Gift For You


Unser Ausgangspunkt?


>Vyatnym, Dschungelmond mit Rohstoffvorkommen. Bevölkert von kleineren Kolonien und Dorfgemeinschaften, die weder genug Rüstung noch Technologie haben, um dem Imperium etwas entgegenzusetzen.

>Dachte man zumindest.

>Gegner sind fies und werden wohl auch von der Republik mit Waffenlieferungen unterstützt. Kennen das Gelände und den Mond, wissen um Gifte und Fallen und schlagen tödlich und präzise aus dem Hinterhalt zu. Imperium fährt Verluste ein und zieht einen Großteil der Truppen ab – Rohstoffe sind nicht wertvoll genug, der Krieg verlangt an anderer Stelle mehr Frontfutter.

>Was bleibt, sind einige traurige kleine Basen, die eine bereits vorher schwierige Aufgabe nun mit weit weniger Ressourcen lösen sollen.

>In einer dieser Basen befinden sich die Protoganisten unserer Geschichte.

>Castor, bald 20, Reinblut (mehr oder weniger) mit einem weit ruhigerem Mundwerk als zu Beginn seiner Schlachtfelderfahrungen. Leidet dank seines Alters noch deutlich an Hormonen.

>Harrican, gerade 25 und kann geringere Fronterfolge verzeichnen, was er spontan zelebriert, indem er sich so arschig wie irgend möglich gegenüber allem aufführt, was ihm untergeben ist. Zumindest kein geistig verkommener Frontidiot.

>Und zuletzt Lord Frayve, 43, Politiker und Machtmensch. Choleriker. Hedonist. Chronischer Raucher. Glaubt nicht unbedingt daran, sich die eigenen Hände schmutzig zu machen, aber umso mehr an absoluten Gehorsam und Unterwürfigkeit aller ihm Unterstellten. Macht Fehler und neigt dazu, die Verantwortung auf Untergebene abzuschieben – etwas, was bis jetzt niemand nachweisen konnte, weil meistens etwas dazwischenkam.

> Ein Lichtschwert, zum Beispiel.

> Frayve rechnet mit seiner Ernennung zum Darth, wenn er das Bild des Kampfes drehen kann und die erreichten Erfolge für sich beanspruchen kann. Dem entgegen stehen nur wenige Dinge.

> Zum Beispiel sein vollkommen falsches Bild von Kriegsführung, seine mangelnde Eigeninitiative, sein verblendeter Stolz – und zuletzt der Punkt, dass es Sith in seinem Kommando gibt, die bereit sind, über all das Bericht zu erstatten.

>Es ist vermutlich nicht erstaunlich für alle Beteiligten, wenn man anmerkt, dass er keine sonderlichen Sympathien für Castor und Harrican hegt.

> Bisher konnte er allerdings nichts gegen sie machen. Unter anderem, weil beide unter Schutz seines Vorgesetzten stehen, der sie für fähige Kämpfer und Truppführer hält.

> Well, standen.

> Besagter Vorgesetzter wurde leider mit dem Abzug eines Großteils der Truppen auch versetzt. Und nun hat Frayve das Kommando.

> Die Rebellen scheinen unter den imperialen Sklaven Verbündete gefunden zu haben. Nachdem ein Großteil der Vorräte als vermint und vergiftet identifiziert wurden, folgten Massenhinrichtungen, und man verlagerte das Lager sicherheitshalber, ehe man noch einen groß angelegten Angriff provozierte.

> Das neue Lager ist... sehr improvisiert.

> Also, wirklich sehr.

> Leute, Nahrung und Munition sind in schnell errichteten Blockhütten und Stoffzelten untergebracht, die Energiegeneratoren zum Teil höchstens unter Planen verborgen. Der allgemeine Stil des Lagers ist archaisch. Die Klos sind erhöhte kleine Blockgebäude, unter denen große Stahlfässer stehen, die einmal pro Woche in einer Grube ausgeleert werden.

> Werden sollten-

> Dank der inzwischen gesunkenen Sklavenzahlen werden sie nicht so oft geleert, wie es angebracht wäre.

> Ja, natürlich wird das noch relevant!

> Und das wars auch schon. Hier fangen wir an.


