!"
Das wusste Tjark natürlich auch. Aber Tilda machte alles anders, als es damals der alte Heiler gesagt hatte.
Sie tauchte Tücher in das kalte Wasser und wickelte sie dann um Lasses Waden.
„Was, bei allen Göttern, machst du da?"
Sie antwortete ihm gar nicht, sondern wickelte auch die andere Wade ein. Dann zog sie Lasse ein neues Hemd über und deckte ihn endlich zu.
Ohne auf Tjark zu achten lief sie in den Wohnraum und durchsuchte die ganzen Kräutertöpfe, die sie am Tag zuvor mitgebracht hatte.
„Scheiße! Scheiße! Scheiße!"
Stijn war nun auch da und er wirkte sehr besorgt.
„Was suchst du da?"
Tilda drehte sich zu Tjark um.
„Ich habe nichts hier, was das Fieber noch senken könnte."
Sie sah zu Stijn.
„Reite zum Heiler und frage ihn, ob er Weidenrinde hat! Schnell! Oder etwas Ähnliches. Kresse würde auch gehen."
Stijn ließ sich das nicht zweimal sagen. Er rannte aus dem Haus und ließ einen verdutzten Tjark und eine hektische Tilda zurück. Diese drehte sich nun zu Tjark um.
„Hör zu! Ich weiß, dass du in Sorge bist. Aber ich habe gelesen, was man tun kann. Wadenwickel haben schon meine Eltern bei mir gemacht und es hat immer geholfen."
Tjark stockte der Atem.
„Du kannst lesen?"
Sie nickte, wirkte aber etwas befremdlich.
„Selbstverständlich. Ich kann zwar nichts mit euren Runen anfangen, aber in meiner Zeit gibt es Schulen. Dort lernt jeder lesen und schreiben!"
Er setzte sich ermattet auf einen Hocker.
„Du bist eine gebildete Frau?"
Sie stieß den Atem aus.
„Was? Nein! Ich bin eigentlich dumm wie Bohnenstroh! Aber etwas kenne ich mich aus."
Sie ging nahe zu ihm.
„Vertraust du mir?"
Er schüttelte den Kopf und sah dann ihre Enttäuschung im Gesicht.
„Ich vertraue niemanden. Vertrauen muss man sich bei mir erst verdienen! Ich lasse dich machen, Tilda. Und ich werde dir helfen, wenn du Hilfe brauchst! Aber wenn er stirbt..."
Sie nickte. Offenbar hatte sie die versteckte Drohung auch so verstanden.
„Ich kann mir denken, was du dann mit mir machst! Du lässt mich dafür büßen."
Er lachte bitter auf.
"Oh nein, Tilda! Ich werde dich verprügeln. Und dann lasse ich dich arbeiten, bis du umfällst! Und wenn das erledigt ist, werde ich darüber nachdenken, ob ich dich erwürge. Du hast Recht. Irgendwann werde ich dich töten. Und du wirst dir wünschen, nie hier gelandet zu sein!"
Er stellte sich nahe zu ihr.
"Du wirst schon vorher beten, dass du stirbst!"
Tilda hatte das erste Mal Angst vor Tjark.
Er hatte jedes Wort ernst gemeint. Wenn Lasse starb, dann würde er sie umbringen. Und sie wusste, dass er es ohne mit der Wimper zu zucken tun würde.
Er starrte sie böse an und dieses Mal konnte sie seinem Blick nicht standhalten.
Sie senkte den Kopf und ging wieder zu Lasse.
Wie konnte Tjark nur annehmen, dass sie nicht versuchen würde, Lasse zu helfen? Sie liebte den kleinen Bengel mittlerweile abgöttisch. Auch wenn sie es nie für möglich gehalten hatte, war sie doch der Mutterersatz geworden, den Lasse sich so sehr gewünscht hatte.
Sie setzte sich neben Lasse und öffnete seinen Mund. Wie sie schon vermutet hatte, war die Zunge belegt und der Rachen gerötet. Außerdem sah sie den Schnodder, der ihm aus der Nase lief.
Sie befühlte vorsichtig seinen Hals, konnte aber keine geschwollenen Lymphknoten entdecken. Erleichtert stieß sie den Atem aus. Er hatte eine Grippe. Das war zwar auch gefährlich, aber Lasse hatte eine Chance zu überleben, wenn sie sich anstrengte.
