16. Kapitel

Schmerzen!

Sein ganzer Oberkörper fühlte sich an, als ob glühende Eisen darin stecken würden. Er wollte sich bewegen, aber es ging nicht. Irgendetwas hielt ihn ruhig. Wie er so etwas hasste!

Er hörte, wie die Männer um ihn herum leise murmelten, den Kampf nochmal aus ihrer Sicht erzählten. Sie stellten ihn als großen Krieger dar, der die Nacht wohl nicht überleben würde. Man hatte ihm sogar sein Beil in die Hand gedrückt. Ab liebsten hätte er es von sich geschleudert. Nein! Er wollte noch nicht zu seinen Ahnen. er wollte zu seiner Frau!

"Er hat seine Ehre wieder hergestellt! Die Ahnen werden ihn wohlgesonnen sein, wenn er sie heute Nacht trifft!"

Was redeten sie da? Er hörte doch alles und war bei klarem Verstand. Wieso sollte er nicht überleben?

Irgendwer brüllte nach Leif.

Ja, das war ein guter Einfall. Der Heiler würde ihm wenigstens diese Schmerzen nehmen und dann konnte er endlich aufstehen!

Nun redeten sie von Tilda und ihrem Verschwinden. Die Männer waren sich sicher, dass Tjark sich absichtlich in das Messer geworfen hatte, um so den Schmerz über den Verlust des Weibes zu entgehen. So etwas Dummes hatte er schon lange nicht mehr gehört. Sie war doch hier. Thorvald hatte es ihm gesagt. Er hatte zugelassen, dass Knut sein Messer in ihn rammte, damit er besser an ihn herankam. Pah! Als ob er erst seine Ehre verteidigen würde und dann sich selbst umbringen würde. So dumm war nicht einmal er.

„Raus hier! Allesamt!"

Endlich. Tjark konnte das Gerede nicht mehr ertragen.

Er spürte, wie jemand seine Hand nahm. Diese Berührung kannte er! Tilda war da! Sie war wirklich nicht gegangen!

Er dankte den Göttern.

„Ich bin hier, Tjark. Ich war so dumm, aber ich bleibe, wenn du mich noch willst! Ich werde nie wieder so stur sein und dir meinen Willen aufzwängen. Aber ich will, dass du jetzt kämpfst. Hast du gehört? Du bist noch mein Mann und nicht irgendein Weichei. Du wirst leben! Und dann kannst du über mich entscheiden! Ich kann es verstehen, wenn du mich davon jagen willst!"

Er hörte ihre Worte. Ob er wollte, dass sie blieb? War sie wirr im Kopf? Natürlich wollte er, dass sie blieb. Angestrengt versuchte er mit ihr zu reden, aber es war ihm nicht möglich. Verflucht! Was sollte das?

Er spürte ihre Lippen auf seiner Wange und am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen und sie nicht mehr losgelassen.

„Komm schon, du sturer Mistkerl! Du hast jetzt die einmalige Möglichkeit mich nieder zu machen und ich würde mich nicht einmal wehren!"

Oh, er würde sie bestimmt nicht niedermachen. Er trug schließlich auch seinen Teil dazu bei, dass sie hatte gehen wollen. Er verstand, dass es schwer für sie war. Bei den Göttern, sie war aus der Zukunft und er verlangte andauernd von ihr, dass sie alles verstand!

Wieder versuchte er sich zu bewegen, aber wieder gelang es ihm nicht.

Leif sagte irgendwas davon, dass seine Wunden sehr tief waren und dass alle für ihn beten sollten.

Verflucht, er bekam doch alles mit. Man brauchte nicht für ihn beten. Am liebsten hätte er geschrien, dass Leif endlich die Wunden ausbrennen sollte und ihn dann mit Tilda alleine lassen sollte, aber er blieb immer noch stumm und bewegungsunfähig.

„Hör zu, du sturer Bock. Ich weiß genau, dass du mich irgendwo in deinem Gehirn verstehst!"

Das tat er. Sie küsste ihn überall im Gesicht und er hätte am liebsten geseufzt. Bei Odin, warum war er nur zur Bewegungsunfähigkeit verdammt? War das die Strafe für seinen Starrsinn?