Der Rauch schlug kleine Kringel und verlor sich in den Balken, die das improvisierte Dach bildeten, während der Geruch sich im Holz festbiss und in der kleinen Hütte ausbreitete. Harrican schloss die Augen und atmete den schweren, leicht kratzigen Duft des Tabaks fast genussvoll ein, als ihn eine unwirsche Stimme aus seinen Träumereien riss.

„Das Zeug stinkt zum Himmel. Und irgendwann bringts dich um." Er verzog die Mundwinkel unmerklich, öffnete die Augen und drehte sich auf den Bauch, während die raue Matratze unter ihm quietschte.

„Was denn, soll ich für dich lüften, Prinzesschen? Und ich glaub, Lungenkrebs ist das Letzte, um das ich mir gerade Sorgen machen muss." Sein Blick ruhte still auf dem Hintern, der da gerade vor ihm schwenkte. Es war ein unleugbar attraktiver Hintern, trotz gelber Hautfarbe, und wenn er sich ihn sich für sich allein genommen vorstellte, abgeschnitten vom Rest des Körpers, dann könnte er sogar glauben, dass er tatsächlich ein hübsches junges Mädchen in seiner Hütte hatte. Dummerweise brach die Imagination spätestens an der Stelle ab, an der der Besitzer besagten Hinterns sich zu Wort meldete. Selbst mit allergrößter Vorstellungskraft konnte er an der Stimme nichts Weibliches mehr finden.

„Ganz schön große Klappe dafür, dass du gerade noch Frau gespielt hattest." Und schon verschwand der Hintern unter einer Synthech-Hose. „Außerdem hat Lord Monobraue uns noch nicht auf eine erfolgreiche Suizidmission geschickt, also seh ich dein Problem nicht." Castor hob das Shirt vom Boden und streifte es über seinen Oberkörper, während Harrican sich zum Bettrand rollte, die Zigarette auf dem umgestampften Boden ausdrückte – Beton für Böden war in Arbeit, aber sie waren noch nicht lange genug umgezogen, um ihren Quartieren diesen Feinschliff zu verpassen – und den Stummel in die Zimmerecke warf.

„Du sagst es. Noch nicht. Der träumt vermutlich schon von meinem ausgebluteten Leib."

„Irrtum. Ich träume von deinem ausgebluteten Leib. Monobraue plant wohl eher."

„Ach Casi, du weißt, wie man einem Mädchen das Gefühl gibt, etwas ganz besonderes zu sein." Harrican sprach trocken statt verträumt, während er sich auch daran machte, sich aufzusetzen und seine eigene Kleidung aufs Bett levitieren zu lassen. Das „Fick dich." seines Gegenübers überhörte er wohlweislich.


Die harmonischen Momente zwischen den beiden Sith beschränkten sich auf drei bestimmte Gefühlszustände, und auch das schwankte. High von Drogen, high von Macht oder zufrieden aufgrund gelöster Spannungen, wobei zweiteres immer als riskant zu betrachten war. Manchmal war Harrican lammfromm, wenn er Adrenalin und Dunkelheit in seinem Körper abklingen spürte, und manchmal war er solange lammfromm, bis ihm jemand nahe genug kam, um dessen Kehle mit bloßen Händen herauszureißen. Castor nannte ihn unbeherrschtes minderwertiges Frontfutter, Harrican entgegnete, wenigstens sei er keine verfickte Blutsschande, und nur selten ging einer von beiden ohne blutige Nase aus solcherlei Diskussionen. Metaphorisch, versteht sich. Sie prügelten sich nicht tatsächlich vor Soldaten, vor allem nicht, solange die Macht noch genügend andere Methoden bot, einander das Leben schwer zu machen.

Ihr ehemaliger Vorgesetzter war Nichtmachtanwender gewesen, aber er hatte die Spannungen zwischen beiden Sith erkannt, verstanden und dafür gesorgt, dass sie nicht mehr Zeit als notwendig miteinander verbringen mussten. Frayve war weniger klug, und er sah kein Problem darin, beide miteinander auf Patrouille zu schicken. So wie jetzt.

