Unshakeable


Wenn er jemals Lord werden würde – Nein, sobald er Lord werden würde - , dann würde er seinen Namen nicht ändern lassen. Das wusste Harrican von vornerein. Keine albernen symbolischen dunklen Rufnamen für ihn. Er war niemals etwas anderes als er selbst gewesen, und irgendwann als Lord Harrican auf seinem metaphorischen Thron zu sitzen, schien ihm ein hübscher Schlag ins Gesicht für alle, die ihn für zu dumm, zu ungebildet, zu unbeherrscht, zu undurchdacht und im Großen und Ganzen für den Titel eines Sith nicht als würdig empfanden. Imperiale Adelige, hochrangige Gesellschaftsmitglieder und vor allem Reinblüter, sie alle sollten vor ihm auf die Knie sinken. Und sie sollten es hassen. Wissen, dass er sie besiegt hatte, dass er letzten Endes derjenige war, der sich durchgesetzt hatte, trotz niederer Herkunft und fehlender Erfahrung.

Noch knieten nur wenige, aber an sich hielt er das Konzept für ausbaufähig. Auch wenn er Captain Chead gegenüber Rechenschaft schuldig war, befand sich nicht nur ein großer Teil der Truppen unter seinem Kommando, sondern auch inoffiziell zwei der drei anderen Sith, die in Cheads Planungen eingebunden waren. Was den Dritten anging...

Harrican hatte ganze drei Sekunden gebraucht, um zu wissen, dass er mit diesem Reinblut niemals in seinem Leben auskommen würde. Der hochmütige Ausdruck in den Augen, die stolze, aufrechte Haltung, und vor allem der Blick, mit dem 'Sith D'nramar' ihn bedachte, erweckten seinen Wunsch, Zähne auszuschlagen.


D'nramar – und Harrican sprach diesen Namen innerlich immer mit einem Ton aus, mit dem man etwas beschreibt, was unter dem Stiefel klebt und sich nicht vernünftig auf Gras abstreifen ließ – war jünger als er, aber schien seine eigene Erfahrung schon in den Himmel zu schätzen. Und abgesehen davon sah er auf Harrican herab. Wie hatte er ihn gegenüber ihrem Vorgesetzten beschrieben, 'semi-lobotomiertes Affenmännchen ohne jegliche Selbstkontrolle'? Er selbst war nicht dabei gewesen, aber Sith Nevral hatte ihm davon berichtet. Schade, dass man sie inzwischen an einen anderen Teil der Front versetzt hatte – Harrican hatte Nevrals Qualitäten, überwiegend körperlicher Natur, immer sehr zu schätzen gewusst. Was ihre Fähigkeiten anging, war er sich da weniger sicher. Nevral gab gerne damit an, wie sie mittels Geisteskraft die Handlungen ihrer Opfer manipulieren wollte, aber Harrican bezweifelte das insgeheim. Ihr Geist schien alles andere als kräftig.

...Noch ein Grund, warum er das Reinblut nicht wirklich leiden konnte. Es konnte denken, zumindest ansatzweise. Momentan schienen sich seine Gedanken größtenteils darum zu drehen, wie man Harrican erfolgreich aus dem Weg ging, denn wäre er in einem der weniger überwachten Momente auf D'nramar getroffen, hätte er das semi-lobotomierte Affenmännchen nur zu gerne mal eingehender erläutert bekommen. So dumm, den Streit vor den Soldaten auszutragen, war er natürlich nicht – von wegen semi-lobotimiert! Galt vermutlich nur dem Fakt, dass er sich nicht so furchtbar geschwollen ausdrücken konnte, wie D'nramar es bisweilen tat. Er konnte diese ganze Wortverdreherei ohnehin nicht ernstnehmen.


Natürlich nutzte er dennoch jede Gelegenheit, das Reinblut vor seinem Vorgesetzten schlechtzumachen, manchmal in eigener Person und manchmal mittels der anderen beiden Sith, die sich seinen Worten fügten, wie es sich gehörte. Kaputte Trainingsanlagen? D'nramar wars! Er ging unachtsam mit imperialen Ressourcen um! Erläuterungen über Taktik, Strategien und neuere Waffenmodelle, zu denen er die Offiziere heranzog? D'nramar hielt die Soldaten von ihrer Arbeit ab! Jede seiner Entscheidungen auf Patroullien wurde auseinandergenommen und eingehend auf alle tatsächlichen und möglichen Fehler analysiert, und wenn sich eine kleine Möglichkeit fand, ihm das ganze als Tadel reinzudrücken, wurde sie ausgewalzt. Noch schöner wäre es natürlich, hätte Harrican selbst Möglichkeit, Hand an das Problem zu legen, aber Chead hatte die Spannungen zwischen den Sith noch vor ihnen selbst bemerkt und sorgte dafür, sie so weit wie möglich auseinanderzuhalten. Üblicherweise waren sie nicht einmal zur selben Zeit wach, um zu vermeiden, dass sie sich über dem Weg liefen.