„Du wirst wieder Vater! Ich hatte ein etwas unangenehmes Gespräch mit einer Göttin und sie fand es wohl lustig, mir das zu sagen. Also! Wenn dich schon die Aussicht, mich übers Knie zu legen nicht am Leben erhält, dann wenigstens dein Kind!"

Sie war schwanger? Bis auf die letzte Nacht hatte er doch nicht bei ihr gelegen. Nun gut, das letzte mal hatte es auch nur eine Nacht gebraucht, um sie zu schwängern. Die Götter mussten sie gesegnet haben!

Er nahm all seinen Willen und seine Kraft zusammen und strengte sich an wenigstens ihre Hand zu drücken. Bitte! Sie musste spüren, dass er kämpfen würde. Für sie und für das Kind!

Es war nicht viel, was er zustande brachte, aber sie schien es gespürt zu haben.

„Gut! Das lasse ich gelten. Und nun ruhe dich aus."

Oh ja. Er würde sich ausruhen und erholen. Und wenn er wieder bei Sinnen war, dann würde er sie nicht mehr gehen lassen! Und er würde ihr androhen, dass er sie wirklich übers Knie legen würde, wenn sie noch einmal auf so einen Gedanken kommen würde.

Er seufzte innerlich.

Danke, Odin!

Er hörte in seinem Kopf eine tiefe Stimme.

Die Gunnarson-Brüder. Von den Göttern geliebt! Ich werde dich beschützen, ältester Sohn von Gunnar. Alles soll sich bewahrheiten, was dir vorausgesagt wurde.



„Wach auf! Bitte, Tjark! Wach endlich auf!"

Tilda saß nun schon seit einer Woche an seinem Lager. Aber Tjark war nicht aufgewacht. Leif wusste auch nicht, warum er nicht aufwachte.

Wenn Tilda es nicht besser wissen würde, dann hätte sie gesagt, irgendjemand hätte ihn in künstliches Koma versetzt, damit er besser genesen konnte. Aber das war natürlich lächerlich.

Sie wich keine Sekunde von seiner Seite. Sie wusch ihn und versuchte ihm auch etwas Flüssigkeit einzuflößen. Dazu tränkte sie ein Tuch in Wasser und hielt es ihm an die Lippen. Wenn nur etwas ankam, war sie froh.

Sie strich vorsichtig über die Verbände, doch Leif hatte ihr versichert, dass seine Wunden erstaunlich gut heilen würden. Warum wachte er dann nicht auf?

Sie nahm wieder seine Hand und legte ihren Kopf auf das Lager.

Wann hörte das endlich alles auf? Sie wollte doch einfach nur glücklich sein.

Sie musste zwar zugeben, dass sie viele Fehler begangen hatte, aber waren das nicht etwas zu viel an Schicksalsschläge?

Auch war vor ein paar Tagen die Nachricht bei Thorvald angekommen, dass man Stijn nirgends finden konnte. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Natürlich war Thorvald mit einigen Männern losgezogen, um ihn zu suchen. Tilda wusste es besser. Sie hatte in den Visionen gesehen, wo er war, aber sie konnte ja schlecht sagen, dass Stijn in die Zukunft geschickt worden war. Ihre Geschichte hatten schon zu wenige geglaubt und sie war schließlich das wunderliche Ding, das von nichts eine Ahnung hatte.

Sie seufzte leise. 

„Bitte, Tjark. Wach auf. Ich möchte nach Hause!"

Sie schluckte etwas, dann liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen.

Sie wollte wirklich nach Hause! Aber nicht in die Zukunft. Was sollte sie da? Sie wollte zurück auf den Hof. Sie wollte Lasse endlich zu sich holen, damit auch er Ruhe bekam.

„Wo ist denn zu Hause?"

Erschrocken hob sie den Kopf und stellte fest, das Tjark sie direkt ansah.

„Tjark!"

Sie wollte ihn umarmen, aber er hob eine Hand.

„Nein, Tilda! Sag mir erst, wo für dich Zuhause ist!"

Sie schloss die Augen und lächelte.

„Ich bin Zuhause, wo du bist, Tjark!"

Er verzog etwas das Gesicht, dann setzte er sich langsam auf.