Sie legte Lasse ein feuchtes Tuch um den Hals, damit die Schwellungen zurückgingen. Dann hatte sie eine Idee, wie sie sich Tjark vom Hals halten konnte.
Sie ging zu ihm zurück. Als sie sein finsteres Gesicht sah, zuckte sie zusammen.
„Eis! Gibt es irgendeine Möglichkeit Eis zu besorgen?", fragte sie leise.
Er starrte sie an. Seine Muskeln spannten sich an und eine Ader an seiner Stirn trat hervor.
„Weib! Ich warne dich! Du hast mich schon wütend gemacht, weil du ihn kalt abgewischt hast. Was willst du mit dem Eis? Willst du ihn erfrieren lassen?"
Erschrocken ging sie einen Schritt zurück. Er hörte sich gefährlich an. Nun sah sie den Wikinger vor sich, von dem ihr alle erzählt hatten. So war Tjark also gewesen, als seine Mutter gestorben war. Kalt und brutal. Der Berserker! so hatten sie ihn genannt.
Verflucht, hätte sie lieber ihn zum Heiler geschickt und nicht Stijn. Vor Stijn hatte sie wenigstens keine Angst.
„Nein! Es ist nur eine Idee. Ich denke, er hat eine Grippe und der Hals ist geschwollen. Lasse wird Schmerzen haben und das Beste gegen Halsschmerzen ist Eis!"
Er stieß zischend seinen Atem aus.
„Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe."
Dennoch stand er auf.
„In ein paar Stunden bin ich zurück! Denke ja nicht daran zu fliehen, oder ihn alleine zu lassen! Ich werde dich finden!"
Sie blinzelte ein paar Mal, um die Tränen zu unterdrücken. Die Angst vor dem Wikinger wuchs ins Unermessliche.
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich bleibe hier!"
Sie senkte den Kopf und sah deswegen nicht, wie Tjarks Gesicht sich auf einmal veränderte. Etwas, dass nach Mitleid aussah huschte kurz darüber.
Sie hörte nur, wie er nach draußen ging und einige Zeit später seinen Hengst, der davon galoppierte.
Mit zitternden Knien ging sie wieder zu Lasse und setzte sich zu ihm.
Sie war nie besonders gläubig, aber nun fing sie an zu beten.
Tjark ritt, als ob die Dämonen der Hel hinter ihm her wären. Er wusste, dass Tilda nun Angst vor ihm hatte. Aber das war ihm im Moment egal. Das Leben seines kleinen Bruders stand auf dem Spiel und er würde bestimmt nicht zulassen, dass Tilda Lasses Leben aufs Spiel setzte, nur weil sie so verdammt stur und besserwisserisch war.
Natürlich würde es schwer werden Eis auf zu treiben, aber er musste es versuchen.
Er ritt durch den Wald, den Una bewohnte. Tjark kannte einen anderen Bauern, der seinen Hof nahe am Gebirge hatte und Eis in Höhlen aufbewahrte. Wenn er sich beeilte, dann würde er einen Tag brauchen, bis er wieder zurück war.
Vor sich sah er auf einmal ein Mädchen, das hektisch mit den Armen ruderte. Er zügelte seinen Hengst und kam nur knapp vor der Kleinen zum Stehen. Er erkannte sie. Es war das Mädchen, das bei Una wohnte.
„Ich habe keine Zeit, Mädchen! Ich muss..."
Sie nickte.
„Ich weiß. Komm schnell! Ich habe, was du brauchst!"
Ohne ihn zu fragen, hob sie sich an ihn fest und kletterte auf seinen Hengst.
„Reite zu Una! Schnell!"
Tjark weigerte sich zu Una zu reiten.
„Nein! Ich soll Eis holen. Es reicht schon, wenn Tilda wirr im Kopf ist. Aber Una hat bestimmt nicht das..."
Sie schlug ihm auf den Hinterkopf.
„Sei nicht so stur und reite los. Es geht hier nicht nur um Lasses Leben. Ich weiß, dass du Tilda umbringen wirst, wenn Lasse stirbt. Und Una hat Eis und Kräuter. Stijn wird nicht rechtzeitig zurück sein. Jetzt reite schon los!"
