6. 14 years (Luné P.O.V)
Fangt bitte von Kapitel 1 in diesem Buch aus an, bevor ihr diesen Teil lest!
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Sirius -dog star, the brightest star
"When I think of how many years it's been since I have seen your face, held you close to my chest or kissed your lips, my hands shake and I can't breathe. Some things don't get easier with time. You just learn how to numb yourself to the suffering."
-Beau Taplin, The Years
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14 Years
"Wakana, gehen Sie hinauf und legen Sie Dirk Cresswell persönlich die Anfrage des Belgischen Ministers vor, wir müssen diese Koboldkrise in den Griff bekommen." Die Absätze meiner Schuhe hallten laut auf dem glattpolierten dunklen Boden des Atriums wieder. Jetzt, kurz nach Dienstschluss, war die weitläufige Halle von weniger Betrieb geprägt und die magischen Fenster zeigten einen Sternenhimmel. In letzter Zeit schien die Magische Zentralverwaltung etwas arg auf friedvoll eingestimmt.
"Dirk soll Morgen um..." Ich sah zu meiner neuen persönlichen Assistentin Lou Ellen.
Diese senkte schnell den Blick auf das Buch in ihren Armen. Mit ihrer hohen Stimme murmelte sie, "Um zehn fünfzig, direkt nach dem Frühstück mit dem Minister, wären siebzehn Minuten frei."
"Wundervoll." Ich sah wieder zu der Hexe Wakana, die hastig mitschrieb. "Dirk soll um zehn fünfzig in mein Büro kommen. Die Koboldkrise kann wirklich nicht weiter aufgeschoben werden und England muss mit Belgien zusammen arbeiten."
Wakana nickte eifrige und eilte dann los, am großen Springbrunnen vorbei, um noch einen Platz in den goldenen Fahrstühlen zu ergattern. Ihre blonden, auftopierten Haare verschwanden zwischen Köpfen und Spitzhüten.
"Lou Ellen?" Im Gehen drehte ich mich halb zu meiner Assistentin. Über uns spannte sich die gewölbte purpurfarbene Decke des Atriums. Nach Bartemius Crouchs Tod hatte mir Fudge den Posten als Leiterin des Büros Internationaler Magischer Zusammenarbeit wie eine Belohnung präsentiert, aber für mich hieß es seit dem Sommer nur Überstunden. Und jetzt hatte mir Fudge auch noch noch Percy Weasley weggenommen, weshalb ich mit Lou Ellen vorlieb nehmen musste, deren Nachnamen ich mir immer noch nicht merken konnte.
"Gehen Sie hinauf in den sechsten Stock und legen Sie Madam Edgecombe meinen Bericht zu der Überlandsnutzung des Flohnetztwerks vor. Das Netz muss dringend ausgebaut werden und wenn sich Frankreich weiterhin weigert, auch ohne sie."
Lou Ellen nickte eifrig, wobei sie sich nicht wie Wakana Notizen machte. Das war auch einer der Gründe, warum ich sie immer nur mit einer Aufgabe losschickte. In meinem Kopf pochte es von all den Gesprächen die ich am Vormittag in Koboldogack geführt hatte.
Meine Assistentin eilte los und ich folgte ihr mit wehendem Umhang zu den Fahrstühlen, wobei ich die Reporter ignorierte, die Kameras und Schreibblöcke aus dem Nichts hervorzauberten. Ohne Genehmigung durften sie sich nur im Atrium aufhalten, weshalb sie dort immer wie eine Schar Tauben auf Brotkrummen warteten.
Am Ende der Halle wartete nur eine kleine Gruppe und als sich zwei goldene Fahrstühle auf einmal öffneten, schob sie sich in den linken und überließen mir damit den rechten.
Innen stand eine große, kantige Hexe, die mit einem Monokel in ihrem rechten Auge eine Pergamentrolle studierte, die bis zum Boden reichte. Sie hatte ihren Unterkiefer vorgeschoben und sah nicht gerade zufrieden aus.
"Amelia?"
Sie hob den Blick und fixierte mich. Ihre tiefe Stimme dröhnte im engen Aufzug, "Luné, auch noch hier?"
"Nun, gewöhnliche Arbeitszeiten scheinen uns nicht vergönnt zu sein."