War seine Abneigung übertrieben? Möglicherweise. Aber Harrican konnte die Art des Reinblutes nicht ausstehen, das Kühle, Spöttische, Herablassende, Selbstsichere... So sollten Sith nicht sein. So sollten insbesondere Sith gegenüber Harrican nicht sein, nicht, wenn sie alle sich nach der ersten ernsthaften Auseinandersetzung als gefügige langweilige kleine Schafe herausstellten, die ohnehin dem folgten, der weniger berechenbar war als sie, weniger kleingeistig und ängstlich und milde in seinem Handeln. Personen wollten geführt werden, das wusste Harrican. Und in sich sah er das Zeug zum Anführer.


Sein Blut fing inzwischen an, bei D'nramars bloßen Anblick zu kochen. Und das Reinblut wusste es. Schlimmer noch, es provozierte es. Bei den wenigen Gelegenheiten, in denen sie sich unter Beobachtung im selben Raum befanden, sparte D'nramar nicht mit leisen, spöttischen Kommentaren, selbst wenn seine Beteiligung an der Diskussion von niemanden erwünscht wurde. Er neigte dazu, Harricans Worte im Mund zu verdrehen und gegen ihn zu verwenden, machte sich über ihn lustig, und schien den Menschen im Allgemeinen als 'unter seinem Niveau' zu betrachten. Verdammte Drecks-Reinblüter. Herkunft sagte gar nichts aus. Das einzige Blut, was zählte, war das, dass er vergoss, und nicht das in seinen Adern. Und diese Ansicht hatte gefälligst niemand anders zu sehen!

Womit Harrican nicht gerechnet hatte, war, dass D'nramar den ersten Schritt machen würde und nicht er. Es war später Nachmittag, und er nutzte die Zeit, um mit Sith Inari und Sith Lucra zu trainieren. Sie übten nichts weiter als die Basics, Sequenzen der Shii-Sho-Form, und er selbst war daran nicht ganz unschuldig. Inari trug den linken Arm immer noch in einer Schlinge. Hätte Lucra ihn nicht aufgehalten, Harrican hätte ihm in der letzten Trainingseinheiten die Gliedmaßen vom Körper gerissen.

Es war nicht einmal seine Schuld, nicht vollständig. Die Macht war verlockend für ihn, und er verlor sich regelmäßig in der Ekstase der Vernichtung. Man behauptete gerne, dass ein Sith seine Emotionen kontrollieren sollte, statt sich von ihnen kontrollieren zu lassen, aber Harrican vertrat die Meinung, dass das entgegengesetzte Konstrukt nicht weniger gut funktionierte. Die Schäden, die er dabei zurückließ, waren etwas, womit er leben konnte.

Ihre Köpfe fuhren herum, als das Surren der Tür erklang und sie zu den Seiten aufglitt, um eine weitere Person einzulassen. Das Reinblut stockte in der Bewegung, als es die drei anderen Sith erkannte, und einen Moment rechnete Harrican halb damit, dass er einfach wieder rückwärts verschwinden würde wie die feige kleine Ratte, die er war. Seine Hoffnung wurde jedoch betrogen.

D'nramar bewegte sich auf ihn zu, und seine Schritte waren sicher, ohne hastig zu sein. Inari, der gerade noch als Harrican Trainingspartner fungiert hatte, wich ein wenig beiseite, und Harrican runzelte verärgert die Stirn. Man musste diesem überheblichen Scheißkerl nicht auch noch das Gefühl geben, ernst genommen zu werden... aber das war ein Problem, um dass er sich später kümmern würde.

Das Reinblut verharrte vor Harrican und begann zu sprechen, ehe er die Zähne auseinanderbekam.

