Pepper (2)
Das erste Mal kam wieder Leben in die Gruppe, als das laute Krachen ertönte. Selbst das Mädchen war inzwischen verstummt, und nun war es ihr Freund, der zusammenzuckte und sich erkundigte: „Sind das die Imperialen? Sind sie wieder zurück?" Castor tastete stumm um sich, ehe er meinte:
„Das war das Haus gegenüber, glaube ich. Eingebrochen. Muss am Feuer liegen." Ihre Blicke wandten sich zur Kellerdecke über ihren Köpfen hin, und der Stein sah plötzlich weniger vertrauenserweckend aus als vorher. Die Wärme hatte soweit zugenommen, dass es unangenehm heiß schien, und Castor schwitzte unter seiner Pelzkleidung, aber machte keine Anstalten, etwas davon abzulegen.
Als der erste Rauch durch die Kellertür drang, die in der Mitte allmählich glühte, hatte er noch Sorgen gehabt, aber bislang schien sich das tödliche Gas nur an der Decke des Kellers zu sammeln. Wenn er spürte, dass die Luft zu knapp wurde, würde er die anderen Personen töten müssen. Eigentlich sollte er es jetzt schon tun, sollte den Sauerstoff für sich und Zabree aufbewahren, aber er fühlte sich zu müde dazu. Vor seinen Augen tanzten noch flackernde Gestalten, eine junge Frau, die ihr Kind schützend und schutzsuchend an sich gepresst hielt, während sie beide loderten.
Inzwischen kam das Schluchzen von einem der DAW-Jungen, während seine Kumpels danebensaßen und nur betreten in die Ferne starrten. Hin und wieder murmelte er etwas über seine Mutter, aber Castor konnte nicht verstehen, was, und machte sich auch nicht die Mühe, genau hinzuhören. Als das ferne Donnern erklang, hob das Mädchen, dass sich inzwischen leergeweint hatte, ihr rundes, fahles Gesicht. „Wieder eines der Häuser?" Castor tastete eine Weile, aber als das Donnern ein drittes Mal erklang, sparte er sich die Mühe.
„Keines der Häuser." Die alte Frau in ihrer Ecke murmelte hastig vor sich hin. Vielleicht betete sie. Ihre faltigen Lippen bewegten sich rasch, stießen leise, gehetzte, flehende Worte in einer Sprache hervor, die er nicht verstand.
„Sie gehen echt sicher, dass ihnen niemand entwischt. Kein Rebell, kein Zivilist, nichts Lebendiges... das nenne ich imperiale Gründlichkeit." Die Worte wurden hasserfüllt ausgespuckt, von einem der DAW-Jungen, dem das strähnige blonde Haar in einem wilden Mohawk vom Kopf abstand. Keiner antwortete ihm.
Sie schwiegen, drückten sich aneinander, während das Donnern und Krachen und Tosen näher und näher kam, und als das erste Poltern durch den Boden ging, weil eines der Häuser in der Straße einstürzte, begann das Mädchen zu schreien. Sie presste die Hände gegen ihren Kopf und schrie und schrie und schrie. Die Beben kamen rascher, häufiger, auf jedes zusammengestürzte Haus eines, und Castor konnte ab und zu das leise Pfeifen der Raketen vernehmen. Als es über ihren Köpfen krachte, zog er Zabree gegen die Wand und setzte sich vor sie, während er um sie beide herum Machtdruck aufbaute. Es war ein schwacher Schutz, aber besser als die Hilflosigkeit, die er spürte.
Wieder Surren. Diesmal war das Krachen ohrenbetäubend laut, und die Decke über ihren Köpfen bebte und bröckelte. Kurz glaubte Castor, sie könne halten. Dann vernahmen sie Knacksen und Brechen, und Staub rieselte auf ihre Haare. Im nächsten Moment platzten Stein und Schutt auseinander, glühende Stützbalken und Wände fielen herab. Etwas landete auf Castors Rücken, presste ihm die Luft aus den Lungen, und er schrie, als er es mit Macht packte, um es von sich zu heben. Was immer da auf ihn gefallen war, hatte ein gutes Stück gerösteter Haut mitgenommen.