Harrican – dem sich Frayve als Mensch noch eher verbunden fühlte – hatte das Kommando über den zwölfköpfigen Trupp erhalten, und Castor sparte nicht mit leisen, stichelnden Kommentaren, selbst wenn tatsächlicher Feindkontakt bis jetzt ausgeblieben war. Harrican hatte in einer kurzen Ruhepause, unerkannt vom Rest des Trupps, eine Energieladung zum Störenfried geschickt – ein hübscher, simpler 'Halts Maul'-Schock, schwer verkennbar in seiner Aussagekraft – aber Castor legte entweder große Begriffsstutzigkeit an den Tag oder aber wollte nicht verstehen. Inzwischen wünschte Harrican sich nichts mehr, als ihn für die Worte früher oder später ein paar Zähne auszuschlagen, Soldaten hin oder her, und von daher war es wohl ganz gut, dass sie nach einer Weile auf Ablenkung stießen.

Die Soldaten hatten noch nichts gemerkt, aber auch Castor legte plötzliche Anspannung an den Tag. „In den Bäumen.", wollte Harrican murmeln, aber schon der Ansatz kam zu spät. Der erste Schuss fegte durchs Blattwerk und traf einen Soldaten hinter ihm, durchschlug schmauchend den Schutzhelm und ließ ihn umkippen wie eine Marionette ohne Fäden.

„Deckung!", tönte sein erster Ruf, während er sein Schwert zog. Anfangs hatte ihm Shien noch Schwierigkeiten bereitet, inzwischen beherrschte er es durch den andauernden Einsatz beinahe im Schlaf. Die Soldaten hinter ihm stürzten zu Boden, versuchten sich hinter Bäumen zu verbergen, während nun weitere Schüsse auf sie einprasselten. Er selbst vertiefte sich ins Abwehren, zumindest für den Moment.

„Sie sind in den Bäumen!" Der erste schrille Ruf von einem der Soldaten folgte, während Harrican sich auf die Präsenzen konzentrierte.

Er stieß sich vom Boden ab, die Muskeln mit Macht gestärkt, und flog gegen den ersten der Bäume. Seine Füße trugen ihn wenige Schritte an der Rinde entlang, dann half er erneut mit Macht nach. Harrican katapultierte sich seinem ersten Gegner entgegen, der noch in den Zweigen saß und ihn nur verblüfft anstarren konnte. Kam nicht einmal zur Gegenwehr. Offenbar hatte ihn noch niemand über die Fähigkeiten der Sith unterrichtet. Das Lichtschwert beschrieb einen sauberen Halbkreis, und ein Stück Oberkörper wurde ungefähr ab den Schultern abgetrennt. Bevor die Überreste des Mannes zu Boden stürzen konnten, hatte Harrican sie mit Macht aufgefangen und ließ sie um seinen Torso schweben. Davon abgesehen, dass sie hervorragende Schussabwehr boten, hatte er feststellen dürfen, dass sich diese Art Schutzschild hervorragend zur Demotivation seiner Gegner machte.

Die Schüsse fielen noch, aber weiter weg ertönten Schreie, was ihn darauf schließen ließ, dass Castor sich ebenfalls schon ans Werk gemacht hatte. Er atmete einmal tiefer durch, ließ Adrenalin in seine Adern und Dunkelheit in seinen Geist vordringen, dann stieß er sich wieder ab. Nach und nach verschwomm es vor seinen Augen, und alles, was zählte, war sein schlagendes Herz, sein pochender Puls. Springen, auffangen, mit Macht weiterschleudern. Lichtschwert in den Baumstamm rammen, raufziehen, Schütze aus seiner Deckung kicken. Blitzgewitter nach Belieben. Leiche in den Schutzschild aufnehmen. Wieder springen, immer in Bewegung, während die Dunkelheit in seinem Kopf seinen Blick rot färbte.

Den Vierten erwürgte er. Je tiefer Harrican versank, desto unpersönlicher und steriler erschien ihm das Lichtschwert. Er wollte lieber Blut auf seinen Fingern spüren. Viele entsetzten die Geräusche und Gerüche des Schlachtfelds, er selbst genoss sie in diesem Zustand.

Der Sechste versuchte sich hinter dem Baum zu verbergen, und Harrican durchbohrte ihn mit dem Stamm. Dann sah er sich um, ließ seine Sinne schweifen, bis sich ein Grinsen auf seine Lippen legte. Nächstes Ziel gefunden. Er sprang los, das Lichtschwert erhoben.

Mitten in der Luft prallte er auf eine Barriere, die ihm die Luft aus den Lungen trieb und seine Knochen protestieren lies. Einen Moment lang fühlte er sich furchtbar benommen, dann kochte Zorn in ihm hoch.