„Dein Antagonismus wird allmählich lästig, Harrican. Lass uns das jetzt regeln, oder wirst du dich weiterhin hinter Aktenbemerkungen verstecken und auf Verleumdung hinter meinem Rücken konzentrieren? Es war mir neu, dass Korriban Feiglinge auf die Schlachtfelder schickt." Wieder das herablassende Lächeln, aber diesmal spürte Harrican, wie sich seine eigenen Mundwinkel zum Grinsen verzogen, und das Funkeln in seinen Augen musste Antwort genug gewesen sein, denn er glaubte, einen Moment so etwas wie Besorgnis in den Augen des Reinblüters aufblitzen zu sehen. Er ließ ihm keine Zeit für einen Rückzieher.

Es war D'nramars Glück, dass er nur die Trainingsklinge in den Händen trug, als er ihn mit Macht packte, zu sich zog und das Metall durch die Lungen bohren wollte. Sein Gegenüber drückte mit eigener Macht dagegen, und zu Harricans Überraschung konnte er den Griff mühelos brechen, aber sein Ausweichen kam zu spät. Die Klinge schrammte an seinem Körper entlang. Harrican konnte das leise Prasseln vernehmen, als die Energie sich auf die Haut entlud, und das Reinblut verzog das Gesicht. Er fuhr herum, und der Machtstoß, der Harrican erwischte und nach hinten trieb, war wesentlich stärker, als er von einem so jungem Sith erwartet hätte. D'nramar streckte seine rechte Hand aus, und eine der Traningsklingen löste sich vom Ständer und flog in seine Finger, während Harrican sich noch abrollte, auf die Beine sprang und von Neuem zur Attacke überging.

Anderen musste man 'Angriff ist die beste Verteidigung' erst mühsam einprägen, für Harrican war es seit seiner Kindheit selbstverständlich. Defensive war das, was er hatte lernen müssen. Sein erster Impuls war es in der Regel, anderen wehzutun, bis das Ziel sich nicht mehr bewegte – und das war alles, was er brauchte, um seinen Kampfstil zu beschreiben. Was für andere Krieger hundert verschiedene Namen und Strategien beinhaltete, war für ihn nur 'Schaden machen'. Sein Körper fand jedesmal einen anderen Weg, ganz von selbst, während sein Geist von diesem Ziel beherrscht wurde.

Diesmal war es leicht. Das Reinblut schien sich auf die Machtanwendung zu verstehen, aber was rohe ungezügelte Kraft, geleitet von der dunklen Seite anging, hatte Harrican ihm einiges voraus. Er ließ los, tauchte in seine eigene Finsternis ab, und dann kam er über seinen Gegner.

Der Kampf wirkte die ersten Momente lang unentschieden, aber D'nramar befand sich bereits jetzt in der Defensive, beschäftigt damit, unter Harricans wirbelnden Schlägen und Tritten wegzutauchen oder sie zur Seite zu lenken. Sein Versuch, selbst zur Attacke überzugehen, gab eine Lücke preis. Es war nichts, was anderen aufgefallen wäre, nichts, was in einem hübschen, sauberen Kampf überhaupt groß zur Kenntnis genommen worden wäre, aber Harrican hielt in diesem Zustand nichts von hübsch und sauber. Er tauchte unter der Klinge des Reinbluts durch, griff mit der Linken nach seiner Schwerthand und drehte sich im nächsten Moment, um die Hand über die Schulter mitzuzerren und seinen Gegner von den Füßen zu reißen. Er zerrte die Hand weiter nach vorne, ließ seinen Ellbogen auf den ausgestreckten Arm niedersausen und hörte das erste befriedigende Knacken, vermischt mit einem schmerzerfülltem Aufzischen. Es interessierte ihn nicht, dass sein Gegner Macht kanalisierte, dass er den Griff zu lösen versuchte. Nicht ablenken lassen. Die Klinge ließ er fallen. Brauchte er nicht. Als Harrican mit der zweiten Hand zupackte, wuchtete er den Reinblüter über seinen Rücken und schleuderte ihn vor sich. Auf D'nramars Hand, die sich vor ihm zum Machtstoß hochreckte, wurde mehrmals getreten, bis die Finger verkrümmt am Boden lagen. Zwei weitere Tritte in die Rippen, jedesmal von Geräuschen begleitet, die ihn tiefer in Dunkelheit und Gewaltextase trieben. Seine rechte Hand streckte sich wie von selbst aus, seine Trainingsklinge fand den Weg zurück in seine Finger, mehr geleitet von der Macht als von einem bewussten Teil Harricans Verstandes, und dann stieß er zu, wieder und wieder, bis sich die stumpfe Klinge durch die Schulter des Reinblutes gebohrt hatte. Am Rande merkte er, wie die Gegenwehr allmählich erlahmte. Gut so.