"Wohl wahr." Sie betrachtete mich prüfend von unten bis oben. Wie ich war sie Mitglied des Zaubergamots, wo ich bereits als eines der jüngsten Mitglieder Schlagzeilen gemacht hatte, und nun war ich mit Dirk Cresswell zusammen auch noch mit 33 eine der jüngsten Büroleiterinnen. Schon von Anfang an war Amelia Bones nicht ganz so harsch mit mir wie mit den restlichen Mitarbeitern umgegangen. "Wie macht sich Emma?"
"Mir wurde mitgeteilt, dass sie sich bereits mit Dolores angelegt hat."
"Umbridge?" Die Falten um Amelias stechenden Augen vertieften sich. "Gutes Kind."
"Ansichtssache.", erwiderte ich und schulterte meine Aktentasche. Der Aufzug fuhr klirrend vom siebten Stock aus weiter. "Kommst du aus dem Zehnten?"
Sie nickte. "Im Gamot ist dank Fudge einiges los, aber das muss ich dir kaum sagen. Alle sind gespannt auf deine Rede am Mittwoch."
"Nicht nur sie.", sagte ich seufzend.
"Es ist eine schwierigere Zeit." Amilias Augen ließen mich nicht los. "Aber ich bezweifle, dass es eine Zeit für Feiglinge ist." Mit einem Rascheln wandte sie sich wieder ihrem Pergament zu.
Ich unterdrückte ein erneutes Seufzen und holte stattdessen ein Memo Blatt aus meiner Mappe. Mit einer schillernden Feder schrieb ich,
J,
Noch im Haus?
-LMR
Gerade als ich den Memo magisch zusammengefaltete hatte, öffnete sich rasselnd die Tür zum Büro für Magisches Transportwesen und nachdem ich den Papierflieger mit meinem Zauberstab angetippt hatte, segelte er aus dem Aufzug und in den engen Gang dahinter davon. Zwei Zauberer traten ein, die sowohl mich wie Madam Bones mit einem Nicken grüßten, bevor sich die Türen schlossen und der Aufzug anstieg.
Ein Stockwerk weiter verließ ich ihn. Mit großen Schritten eilte ich durch die Flure der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit und in den meisten Büros brannte schon kein Licht mehr. In den Räumen des Internationalen Magischen Handelsstandardausschusses herrschte noch der meiste Betrieb. Zwar rannten nicht mehr so viele Mitarbeiter von den unzähligen Schreibtischen zu den Diagrammen und Karten an den Wänden, aber es herrschte noch genug Gewusel um einen Überblick unmöglich zu machen.
An der Glastür fing ich Bletchley ab, der gerade über einer Pergamentrolle brütete. "Wie sieht es aus?"
"Es war kein guter Tag, Madam." Er runzelte die faltige Stirn. "Die Amerikaner haben noch ein Drängen auf die Herabstufung der Einfuhrgenehmigung von Feuerkrabben eingereicht. Und Ungarn hat auch noch eine ganze Fuhre billiger Zauberstäbe angekündigt, die sie umbedingt auf den Markt bringen wollen."
"In ihren Träumen vielleicht." Ich verlagerte das Gewicht meiner Aktentasche. "Schicken Sie wegen den Feuerkrabben eine Anfrage in den vierten Stock und verpassen Sie Ungarn eine Absage. Die Richtlinien für den Handel mit Zauberstäben sind klar." Bletchley nickte. "Und schauen Sie, dass sie alle bald mal nach Hause kommen. Morgen ist auch noch ein Tag und selbst die Amerikaner laufen uns nicht weg."
Ich machte mich zu meinem eigenen Büro auf, welches am Ende des Ganges für Internationales Recht lag. Im Vorzimmer packte mein Sekretär gerade seine Sachen zusammen. Es war ein junger Kerl, der von der magischen Strafverfolgung zu mir geschickt worden war.
"Solomonos, können Sie mir noch einen Kaffe besorgen, bevor Sie gehen?"
Von Bartemius Crouch hatte ich ein Büro hinterlassen bekommen, in dem jeder Stift so akkurat gelegen hatte, wie sein Schnurrbart gestutzt gewesen waren. Das Grau der Wände und Möbel erinnerte mich bei jedem Blick an seine Anzüge.
In meiner kurzen Amtszeit war ich noch nicht dazu gekommen, dem Raum eine etwas weniger Ordnungsfanatische-Note zu geben. Bisher war er nur in meiner Abwesenheit von den ankommenden Memons und Akten bis zum Rand geflutet worden und ich konnte es erst seit letzter Woche wieder betreten. Überall zeugten noch die Pergamentstapel, die selbst vom Boden aus die niedrige Decke berührten, von meiner Mission in auf dem Kontinent.