„Castor?!" Nur der Umstand, dass noch Soldaten zuhören mochten, sorgte dafür, dass er etwaige Flüche und Obszönitäten für sich behielt. Der andere Sith schwächte die Macht ab, und die Barriere verschwand, während Harrican zu Boden sank und in dessen kühle, ruhige Augen sah. Irgendwer musste bei seiner Geburt etwas verwechselt haben. Die kleine Missgeburt hätte Chiss werden sollen, kein reinblütiger Lichtschwertschwinger.

„Das ist kein Feind." Harrican stockte in allem, was er sich bereits geistig zurechtgelegt hatte, um es seinem Gegenüber an den Kopf zu werfen, und ließ den Blick zur Seite schweifen. Tatsache. Die Aura gehörte einem ihrer Soldaten. Aber das hätte er ... er hätte es gesehen. Sicherlich. Rechtzeitig. Kein Grund für diesen halbmenschlichen Huttensohn, ihn wie ein kleines Kind zu behandeln. Er knirschte mit den Zähnen, schaffte es aber, ein Lächeln auf die Lippen zu zwingen.

„Was du nicht sagst, Halbblut. Hälst du mich für blind?" Castors Blick erübrigte die Frage, und einen Moment lang war Harrican sehr versucht, sein Lichtschwert einfach zwischen die Augen des anderen Sith zu bohren. Dann schnaufte er einmal und wandte sich um.

„Haben wir Verluste?"

„Ein Toter, drei leicht verletzt. Sie waren geschickt positioniert, nur zu wenige" Harrican verzog das Gesicht. Lord Frayve scherte sich nicht um Verluste, aber er würde keine Gelegenheit auslassen, sie Harrican vorzuhalten. Und er konnte sich schon jetzt vorstellen, dass es hier nicht bei einer Predigt über Disziplin und Moral bleiben würde. Wenn Monobraue eine Möglichkeit sah, ihn als unfähigen Idioten hinzustellen, würde er sie selbstverständlich nutzen. Dann stockte er.

„Wo sind die anderen?" Castor wandte sich um, und wie er ließ Harrican seine Machtsinne kurz streifen, bis er die bekannten Präsenzen spürte. Sie setzten sich in Bewegung.

Die Soldaten standen in einem Grüppchen gescharrt, und Harrican stieß zwei beiseite, um zu sehen, was ihre Aufmerksamkeit weckte. Dann schluckte er kurz.

Die Uniform ließ sie sofort als Widerstandskämpferin erkennen, und ihre Haltung ließ vermuten, dass sie sich beim Sturz vom Baum schwer verletzt haben mochte. Nicht schwer genug. Ihre Rüstung war zur Seite gerissen, und der Mann, der sich hektisch auf ihr auf und ab bewegte, wurde von zwei der anderen Imperialen angefeuert.

Harrican konnte es verstehen. Wie lange war es her, dass er... das letzte Mädchen mochte noch auf vor Alderaan gewesen sein. Wie lange war das her, eineinhalb Jahre? Sie waren nun einmal Männer, und die lange Zeit allein machte nervös und reizbar und... Er stellte fest, dass er sich unwillkürlich mit der Zunge über die trockenen Lippen fuhr. Die Frau war alles andere als hübsch, aber sie hatte Brüste und Pussy, und wer war er, in dieser Situation Ansprüche zu stellen? Immerhin machten die anderen es auch. Jeder einmal, und-

Bis dahin hatte das Mädchen in einer fremden Sprache geflucht, die Stimme von Ekel durchdrungen, aber seit wenigen Momenten war sie verstummt. Ihre Augen schienen größer zu werden, der Mund öffnete sich zu einem überraschten 'Oh'. Und dann explodierte ihr Schädel.

Es war eine tatsächliche Explosion, wenn auch keine besonders heftige, und während die Soldaten sich entsetzt abwandten, blickte Harrican kurz hinter sich. Immerhin kannte er jemanden, der es bevorzugte, den Machtdruck in den Körpern seiner Gegner zu manipulieren. Castor fing seinen Blick auf und fragte, so leise, dass er es kaum vernehmen konnte: „Was denn? Hätte ich noch warten sollen, bis du über sie drüberrutschen konntest?" Obwohl Harrican den Tonfall nicht vernehmen konnte, meinte er, den immerwährenden Spott beinahe herauszuhören. Er erwiderte den Blick noch kurz wütend, dann wandte er den Kopf zur Seite. Irgendwas an Castor sorgte dafür, dass ein Teil von ihm sich für seine vorherigen Gedanken schämen wollte, ein noch größerer kochte vor Wut. Als wäre dieses verdammte Reinblut besser als sie! Mit Sicherheit hatte er nichts anderes gewollt als der Rest der Männer!

