Liebeserleben
In jedem Leben geschieht es noch einmal, dass es sich müht,
wiederzubeginnen wie mit Neugeburt: mit Recht nennt das
vielzitierte Wort die Pubertät eine zweite Geburt. Nach etlichen
Jahren bereits geleisteter Anpassung an das uns umgebende
Daseinsgeschehen, an dessen Ordnungen und Urteilsweisen,
die unser kleines Hirn ohne weiteres überwältigten, springt,
mit herannahender Körperreife, auf einmal eine Urwüchsigkeit
in uns so vehement dawider an, als habe sich nun erst die Welt
zu formen, in die das Kind herniederkam, - unbelehrt, unbelehrbar
im Ansturm seiner Wunschvoraussetzungen.
Auch dem nüchternsten Erleben ersteht irgendwo diese Verzauberung:
das Gefühl, als erstehe die Welt als eine ganz andere, neue, und als sei,
was dem widerspricht, ein unfassliches Missverständnis gewesen. Weil wir
aber bei dieser tollkühnen Behauptung nicht beharren dürfen und weil wir
der Welt, wie sie ist, dann doch unterliegen, so umspinnt sich uns später
alle solche »Romantik« mit Schleiern wehmütigen Rückblicks - wie auf
mondbeglänzten Waldsee oder geisterhaft winkende Ruine.
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