Er drehte sich um, presste den Rücken gegen die Wand, auch wenn die schon lange nicht mehr winterkalt war und keine Kühlung bot, und hielt die Macht aufrecht, während mehr und mehr Schutt herabregnete und ihnen die Sicht auf alles andere versperrte. Nicht weit von ihnen kreischte jemand, und Castor spürte den irrwitzigen Impuls zu rufen, derjenige solle seine Klappe halten, er müsse sich hier konzentrieren. Er tat es nicht. Die eigenen Schmerzen hätten ihn wohl halb um den Verstand gebracht, würde er sie gerade nicht zum Kanalisieren von Macht nutzen können.
Irgendwann brach das Geschrei ab, und Castor hatte nur den eigenen, fliegenden Atem, während sie Knacksen und leises Prasseln und sengende Hitze umgab. Er war so versunken, er hatte Zabree beinahe vergessen, als sie murmelte: „Castor?"
„Hm?" Er rieb den Hals gegen die Steinmauer, um den Schal abzustreifen, und half beim Rest seiner Kleidung mit Macht nach. Der Schweiß an sich störte ihn schon lange nicht mehr, aber inzwischen wurde es sehr unangenehm, wenn er auf die offene Wunde traf. Die Luft wurde inzwischen von Geruch nach brennendem Fleisch erfüllt, und er hätte sich sagen können, wie viel davon von den anderen Schutzsuchenden stammte und wie viel von ihm.
„Ich bin so müde, Castor." Seine Muskeln schmerzten, und Castor ignorierte es, als er ihre Machtschutzmauer vergrößerte, gegen Schutt und Staub und glühende Wände drückte, um ihnen etwas mehr Platz zu geben. Im ersten Moment wirbelte es feurigen Rauch auf, aber er stach auch nicht viel mehr auf ihrer Haut, als es die Hitze nicht schon tat.
„Leg dich auf den Boden. Da ist noch Luft." Er selbst rutschte ebenfalls weiter an der Mauer herab. Obwohl er selbst nicht ganz wusste, ob es stimmte, erleichterte es ihn zumindest, daran zu glauben.
„Ich wär so gerne bei Onkel Dan... aber vielleicht gehe ich auch zu Mama. Das wäre nicht schlimm.", murmelte es neben ihm, und Castor hörte sich selbst erwidern: „Deine Mama wird warten müssen."
Später würde er nicht wissen, warum er sich so ans Überleben geklammert hatte. Er wusste es nicht einmal jetzt wirklich. Spontan wollte er sagen, aus Pflichtgefühl. Er hatte Khilen ein Versprechen gegeben und konnte den Gedanken nicht ertragen zu scheitern, aber das wäre zu einfach. Es wäre nur die Version der Wahrheit, die er selbst hören wollte, eine, die zu dem passte, was er darstellte und andere von ihm zu glauben hatten.
Wenn seine Gespräche mit Khilen ihm eines aufgezeigt hatten, dann, dass er weder nennenswerten Beitrag für das Werden und Vergehen in der Galaxis leistete noch dass es irgendwen geben würde, der ernstgemeinte Tränen um ihn vergießen sollte, und das jede Bemühung, sich am Leben zu halten, reiner Egoismus war, ein metaphorisches 'Fuck you' zum Rest der bewohnten Galaxis hin.
Aber diesmal... diesmal war es noch einmal anders, hatte er das Gefühl. Diesmal war Zabree bei ihm, und im Gegensatz zu ihm hatte das Mädchen eher eine Chance verdient, am Leben zu bleiben. Allein schon, weil an ihren Händen noch kein Blut klebte. Vielleicht war es auch das, was ihm den zusätzlichen Antrieb gab.
„Die anderen sind tot, nicht wahr?
„Hm."
„Glaubst du, sie sehen uns zu? Als Geister?"
„Nein."
„Glaubst du nicht an Geister?"
„Nicht an solche."
„Meinst du, sie sind böse auf mich, weil ich noch lebe?" Echte Sorge klang in der Stimme mit, und Castor hätte gerne geseufzt. Kinder und ihre Egozentrik. Aber Seufzen hätte bedeutet, noch viel mehr Rauch und Staub in seine Lungen zu lassen, und dann hätte er vielleicht husten müssen und es wäre hässlich und unangenehm geworden.
„Bree, siehst du den Metallstab an meinem Gürtel?"
„Ich erkenn ein Lichtschwert, wenn ich eins sehe." Das Mädchen klang beinahe verschnupft ob der vermuteten Unterstellung. „Hab schon gewusst, dass du einer bist. Ich bin ja nicht doof."
„Hmhm. Bist du nicht. Machs mal ab." Die Twi'lek machte große Augen.