Inzwischen hatte Solomonos meinen Pergamentfressenden-Papierkorb fünf Mal austauschen müssen.
Ich schlängelte mich zwischen den Stapeln hindurch und drückte mich dann an den Aktenschränken, die beinah jede Wand einnahmen, vorbei zu meinem Schreibtisch. Das Fenster hinter ihm zeigte einen malerischen Halbmond.
"Es ist ein Memo gekommen, Madam." Solomonos brachte beinah einen Stapel zum Einsturz, während er mir eine Tasse schwarzen Kaffe und ein Pergament mit dem Siegel des Ministeriums brachte. "Die Nachricht kommt aus dem sechsten Stock." Er grinste verschwörerisch.
Ohne darauf einzugehen, nahm ich die Nachricht entgegen. Solomonos arbeitet erst wenige Wochen unter mir, aber er wusste bereits, dass er die Memos des Leiters für Magische Transportmittel einfach durchreichen konnte. Womöglich musste ich den Kerl noch einmal daran erinnern, dass er sich zur Geheimhaltung verpflichtet hatte. Es wäre ungünstig, wenn er einem Reporter in die Arme laufen würde und dieser genau die richtigen Fragen stellte.
"Danke, Solomonos, Sie können nach Hause gehen."
"Vielen Dank, Madame." Er sah mich aus großen, jungen Augen an. "Mit Verlaub, aber Sie sehen erschöpft aus."
"Solomonos.", sagte ich warnend, doch der Kerl ließ sich nicht bremsen.
"Natürlich sehen Sie immer noch gut aus, aber die viele Arbeit scheint Ihnen zuzusetzen und immerhin sind Sie und ich kaum nennenswert unterschiedlich...vom Alter her meine ich...und gerade so eine junge Frau..." Er wurde rot und zum Glück schien ihm aufzufallen, was er da sagte. Leise murmelte er, "Madame."
Mein Griff um den Memo wurde etwas fester und mit einem Seufzen sagte ich, "Gehen Sie einfach nach Hause, Solomonos."
"Natürlich, Madame, entschuldigen Sie." Er hastete aus meinem Büro und zog die Tür hinter sich zu.
Stumm fragte ich mich, ob sich Amelia Bones auch mit jungen, verliebten Sekretären rumschlagen musste.
Ich nahm einen Schluck von dem starken Kaffee, der genau die richtige Temperatur hatte, und öffnete den Memo. Die Antwort war kurz,
L,
natürlich, bin aber zum Glück gleich raus. Heute Abend?
-JG
Beim Anblick der vertrauen schwungvollen Schrift breitete sich Wärme in mir aus und ich spürte, wie ich lächelte. Es war, als würde die sanfte Stimme des Verfassers in meinem Kopf erklingen und der pochende Schmerz in meiner Schläfe fühlte sich schon wieder ertragbarer an.
J,
es kann spät werden, warte nicht auf mich.
-LMR
Mit wenigen Schlucken trank ich den Kaffe aus und ließ dabei meinen Blick über den Schreibtisch wandern. Darauf befanden sich keine persönlichen Gestände, schlicht weil einfach kein Platz dafür war. Auch mochte ich den Gedanken nicht, mit Unbekannten Dinge über mich zu teilen.
Beinah automatisch zog ich eine meiner Schubladen auf. Darin lächelte mir meine Tochter auf einem Zaubererfoto entgegen.
Ruby hatte es gemacht. Am Strand, erst in diesem Sommer. Sommersprossen bedeckten Emmas gebräunte Haut und mit ihren dunklen Locken und den grauen Augen erinnerte sie mich so wenig an mich selbst.
Ich schob die Schublade wieder zu und hob dafür den Memo mit meiner Antwort und meine Aktentasche auf. Den vorherigen Memo ließ ich in den Papierkorb fallen, der das Pergament verschlag.
Eigentlich musste er schon gar nicht mehr nachfragen, ob ich kam. Seit Emma wieder in Hogwarts war, gab es für mich keinen Grund um an das Haus an der Küste zurückzukehren. Zwar hatte ich ein Haus in London, doch da hielt ich es selten länger als ein paar Nächte alleine aus. Manchmal fragte ich mich, wie Ruby es aushielt. Allein in ihrer Wohnung und allein mit der Leere.
Vermutlich fragte sie sich nicht wie man es aushielt, sondern tat es einfach.
Ich schloss meine Bürotür mit einem Fingerschnipsen ab. Solomonos Platz war leer.
