Migrationshintergrund
{ Kapitel Eins }
Granit:„Ich glaube es nicht! Unser Streber steht vor mir. Meine Augen schmerzen schon." Amüsiert blickt er mir in die Augen. Völlig genervt von seinem sinnfreien Gerede, richte ich meine Lesebrille. Seine Präsenz ist Folter pur. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
Ich will an ihm vorbei aber dieser Riese hat natürlich nichts besseres zu tun als nach meinem schmalen Handgelenk zu greifen. Aua! Kann er das nicht einfach sein lassen? Ist das so schwer? Meine Güte!! Eine unkontrollierbare Wut macht sich in meinem zierlichen Körper bemerkbar.
„Fass mich nicht an!!", zische ich und reiße mich aus seinem eisernen Griff. Ihm geht es wohl zu gut. Amüsiert lacht er auf. Was erlaubt er sich da? So ein Vollidiot. „Gaaaanz langsam du kleiner Nerd. Ich gehe als Erster zu ihm rein.", spricht er überheblich. Wen er meint? Natürlich den Geschäftsführer auch bekannt als sein Onkel ersten Grades.
Seine Arroganz ist so abstoßend! Wieso soll er ihn vor mir sehen dürfen, wenn ich schon vor ihm hier an der Tür stand? Spresa:„Er hat mich hergerufen! Also hör gefälligst auf meine Zeit zu verschwenden und tu etwas sinnvolles. Wegen dir bin ich schon drei Minuten zu spät!" Pünktlichkeit ist das A und O bei mir und nur wegen diesem Idioten bin ich mehr als spät dran. Ich atme genervt aus aber er lacht nur weiter. Aus der ganzen Situation macht er sich einen Spaß draus und interessiert sich gar nicht für mein Gesagtes. Gestresst blicke ich auf die Uhr an meinem schmalen Handgelenk und stelle fest, dass schon vier Minuten vergangen sind. So ein Mist!
Ich hasse dich Granit Musa. Ich hasse dich vom tiefsten Herzen. Aaargh. So ein Idiot. Bevor es zu einer eskalierenden Auseinandersetzung kommen kann, wird die große Tür vom Geschäftsführer höchstpersönlich aufgemacht.
Besim Musa..
Schon seit Jahren nenne ich ihn Herr Musa. Zwar muss ich mir ständig anhören, dass ich ihn nicht siezen muss und zu formell bin aber ein Glück, zieht er es nicht weiter in die Länge. Wie soll ich bitte Du sagen?
Das gehört sich doch gar nicht. Er läuft rein, was uns sagen soll, dass wir ihm zu folgen haben. Hinter mir mache ich die schwere Büro Tür zu und setze mich ebenfalls auf eins der dunkelbraunen Ledersessel die wirklich bequem sind. Ich will nicht wissen wie teuer die Dinger waren. So wie die restliche Ausstattung in dieser Firma. Alles ist so edel und wunderschön, dass man sich beinahe wie in einem Märchen fühlt.
Meine Haltung ist bis aufs kleinste Detail bedacht wobei mein gegenüber das komplette Gegenteil ist. Bitte lieber Gott, schenke diesem Typen ein bisschen Anstand. Er fühlt sich verdammt noch mal wie zu Hause. So einen schamlosen Menschen habe ich noch nie gesehen. Echt nicht. Wie kann man nur so sein?
»Welche Ehre dich zu sehen Onkel.«
Er grinst breit und gekonnt ignoriere ich sein unseriöses Verhalten. Sein Benehmen ist gleich zu stellen wie das eines fünfjährigen, welcher nach Aufmerksamkeit strebt. Genau das tut er. Er strebt nacht purer Aufmerksamkeit. Wie armselig.. oder doch eher lächerlich? Seine Art kotzt mich einfach nur an. An sich hätte ich nichts gegen ihn aber er behandelt mich wie das letzte... Es mag sein, dass ich mir das oft nicht anmerken lasse aber um ehrlich zu sein, verletzt es mich schon.
Besim Musa:„Spresa mein Kind. Wie sieht es mit dem Eingriff aus? Hat der Arzt schon ein Datum genannt?" Mal abgesehen davon, dass er seinen Neffen ignoriert und seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf mir liegt, macht er mich sprachlos. Seine Fragen lassen mich erschaudern. Wieso spricht er das bitte neben ihm an? Oh Gott! Seine Ohren spitzen sich schon vor Neugier aber diese Befriedigung gönne ich ihm nicht! Nö.. ganz bestimmt nicht Musa. Spresa:„Noch habe ich kein Datum. Ich gebe Ihnen rechtzeitig Bescheid."