Harrican ging in die Hocke, und seine Finger knäulten sich in das lange, braune Haar, ehe er begann, den Kopf auf den Boden der Trainingshalle zu rammen. Einmal – war das Blut am Mundwinkel? -, zweimal – Mit gebrochenem Kiefer redest du nicht mehr so frech, ja, du kleiner Scheißer? -, dreimal – Jetzt siehst du gar nicht mehr so hübsch aus mit der Delle im Knochen. -, viermal – Ihm war bewusst, dass da Schreie tönten, irgendwo, weit weg. Er bekam es gar nicht wirklich mit. War nur Gast in seinem eigenen Körper. Fünfmal, und dann griffen Hände nach ihm, zerrten ihn hoch, sein ganzer Körper mit Macht gesichert, während er spuckte und knurrte und das Tier in ihm verlangte, zum Ende zu bringen, was er begonnen hatte. Das Reinblut, dass in einer Lache seines sich ausbreitenden Blutes lag, rührte sich kaum, aber er konnte das Heben und Senken des Brustkorbs erkennen, und solange das der Fall war, war seine Arbeit verdammt nochmal nicht beendet!

Die Macht, die ihn umpackt hielt, blieb, bis er sein Zittern langsam wahrnahm und seine vor Adrenalin tränenden Augen, und das Blut, dass über seine Kleidung und an seine Hände gespritzt war. Erst langsam wurde ihm bewusst, was geschehen war, und er knurrte leise.

„Kann man mich dafür verantwortlich dafür machen, wenn er abreckt?"

„Nicht, wenn wir jetzt verschwinden.", murmelte Inari, und Harrican nahm ihn beim Wort, ohne noch einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Wenn man seine DNA fand, würde er behaupten, sie hatten trainiert und der Reinblüter hätte immerhin noch geatmet, als sie die Medidroiden riefen. Wie hätte er denn auch wissen sollen, dass die Roten nichts aushalten?


Natürlich konnte sich niemals etwas so entwickeln, wie er es wünschte. D'nramar war gefunden worden, man hatte ihn auf die Krankenstation gebracht, und er lebte. Sogar seine verdammte Schulter hatte man retten können. Harrican wollte sich selbst für seine unsaubere Arbeit hassen, aber das war immerhin auch ein Ansatzpunkt. Bekam er zumindest ein weiteres Schoßhündchen, dachte er.

Sein Stationsbesuch war kurz verlaufen. Er hatte sich die Erlaubnis von Lucra erschleichen lassen, denn Chead hatte ihm in deutlichen Worten mitgeteilt, was er in Harricans Berichten vermerken würde, wenn das Reinblut nicht etwa auf dem Feld fiel, sondern dank ihrer andauernden Fehde.

Er hatte sich einen Stuhl herangezogen und den deutlichen 'Verpiss dich'-Blick des Reinbluts ignoriert, während er sich mit gönnerhaftem Lächeln an die Metallstreben des Bettes lehnte, die angebracht worden waren, um die Bandagen des rechten Arms angemessen in der Luft zu halten.

„Kriege ich keine Begrüßung?" Schweigen. „Gar nicht mehr so vorlaut, D'nramar?... Ist das, weil du weißt, dass ich kein Problem damit hätte, dir auch in dem Zustand dein Genick zu brechen?" Harrican grinste, ehe er fortfuhr. „Ich mach das alles gar nicht wirklich. Krieg es nur als Beobachter mit. Du könntest so viel Schreien, wie du willst, und es würde mich nicht jucken. Also, gibt es keine herablassenden Kommentare, die du mir an den Kopf werfen willst? Irgendwas von Semi-lobotomiert und Affen, vielleicht?" Immer noch Schweigen. Harrican nickte nur, ehe er sich erhob. „Dachte ich mir. Noch hast du die Möglichkeit, dir auszusuchen, mit wem du zusammenarbeitest. Triff diesmal die richtige Entscheidung." Und dann verließ er den Raum.