Draußen auf dem Gang löste sich eine große Gestallt aus dem Schatten und ein zäh aussender Zauberer mit kurzem Borstenhaar stellte sich mir in den Weg.
"Dawlish.", sagte ich trocken. Der hatte mir gerade noch gefehlt.
"Madam Rosendorn", flötete er mit einem mühsam unterdrückten Grinsen. Er liebte diese Botengänge. "Der Minister schickt mich."
"Was Sie nicht sagen."
Meine Worte brachte seine Laune nicht ins Wanken. Er hielt mir einen dicken Stapel Pergaments entgegen, der mit einem limettenfarbenen Seidenband zusammen gehalten wurde. Es wirkte auf mich wie ein groteskes Geschenk.
"Der Minister freut sich sehr auf Ihre Rede am Mittwoch. Immerhin sind Sie ein geschätztes Mitglied der Vereinigung.", sagte er, nun mit einem unverkennbaren Grinsen. Seit der Auror zu so etwas wie Fudges Leibwächter befördert worden war, tauchte er mit Vorliebe bei mir auf. "Diese Papiere sollen natürlich nur eine Hilfestellung für ihre Rede sein."
"Natürlich." Ohne Dawlish aus den Augen zu lassen, ließ ich den Stapel in meine Aktentasche gleiten. "Ich vermute unsere verehrter Minister wird selbst anwesend sein?"
Dawlish nickte.
"Na dann, Ihnen noch einen guten Abend.", sagte ich unmissverständlich und Dawlish trat zu Seite, um mich durchzulassen. Auf dem Weg zu den Aufzügen folgte er mir. "Ist noch etwas?", fragte ich, ohne mich umzudrehen.
"Wohin gehen Sie nun?"
Am Liebsten hätte ich ihm auf diese dreiste Frage nicht geantwortet, aber mit großer Wahrscheinlichkeit wurde jedes meiner Worte weiter getragen. Es machte mich fuchsteufelswild, wie schnell es einer gewissen Frau gelungen war, Fugdes Vertrauen in mich zu vergiften. "Ich muss noch einen Bericht hoch zu Rufus bringen."
"Scrimgeour?", fragte Dawlish und drückte den Aufzugsknopf für mich.
"Ihr Chef.", erinnerte ich ihn mit nüchterner Stimme. Er mochte zwar nun für Fudge arbeiten, aber er war immer noch als Auror Teil der Aurorenzentrale.
"Was wollen Sie dort?"
"Eine Anfrage abgegeben.", erwiderte ich und klopfte auf meine Aktentasche, in der es sanft schepperte.
Der Aufzug kam und wir traten ein. Dawlish schien über eine weitere Frage nachzudenken und ich blendete ihn aus, während die Ansage uns weiter die Stockwerke verkündete.
Natürlich fuhr ich nicht nur hinauf, um die Anfrage abzugeben. Dafür hätte ich auch jemand anderen losschicken können. Es ging um meine Rede am Mittwoch vor der Internationalen Zauberervereinigung. Mit etwas Glück würde ich Kingsley Shackelbolt noch erwischen, bevor er zum Grimmauldplatz aufbrach, an dem ich ihm eher ungern folgen würde.
Die kühle Frauenstimme erklang erneut, "Zweiter Stock, Abteilung für Magische Strafverfolgung, mit dem Büro gegen den Missbrauch der Magie, der Aurorenzentrale und dem Zaubergamot-Verwaltungsdienst."
"Guten Abend, Madam." Dawlish neigte leicht den Kopf, was ich knapp erwiderte, bevor ich den Fahrstuhl verließ.
Die Fenster auf dem Gang der Abteilung zeigten glitzernde Sternenhimmel und ich bog um eine Ecke. Dahinter trat ich durch eine schwere eichene Flügeltür und betrat die Aurorenzentrale.
Zu so später Stunde herrschte nicht mehr so ein Betrieb wie Tagsüber und aus den unzähligen Bürozellen flogen nur vereinzelt Memos auf. An einer Trennwand lehnten zwei Hexen in grellen Umhängen, die mich neugierig musterten, während ich vorbei rauschte, aber sonst waren die wenigen Auroren, die Nachtschicht hatten, in ihren Bürozellen.
Ich steuerte zielstrebig die allerletzte Zelle an und steckte meinen Kopf hinein. Wie jedes Mal, wenn ich Kingsleys Büro besuchte, war der Anblick zuerst ein Schock. Von überall her sah mir Sirius entgegen. Aus Zeitungsausschnitten und auch aus alten Fotos, die ich Kingsley teilweise selbst überlassen hatte. Doch der Stuhl vor seinem Schreibtisch war leer.
