Kapitel 1 - 14. April

[ Tokio, Japan – 14. April 2017 ]

Es tat weh.

Es schmerzte.

Kalter Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und ihr Atem wurde immer unruhiger. Der Schmerz wurde immer stärker, türmte sich in ihr auf und stürzte auf sie herab. Ein erdrückender Schmerz, der ihr den Atem abschnürte.

Blitzartig öffnete das junge Mädchen ihre blauen Augen und das erste, was sie sah, war eine leere und weiße Zimmerdecke. Der Geruch von Desinfektionsmittel stach ihr sofort in die Nase und sie versuchte sich aufzurappeln.

Ihre Augen glitten über den Raum, über die kalten und weißen Wände hinweg, zu den Vorhängen in der gleichen Farbe. Außer einem kleinen Nachttisch auf ihrer Linken und einem Klappstuhl war der Raum komplett leer.

Das einzige, was ihr Zimmer in Farbe einhüllte, waren die frischen rosa Kirschblüten, die am Fenster den Frühling begrüßten.

War sie in einem Krankenhaus?

In dem Moment in dem die Weißhaarige kurz innehielt, durchfuhr sie ein stechender Schmerz am Kopf. Ein Keuchen entfloh ihr und sie fasste sich instinktiv an die Stirn. Sie spürte einen weichen Stoff unter ihren Fingerspitzen, als plötzlich die Tür aufging und sie kaum merklich zusammenzuckte.

Ihr Blick richtete sich auf eine blonde Schönheit, die sie mit ihren grünen Augen überrascht anblickte.

,,Hani, du bist ja wieder wach'', kam es in einem freundlichen als auch erleichterten Ton über die Lippen der Blonden.

,,Warum hast du mich nicht gerufen?'',

Sie stellte eine Vase, die sie wahrscheinlich gerade erst mit Wasser gefüllt hatte, auf den Tisch neben dem Bett.

,,Ich bin gerade erst aufgewacht, Emi'', meinte Hani lächelnd, ,,ich hatte nicht einmal Zeit mich selbst zu fragen, warum ich hier bin.''

,,Das würde ich aber gerne wissen'', seufzte Emi und steckte nach und nach die einzelnen Blumen in das Gefäß. ,,Wieso begibst du dich auch jedes Mal in Schwierigkeiten?'' 

,,Wieso ist denn jetzt meine Schuld?'', meinte die Verletzte empört und schaute schmollend aus dem Fenster. Ist ja nicht so, dass sie ihren Kopf gegen die Wand geschlagen hatte und deshalb hier lag!

...Oder?

Plötzlich kamen die Schmerzen in ihrem Kopf wieder und ihre Hände krallten sich verzweifelt in ihre Haare. Sie kniff ihre Augen so fest wie nur irgend möglich zusammen, während ein leises Wimmern ihre Lippen verließ.

,,Hani?!" Erschrocken über das Verhalten der Blauäugigen, ließ sie ohne es zu wollen die Vase fallen. Ein klirrendes Geräusch verjagte die Stille im Raum und dutzende Bruchteile verteilten sich auf den Boden.

Ihr Wimmern wurde bei dem Geräusch immer lauter und sie schüttelte auf einmal heftig mit dem Kopf. Erinnerungen, Stimmen und Bilder wollten ihren Kopf durchströmen in einer solchen Gewalt, dass sie zu Schreien anfing.

,,Hey Hani! Was hast du?!''

Die Stimme ihrer besten Freundin reichte nicht bis zu ihr hin und plötzlich spielte sich ein Bild vor ihrem inneren Auge ab.

Sie hörte eine verzweifelte Stimme, die die Hand aus der Schwärze nach ihr ausstreckte. Weder das Gesicht noch, was dieser jemand ihr vermitteln wollte, konnte sie klar erfassen. Eine verschwommene Erinnerung, die mit jeder Sekunde klarer wurde.

,,-fe'' Es war die letzte Silbe, die sie nun deutlich hörte. Die Hand kam ihr immer näher und ohne, dass sie sich auch nur irgendwie wehren konnte, griff die Hand ihre und sie wurde in die Schwärze gezogen.

Das nächste Mal, als sie ihre Augen öffnete, befand sie sich in einer abgelegenen Ecke eines Gebäudes.

