Chloe

Ashton POV:

Das zersplitternde Geräusch und die lautstarke Diskussion spielte sich noch immer wie eine Dauerschleife in meinem Kopf ab. Ich wollte nach Ladenschluss nur etwas Gitarre spielen, bevor ich nach Hause gehen würde. Die drohenden Worte von Calum hallten mir immer noch im Kopf. ‚Du hast nichts gesehen Stutter, verpiss dich, ansonsten mach ich dir und deinem Dad das Leben zu Hölle. Verstanden?!'. Dabei hat der Fuck Boy der Schule diese Bierflasche nicht einmal geworfen. Ich hätte es viel eher verstanden, wenn Luke auf diese Art und Weise zu mir kommen würde. Doch dieser starrte mich nur vollkommen schockiert und vielleicht auch etwas verängstigt an. Obwohl wir ungefähr 15 Meter auseinander standen konnte ich diesen allzu bekannten intensiven Blick auf mir spüren. Diese großen blauen Augen brachten mich schon immer leicht aus dem Konzept, wenn auch, weil ich nie wusste ob der Blonde nun Sunny Boy oder Bad Boy spielen wollte. Ob er eine ehrliche Person war oder durch nur seine Fassade aufrecht halten wollte, blieb mir wohl ein Rätsel.

,,Mr. Irwin, es wäre schön, wenn sie zumindest so tun könnten, als ob mein Unterricht spannend wäre, auch wenn sie sich nicht mündlich beteiligen können'', ich erschrak, als plötzlich Mr. Harris, der Sport- und Englischlehrer über meinen Tisch lehnte und mich etwas belustigt ansah, als er bemerkte, dass ich wieder aus meiner Gedankenblase zurück im Klassenzimmer ankam. Er erntete einen entschuldigenden Blick von mir.

,,Genau Stutter, rede mal. Wir wollen auch unseren Spaß'', redete Becci dazwischen und zog sich ihr viel zu knappes Oberteil zu Recht, um etwas Aufmerksamkeit von der attraktiven Lehrkraft zu bekommen. Auch wenn ich nicht schwul war, so musste man definitiv zugeben, dass Mr. Harris auf keinen Fall von schlechten Eltern war. Im Gegenteil, die Mädels sprachen in den Schulkorridoren immer vom ‚Lehrerhottie'.

,,Stimmt Beccil. Ich würde mich ja so richtig amüsieren können, wenn du die Klappe hältst'', zwinkerte er ihre etwas zu charmant zu, als er sich wieder zurück zum Lehrerpult bewegte, weshalb sie rot anlief und ihre Augen auf das geschlossene Romeo und Julia Buch auf dem Tisch senkte. Zugegeben, der hat gesessen. Die Klasse unterdrückte sich ein lautes Lachen, konnten sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.

Mr. Harris hatte seine Klassen immer unter Kontrolle; wer widersprach, musste Konter riskieren. Und das war wirklich verdammt cool!

Ich bemerkte wie mir die Blase drückte und stand auf, um zu den Toiletten zu gehen. Unsere Lehrer wollten kein Bescheid, sie meinten, sie es würde mehr stören, wenn wir uns ständig melden, um der ganzen Klasse zu erzählen, dass wir unser Grundbedürfnis stillen mussten.

In den Schulfluren war nicht viel los, aber das was ich mitbekam, waren mal wieder nur zwei Themen; erstens – Niall und seine Bulimie, zweitens – wer zu Hölle nur diesen Podcast führte. Ich hörte zwei Mädels meines Jahrgangs nuscheln, dass ich dieser Scandalmonger sein soll, wegen irgendwelchen Verschwörungstheorien, woraufhin ich nur die Augen rollte, aber wiederum auch in mich hineinschmunzelte. Dass die sich da alle so einen Kopf drum machten. Wahrscheinlich will jeder von sich selbst ablenken, damit bloß niemand denkt, er könne hinter dieser ganzen Aktion stecken.

Als ich die Tür zur Männertoilette öffnete, fiel mein erster Blick auf den Blonden Iren, der sich gerade sein Mund ausspülte. Zudem schlich sich der säuerliche Geruch von Erbrochenem in meine Nase, welche ich reflexartig rümpfte. Übergab er sich jetzt wirklich schon in der Schule? Die Vorurteile, dass nur Mädchen dies taten, erschienen mir gerade umso mehr trügerisch.

Niall blickte mich erschrocken und danach ängstlich an. Seine Wangen glitzerten gefährlich feucht auf und die roten Augen verrieten ihn endgültig. Er weinte. Eigentlich hat er diese Aufruhe um ihn nicht verdient. Er war ein so unscheinbarer Austauschschüler aus Irland, der wirklich freundlich zu Jedem war.

,,Na los.. Mach mich doch auch noch fertig! Reicht ja nicht, dass Becci und Grace mir Kotztüten und ein Diät-Buch ins Fach gelegt haben. Zum Glück gibt es keine Handys mehr'', schniefte er und wischte seine Tränen, mit dem Ärmel seines gestreiften Oversized- Pullovers, wütend weg.