Er fragte sich einen Augenblick, woher das Mädchen wusste, dass Lasse krank war und warum sie auch wusste, dass er Tilda mit dem Tod gedroht hat. Aber das war ihm jetzt egal. Er musste handeln.
Er schnalzte mit der Zunge und ritt zu Una.
Diese stand schon vor der Hütte mit Drei Säcken in der Hand.
Eigentlich sah sie immer spöttisch aus, doch gerade jetzt war ihr Gesicht ernst. Zu ernst.
Als er den Hengst anhielt, kletterte das Mädchen herunter und half Una, ihm Säcke zu bringen.
Una reichte ihm zwei Säcke, aus denen es tropfte. Sie hatte tatsächlich Eis! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
„Das ist Eis! Das wird erst einmal helfen. Notfalls soll Tilda ihn auch damit abkühlen. In dem kleinen Sack sind Töpfe mit Kräutern. Stijn würde es nie rechtzeitig schaffen. Ich habe auch eine Flasche Essig dazu getan. Tilda weiß, wie sie ihn benutzen muss."
Tjark stutzte.
Eis?
Essig?
Was hatten die Weiber nur vor?
„Ich schwöre dir Una, wenn Lasse etwas geschieht, dann bringe ich erst Tilda um und dann komme ich zu dir!"
Sie hob die Hand.
„Du hast dem Mädchen genug Angst eingejagt. Wenn du so weitermachst, macht sie Fehler. Und das bedeutet, dass mehrere Leben ausgelöscht werden. Zügle dich! Und wenn alles ausgestanden ist, dann solltest du dir überlegen, wie du dich bei Tilda entschuldigen kannst!"
Er schnaubte.
„Ich werde mich nicht bei ihr entschuldigen! Sie handelt nicht vernünftig!"
Una raufte sich die wenigen Haare, die sie noch auf dem Kopf hatte.
„Sie versucht ihr Bestes. Und du bedrohst sie. Glaubst du nicht, dass auch ihr etwas an Lasse liegt? Dass sie ihn mittlerweile liebt, als wäre es ihr eigener Sohn? Was glaubst du, warum die Götter sie hierhergeschickt haben?"
Tjark riss sich zusammen, dass er Una nicht schlug. Seiner Meinung nach hatte er richtig gehandelt. Tilda war nicht Lasses Mutter und konnte ihn bestimmt nicht so lieben. Sie war nicht einmal mit ihm verwandt. Lasse war sein Bruder. Und er hatte die Verantwortung!
Das Mädchen holte tief Luft.
„Er wird es nicht einsehen, Una. Er will es auch nicht sehen, was wir schon längst ahnen." Sie wandte sich an Tjark. „Fordere die Götter nicht zu sehr heraus. Sie können grausam sein, Tjark Gunnarson. Und wer weiß, ob sie nicht schon einen Plan haben, der dir das Leben zur Hölle macht!"
Tjark brüllte los.
„Das haben sie doch schon. Sie haben mir dieses Weib geschickt! Mein Leben war normal. Ich arbeitete hart, aber ich kam gut aus. Aber nun ist es völlig aus den Fugen geraten! Und sie ist schuld!"
Una betrachtete ihn traurig.
„Wenn du das wirklich denkst, wirst du nicht glücklich werden!"
Er schnappte sich den anderen Sack und schnaubte noch einmal.
„Ein anderer Mann sollte sie nehmen und mich soll man in Ruhe lassen! Das würde mich glücklich machen!"
Die Gestalt des Mädchens änderte sich.
Sie wuchs und wurde auf einmal größer als Tjark, der immerhin auf einem Pferd saß. Ihr schwarzes Haar wurde immer heller, bis sie beinahe weiß waren. Sie leuchtete, aber es war kein angenehmes Licht, sondern bläulich und kalt. Ihre Augen waren schwarz.
„Sei vorsichtig, was du dir wünschst, Tjark Gunnarson! Aus dir spricht Wut! Und dein Wunsch könnte anders in Erfüllung gehen, wie du es dir vielleicht denkst!" Ihre Stimme war anders. Tief und unheilvoll!
Tjark starrte die Gestalt vor sich an. Dann gab er dem Hengst die Sporen und ritt wieder davon.
„Du hast ihm Angst eingejagt!"
Gna schnaubte.
„Er hat dasselbe mit Tilda getan! Und leider war es zu spät. Die Nornen haben schon entschieden. Ich konnte leider nichts mehr dagegen machen!"