Es war nicht in Ordnung von ihm, darüber neben einem anderen Mitarbeiter zu sprechen. Egal ob es sein Neffe ist oder nicht. Letzten Endes gibt es so etwas wie Datenschutz. Egal ob personenbezogen oder firmenbezogen. Daran sollte man sich halten.
Er nickt und deutet kurz autoritär auf sein Mobil Telefon, da es Laute von sich gibt. Nickend blicke ich auf seinen Tisch und sehe die vielen Unterlagen während er sich erhebt. Seine Silhouette steht nun vor dem Fenster mit der wunderschönen Aussicht auf die ganze Stadt und das Handy ist an sein Ohr gehalten.
Mein gegenüber blickt mich an und spitzt die Lippen. Seine Augen schimmern wieder so.. naja wie schimmern sie denn? Gehässig? Streitlustig? Oh man. Was kommt denn jetzt?
G:„Eingriff?", fragt er mit einem überheblichen Ton und blickt mich an. Was will er jetzt hören? Ich werde ihm ganz bestimmt nichts privates erzählen. Mal abgesehen davon geht ihn das gar nichts an! Als von mir keine Antwort kommt und ich nur den Kopf wegdrehe, sehe ich wie sein Grinsen breiter wird.
„Schönheits - Eingriffe schaden nie."
Mit seiner provokanter Miene gewinnt er meine volle Aufmerksamkeit. Wow.. Schönheit - Eingriffe schaden nie.. Mit Mühe gelingt es mir keine Träne zu verlieren. Es ist ein Satz, der mich in der Sekunde triggert und genau das ist nicht in Ordnung. Musste das wirklich sein? Mein Gott! Dann bin ich in seinen Augen eben nicht schön. Und nun? Ständig das selbe mit ihm. Ständig muss er mir unter die Nase reiben, dass ich nicht schön bin. Ständig muss er mir die Laune verderben. Ist das so nötig?
Spresa:„Es ist keine Schönheits OP...", gebe ich von mir und senke nur noch meinen Blick. Er darf nicht sehen wie gekränkt ich bin. Er darf es einfach nicht sehen. Das würde ihn doch nur amüsieren. Diese Genugtuung gönne ich ihm nicht. Was habe ich dir angetan Granit? Wieso behandelst du mich so? Bin ich zu sensibel? Übertreibe ich? Nein! Ich muss mir das doch nicht ständig anhören, oder?
Besim Musa:„Kinder ich habe sehr gute Neuigkeiten. Sehr sehr gute!", ertänt seine Stimme als er sich uns wieder nähert. Kinder? Okay.. Herr Musa scheint ziemlich glücklich zu sein. Nachdem er sich hingesetzt hat, blickt er uns mit seinem altbekannten Siegerlächeln an. Selbstbewusster Typ. Muss man ihm schon lassen. Meine Aufmerksamkeit schenke ich nur noch ihm und höre was er zu sagen hat. „In genau zwei Wochen dürfen wir den Vertrag für die Zusammenarbeit unterschreiben.", lächelt er und schlägt sein Laptop auf. Moment mal. Bitte was?
Wir dürfen endlich den Vertrag unterschreiben? Ach du heilige Scheiße! An diesem Vertrag arbeiten wir schon seit sieben Monaten. Ganze sieben Monate.
„Dafür werdet ihr zwei mit weiteren zwei Kollegen die ich bereits ausgesucht habe eine Dienstreise machen." WAS!? Ich hoffe ich höre nicht richtig!? Das meint er doch nicht ernst? Nein.. nein. Das kann er nicht ernst meinen. Hallo? Eine Dienstreise mit ihm? Der und ich? Gott bewahre! Ich glaube ich bin im falschen Film. „Wir zwei? Sie und Ich?", zeigt er zwischen uns hin und her. Ich behalte es zumindest für mich aber er spuckt es so verachtend aus. Danke, sehr nett. Sein gehobener Blick lässt mich erschaudern. Als wäre ich heiß drauf mit ihm auf dieser Dienstreise zu sein.
„Richtig! Ihr zwei mit Herr Kasumi aus der kaufmännischen Abwicklung und Sibel aus der Marketingabteilung.", bestätigt er seine Frage wieder autoritär und tippt seinen Satz zu Ende. Sein Laptop hat er zugeklappt und informiert uns weiterhin mit wichtigen Fakten. Ich höre aufmerksam zu aber spüre wie sich meine schlechte Laune so langsam anbahnt. Ich will nicht. Echt nicht. Mit Sibel also? Mit Granit.. Oh man.. Das wird ein Abenteuer! Oder doch die Hölle? Wohl eher das zweite.