Er hätte es wissen müssen. Natürlich hatte der kleine Scheißkerl nicht auf ihn gehört. Die Sticheleien ließen nach, als er endlich aus der Medistation verschwand, aber sie verschwanden nicht ganz, und diesmal griff auch D'nramar häufiger zu nonverbalen Mitteln. Harrican würde nie wieder duschen gehen ohne Sorge, irgendjemand könnte spontan das Wasser elektrifizieren.

Er verwendete die Macht zwar nicht in irgendwelchen geheimen beängstigenden Reinblut-Ritualen, aber dafür so intuitiv und geschickt, dass es selbst Harrican manchmal erstaunte. Er selbst konnte es nur dann perfekt, wenn er seinen Körper dafür aufgab, D'ramar dagegen schien sich selbst geschworen zu haben, immer nur so weit abzutauchen, wie die Kontrolle noch in seinen Händen verblieb. Harrican hatte ihn erst wenige Male auf dem Feld erlebt, aber es funktionierte, und er hasste ihn dafür. Die Idee von einem dritten folgsamen machtsensitiven Kriecher war längst Geschichte. Er wollte, dass das Reinblut verschwand.


Die Situation eskalierte tatsächlich an der Front, aber anders, als er es vorhergesehen hatte. Es war Harrican, der die Macht über – oder die Gegner unterschätzt hatte, und seinem wahnsinnigem Abschlachten war ein Ende gesetzt worden, als der Soldat, dem er die Augen in den Schädel hatte drücken wollen, eine der Splittergranaten an seinem Gürtel aktiviert hatte. Nun lag Harrican hier, halb verborgen zwischen den Gräben, und die Luft war so entsetzlich stickig vor Rauch und Blutgeruch. Er fürchtete den Moment, an dem die Leiber unter ihm beginnen würden, sich in der Nachmittagssonne zu zersetzen, und er immer noch lebendig genug war, um den Gestank ertragen zu müssen. Aber sein Körper weigerte sich aufzugeben, und die Macht weigerte sich, ihn gehenzulassen. In halbbewusstem Zustand ließ sie sein Herz pumpen und presste die Haut aneinander, wo der Blutverlust zu stark war. Harrican hatte weder Talent noch Ahnung von Heilung, aber selbst er wusste, dass das, was er da probierte, seinen Körper innerhalb von kurzer Zeit zugrunderichten würde. Vermutlich hatte er schon irgendetwas zerrissen, was potentiell lebenswichtig war. Aufhören konnte er dennoch nicht. Noch etwas, was ihn aus der Heimat begleitet hatte.

Als er spürte, wie die bekannte Präsenz näherkam, begann sein Herz wieder schneller zu pumpen.

„Inari?" Seine Kehle fühlte sich wund und durstig an, und seine Stimme war entsetzlich schwach, aber das unterband den Hoffnungsschimmer in seiner Brust nicht. Er legte mehr Kraft in seine Stimme.

„Inari, ich bin noch am Leben... hol die Medics hier rüber. Brauche Kolto. Dringend." Die Worte kamen schnappend, hektisch zwischen rasendem Atem hervorgestoßen, und er konnte nicht verstehen, wieso der Sith da immer noch stand, als hätte er nicht gehört, die Arme verschränkt. Hatte er ihm nicht den nötigen Respekt bereits eingeflößt?

Inari beugte sich zu ihm herunter, und nun konnte Harrican verschwommen das Lächeln erkennen, dass auf seinen Lippen lag.

„Ich werde dir sagen, was du brauchst." Ja. Kolto. Hatte er sich irgendwie undeutlich ausgedrückt oder war dieses unnütze Stück Dreck nur taub? Zuerst wollte sein Gehirn es nicht ganz erfassen, als Inari nach seinem Lichtschwert griff und die rote Klinge aufflammen ließ, dann kam die Panik mit voller Wucht zurück. „Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, zu jedem Wort von dir Ja und Amen zu sagen? Das ich es genossen habe, dem ach so großen Harrican unter die Stiefel zu kriechen? Glaubst du, ich hätte es auch nur eine Sekunde lang gemacht, hättest du dich nicht hinter deiner Macht verkriechen können?" Auf die letzten Worte hin verzerrte sich sein Gesicht. „Ich hoffe, du verreckst qualv-" Er stockte. Leises, irritieres Ächzen und Blubbern entronn seiner Kehle, und Harrican, dessen Sicht immer noch verschwommen war, konnte inzwischen undeutlich erkennen, wie sich sein Oberkörper und Bauch unter der leichten Rüstung grotesk auszudehnen schienen. Machtschild... das Machtschild des Sith war geschwächt, und irgendwer nutzte die Gelegenheit, um da im Inneren seines Körpers etwas anzustellen.