Freya nickte traurig.
„Auch ich habe es versucht. Das einzige, was ich bewirken konnte, war das Leben! Durch seine Wut hat er sich ein schweres Schicksal ausgesucht. Für sich und Tilda!"
Gna seufzte leise.
„Ich habe es auch versucht. Auch wenn ich es auf einer Seite verstehen kann, dass er wütend ist, bin ich der Meinung, dass er sich zügeln sollte."
Freya seufzte.
„Es tut mir leid, meine Freundin. Aber so wie es im Moment aussieht, werden wir Tilda zurückschicken müssen!"
Gna holte tief Luft.
„Ich wünschte, ich könnte alles verhindern!"
Tjark wachte auf. Er war immer noch in Tildas Kammer.
Nachdem er wieder angekommen war, hatte Tilda sich sofort ans Werk gemacht.
Er wusste nicht genau, was sie tat, aber irgendwann war Lasses Schlaf ruhiger geworden. Dann war er aufgewacht und hatte über Schmerzen im Hals geklagt. Es war genau so, wie Tilda es voraus gesagt hatte.
Tilda hatte das Eis zerstoßen und mit Honig beträufelt und es Lasse zum Essen gegeben. Ganz wie sie es gesagt hatte, hörten die Schmerzen auf und Lasse hatte nach Wasser verlangt.
In der Nacht war das Fieber aber wieder zurückgekehrt und Tilda hatte wie eine Besessene gearbeitet, bis Lasse wieder ruhiger wurde. Sie hatte ihn wieder und wieder abgekühlt und seine Hemden gewechselt, wenn sie durchgeschwitzt waren. Danach war sie nur bei ihm gesessen, hatte seine Hand gehalten und ihm Geschichten erzählt oder gesungen, bis sie heißer war.
Die ganze Zeit war Tjark nur in der Kammer gestanden und hatte sie misstrauisch beobachtet. Nur einmal wollte er eingreifen. Als sie in das Wasser für die Wickel Essig mischte. Der ganze Raum hatte nach dem scharfen Zeug gerochen. Tilda hatte ihm einen Blick zugeworfen, der ihn zurückzucken ließ, also hielt er seinen Mund. Offenbar hatte er schon genug geredet.
Er war auf den Boden gesunken und irgendwann eingeschlafen.
Nun stand er auf und rieb sich seinen Rücken.
Ein ganzer Tag war vergangen, in dem er sich nur auf Tilda hatte verlassen müssen. Ihm waren die Hände gebunden und das war kein gutes Gefühl.
Er sah zum Lager.
Lasse lag ruhig da.
Zu ruhig!
Schnell ging Tjark zu ihm und legte seinem Bruder seine Hand auf die Brust. Lasse atmete. Es rasselte zwar noch gewaltig in seiner Brust, aber es hörte sich besser an als noch vor ein paar Stunden. Vorsichtig fuhr er über Lasses Stirn. Immer noch warm, aber nicht mehr heiß!
Tjark war sich sicher, dass Lasse überleben würde.
Und das Dank Tilda. Er sah sich um, fand sie aber erst nach einigem Suchen.
Sie saß am Tisch, die Arme auf der Tischplatte gelegt und ihren Kopf auf den Armen gebettet. Sie schlief tief und fest.
Sanft strich er ihr über den Rücken.
„Tilda! Wach auf!"
Sie öffnete die Augen. Als sie ihn sah, lächelte sie erst einen Moment, doch dann wurde ihr wohl schlagartig klar, was in den letzten Stunden geschehen war. Ihr Lächeln verschwand. Und sie wich ängstlich nach hinten aus.
Tjark seufzte leise.
Das hatte er nicht gewollt.
„Lasse geht es besser. Du solltest dich hinlegen! Ich werde über seinen Schlaf wachen. Nimm mein Lager!"
Ohne ihm zu antworten, stand sie auf und schlurfte in die Ecke, in der Stijn sein Lager hatte. Sie drehte sich zu ihm um, zog das Oberkleid aus und legte sich hin.
Er schloss kurz die Augen.
„Es tut mir leid, Tilda. Ich wollte dir nicht drohen! Aber ich hatte Angst!"
Sie antwortete immer noch nicht, sondern deckte sich zu und schloss die Augen.