"Er ist vor zehn Minuten abgehauen.", sagte da eine Frauenstimme hinter mir.
Ich wirbelte erschrocken herum, nur um mich sofort wieder zu entspannen. Eine große Frau, mit kurzen brauen Haare und einem spitzen Gesicht betrachtete mich aus auffallend hellen Augen amüsiert. Sie trug einen mintfarbenen Umhang.
"Rubina.", murmelte ich und fuhr mir über die Stirn.
"Harter Tag?", fragte sie und verließ ihre Bürozelle endgültig. In ihrer Hand hielt sie eine Ledertasche.
"Nicht schlimmer als andere." Der Schmerz in meiner Schläfe machte sich wieder bemerkbar. "Wo ist Kingsley hin?", fragte ich und beugte mich dabei tief in meine Aktentasche, um den Bericht für den Leiter des Büros zu erwischen.
"Er wollte heute Abend noch kurz in London bleiben.", antwortete Rubina langsam.
London. Das hieß Grimmauldplatz Nr. 12. Ich stöhnte auf und schlug den Weg zu dem einzigen Büro an, welches mit einer Tür abgegrenzt war. "Wundervoll."
"Wir können zusammen hin.", murmelte Ruby und drückte die Tür zu Rufus Scrimgeours Räumen auf. Im Vorzimmer saß noch seine Sekretärin, eine Frau knapp so alt wie ich und mit einer Haltung wie ein Stock. Ich wusste, dass Rufus sie persönlich ausgesucht und dafür Solomonos rausgeschmissen hatte.
"Madeline." Ich erwiderte ihren strengen Blick mit einem knappen Lächeln. "Ist ihr Chef noch im Haus?"
"Er ist in einer Besprechung."
"Mit?" Ich hob eine Augenbraue.
Neben mir antwortete Ruby, "Robards."
"Schade.", sagte ich und erhielt dabei mein Lächeln aufrecht. "Geben Sie ihm das."
Die Sekretärin nahm meine Papiere entgegen und ihr Blick flackerte kurz.
Als wir wieder draußen waren, murmelte Rubina, "Die Leute haben Angst vor dir, wenn du lächelst. Noch mehr als eh schon."
"Na hoffentlich." Wir nahmen wieder einen Aufzug hinunter ins Atrium. In ihm standen bereits zwei Hexen, die anscheinend gerade Feierabend bei Fudge bekommen hatte. Ruby hörte ihrem Gespräch mit gelangweilten Gesicht zu, während ich noch ein paar Memos durch die Gegend schickte.
Im Atrium trat Ruby nur ein paar Schritte aus dem Aufzug, bevor sie apparierte, während ich bis zum Springbrunnen ging, und dann das selbe tat.
Ein paar Umdrehungen später kam ich direkt auf einer Schwelle einer zerkratzten, schwarzen Haustür auf. Ruby stand neben mir.
"Herrlich.", murmelte ich, während sie den Zauberstab hob und gegen das Holz klopfte.
Das bekannte Klacken und Klirren dauerte ein paar Sekunden, bevor die Tür zum Grimmauldplatz 12 aufschwang. Wir liefen schweigend durch die Eingangshalle und als ich die Tür zur Küche öffnete, verdrängte ich jedes aufkommende Gefühl und setzte die Miene auf, die gewöhnlichen jeden auf Abstand hielt.
In dem langen Raum saßen nur drei Männer am schweren Holztisch. Vermutlich hatten wir das Abendessen gerade verpasst, denn noch lag der Geruch nach Essen in der Luft.
Beim unserem Eintreten drehte sie die Köpfe und ich zuckte zusammen, als meine Augen Sirius' trafen. Schnell wandte ich mich ab.
"Kingsley.", sagte ich und schloss die Tür wieder hinter Rubina. "Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir entkommen?"
"Niemals." Er lachte sein tiefes Lachen und zauberte zwei weitere Weingläser zu den bereits auf dem Tisch stehenden. "So etwas würde ich mir nicht im Traum einfallen."
"Natürlich." Ich stellte meine Aktentasche auf den Tisch und ließ meinen Blick über die verstreuten Pergamentblätter schweifen. Dann setzte ich mich neben Remus und nahm das von Kingsley angebotene Glass an. Dabei spürte ich Sirius' Blick auf mir. "Hallo Remus." Ich wandte mich an meinen Sitznachbar. "Lange nicht gesehen."