„Alles verstanden?", hakt er nach. Sein Blick ist streng und die Stimmfarbe ziemlich fest. Mit einem deutlichen Nicken bestätige ich seine Frage, während sein Neffe gelassen abwinkt. Ich sag ja... kein bisschen formell dieser Typ. Nichts Neues.
Als wir den Raum verlassen, möchte ich nur noch weg aber wie erahnt lässt mich dieser Riese nicht in Ruhe. Was habe ich bitte falsch im Leben gemacht, dass mich Gott mit so einem Affen bestraft? Kann er mich denn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ist das so schwer? Ist das echt zu viel verlangt? Eigentlich nicht, oder?
G:„Wir arbeiten die Tage nur bis zu bestimmten Uhrzeiten. Freie Tage gibt es auch. Danach amüsieren wir uns. Also kannst du dir jetzt schon einmal deine spießig-langweiligige Art abgewöhnen."
Wie bitte? Spießig-langweiligige Art? Es reicht! Meinen Arm entreiße ich aus seinem groben Griff und sehe ihm wutgeladen in die Augen. Nicht mit mir du Idiot. Spresa:"Von einem Mann der sich wie ein Kleinkind aufführt, lasse ich mir gar nichts einreden. Hast du mich verstanden?", murre ich. Gott! Tat das gut... aber ernst werde ich von ihm wohl doch nicht genommen. Er prustet los und lacht mich allen Ernstes aus. Was ist sein verdammtes Problem? Wieso muss er mir derart auf die Nerven gehen? Das ist echt nicht mehr zu ertragen.
„Was du Langweilerin machst, ist mir derbe egal. Geh mir da einfach nur nicht auf die Nerven und gut ist. Ach und versuchs mal mit ein wenig lebendigerem Aussehen. Mit dem Standard Büro Look wirst du ja für immer single bleiben. Fortpflanzung ist dir doch bestimmt ein Begriff , oder? Ist nur gut gemeint kleines." Mit einem Zwinkern quittiert er sein Gesagtes und macht einen Abflug. Fahr doch einfach zur Hölle du respektloses Monster..
Die Hitze schlägt mir gegen die Haut. Diese Art von Demütigung hatte und habe ich nur ihm zu verschreiben. Ist ihm eigentlich bewusst, dass seine Worte wie Gift sind? Pure Bosheiten. Wirklich eklig.
Sie sind so messerscharf, dass ich meine Tränen nicht mehr zurück halten kann. Auf der Damentoilette im fünfzehnten Stock suche ich nach Zuflucht aber selbst das ist nicht ausreichend. Ein Glück waren nur meine Lippen mit einem leichten Gloss geschminkt. Eine verschmierte Visage konnte ich mir im Betrieb nicht leisten.
Seinetwegen fühle ich mich so hässlich. So verdammt hässlich! Dabei bin ich doch eine Frau, die gepflegt ist und auf ihr Äußeres achtet. Im Spiegel betrachte ich meine Miene und sehe eine Frau mit reiner Haut. Dennoch ist sie etwas blass im Moment. Schminke trage ich kaum und trotzdem werden meine voluminösen Lippen mit einem Gloss verziert. Sah das echt so schlimm aus? Musste man sich wirklich zukleistern um gut auszusehen? Aber was definiert denn dieses gute Aussehen? Was ist damit gemeint? Es ist doch eigentlich etwas individuelles, oder ?
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich Feierabend habe, weshalb ich meine eiskalten Hände auf meine Wangen lege und mir ein gefälschtes Lächeln aufzwinge.
Komme was wolle! Du schaffst das Spresa! Meine Tasche nehme ich zur Hand und laufe zu den Aufzügen. Zu meinem Pech entdecke ich Sibel. Gott wie ich sie hasse! Diese Frau ist in meinen Augen so wertlos. Und das muss man erst einmal schaffen. Wir sind damals gemeinsam zur Schule gegangen und haben leider Gottes den selben Studiengang gewählt. Ich kann schon behaupten, dass sie mir das Leben zur Hölle gemacht hat. Ständig hat sie sich als die bessere, hübschere, klügere ausgegeben. Ich weiß bis heute nicht was ihr scheiß Problem ist aber sie hasst mich.
Doch dies beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn ich an die Uni Zeit zurück denke, dann kann ich gar nicht mehr mitzählen wie viele Typen sie hatte. Sie hat es geliebt und liebt es immer noch im Mittelpunkt zu stehen, beobachtet und vergöttert zu werden.