Harrican zuckte zusammen, als das ganze Körpergebilde auseinanderbrach und auf ihn herabregnete. Er schloss die Augen ergeben. Sein Magen war relativ resistent, aber das hier wollte er nicht im Detail sehen. Genügte, es auf seinem Gesicht zu spüren.

Als er blinzelte, war D'nramar an die Stelle Inaris getreten, und Harrican lächelte sardonisch. Vom Regen in die Traufe... sagte man nicht so?

„Tu mir... einen Gefallen... und spar dir... die dramatische Ansprache." Er würde nicht bettelnd sterben. Noch nicht. Nicht, solange da ein Funken Stolz und Widerstandskraft in ihm war.

Das Reinblut klaubte das Lichtschwert auf, deaktivierte es und zögerte einen Moment, ehe es sein Com zückte. War das bereits ein Fiebertraum? War er schon an der Schwelle des Todes?

Er war noch wach, als die Sanitäter zu ihm eilten und mit der Notversorgung begannen, und die Worte, die das Reinblut gemurmelt hatte, wollten nicht aus seinem Kopf verschwinden.

„Im Gegensatz zu ihm bist du zumindest kein komplett unfähiger Volltrottel."


Sie hatten dem Frontkommando gegenüber beide geschwiegen. Castor aus vermutlich recht nachvollziehbaren Überlegungen heraus, und Harrican... warum eigentlich? Er hätte ihn verraten können. Hätte ihn verraten sollen. Vielleicht wäre er das verhasste Großmaul so endlich los geworden. Er wusste selbst nicht, was ihn dazu bewegt hatte, auch wenn der geringe Teil von ihm, der zur Introperspektive fähig war, fürchtete, es könnte etwas mit den Worten des Reinbluts zu tun haben. Im Gegensatz zu ihm bist du zumindest kein komplett unfähiger Volltrottel... Er war beinahe versucht zu fragen, ob die Betonung hierbei auf komplett, unfähig oder Volltrottel liegen sollte, aber das ließ sein Stolz nicht zu. Bisher hatte er seine Welt zuverlässig in Jäger und Opfer einteilen können, aber D'nramar war... Was eigentlich? Jäger im Beutemantel? Beute im Jägermantel? Seine Hilfe konnte nicht an der vergangenen Machtdemonstration liegen, denn die hatte keine richtige Wirkung gezeigt, soweit er sich entsinnen konnte, und dennoch war es dieses verdammte Reinblut gewesen, dass ihn gerettet hatte, und keiner der Sith, deren Gehorsam er sich sorgfältig herangezüchtet hatte. Harrican hätte ihn selbst gefragt, wäre er sich nicht sicher gewesen, dass das Reinblut ihn einen Spinner genannt und gegen seine allgemeine Welteinteilung gewettert hätte. Scheiß-Besserwisser.

Er sah seine Chance gekommen, als er einen Abend den separaten SIth-Aufenthaltsraum der Kaserne betrat und dort das Reinblut erblickte, bequem in einem der Sessel lümmelnd und die Augen aufs eigene Pad gerichtet, dass sein Gesicht in fahles Licht tauchte.

Harrican begab sich zur kläglich ausgestatteten Bar herüber, während er sich bemüht beiläufig erkundigte: „Eine der Übertragungen von RBR?" Soweit Harrican wusste, war die Sendung nicht nur unter den Soldaten sehr beliebt. Wer konnte, setzte seinen Sold in den Wetten, die vom bloßen Sterben der teilnehmenden Sklaven reichten bis dahin, wer wohl als nächstes welche Gliedmaßen verlieren mochte. Leises Rascheln erklang, als das Reinblut seinen Kopf schüttelte, während Harrican die Flaschen aus dem Schrank kramte.

„Geht um eine Ausstellung von Villin Blake in Dromund Kaas." Harrican runzelte die Stirn, während er den Rum großzügig mit einem der pappsüßen Softdrinks mischte und zum Reinblüter hinüberschielte. Was tranken die eigentlich?

„Nie gehört. Ein Feldherr?"