„Aber ich dachte, man darf sowas nicht halten, wenn man nicht..."
„Du darfst es. Schalte es nur nicht an, sonst versohl ich dir den Hintern." Vorrausgesetzt, es war danach noch genügend Castor übrig.
Das Mädchen hangelte über ihn, und er unterdrückte schmerzerfülltes Aufächzen, als sich das Gewicht kurz auf die verwundete Seite seines Rückens verlagerte. Die Machtanwendung hatte ihn die Wunde verdrängen lassen, zumindest zum Teil. Sich wieder an ihre Existenz zu erinnern war pure Agonie.
Dann war Zabree auch schien wieder weg, hockte sich zurück neben ihn und drehte die stählerne Waffe in ihren Händen, scheinbar einen Moment mit den Gedanken versunken. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf Atemübungen, bis das Wimmern, das noch in seiner Kehle steckte und aufs Loslassen wartete, abklang. Wenigstens weinte er nicht. Hätte er Tränen übrig, trockene die Hitze sie zu rasch.
„Das hält Geister fern, oder?"
„...Richtig. Geister hassen Lichtschwerter." Er war erleichtert, als er merkte, dass seine Kehle tatsächlich Worte formen konnte. Einen Moment lang hatte Castor befürchtet, er würde doch losbrüllen, wenn er die Kiefer öffnete. Der Inhalt dagegen schien ihm irrelevant, solange das Sprechen nur half, bei Verstand zu bleiben.
Bree schloss die Arme um die Waffe wie um ein Stofftier, und er war erleichtert, dass die Druckaktivierung zumindest ein bisschen kindersicher war. Er sah zu, wie das Mädchen sich gegen ihn kuschelte, sein Lichtschwert an die Brust gedrückt, und Anstalten machte, die Augen zu schließen. War da noch Atemluft am Boden? Castor konnte noch Atmen, zumindest bildete er sich das ein. Wie viel Giftstoffe konnte die Macht aus einem Körper säubern? Wie sehr hielt sie ihn am Leben, ohne dass er es bewusst wahrnahm? Aber wenn Bree... sollte sie gehen, was hielt ihn dann noch, trotz schmerzender Muskeln und tauber Gliedmaßen und einem Rücken, der sich anfühlte wie in Feuer getunkt... es wäre so einfach, wegzudriften... Kopf nach oben heben und ein paar tiefe Atemzüge nehmen und die Augen schließen. Ewig würde ihn die dunkle Seite nicht schützen. Spätestens, wenn er den Schild um sie löste und Schutt und Trümmer auf sie herabstürzten, wäre alles vorbei. Castor fand sich ernsthaft in Versuchung.
So schlimm konnten Ruhe und Frieden nicht sein, wenn sie Angst und Schmerzen ein Ende setzen konnten, diesen verdammten Schmerzen, sie nebelten seinen Kopf ein und zerrten an jedem Nerv und bissen sich tief in sein Urteilsvermögen... Dann zischte er.
„Nicht einschlafen, Bree."
„Aber ich bin-"
„Ist mir egal. Bleib wach. Erzähl mir was. Irgendwas." Das Mädchen seufzte, begann dann aber mit stiller Stimme zu berichten. Ihre Augen blieben offen. Immerhin.
Castor wusste nicht, wie viel Zeit vergangen sein mochte. Es war genug, um von Mono zu hören, der in der Kanalisation Kraytdrachen züchtete, die von ihren Besitzern als Babys gekauft und später in der Toilette heruntergespült wurden, und von der Schmugglerprinzessin Carou, und vom alderaanischen Aschenmädchen und vom Schreckgespenst Pepper, dass böse Leute mit Stacheldraht erdrosselte und ihnen hübsche Blüten in die ausgestochenen Augen pflanzte, aber nur, wenn man ihm dafür Schokolade oder Bonbons auf das Fensterbrett legte. Zabree mochte Pepper am liebsten von all den kleinen Schauergeschichten und Märchen ihrer Kindheit. Immerhin tat er Kindern nichts, und diejenigen, die starben, hatten es verdient – zumindest aus kindlicher Logik heraus. Da gab es weitaus schlimmere Gespenster. Castor ließ sich von ihrer Stimme über Schmerzen und Zweifel tragen und war froh, dass sie andere Bilder erzeugte als nur Leiber in Flammen, die sonst über die Innenseite seiner geschlossenen Lider huschten.