Der Soldat, der noch mit heruntergelassenen Hosen auf der ehemaligen Gefangenen lag, zitterte leicht, während sein Oberkörper rot gesprenkelt von ihrem Blut war, und Harrican spürte sich die Miene verziehen.

„Wisch dir das verdammte Blut aus dem Gesicht, 7. Wir gehen weiter."


Natürlich hatte es eine Standpauke gegeben. Seine Muskeln schienen immer noch leicht zu zucken, wenn Harrican an die Blitze zurückdachte. Der Tod des Mannes war lang und breit ausgewalzt worden – Harrican, der unfähige Führer, könne sein Team anscheinend nicht einmal gegen eine Horde Wilde verteidigen – aber von der Gefangenen wurde kein Wort erwähnt.

Inzwischen hatte er sich nahe der Stapel mit Versorgungsgütern niedergelassen, durchwühlte sein Paket nach Tuben- oder Dosenfutter, das geschmacklich nicht gänzlich widerlich klang, und lauschte den näherkommenden Schritten.

„Siehst angekokelt aus."

„Wann verreckst du endlich?" Castor lächelte schief und ließ sich neben ihm nieder. Wortlos reichte ihm Harrican eine der Tuben – Gemüsekonzentrat. Der Reinblüter konnte Fleisch nicht ausstehen, zumindest nicht kurz nach gewalttätigen Auseinandersetzungen.

„Weißt du... ich wollte sie nicht..." Harrican räusperte sich kurz. Verdammt, was wollte er eigentlich sagen? Er musste sich vor niemandem rechtfertigen! Das er scharf auf die Frau gewesen war, war normal! Nicht jeder konnte so eine gestörte verkappte Schwuchtel wie Castor sein. Er fing sich wieder, fragte stattdessen: „Warum hast du sie umgebracht?"

„Hätte ich sie mitnehmen sollen? In die Fänge des Imperiums? Vermutlich hätten die hier sowieso nochmal dasselbe mit ihr gemacht. Ich habe ihr einen Gefallen getan." Harrican schwieg. Er wusste, dass Castor seine Worte ernst meinte, und es machte ihm Angst, dass das Reinblut das tatsächlich glaubte.


Das Dorf war verlassen, zumindest dem Schein nach. Es musste einer der weitflächigen imperialen Dschungelbombardierungen zum Opfer gefallen sein, denn an etlichen der Stroh-Beton-Hütten sah man die Schmauchspuren und Löcher von Detonationen. Etwaige Leichen hatten die früheren Bewohner wohl schon weggeschafft, gemeinsam mit allem anderen, was noch von Nutzen war. Harrican hatte gelernt, nicht auf den Schein zu vertrauen, aber mehr als Minen war hier nicht zu erwarten.

„D'nramar, Harrican, Beauvier, durchsuchen und Bericht erstatten." Harrican wollte sich gerade zu Wort melden, als nicht weit von ihm die gereizte Stimme erklang. Natürlich nicht von Beauvier - dem Soldaten schlotterten die Knie zu sehr, als das er es gewagt hätte, dem Lord zu widersprechen. Es war selten, dass Freyve sich dazu herabließ, selbst mit auf Patrouille zu gehen, und wenn, dann musste es etwas zu bedeuten haben. Vielleicht auch nur die Hoffnung, endlich zwei Störenfriede aus den eigenen Reihen loszuwerden.

„Ich kann euch schon jetzt sagen, was wir finden werden, mein Lord. Bodenminen. Jede Menge davon. Das Lager ist aufgegeben, da wird nichts von Wert sein." Freyve blickte zum Reinblut herunter, und Castor blickte zurück, ehe sich seine Miene verzog und er ein leises, schmerzerfülltes Ächzen von sich gab. Seine Hände hoben sich unwillkürlich, pressten sich gegen seinen Schädel, und Harrican wandte den Kopf ab. Er hatte schon einmal gesehen, wie Freyve einen Soldaten mit Gedankensplittern gequält hatte, bis ihm Blut aus den Ohren gelaufen war – etwas, was Harrican bis dahin für eine anatomische Unmöglichkeit gehalten hatte.