Tjark ging einen Schritt auf sie zu.
„Hör zu, Tilda, ich habe mich von der Angst leiten lassen! Ich verstehe ja, dass du nun wütend bist. Aber du..."
Sie öffnete wieder die Augen.
„Ich werde gehen, Tjark. Sobald es Lasse wieder gut geht, werde ich euch verlassen! Ich hatte noch nie solche Angst vor einem Menschen wie vor dir!"
Tjark nickte ernst.
„Wo willst du hin?"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Das weiß ich noch nicht."
Tjark verfluchte sich selbst. Wie hatte er nur so wütend werden können? Er wusste genau, was es für Lasse bedeuten würde, wenn Tilda ging. Er musste es irgendwie verhindern, dass sie ging.
„Ich verstehe es. Aber ich bitte dich, deinen Teil der Abmachung noch einzuhalten. Ich muss Thorvald begleiten. Wenn ich wieder zurück bin, werde ich dich ziehen lassen. Aber bis dahin solltest du dich um Lasse kümmern!"
Ihre Augen blitzten, aber sie nickte.
Dann schloss sie wieder Augen und drehte ihm den Rücken zu.
Vor Erleichterung wäre Tjark beinahe in die Knie gegangen.
Er hatte Zeit gewonnen. Nun musste er handeln.
„Sie hat was gesagt?"
Thorvald glaubte sich verhört zu haben.
Leif, sein Heiler, war wieder von Tjark zurückgekehrt. Dem Jungen ging es wieder besser und er war froh darum. Doch die Nachricht, die Tilda ihm übermitteln ließ, machte ihn fassungslos.
„Du hast schon richtig verstanden. Sie hat mir gesagt, dass sobald du wieder mit Tjark zurückkommst, wird sie den Hof der Gunnarsons verlassen. Sie bittet dich, sie für kurze Zeit auf zu nehmen, aber sie will nicht mehr in der Nähe von Tjark sein!"
Thorvald holte tief Luft.
„Was hat er getan?", fragte er leise.
Leif verzog das Gesicht.
„Ich weiß es nicht genau. Aber sie redet nicht mehr mit ihm. Sie meidet ihn, wo sie nur kann. Sie ist sogar in die alte Hütte gezogen, als ob sie seine Nähe nicht mehr ertragen könnte. Tilda erledigt ihre Arbeit und kümmert sich um Lasse. Aber sobald Tjark nur in ihre Nähe kommt, flüchtet sie.
Thorvald wischte sich über das Gesicht.
„Hat...hat er sie geschlagen?"
Leif schüttelte den Kopf.
„Nein! Das glaube ich nicht! Aber er muss irgendetwas anderes getan haben. Es scheint so...ich kann mich natürlich irren, aber sie scheint Angst vor ihm zu haben. Dabei ist er so freundlich zu ihr, wie er es noch nie zu einer Frau war. Du kennst Tjark besser als jeder andere. Er bemüht sich, um sie milde zu stimmen. Er macht ihr Komplimente, bringt ihr kleine Geschenke. Doch sie zuckt zurück, wenn er sie nur anspricht!"
Thorvald schlug mit der Faust auf die Lehne seines Stuhls.
„Bei den Göttern, was hat er nur getan? Sieht er denn nicht, was alle anderen sehen?"
Leif lachte leise.
„Ich denke, mittlerweile wird es ihm langsam bewusst. Allerdings zu spät! Wir müssen es akzeptieren."
Thorvald schnaubte, doch dann spürte er Sannes Hand auf seinen Arm.
„Doch, Thorvald. Wir müssen es akzeptieren. Wir können es nicht verhindern!"
Er sah seine Frau ernst an.
„Ich habe alles anders geplant."
Sie drückte seine Hand.
„Manchmal gehen Wünsche und Pläne nicht in Erfüllung! Da sie nicht zurück kann, müssen wir für sie einen anderen Ort suchen. Ein Gut in dem sie sich wohl fühlt."
Thorvald holte wieder tief Atem.
„Ich hatte endlich die Hoffnung, dass Tjark wieder zu dem Mann wird, der er mal war. Und nun..."
Sie nicke.
„Ich weiß, mein Liebster. Er ist dein Freund und ihr seid wie Brüder aufgewachsen. Wir werden uns etwas anderes für ihn überlegen müssen!"
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