Remus Lupin lächelte schwach. Seit unserer letzte Begegnung sah er noch abgekämpfter aus. "Ein Auftrag hat mich ziemlich in Anspruch genommen."
Ich seufzte und legte ihm kurz meine Hand auf den Arm. Armer Kerl.
Der große schwarze Zauberer mir gegenüber sah mich abwartend an und ich ließ mit einem Fingerschnipsen die Papiere, die Dawlish mir gebracht hatte, auf dem Tisch erscheinen.
"Ich schätze jetzt einfach mal die sind von Fudge?", fragte Kingsley und zog an dem limonenfarbene Seidenband. Sein goldener Ohrring schimmerte im Feuerschein.
"Wie bist du darauf nur gekommen?", erwiederte Ruby mit einem trockenen Lachen und setzte sich neben Sirius.
Automatisch sah ich zu ihm und dieses Mal hielt ich dem Blick aus den eingesunkenen Augen länger stand. Seit unserem letzten Treffen musste er ein paar Malzeiten gehabt haben, denn seine Wagen waren nicht mehr so hohl, aber trotzdem war sein Gesicht eingefallen und ich konnte kaum Spuren von dem hübschen Jungen aus meiner Schulzeiten darin entdecken.
"Wie läuft's mit dem Minister?", fragte Remus und nippte an seinem Wein.
"Seit Umbridge weg ist besser." Ich massierte meine Schläfe. "Zumindest bekomm ich jetzt wieder Einladungen zum Essen und bei der Versammlung aller Büroleiter nächste Woche hat er mich als Vorsitz eintragen lassen."
"Dafür darf Umbridge jetzt durch Hogwarts stolzieren.", murmelte Rubina und ließ eine Schale mit Erdnüssen aus dem Nichts erscheinen. "Sie ist echt die letzte Person, die ich auf Kinder loslassen würde."
"Du hättest es verhindern können.", erwiderte ich mit einem Schulterzucken.
"Oh ja." Ruby schnaubte. "Ich als Lehrerin, grandiose Idee von Dumbledore. Remus ist dafür bestimmt, ich hätte nur das Schloss in Brand gesteckt, wenn ich versucht hätte irgendeinen Zauber zu zeigen."
Neben mir hob Remus eine Augenbraue, "Wir haben ja gesehen, wie gut das mit meiner Bestimmung geklappt hat."
"Idiot." Ich schlug ihm sachte gegen den Arm. "Die Schüler haben dich geliebt. Lydia regt sich bis heute über deinen Abgang auf und ich bin mir sicher, sie legt sich deshalb immer noch regelmäßig mit Severus an."
Ein Lächeln tauchte auf seinem verhärmten Gesicht auf und er senkte den Blick.
"Schade eigentlich, dass Fudge dich nicht geschickt hat.", sagte Kingsley und sah mich nachdenklich an.
Nun war es an mir zu Schnauben, "Das hätte Umbridge nicht zugelassen."
"Aber du hättest den Job schon nicht ungern gemacht, oder?"
"Vermutlich nicht, nein." Ich zuckte mit den Schultern.
"Du als Lehrerin?" Sirius sprach zum ersten Mal und seine Stimme klang heiser. Ich sah ihn an, doch bevor ich mir eine Erwiderung ausdenken konnte, antwortete Ruby.
"Mit dem Blick kannst du Gonni locker Konkurrenz machen." Sie grinste mit funkelnden Augen. "Einer davon und der Kurs schweigt. Wie nennt ihn Emma noch mal?" Sie sah zu Remus.
Dieser legte kurz den Kopf schief, dann sagte er mit einem Lächeln, "Ministerinnenblick."
"Wie bitte?" Empört schnappte ich nach Luft.
"Sie hat recht." Kingsley schüttete uns Wein nach. "Damit hast du sogar Rufus kleinbekommen und das heißt was."
Ich schüttelte den Kopf und trank einen Schluck von dem Wein. Er schmeckte teuer und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Sirius die Weinvorräte seines Vaters geplündert hatte. Vermutlich drehte sich Orion Black im Grab rum. Bei dem Gedanken musste ich lächeln.
"Bestimmt hätte sich Emma gefreut ihre Mutter als Lehrerin zu haben.", murmelte ich nippte erneut an meinem Glas. "Ich kann mir richtig vorstellen, dass sie außer sich vor Freude gewesen wäre."
"Immer so ironisch.", erwiderte Ruby und lächelte trocken. "Alles ist besser als Umbridge. Selbst eine zweite Gonni."