„Hat noch jemand Fragen bezüglich eurer Aufgabe?", erkundigte sich der Lord ausgesucht höflich, während Castor ein letztes abgehacktes Ächzen von sich gab und dann aufrichtete, den Blick wieder klarer und unmerklich zitternd. Harrican entschied sich für ein Kopfschütteln. Jetzt Aufbegehren mochte den sicheren Tod bedeuten, vermeintliche Minen boten immer noch eine Chance auf Überleben.

Sie bewegten sich langsam ins Innere des Dorfes. Harrican versuchte sich mittels Telekinese leichter zu machen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob das viel helfen würde, wenn es einen der beiden anderen wegfetzte. Sie untersuchten die Hütten flüchtig, aber Castor hatte Recht gehabt – wenn hier jemals etwas von Wert gelagert war, dann war es inzwischen mitgenommen. Sie spielten schon mit dem Gedanken, sich zum Berichterstatten zurückzuziehen, als Harrican die fremde Präsenz verspürte. Er schwenkte seinen Kopf in die entsprechende Richtung und unterstrich die Geste mit einem verhaltenen „Einwohner."

Die beiden Sith hatten ihre Schwerter gezogen, als die Gruppe näher an das Haus traten. Der Eingang war zum Großteil von Schutt bedeckt, und der Gestank in der schwülwarmen Hitze war erdrückend. Harrican würde fast auf verrottende Körper tippen. Allzu weit hatten sich die Dorfbewohner vielleicht doch nicht zurückgezogen.

Sie blieben in ausreichend Entfernung stehen, und zuerst regte sich nichts, dann bemerkten sie schwache Bewegung.

„Stehenbleiben!" Der Soldat schien mit seinen Nerven ebenfalls schon am Ende und hielt das Blastergewehr in tauben Fingern auf den Schutthaufen, aus dem sich langsam eine Gestalt erhob. Dann lies er es sinken.

Die alte Frau war hager, ihre Gesichtszüge eingefallen, und zu den üblichen Falten hatten sich tiefe, dunkle Schatten unter den Augen gesellt. Obwohl Harrican ungern vorschnell urteilen wollte, sah er instinktiv, dass da nicht mehr viel war. Ein Windhauch könnte sie umpusten, wenige weitere fehlende Mahlzeiten würden sie umbringen. Vielleicht war das auch besser so, wenn er den Gestank richtig deutete. Der Soldat vor ihnen ließ ein abgespanntes, erleichtertes Lachen hören.

„Ah... und wer ist das? Oma Vyat?" Er legte das Gewehr über die Schulter und schritt näher. „Wir haben noch Platz für Kriegsgefangene. Du wirst Mahlzeiten bekommen, und einen Platz zum Schlafen, und..." Er musste es als Erstes gesehen haben. Harrican brauchte einen Moment, bis sein Gehirn das Bild für ihn dechiffrieren wollte.

„Und... und... und..." Harrican kannte das Phänomen. Sie nannten es Freeze. Es war der plötzliche Schock, das Adrenalin, das lähmte und die Gedanken vergiftete. Man konnte tatenlos zusehen, wie die eigenen Kameraden abgeschlachtet wurden – in manch einem Fall auch man selbst – während das Gehirn noch vorgaukelte, alles wäre in bester Ordnung, es wäre die einzig richtige Reaktion, dazustehen, stumm oder mit unnötigem Geplapper, und nichts zu tun außer abzuwarten und zu beobachten. Man fühlte sich sogar sicher und bestätigt darin. Beobachtend, analysierend, während man sich mit Gedanken beschäftigte, die rein gar nicht in der aktuellen Situation halfen. Statt wegzurennen oder sich irgendwie zu schützen, erörterte man lieber in Seelenruhe geistig die psychologischen Symptome des Einfrierens.

Die Granate, die die alte Frau gerade noch hinter ihrem Rücken hervorgeholt hatte, detonierte, und das einzige, was Harrican zu seiner Verteidigung sagen konnte, war, dass Castor genauso erstarrt gewesen war wie er.