,,H-hilfe...'' Eine kraftlose männliche Stimme, gefolgt von einem Schmerzaufschrei jagte ihr ein Schauer durch Mark und Glied. Um ihn herum standen kräftige Jungs, die ihn mit Tritten und Schlägen, sowohl mit Faust als auch Baseballschlägern, verletzten.

Blaue Flecken, Prellungen und Blutergüsse zierten seinen ganzen Körper. Seine blauen Augen versanken in einem Meer voller Schmerz und Verzweiflung, doch wirkten sie leer, ohne jegliches Leben in sich.

Die schmerzverzerrten Laute hallten in ihrem Kopf wieder, wieder und wieder in einer ewigen Endlosschleife. Mit jedem Mal wurden sie um eine Einheit lauter. Immer lauter.

Und dann...

Stille.

Sie riss ihre Augen auf und im nächsten Moment befand sie sich wieder im Krankenhaus.

,,Hani! Rede mit mir! Sag doch was! Geht es dir gut? '', hörte sie die besorgte Stimme von Emi, woraufhin die Geistesabwesende nickte.

Was war das, was das junge Mädchen gerade gesehen hatte?

Erinnerungen?

Plötzlich ging die Tür auf und ein verängstigter Junge stolperte hinein.

,,A-also...'', stotterte der Glatzköpfige unsicher.  Seine Augen konnten den Blickkontakt zu dem Mädchen nicht halten, wodurch er von einer Ecke des Zimmers zur anderen sah.

,,E-es TUT MIR AUFRICHTIG LEID!'', dabei verbeugte er sich tief, ,,ich werde beim Nächsten Mal vorsichtiger beim Baseballspielen sein!''

Erst jetzt löste er sich von seiner Verbeugung und stellte sich wieder gerade hin.

,,Du meinst diese Kopfverletzung'', dabei zeigte sie auf jene, ,,kam von deiner Ungeschicklichkeit Baseball zu spielen?''

Ein heftiges Nicken seinerseits. ,,T-tut mir echt leid'', wiederholte er sich und kratzte sich nervös am Hinterkopf.

Das war es nicht.

Sie wusste nicht wieso, aber sie hatte ein Gefühl, dass dies nicht der Wahrheit entsprach.

,,Und du allein bist Schuld an dem Vorfall?''

Misstrauen zeigte sich auch in ihrem Blick, der dem jungen Mann wie hundert Messerstiche durchstach.

,,W-was meinst du damit?'' Ein nervöses Lachen kam ihm über seine Lippen. ,,Natürlich war ich allein!"

,,Du hast alleine Baseball gespielt?''

Wenn sie sich eines sicher war, war es das Gefühl, dass sich an sie klammerte und nicht mehr losließ.

Ein Verdacht, dass er ihr nicht die Wahrheit erzählte.

,,W-was?... ich meine, ich hab alleine Schwingübungen mit dem Schläger gemacht, deshalb war ich allein!''

Die Reaktion auf diese Frage war eine Panik, die sich in seinem ganzen Gesicht ausbreitete.

,,W-was sollen eigentlich diese ganze Fragerei?! Willst du damit sagen, dass ich lüge?''

,,Das - hab ich nie behauptet.''

Sie legte eine kurze Pause ein und erkannte deutlich, dass der Glatzköpfige nicht mehr wusste, was er antworten sollte.

,,Denkst du nicht, dass du ganz schön paranoid wirst?''

,,W-was?! D-DU BIST JA EINE TOTALE SPINNERIN!"

Und damit wurde die Tür mit einem lauten Knall geschlossen.

Emi, die sich die ganze Zeit nicht einmal zu Wort gemeldet hatte, fragte ihre Freundin, ob sie nicht zu weit gegangen wäre.

,,Wer weiß...''

Der Blick des jungen Mädchens wurde auf die Kirschblüten gezogen, die den Anfang des Frühlings auszeichneten.

Während sie die Schönheit der rosa Bäume bewunderte, wusste sie noch nicht, dass das Misstrauen gegenüber den Jungen vielleicht ihr größter Fehler war...

14. April – der Tag an dem die Geschichte des Schicksals ihren Lauf nahm.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top