Ich hob eine Augenbraue, ging aber nicht darauf ein, und richtete mich stattdessen auf. "Leider bin ich nicht zum Plaudern gekommen. Am Mittwoch ist die Rede."
"Was für eine Rede?", fragte Sirius. Sein Blick brannte auf meiner Haut.
"Dann halte ich als Mitglied der Internationalen Zauberer Vereinigung eine Rede vor den versammelten Ländern in Wien. Das hier sind Fudges Anregungen." Ich tippte den Stapel an und beförderte dann noch eine Aktenmappe aus meiner Tasche. "Es muss entschieden werden, wie viel ich von...unseren Ansichten einfließen lassen kann."
Sirius nickte langsam und aufmerksam bohrten sich seine Augen in meine, "Was die Rückkehr Voldemorts wäre?"
Überrascht von seiner schnellen Auffassungsgabe hob ich eine Braue. "Die Frage ist, ob ich mich hinter Dumbledore stellen kann, der seine Rede im Sommer gehalten hat."
Remus schüttelte schwach den Kopf, "Sie hat ihn sein Amt als ganz hohes Tier gekostet."
"Mit der Begründung, dass er senil wird.", sagte Ruby mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. "Fudge ist vollkommen außer Rand und Band."
"Rubina." Ich ließ mein Glas sinken. "Er ist dein Chef, genauso wie Kingsleys und meiner. Und wir werden ihn in nächster Zeit nicht aus seinem Amt bekommen."
"Sie hat recht." Kingsley fuhr sich über die Glatze. "Das einzige, was Fudge davon abhält vollkommen außer Rand und Band zu sein, ist Lunés Einfluss auf ihn. Es ist eine der wenigen Waffen, die wir zur Zeit haben."
Ich seufzte und stellte mein Glas ab, "Sein Vertrauen in mich ist gefährdet. Es bleibt mir kaum eine Wahl. In meiner Rede werde ich schwerlich bis über einen Gewissen Punkt hinausgehen können, auch wenn sie uns natürlich die Unterstützung sichern könnte, die wir brauchen. Aber es geht nicht."
"Du wusstest das, bevor du hier her gekommen bist, oder?", fragte Remus und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Ich antwortete nicht.
Nach einer kurzen Stille fragte Kingsley, "Was wäre es mit Janus? Er ist doch auch ein Mitglied, nicht wahr?"
"Janus?" Mein Blick huschte zu Sirius, der die Stirn runzelte. Ich hatte gehofft, sein Name würde nicht in seiner Gegenwart fallen.
"Keine schlechte Idee.", griff Ruby den Faden auf. "Er ist bei weitem nicht so abhängig von Fudge."
"Und sein Familienname bedeutete im Ministerium beinah so viel wie Lucius'." Kingsley klopfte nachdenklich auf den Tisch. "Wenn sich eine so mächtige Familie zu Dumbledores Ansicht bekennen würde..."
"Er muss sich ja nicht gleich bekennen.", sagte Remus mit nachdenklich geneigtem Kopf. "Aber er kann sich durchaus offener zu dem Thema äußern als Luné."
"Wie steht er zu unseren Ansicht?", fragte Kingsley und wandte sich zu mir. An seiner Seite trat Sorge in Rubys Gesicht, als sie sah, wie ich mit Worten kämpfte.
Langsam erwiderte ich, "Seine Ansichten sind...offen. Ich könnte mit ihm sprechen und er würde mir zuhören."
"Er hört dir immer zu.", sagte Ruby sanft. Ich lächelte schwach.
"Von wem sprecht ihr?", fragte da Sirius und ich zuckte gegen meinen Willen zusammen.
An meiner Stelle antwortete Ruby und ich war ihr dafür dankbar. "Janus Greengrass. Er war wie Luné ein Berater des Ministers und ist jetzt Leiter des Büros für Magische Transportmittel. Dank seines Familiennamens ein ganz Hohes Tier in beinah allen Kreisen."
"Aha." Sirius sah mich an. Es fiel mir unsagbar schwer meinen Gesichtsausdruck reserviert zu halten, während ich mich fühlte, als würde etwas innerlich an mir zehren.
"Ich werde mit ihm sprechen." Meine Hände zitterten leicht, als ich mein Glas abstellte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass es Sirius nicht entging. "Es ist schon spät."
"Stimmt." Ruby erhob sich und sah Kingsley auffordernd an.
Einen Moment erwiderte er ihren Blick, dann stand er ebenfalls auf, "Wenn du nichts dagegen hast, können wir gemeinsam das Stück gehen?"