Sie hatten Glück. Alles, was sie tun mussten, war, nach ihrer Rückkehr Beauvier von ihren Rüstungen zu wischen.


„Mach das aus." Harrican hob die Brauen und pustete den Rauch gen Himmel, während er die Zigarette sinken ließ.

„Wenn du mir den Schwanz lutscht, vielleicht." Castor grinste schmal, und Harrican genoss den Umstand einen Moment, dass sie als Sith zumindest das Privileg hatten, separiert von den Soldaten zu essen. Nichts war schlimmer, als jedes Wort abwiegen zu müssen.

„Aber im Ernst, was findest du an dem Scheiß? Schlimm genug, dass Lord Monobraue so auf dieses Zeug steht." Das war auch an Harricans Gedankenhorizont eine der schwarzen Wolken. Konnte der Lord nicht irgendein Laster haben, dass er nicht zufällig teilte? Gab es nicht genug andere Suchtmittel auf der Welt? Warum konnte er nicht auf Whiskey stehen, oder alderaanisches Weingesöff, oder sonst etwas von den Dingen, die Harrican wiederum überhaupt nicht ausstehen konnte?

„Es entspannt. Solltest du mal probieren, vielleicht lösts deinen Stock im Arsch."

„Vielleicht hab ich lieber einen Stock im Arsch als einen-"

„Jaja, schon gut.", unterbrach Harrican hastig und halb geknurrt. Er schwieg einen Moment, ehe er fortfuhr. „Hab heute für Monobraue nen Bericht abgeben müssen und rasch über seine eigenen drübergeschaut, als er von nem Offizier abgelenkt wurde. Du würdest nicht glauben, in was für Farben der die Scheißsituation und seinen Heldenmut beschreibt. Jede Kriegspropaganda ist ein Dreck dagegen." Castor hob die Brauen, und Harrican verbesserte sich. „Vielleicht weißt du es doch... Der wird nicht zulassen, dass wir jemals nach Hause zurückkehren. Nicht, solange er sich nicht sicher ist, dass wir die gleiche Geschichte erzählen wie er." Castor schwieg einen Moment, ehe er, fast aus dem Blauen heraus, fragte:

„Was wirst du machen, wenn du wieder zuhause bist?" Harrican blinzelte verdutzt. Aber die Frage schien ernstgemeint.

„Hm... Weiß nicht. Vögeln, auf jeden Fall. Vielleicht sogar was Ernstes suchen. Ne hübsche Sith, die was draufhat und parieren kann. Und einen Meister finden, damit ich in Kaas-interne Machtstreitigkeiten reingezogen werde und nie wieder drei Wochen ohne Bad verbringen muss. Stundenlange Meditation ist öde, aber dort gibt's zumindest keine Mücken, die dich zerstechen... Machtbasis aufbauen. Ernst machen und so." Castor grinste und ließ spitz zulaufende, breite Raubtierzähne aufblitzen. Harrican hob den Blick.

„Und du?"

„Weiß nicht. Ich hab das Gefühl, mich wird's wieder zur Front ziehen."

„Du bist der unehrgeizigste Sith, den ich je kennengelernt habe. Und ein Scheißmasochist." Castor schnaubte amüsiert, sparte sich aber diesmal den Atem für große Erwiderungen. Und irgendwo konnte Harrican ihn auch nachvollziehen. Adrenalin, Blutdurst, Eins sein mit der dunklen Seite... nirgends hatte er das so rein und unverfälscht wie hier draußen, wo sich Bindungen und Strukturen auflösten, während man Raubtier spielen durfte. Gegner waren nur Beute. Sie konnten ihn töten, aber aufhalten konnten sie ihn nicht.

„Und du meinst: 'Falls wir nach Hause kommen'.", ergänzte er schließlich, als er gedanklich schon wieder an Frayve hängenblieb. Castor schwieg und nickte schließlich.

„Schonmal nen Lord getötet?" Harrican runzelte die Stirn.

„Hast du vor, ihn herauszufordern?" Er hatte darüber nachgedacht und den Gedanken ad acta gelegt. Frayve hatte viele Laster, aber er war kundig in der dunklen Seite und ein Gegner, mit dem er sich vermutlich nicht messen konnte.