Ihm fiel zuerst auf, dass die Hitze nachgelassen hatte. Vorsichtig tastete er in der Macht durch die Trümmer über ihnen, schob sie an einer geeigneten Stelle beiseite und beobachtete stumm, wie die ersten aschegrauen Schneeflocken durch das entstandene Loch zu Boden segelten. Sie waren schon kleine Pfützen, noch bevor sie auftrafen. Zabree hob den Blick mit ihm.
„Gehen wir jetzt nach Hause?" Wieder die traumwandlerische Stimme. Sie glaubte es nicht. Sie stand immer noch vor einem Kellerfenster und sah die Welt in Flammen aufgehen. Das hier war nur eine Illusion, denn sie hatten beide bereits zuviel Rauch geschluckt. Vielleicht lebte sie auch gar nicht mehr. Vielleicht rottete das Mädchen neben ihm auf dem Boden von sich her, während er halluzinierte. Aber wenn das Halluzinationen waren, dann taten sie immer noch beschissen weh.
„Hmhm."
Khilen sah rot, und den beiden Wachen, die ihnen den Weg zum Versammlungsraum versperrten, schien auch nicht ganz wohl in ihrer Haut zu sein.
„Major Orussen hat gesagt, wir sollen niemanden-"
„Das war gestern." Khilens Stimme klang beherrscht, trotz des Hasses, der in ihm brannte. „Inzwischen gibt es keinen Angriff mehr zu leiten, und der Major hatte genug Zeit, sich von diesem Strapazen zu erholen. Es gibt keinen Grund, uns weiterhin eine Unterredung zu verweigern." Die Wache schluckte. Er war Waasier, wie jeder von ihnen, und die Frage, ob es eher seinen Landsleuten zu folgen galt oder dem Imperialen von Außerhalb, stand ihm ins Gesicht geschrieben, ehe er sich räusperte.
„Ich werde dem Major Bescheid geben." Wieder ließ man sie warten. Inzwischen war Khilen sich sicher, dass es Absicht sein musste, als sie nach einer halben Stunde ins Innere gerufen wurden, wo der Major sie lächelnd erwartete.
„Bitte, setzen sie sich, meine Herren." Er strahlte in ihre Gesichter, und zögernd ließ man sich wieder, bis der Major mit blitzenden Zähnen fortfuhr:
„Es gibt keinen Grund für Zurückhaltung, sie dürfen mir durchaus zur gelungenen Operation gratulieren. Wir haben die Rebellen und ihre Anführer nicht nur vernichtend geschlagen, sondern auch ein Exempel statuiert, dass sich einprägsam ins Gedächtnis des waasischen Volkes und der 'demokratischen Alternative für Waasien' gegraben haben sollte, auf dass sie-"
„Wir hatten ihre Anführer.", unterbrach Khilen, und der Mann stockte kurz, ehe er sich ihm wieder lächelnd zuwandte. Khilen wiederholte mit Nachdruck: „Wir hatten ihre Anführer. Wir hatten ihren Bunker infiltriert, als sie noch während der Straßenschlachten Zuflucht suchten, und das Feuergefecht ohne Verluste für uns entschieden. Wir hätten sie mitnehmen können, für saubere öffentliche Hinrichtungen, als die erste Angriffswelle kam. Und gleich nachdem sie über uns hinweg war, erreicht uns die Nachricht-" Khilen merkte, dass er beinahe durch zusammengebissene Zähne sprach, und zwang sich zu deutlicherer Artikulation. „-dass noch weitere folgen würden und wir schleunigst aus der Stadt verschwinden sollten. Keine Gefangenen. Als ich mich erkundigte, ob dieser Befehl von Ihnen kam, wurde mir explizit erwidert, nein, das täte er nicht. Tats'ächlich war der Funkoffizier der Meinung, ihr hättet verlauten lassen, die Ankündigung des Bombardements nicht weiterzugeben." Eines musste man Orussen lassen, sein Lächeln verrutschte keine Sekunde.
„Sicherlich ein Missverständnis... auch wenn ich Ihren Ärger verstehe, Sergeant." Der Titel wurde deutlicher betont, als nötig gewesen wäre. „Soweit ich hörte, haben Sie Frau und Kinder in der Stadt gehabt, und auch wenn es unzweckmäßig sein mag, das eigene Urteilsvermögen davon trüben zu lassen, so ist es doch zumindest eine Reaktion, die wir aus... rein menschlichen Beweggründen... nachvollziehen können. Mein tiefstes Mitgefühl." Manche der anderen Operationsteilnehmer blickten nicht weniger wütend als Khilen, manche sahen betreten zur Seite. Nicht alle hatten Angehörige in Krishniaw gehabt, aber jeder von ihnen wusste, es hätte auch ihre eigene Heimatstadt sein können.