„Nein. Künstler. Stilrichtung Romantik." Harrican schnaubte leise, versuchte aber gar nicht erst in Worte zu fassen, wie entsetzlich langweilig und albern das klang. Kunst. Noch so eine Sache, die niemanden außer adelige Imperiale mit zu viel Geld und zu wenig Beschäftigung interessierte.

Er entschied, dass die Rothäute vermutlich dem Whiskeygesöff etwas abgewinnen konnten, und durchstöberte den Schrank, bis er eine der billigeren corellianischen Sorten in der Hand hielt und großzügig mit Kräuter-Honig-Likör auf Whiskeybasis vermengte. Auf die Eiswürfel verzichtete er, soweit er wusste, würde er hier ohnehin keine finden.

Während beide Gläser vor ihm herschwebten, begab er sich zum Reinblut zurück und ließ sich auf dem freien Teil der Sofalounge nieder. Als sein Gegenüber keine Anstalten machte, dass eigene Glas zu ergreifen, schnaubte er ärgerlich.

„D'nramar, jetzt nimm das Scheißding an, ehe ich es dir über dem Kopf ausschütte." Der Sith blinzelte auf die Worte hin etwas verdutzt, kam ihnen aber tatsächlich nach und griff nach dem Glas.

„Castor. Nicht 'D'nramar'." Harrican versuchte gerade noch, diese plötzliche Information in sein Weltbild einzufügen – D'nramar hatte einen Vornamen? - als der schon vorsichtig kostete und das Gesicht verzog.

„Schmeckt gewöhnungsbedürftig."

„Vielleicht, weil du so ein verwöhnter Scheißer bist, Cas.", gab Harrican zurück und fühlte sich fast ein wenig in seinem Stolz als Mixer verletzt, auch wenn er selbst Whiskey genausowenig ausstehen konnte. Ob das kurz Angebundene ihm so viel besser gefiel als die wunderhübsch gesetzten Bandwurmsätze, darüber war Harrican sich noch nicht ganz im Klaren. Es erschien ihm zumindest keine unangenehme Änderung.

„Es ist 'Castor'." Trotz der Berichtigung konnte Harrican erkennen, wie die Mundwinkel des Reinbluts zuckten. Seltsam. Er hätte wetten können, zu so etwas wie einem ehrlichen Lächeln wäre der andere gar nicht fähig. Schließlich schnaubte Harrican nur.

„Also... Cas..." Das Wort wurde nachdrücklich betont, ehe er fortfuhr. „Wie machen wir jetzt weiter? Versuchen wir noch, uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit irgendwelche Körperteile zu zertrümmern... nur weil du meine Überlegenheit nicht anerkennen kannst?" Castor hatte das Pad inzwischen sinken gelassen und trank mit bemüht steinernem Gesichtsausdruck, auch wenn man ihm ansehen konnte, dass das Getränk tatsächlich keinesfalls seinem Geschmack entsprach.

„Servierst du Leuten gewohnheitsmäßig scheußliche Drinks, ehe du zu den Geschäftsverhandlungen kommst? Ist das eine neue Art, deinen Gesprächspartner weichzuklopfen?" Harrican fühlte sich ertappt. Dumme Angewohnheit? Bei seinem Vater hatte das mit dem Alkohol funktioniert? Aber das ging die Rothaut wohl kaum etwas an.

„Ich weiß nicht, ob ich dich überhaupt in den Reihen meiner Schoßhunde haben will. Nach der Sache mit Inari..." Obwohl er sich bemühte, den herrschaftlichen Tonfall beizubehalten, hatte er das Gefühl, er befände sich in der Defensive. Musste der Blick des Reinbluts sein. Castor hatte, ganz entgegen seinen absolut nichtigen und nutzlosen Fähigkeiten, die unangenehme Angewohnheit, sein Gegenüber zu fixieren, als würde er ihn fressen wollen. Nicht im Ganzen, vielleicht nur das Gehirn. Und dann hoffen, dass all die kleinen Geheimnisse und Gedanken von ihm selbst in Scheibchen gekaut und untersucht werden konnten. Harrican sammelte sich wieder. „Man könnte es mit einem Waffenstillstand versuchen. Keiner von uns beiden versucht mehr, den jeweils anderen umzubringen."

„Waffenstillstand, hm? ...Soll mir recht sein." Er versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, eine Zusage zu bekommen. Ein Teil von ihm hatte das Gefühl, dass das Reinblut ihm momentan lebendig fast lieber war, trotz der unerträglichen Arroganz.

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