Die Aufzugtüren öffnen sich, weshalb ich reintrete und froh bin die einzige hier zu sein. Wir haben kurz vor 19:00 Uhr. Durch die noch offene Tür kann ich sehen, wie sie mit ihren bestimmt 20 cm Absätzen den Flur entlang stolziert ehe ich eine männliche Gestalt ihr gegenüber sehe. Kein anderer als Granit Musa, der sie an der Hand gepackt hat und in sein Büro läuft. Was die da jetzt bestimmt machen, muss ich nicht erwähnen.
Augenverdrehend lehne ich mich an die Aufzugswand und will gerade auf den Knopf drücken als eine männliche Hand mir zuvorkommt. Reflexartig schrecke ich zurück und entlocke dem großen Mann ein kehliges Lachen. Oh man..
»Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen.
Tut mir wirklich leid.«
Als ich in das Gesicht des jungen Mannes blicke, merke ich schnell, dass er allerhöchstens zwei Jahre älter als ich sein müsste. Spresa:„Nein mir tut es leid. Ich habe nicht gesehen, dass Sie in letzter Sekunde noch reingekommen sind.", sehe ich zu ihm hoch und merke erst jetzt, dass ich die Lesebrille noch trage. Vorsichtig schiebe ich sie nach hinten auf den Kopf und sorge somit für einen voluminösen Look. Dank meiner besten Freundin weiß ich, dass es ganz gut so aussieht. Hoffe ich zumindest. Ich möchte im Moment wirklich nicht wie ein verheultes etwas aussehen. Muss nicht sein. Wobei es dadurch sogar so aussieht als hätte ich leichtes Rouge auf den Wangen und meinen Lipgloss hatte ich bereits aufgefrischt.
Der Unbekannte drückt auf den Knopf und sieht mich nun genauer an. Ach was wunder ich mich schon? Bestimmt findet er mich ebenso nicht anschaulich wie Granit. Meinetwegen.. soll er doch. Ist mir egal. Ist mir wirklich sowas von egal. Ich bin einfach nur froh, wenn ich zu Hause bin.
»Ich will nicht zu aufdringlich sein aber kann es sein, dass Sie einen albanischen Migrationshintergrund haben?«
Moment mal was? Wie hat der das denn gemerkt? Die meisten checken das gar nicht. Also das hat mich jetzt wirklich gewundert. Mein Blick lässt ihn wohl grinsen, weshalb ich mich peinlich berührt räuspere. "Ich bin Albanerin. Wie haben Sie das gemerkt? Viele verstehen es gar nicht. Nicht mal beim zweiten Blick.", erzähle ich ihm und bin gespannt auf seine Antwort.
Von meiner schlechten Laune, wobei der Auslöser Granit Musa war, ist keine Spur mehr zu spüren. Seine aufmerksame Frage hat mich einfach abgelenkt. Vielleicht auch seine männliche Präsenz, da ich das einfach nicht gewohnt bin solange mit einem Typen zu sprechen. Meine schüchterne Seite verfluche ich schon seit Jahren. Dennoch bin ich irgendwie selbstbewusst wenn es drauf ankommt. Kompliziert.. ich weiß.
»Sagen wir einfach mal, dass ich gute Menschenkenntnisse habe. Wie war gleich Ihr Name?", fragt er als die Türen aufgehen. Er lässt mich als erste raus, weshalb ich dankend nicke. So so.. Gentleman also?
Seine lockere Art ermutigt mich. Er ist wahrlich der Extrovertierte zwischen uns beiden. Das steht bereits fest. Wir laufen Richtung Ausgang. „Vorname oder Nachmame?", spaße ich etwas und hoffe innerlich, dass dies nicht bescheuert rüber kommt. Gott bin ich peinlich!
»Wenn ich den Vornamen habe ist es nicht schwer den Nachnamen zu erfahren.", zwinkert er plötzlich und verstaut seine Hände in der Anzughose. Ist das flirten? Flirtet er gerade? Das ist sowas von flirten. Wie kann er nur so locker drauf sein? Hat dieser Typ mich jetzt wirklich angezwinkert? Also so richtiges anzwinkern? Ohje.. Ich verrate ihm meinen Namen und frage nach seinem.
»Rilind. Rilind Kasumi.", lächelt er und ein Licht geht auf.
Besim Musa:„Richtig! Ihr zwei mit Herr Kasumi aus der kaufmännischen Abwicklung und Sibel aus der Marketingabteilung."
Er kommt also mit auf die Dienstreise?
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Kapitel wirde überarbeitet
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