„Dass die von Ihnen genannte Zeitvorgabe unbeachtet gelassen wurde, war auch ein Missverständnis? Ihr Fenster sah 24 Stunden vor und keine acht." Khilen hatte nicht mehr das Gefühl, dass er wirklich wütend war. Er fühlte sich beinahe rational. Seine Überlegung, was es zu verlieren gab, wenn er jetzt aufsprang und Major Orussen sein glänzendes Abzeichen quer in die Luftröhre schob, wurden auf einer säuberlichen, von allen Seiten beleuchteten Pro-Contra-Liste aufgeführt.
Immerhin hatten sie die Berichte gehört, hatten die kalkweißen Gesichter und leeren Augen der Piloten gesehen, die in den Jägern gesessen hatten. Keine Überlebenden. Der Major lächelte wieder, diesmal fast väterlich.
„Fehlkommunikation. In der Tat."
Khilen fühlte sich so ruhig wie selten zuvor, als er sich erhob und auf den Major zuging. Er wusste noch nicht, wie er es machen wollte, aber er wusste, es musste schnell gehen, denn auch wenn tatsächlich jeder einzelne hier insgeheim seine Meinung teilte, so waren sie doch letzten Endes keine Verräter.
Seinen Fehler erkannte er erst, als die beiden Droiden, die die hinteren Raumecken flankierten, auf ihn anlegten, nicht offen, aber auch nicht subtil genug, als dass er nicht hätte erkennen können, dass er tot sein würde, ehe er auf dem Boden aufschlug. Droiden brauchten nicht annähernd so lange wie Menschen, um eine Reaktion mit entsprechender Gegenreaktion zu beantworten.
Nun war es allerdings der Major, der sich ihm näherte, und seine Stimme war gesenkt, während das Lächeln blieb.
„Erinnern sie sich, Khilen? Der 'inkompetente sadistische Wahnsinnige' auf Engra III? Natürlich nicht... für sie war das doch nur ein Nebenvermerk auf einer Akte. Sie haben mich nicht einmal wiedererkannt. Und jetzt werden sie lächeln, mir die Hand reichen und mir zu meinem Erfolg gratulieren, oder ich werde nicht nur ihr Ansehen nachträglich in den Dreck ziehen, sondern auch jeden einzelnen ihrer 'Jungs' zur Erprobung der weiteren Offensivtaktiken heranziehen, die das Imperium auf diesem unbedeutendem Drecksloch von Planeten zu testen wünscht."
Der Hass brannte so unbändig und ohne Ventil durch seinen Bauch, dass Khilen kurz Angst hatte, er würde sich übergeben müssen.
Die Entscheidung – und er wusste nicht, wie sie letzten Endes ausgefallen wäre – wurde ihm abgenommen. Die Wache, die sie zuvor schon eingelassen hatte, stolperte in der kurzen Sprechpause in den Raum und räusperte sich.
„Major Orussen..." Der Kopf des Majors zuckte herum, und sein Lächeln schien einen kurzen Moment lang einen verärgerten Zug erkennen zu lassen.
„Was gibt es?" Die Stimme war schon wieder sicher und wohlmoduliert, und das Lächeln fest. Es verrutschte, als die Tür hinter dem jungen Private wuchtvoll aufgeschlagen wurde und dieser zusammenzuckte. Selbst Khilen war für einen Moment erschrocken, als die Gestalt eintrat.
Der Sith musste frieren, denn bis auf einen traurigen Rest eines Hemdes, Hose und Stiefeln trug er nichts. Allerdings war das auf den ersten Moment nicht gleich zu erkennen – seine Glieder waren so sehr von Ruß geschwärzt, dass es schwer fiel, den Übergang von Haut zu verbrannter Kleidung auszumachen. Die Haare hingen strohig herab, klebrig von Blut oder Öl oder was immer das sein mochte, und wurden am Haupt von einzelnen halbgeschmolzenen Schneeflocken geziert. Die gelben Augen lagen tief in ihren dunklen Höhlen und strahlten dort auf makabre Art und Weise, aber er trug den Kopf hoch erhoben, so wie Khilen ihn kennengelernt hatte, und ließ den Blick über die Versammlung schweifen. Und der Geruch... es war ein Schlachtfeldgeruch, einer, den er von Toten erwartet hätte, nicht von etwas, dass noch auf beiden Beinen stand.