„Dann bist du doch zu Hause, Tilda. Ich bin hier! Also warum weinst du?"

Er breitete seine Arme aus und sie robbte vorsichtig zu ihm und ließ sich umarmen. Sie küsste ihn immer wieder auf die Wangen, die Augenlider und den Mund.

„Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Eigentlich nicht."

Sie sah zu ihm hoch.

„Du hast lange geschlafen."

Nun lachte Tjark.

„Ich habe dir nie richtig geglaubt, Tilda. Aber nun tue ich es. Odin beschützt mich offenbar. Er hat mich ruhig gehalten, aber ich habe alles gehört!"

Sie verzog etwas das Gesicht.

„Alles?"

Er grinste.

„Ja! Alles! Aber ich werde dich erst später übers Knie legen. Im Moment könnte ich es nicht einmal bei Lasse. Aber ich habe auch etwas anderes gehört!"

Er legte seine große Hand auf ihren Bauch.

„Bist du dir sicher?"

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hatte auch eine Begegnung mit einer Göttin. Und sie zeigte mir, wie ich ohne dich in der Zukunft bin und Stijn treffe. Und ich hatte unseren Sohn bei mir!"

Tjark hob einen Finger.

„Oh nein! Du wirst nicht mehr in die Zukunft gehen! Und wenn, dann werde ich dir irgendwie folgen!"

Sie lachte leise und barg ihren Kopf an seiner Brust. Leicht streichelte sie über seinen Bauch.

„Das war eine Vision, Tjark. Sie zeigte mir, wie es sein würde, wenn ich dich verlassen würde. Ich habe viele schreckliche Dinge gesehen. Und mir ist klar geworden, dass ich nicht einfach verschwinden kann, wenn mir etwas nicht passt. Und ich sollte dir auch nicht immer damit drohen."

Er brummte leise.

"Das ist schön, dass du das einsiehst! Aber ich habe auch Fehler gemacht. Ich hätte nicht alles als selbstverständlich erachten sollen. ich kann dir nicht versprechen, dass du wegen mir nicht manchmal in Wut gerätst, aber ich will mich bessern!"

Leise lachte sie. 

"Oh, ich kann mir vorstellen, dass du doch manchmal auch schön wegen mir zusammen reißen musst. Aber wir bekommen das schon hin!"

Sie wurde müde. Ihr Körper forderte Tribut für ihre tagelange Wache an Tjarks Seite. Vergebens versuchte sie ein Gähnen zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht.

Sie spürte wie Tjark ihre Stirn küsste.

„Ruh dich aus, Tilda. Ich weiß, dass du die ganze Zeit bei mir warst."

Sie gähnte erneut.

„Dasselbe gilt für dich."

Er lachte leise.

„Wir ruhen beide. Und dann gehen wir wirklich nach Hause. Wir holen Lasse und dann warten wir auf Stijn."

Sie sah noch einmal zu ihm hoch.

„Meinst du, er kommt wieder? Ich kann schließlich auch nicht mehr zurück!"

Er schnaubte.

„Nein! Du willst nicht mehr zurück. Das ist ein Unterschied! Stijn muss wieder zurück! Was soll er denn in der Zukunft ohne Kampf? Er wird vor Langweile umkommen! Außerdem müssen wir noch reden! Ich muss mich bei ihm entschuldigen! Verflucht, ich muss mich bei vielen in der letzten Zeit entschuldigen! Aber genau deswegen wird Stijn zurück kommen!"

Sie lächelte.

„Ich hoffe es!"

Tjark nickte und zog sie wieder in seine Arme.

„Ich weiß es!"



"Endlich! Nun muss nur noch der Bruder wieder zurück kommen und die Prophezeiungen werden wahr!"

Freya nickte, während Gna sich wie ein kleines Kind für die beiden freute.

"Ja! Sie sind auf einen guten Weg! Um Tjark und Tilda müssen wir uns nicht mehr kümmern! Also konzentriere ich mich auf die anderen!"

Gna seufzte.

"Ich weiß nicht, ob ich das noch einmal alles mitmachen will!"

"Das brauchst du nicht!", dröhnte eine Stimme hinter ihnen.

Odin war zu ihnen gekommen.

"Um die anderen kümmere ich mich selbst!"

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