Die Augen meiner Freundin weiteten sich ein Stück, dann lächelte sie knapp. "Wie gut, dass wir so nah wohnen."
Ich war mir nicht sicher, ob sie die Nähe ihrer Wohnung zum Grimmauldplatz oder die Nähe zu Kingsleys Wohnung meinte.
Die Beiden verschwanden mit einem, "Gute Nacht." aus der Küche und plötzlich war auch Remus verschwunden. In mir zog sich etwas unangenehm zusammen, als mir auffiel, dass ich nun mit Sirius alleine war.
Ich senkte den Blick und sammelte meine Sachen ein.
"Luné?" Er kam näher. Ich hörte es zwar nicht, aber ich spürte es.
Langsam hob ich den Blick, "Ja?" Ich hoffte, dass er unter der Kälte in meiner Stimme das Zittern nicht bemerkte.
"Ich habe nachgedacht.", murmelte er und senkte den Blick. Mit seinen Knöcheln fuhr er über das verschrammte Holz des Tisches.
"Wundervoll." Die Pergamentbögen verschwanden in meiner Aktentasche.
"Es geht um Emma...und um dich." Er fuhr sich durch die langen schwarzen Haare. Auf den Bilder, auf denen sie am kürzesten waren, waren wir am glücklichsten. "Merlin, du warst damals ganz alleine. Wenn ich daran denke..." Er hob den Blick und sah mich beinah flehend an. "Luné, ich wollte das alles nicht..." Mit etwas festerer Stimme sagte er, "Du musstest das alles allein durchstehen, das war nie...."
Ich fuhr ihm dazwischen, "Das musst du mir nicht sagen, Sirius. Du musst mir auch nicht sagen, dass du der Grund dafür bist."
"Du bist nicht fair, Luné."
"Das Leben ist nicht fair." Mit bebenden Händen hob ich meine Tasche an. "Etwas, was du nie begriffen hast."
Er sah mich stumm an und da waren keine Erwartungen in seinem Blick, keine Hoffnung auf eine verzeihende Antwort. Vor mir stand jemand, der schon lange nicht mehr in einem Stück war.
Womöglich war in mir noch ein kleiner Teil von Lulu übrig. Von dem 19 jährigem Mädchen, welches an ihrem Geburtstag in seiner Wohnung gewartete hatte. Denn die jetzige Luné-Marie hätte ihm niemals eine Hand auf den Arm gelegt. Heiser murmelte ich, "Es ist spät, Sirius." Sein Name war wie etwas sperriges, großes in meinem Mund, das ich lange nicht ausgesprochen hatte, und doch wurde meine Stimme dabei sanft.
"Lu." Er sah hinunter auf meine Hand und bevor ich sie fortziehen konnte, hat er seine eigene gedreht und sie auf die nackte Haut meines Unterarm gelegt.
Verwirrt starrte ich hinunter auf seine Hand, die sich warm und weich anfühlt. Sie verriet mir nicht wie sein Gesicht, dass nicht mehr der selbe Sirius vor mir stand. Ich sah auf. Die grauen Augen beobachteten mich und ich versuchte mich mit aller Macht daran zu erinnern, dass er nicht mehr der Junge aus meiner Schulzeit war. Nicht mehr der Junge, den ich so sehr geliebt hatte.
Doch die Erinnerungen waren da. Kleine, wie ein heimliches Lächeln im Unterricht oder eine beiläufige Berührung und große, schmerzhafte. Mir fiel das Atmen schwer.
In diesem kurzen Augenblick, in dem wir uns in die Augen starrte, kam es mir beinah so vor, als würde uns nichts mehr trennen. Als wären wir wieder Jungendliche, die in einem Schlafzimmer über eine Zukunft sprachen, die noch so viele Jahre entfernt war. Eine Zukunft, die niemals kommen sollte.
Plötzlich war der Moment vorbei und ich trat ruckartig zurück.
"Es ist spät." Ich hob meine Aktentasche auf. "Und ich muss gehen."
"Weglaufen konntest du schon immer gut.", sagte er schlicht. Es versetzte mir einen Stich festzustellen, dass ich nicht die einzige war, die kalt sein konnte.
"Gute Nacht." Mit großen Schritten verließ ich das Haus erneut und erst als die zerkratze, schwarze Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, atmete ich wieder durch. Meine Hände zitterten, als ich mir über die Unterarme fuhr. Das Prickeln auf meiner Haut verschwand nicht.
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