Wäre seine Haltung nicht, Khilen hätte ihn vermutlich zuerst gar nicht wiedererkannt. Die Stimme klang monoton, was den Widerspruch zu seinem Erscheinungsbild nur verstärkte.
„Wer hat das Bombardement befohlen?" Diesmal herrschte Schweigen, bis der Major sich räusperte, nun sichtlich aus der Fassung gebracht.
„Was... um alles in der Galaxis..." D'nramar setzte sich in Bewegung, die Schritte ruhig und gemessen, und der rechte Stiefel schien immer wieder ein 'Kwatsch' von sich zu geben, ein Geräusch, dass Khilen von den eigenen Schuhen kannte, wenn sie sich mit Wasser vollgesogen hatten. Die Abdrücke, die er auf dem Boden hinterließ, waren hellrot. Vermutlich doch nicht nur Wasser.
Inzwischen hob der Major zögernd die Hand, und die Droiden justierten sich neu und richteten ihre Waffen auf den Neuankömmling aus. D'nramar vollführte eine wegwerfende Bewegung, und es riss beide quer durchs Zimmer, ehe sie an der gegenüberliegenden Wand aufprallten und ihre Armgelenke zu ruckeln begannen, als wollten sie sich vom Körper lösen. Nun hatte Khilen die Genugtuung, das erste Entsetzen in den Augen des Majors aufleuchten zu sehen, der dastand wie angewurzelt.
„M-mein Sithlord? Verzeiht, ich hatte euch auf die Schnelle nicht erkannt, ich wusste nicht... ihr wart nicht... wir konnten euch nicht erreichen, wir dachten... So, wie ihr ausseht, wart ihr... Hätten wir gewusst, dass ihr euch noch in der Stadt befindet... euer Lichtschwert, habt ihr..." Er startete jedes Mal aufs neue, brach mitten im Satz ab, und sah auf, als der Sith schließlich vor ihm hielt. Zugegeben, wenn der Junge über und über in Ruß getaucht war und sein Gegenüber um einen geschätzten Kopf überragte, dann fiel es nicht allzu schwer, das Alter einen Moment außer Acht zu lassen. Es war bedrohlich.
„Ihr wolltet etwas sagen?" D'nramars Stimme war freundlich, und die Bewegung, mit der er seine Hand um die Kehle des Majors legte, beinahe sanft. Der Adamsapfel des Majors hüpfte, als er schluckte.
„Mein Sithlord, ihr müsst verstehen... die Operation war ein voller Erfolg in jeder Hinsicht. Es hat ein klares Exempel statuiert und wird eure Tätigkeiten hier in kürzester Zeit zum Abschluss bringen. Ich bedaure es zutiefst, dass ihr persönlich in den Angriff hineingeraten seid, aber wenn ihr das große Ganze betrachtet..."
„Das tue ich." Er lächelte, zumindest nahm Khilen das an. Die Gesichtszüge waren gerade schwer auszumachen. „Ruhm dem Imperium." Dann ließ er die rechte Hand weiter am Gesicht des Majors hinaufgleiten, legte die linke an der anderen Seite dazu und begann, die spitzen Krallen beider Daumen tief in die Augen des Mannes zu bohren. Er ließ sich Zeit und schien das Gezappel, Getrampel und Geschrei nicht einmal groß wahrzunehmen, bis es abbrach. D'nramar stieß die Finger noch einmal tiefer hinein, dann ließ er los, urplötzlich, als würde er sich vor dem Kopf des Mannes ekeln. Orussen sackte zusammen, und das Blut, dass seine Haut um die Augen herum sprenkelte, sah eigenartig tröstlich aus. Khilen hätte es beinahe schön genannt.
Der Sith drehte sich um, und erst jetzt konnte Khilen die großflächige Wunde auf der rechten Hälfte seines Rückens erkennen. Es hatte die Haut beinahe vollständig fortgerissen, und das Fleisch darunter wirkte grau von Asche, aber es erklärte zumindest das Blut. Khilen räusperte sich.
„Mein Sithlord, ihr solltet die Medistation aufsuchen."
„Vermutlich... sollte ich das..." D'nramars Stimme stockte erstmalig, und Khilen trat rasch einen Schritt auf ihn zu, als er begann einzuklappen.