„Sehe ich aus, als wäre ich bescheuert?" Harrican hätte sich die Frage sparen sollen. Soweit er Castor kannte, suchte der den einfachsten Weg, nicht den Ehrenvollen. Aber andererseits gab es keinen einfachen Weg, einen Sithlord umzubringen. Er zögerte.

„Brauchst du Hilfe dabei?" Sag nein, sag nein, sag...

„Ich brauch eine deiner Zigaretten." Harrican blickte ihn verdutzt an, aber er widersprach nicht. Bei der Macht, selbst wenns schiefging und man den Reinblüter exekutierte – solange der nicht Harricans Nahmen ausspuckte, würde er sich nicht beschweren.

Außerdem war er auch irgendwo neugierig, was Castor vorhatte.


Castor war noch nicht lange an der Front, aber die ersten beiden Jahre hatte genügt, um ihn den Reiz heroischer Situationen auszutreiben. Wenn er kämpfte, waren es keine Kämpfe, die irgendwer jemals in Heldenliedern beschreiben würde. Er kämpfte unsauber, unfair, mit Vorliebe in Überzahl, und bevorzugte es von vornerein, es erst gar nicht zum Kampf kommen zu lassen. Niemand, von dem man jemals einer Runde Akolythen mit strahlenden Augen berichten konnte, wie er allein gegen drei Jedi angetreten war oder als Ein-Mann-Armee ein Schiff gekapert hatte. Das Ziel, was er sich inzwischen setzte, war weniger 'gut aussehen' und eher 'am Leben bleiben'. Und trotz aller Dinge, die man sich über den Tod von Lord Frayve berichten konnte, ging er doch vergleichsweise simpel vonstatten.

'Die Schreckensgruben' war der Name, der inzwischen unter den Soldaten für die Tonnen kursierte, die man unter den Häuschen für schnelle Notdurft aufgebaut hatte. Inzwischen könnten die meisten von ihnen Amateurtaucher werden, das Luftanhalten über erstaunlich lange Zeit beherrschten sie problemlos. Die andauernd herrschende Hitze vertrug sich nicht gut mit den eher sporadischen Entleerungszeiten, und die auf dem Planeten heimischen Kleinstlebewesen hatten eine unsauberere Art, Abfälle zu zersetzen. Und auch wenn es natürlich wünschenswert wäre, für die Obrigkeit eigene Gruben auszuheben, mussten sich die Sith mit denselben Häuschen wie alle anderen begnügen. Auch der Lord.

Was blieb übrig? Castor musste natürlich seine Aura ein wenig dämpfen, aber darin hatte er sich geübt, und um die Toiletten herum herrschte ohnehin immer genug Trubel, als dass es sich lohnen würde, dort Machtsinne groß streifen zu lassen. Er musste einen Zeitpunkt abpassen, an dem das Gelände, von Lord einmal abgesehen, größtenteils frei war. War keine Schwierigkeit, die Soldaten hielten sich zu bestimmten Zeitpunkten ohnehin tunlichst von dort fern. Man wollte nicht herausfinden, welche Methoden Lord Frayve noch finden mochte, seine Untergebenen zu quälen.

Der Rest des Plans bestand aus vier relativ einfachen Schritten.

Gehe so nah wie möglich an der ausgewählten Schreckensgrube vorbei. Halte die Zigarette solange über das Feuerzeug, bis das Papier Feuer fängt. Wirf sie halbwegs zielsicher in die Tonne. Renn.


Man hatte nie jemandem irgendwas nachweisen können. Der Schaden konnte repariert werden, vom Lord fand man zumindest noch verkohlte Überreste. Eher nachlässig durchgeführte Untersuchungen förderten eine Zigarette in der Asche zutage, und laut offiziellem Bericht hatte der Lord auf dem Klo geraucht, bis sie ihm aus Unachtsamkeit in die darunterliegende Tonne gefallen war und alles, was darin an Gasen und Abfallprodukten lagerte, entzündet hatte. Vyatnyms Fauna unterstützte rasche Brennbarkeit nur noch zusätzlich.

Obwohl sich jeder Sith gerne mit seinen Taten brüstete, hatte Castor hinterher niemandem außer Harrican jemals von dieser erzählt. Es gab viele schöne, bewundernswerte und aufregende Dinge in dieser Galaxis, aber 'Ich habe einen Sithlord auf dem Klo in die Luft gesprengt' gehörte seines Erachtens nach nicht dazu.

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