Die Sanitäter, die kurz darauf eintrafen, waren vermutlich zuerst von Orussen kontaktiert worden, begnügten sich aber damit, den Körper in die Medistation zu bringen, der noch atmete. Khilen folgte am Abend, um nach dem Jungen zu sehen, aber er hatte nicht mitseinen eigenen Tränen gerechnet, als er die kleine Gestalt sah, die in dicke Decken verpackt in einer der Betten ruhte, ihre Kinderhände noch von schwarzen, rußigen Linien durchzogen.
Lebendig.
Nachdem Khilen sich vom Schock erholt hatte, verfluchte er sein ehemaliges Ich doppelt und dreifach dafür, dass es den Gedanken an unterstützten Suizid auch nur in Erwägung gezogen hatte.
Orussen hatte von Anfang an veranlasst, dass die Vernichtung Krishniaws aufgezeichnet wurde. Etliche der Kameras, die über die Innenstadt verteilt waren, luden ihr Bildmaterial zusätzlich auf Datenbanken des Holonet hoch, und die Server waren verstreut, vom Feuer unangetastet geblieben und weiterhin abrufbar. Das Bildmaterial war bedrückend und radikal grausam, und man hatte es schon über Holonetzwerke über den Planeten hinaus verteilt. Je nachdem, wer es in den Händen hielt, wurde die Geschichte anders erzählt. Mal zeugten die Aufnahmen von der Kompromisslosigkeit des Imperiums gegenüber schadhaften aufrührerischen Subjekten, mal verdeutlichte es das grausame und inhumane Vorgehen der Imperialen, und beides war nichts weiter als Werbung, die mit Aufrufen endete, sich jetzt in die Armee einzuschreiben und diesem Krieg endlich die ersehnte Wendung zu geben.
Die einzigen, die die Videos tatsächlich beeinflusste, waren die Waasier. Anders war es wohl auch nicht zu erwarten. Die Verhandlungen mit den Republik-sympathisierenden Gebieten waren erschwert, aber in den Städten unter imperialer Kontrolle, in denen es in den vorherigen Monaten noch aufrührerisch gebrodelt hatte, herrschte auf einmal Stille. Niemand wusste von Nichts, und es dauerte nicht lange, bis man im Wochentakt von ehemaligen DAW-Sympathisanten hörte, die an Haltestellen angegriffen waren, die man aus Cafes schmiss und denen man den Zugang zu öffentlichen Institutionen verwehrte. Die Menschen suchten ein Feindbild in ihrer Angst, und Orussen hatte ihnen letzten Endes eines gegeben, was keine öffentlich Hinrichtung der Welt hätte erzeugen können. Khilen wusste das, und es nagte an ihm.
General Sarwo hatte sich mit Fragen zu Orussens Verbleib zurückgehalten. Die Berichte über den tragischen Mord waren eindeutig. Der Major war von einem jungen Private attackiert wurden, seine Leiche verstümmelt. Terroristisches Hassverbrechen, anscheinend ein eingeschleuster Mann des DAW. Selbstverständlich hatte man den Täter der Gerechtigkeit zugeführt, und das entstandene Befehlsvakuum war durch Nachrücken rasch aufgefüllt worden. Khilen selbst zog man inzwischen für den Lieutenant in Betracht, ohne dass ihm viel daran lag.
Vielleicht hätten sie den Sith nicht schützen müssen. Letzten Endes stand D'nramar in der Nahrungskette über Orussen, und es wäre schwer gewesen, ihn aufgrund des Mordes zu belangen... andererseits war Orussen ein geschickter Schleimer, der sich darauf verstand, sich Freunde zu machen. Es war nicht unmöglich, dass sich jemand vom eigenmächtigen Handeln D'nramars auf die Füße getreten gefühlt hätte, und das dieser jemand eine Position innehatte, die ihm ganz andere Konsequenzen bescherte. Ihr Schweigen und die geänderten Berichte war das Geschenk, was die anwesende waasische Führungsriege dem Sith zugestand.
Aber all das war unwichtig für Khilen, wenn er sich Abend für Abend nicht aus dem Zimmer seiner Tochter traute, denn er wusste, sobald er fort war und sie die Augen schloss, kamen die Raumjäger wieder, und sie schütteten Feuer über sie aus, bis Bree lichterloh in Flammen stand. Die Psychologin hatte ihm gesagt, er könne sich glücklich schätzen, dass das Mädchen überhaupt noch sprach. Noch mehr, dass sie überhaupt am Leben war, dass der hohe Sithlord beschlossen hatte, die Stadt nicht allein zu verlassen, obwohl die Rauchvergiftung weit genug fortgeschritten war, dass sie seit langer Zeit bewusstlos gewesen sein musste. Khilen versuchte, sich glücklich zu schätzen, aber ganz wollte es ihm nicht gelingen.
Castor schlug die Augen auf. Er blieb einige Momente lang still liegen, wartete, bis das Herz in seiner Brust nicht mehr raste und die kühle Luft durch den Angstschweiß auf seiner Stirn drang. Nicht, dass er sich beschweren würde. Träumen war Rückkehr, aber im wachen Zustand war er hier und am Leben, und diesen Umstand hatte er nicht vor, von ein paar Bildern in seinem Kopf fressen zu lassen. Er hob den Kopf langsam, als er seinen Besucher erkannte.
„Wir haben den...?"
„Fünfundzwangzigsten, mein Sithlord. Eure Wachpausen werden länger... Man plant euch noch mindestens bis Neujahr hierzubehalten. Euer Körper scheint das Synthfleisch nicht richtig anzunehmen." Castor seufzte still.
„Das sind exakt die Nachrichten, mit denen ich geweckt werden wollte." Khilen schmunzelte und hielt ein bekritzeltes Blatt empor.
„Jemand hoffte, dass würde eure Stimmung aufhellen." Er runzelte die Stirn.
„War derjenige auf Spice, als er das gezeichnet hatte?" Vermutlich konnte er sich glücklich schätzen, dass besagte Künstlerin gerade nicht anwesend war, denn sie hätte auf die Kritik an ihren Bildern entsprechend giftig reagiert. Khilen drückte es ihm nur stumm in die Hände.
„Euer Rücken wird wieder... Das Narbengewebe kann sogar zurückgehen, wenn ihr abwartet. In fünf oder zehn Jahren-"
„Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht vor, fünf oder zehn Jahre zu warten, ehe ich das nächste Mal vor einem anderen Wesen meinen Oberkörper entblöße." Khilen schnaubte leise. Eitler kleiner Narzissist. So viel schlimmer als die anderen Narben war es nun auch nicht.
„Dann überdeckt es. Synthfleisch... meinethalben auch Tattoos, habe ich alles schon gesehen. "
„Hm. Werds mir überlegen." Castor fasste ungelenk hinter sich und schüttelte das Kopfkissen mit der linken Hand aus – die Rechte traute er sich dank seines wunden Rückens nicht groß zu gebrauchen – ehe er die Augen wieder aufs Bild huschen ließ. Es war exakt die Zeichnung, die von einer Achtjährigen zu erwarten war, zumindest, was den künstlerischen Aspekt anbelangte. Das Motiv selbst... er konnte eine Gestalt erkennen, schwarz und rotbraun und in Blut getaucht, die auf einem Fensterbrett hockte und sich gierig etwas in den Mund stopfte, was er mit viel Interpretationsfreiheit als Schokoriegel erkennen würde. Ihre gelben Augen ruhten leuchtend auf ihrem Mitbringsel, dem abgehackten Kopf eines Mannes, dem rote Hibiskusblüten aus den Augen wuchsen und dessen Gesicht eine hübsche Geschenkschleife aus Stacheldraht zierte.
Man hatte ihm erzählt, wie knapp sie beide dem Tod entronnen waren, und besonders Bree war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ansprechbar. Es war sogar fraglich, wie viel von den Ereignissen im Keller real waren und was davon er halluziniert hatte - Die Erinnerungen an ihre Rückkehr waren schon beinahe in Schleier getaucht. Aber zumindest die kruden Kindergeschichten der waasischen Nationen schienen kein Ergebnis seiner Fantasie gewesen zu sein.
Die gekrakelte Bilduntersrift lautete 'Pepper (Bree 9nVC)', und soweit er sich erinnern konnte, hatte die kleine Twi'lek ihm tatsächlich Schokolade mitgebracht am ersten Tag, als er hier in der Medistation erwacht war. Die Bildmotive schienen ein wenig zu eindeutig, um anzunehmen, dass Bree nicht zumindest gehört hatte, was dem Major widerfahren war... Aber er war vermutlich der letzte, der irgendwen über die Behandlung von Kindern belehren konnte. Und während seine Gedanken noch schwammig durch seinen Kopf trieben, fielen seine Augen schon wieder zu.
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