Er wirkte so gebrochen und traurig, dass ich mir unsicher war, was ich tun sollte. Schließlich kannten wir uns ja kaum. Anscheinend konnte er seinen Tränenfluss nicht aufhalten, denn sein Ärmel strich abermals über die Wangen, also tat ich etwas, was Außenstehende sehr wahrscheinlich als unmännlich beurteilen würden. Ich ging auf ihn zu und nahm ihn unsicher in den Arm. Zuerst war ich angespannt, genauso wie er. Doch ich musste nicht lange auf eine Reaktion warten, denn bereits einige Sekunden später entspannte er sich wieder und vergrub sein Gesicht umso mehr in meine Schulter/Halsgrube. Er hatte einen richtigen Heulkrampf bekommen und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, schließlich war sein viel zu dünner Körper geschwächt von der Unterernährung, weshalb ich ihn vorsichtig nach unten begleitete. Nun saßen wir hier, auf dem Boden. Nach circa zwei Minuten schaffte der kleine Ire es sich zu artikulieren.

,, I-ich bin doch nicht krank! Es ist nur, dass ich mich gut fühle, wenn mein Körper leer ist. Ich fühle mich dann irgendwie erleichtert und stolz, weil ich es geschafft habe Disziplin zu wahren. Niemand möchte freiwillig Kotzen! Das ist doch nur als Strafe, wenn ich zu viel gegessen habe. Meistens mach ich das gar nicht mit Absicht. Mir wird in bestimmten Situationen einfach nur übel!''

Am liebsten wollte ich ihn jetzt Fragen, wie es dazu gekommen ist, dass er sich und seinen Körper so bestrafen will. Schließlich wurde er bis zur Bekanntgabe nie gemobbt. Im Gegenteil; man mochte ihn sogar sehr, oder ließ ihn zumindest in Ruhe. Die andere Option wäre ein Hintergrund, der sich privat abspielte und ehrlich gesagt, wollte ich den gar nicht wissen. Da muss nämlich wirklich etwas zugehören, dass man seinen eigenen Körper, sein Kapital freiwillig so kaputt machte.

,,Ashton? Ist alles in Ordnung bei di-...Oh'', Niall schrak hoch, als er in Mr. Harris Augen blickte, wodurch ich mich mitreißen lies und auch schnell aufstand. Sein erster Instinkt war zu fliehen, was sich als schwierig herausstellen würde, denn mein Englischlehrer stand noch im Türrahmen. Für eine Sekunde zeigte sein Blick Mitleid, welches er danach sofort wieder überspielte und in die coole, aber besorgte Lehrer Rolle versetzte. Er wusste es also. Irgendwie war mir die Situation unangenehm, denn ich hatte das Gefühl, dass ich zu solch einem tiefgründigen Gespräch nicht dabei sein sollte. Wir waren immerhin keine Freunde. Deshalb fuchtelte ich unangenehm durch die Luft um anzudeuten, dass ich jetzt gehen würde, was Niall nicht ganz so sehr erfreute.

,,Warte, ich komm mit!" stolperte er über seine eigenen Worte und wollte sich mit mir durch den Rahmen quetschen, was eine Herausforderung war, da die Lehrkraft dort immer noch verweilte. ,,Hier geblieben!'', mahnte er und fasste den viel zu dürren Jungen an die Schulter, der sich ab jetzt nicht mehr vor dem muskulösen Mann wehren konnte. Ich beobachtete wie seine Schultern noch mehr einsackten, der Kopf ebenso. Er fühlte sich erwischt. Danach verschwand ich ganz schnell wieder zurück in den Unterricht, meinte aber noch so etwas zu hören wie;

,,Ich glaube ich brauche ganz dringend Hilfe im Chemieraum'', das war das Codewort für: du bist jetzt offiziell mein Problemschüler und ich lasse dich nicht vom Haken, bis ich dir helfen konnte. Er war der Typ von Lehrer, der meldepflichtige Taten nicht meldete, sondern das Problem an der Wurzel anfasste, nicht wie alle anderen Lehrkräfte, die nur die Symptome behandeln.

Ich hoffte wirklich, dass Niall die Hilfe annehmen würde, denn er war wirklich ein guter Mensch, so wie ich ihn zumindest kennenlernen konnte.

...

Nun aber musste ich mein eigenes Problem wieder vor Augen führen. Wortwörtlich. Eisblaue Augen durchdrangen mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte.

Vor mir stand nämlich der gefühlt zwei Meter große Sunny Boy, allerdings an einem Ort, wo ich ihn nie jemals sehe wollte.

Hinter dem Tresen, im Café der Freundin meines Vaters. Was zum Teufel machte er denn hier?! Hatte ihn jemand verpfiffen? Gott, mein Leben war ruiniert.

Ich hatte mich schon gewundert, dass mein Dad mir keine Nachricht hinterließ bezüglich der zerstörten Fensterscheibe.

,,Hey Ashto-'', ich unterbrach den Oberstufenschüler, indem ich nur meine Hand hob und wütend zu meinem Vater ins Musikgeschäft stapfte. Der Blonde dackelte mir wie ein Welpe hinterher. Anscheinend schien er sich genauso unwohl wie ich zu fühlen. Das geschieht ihm auch Recht!

Mein Vater erkannte mich schon vom Weiten, er sah mich lächelnd an.

,,Hey Ash! Gute Neuigkeiten; Dein Schulfreund Luke hier fragte nach einem Aushilfsjob im Laden. Gott sei Dank gibt es einen schnellen Ersatz für Yillmar. Somit musst du mir nicht mehr das ganze Wochenende helfen. Ist doch Super oder?''

Das Entsetzen war mir ins Gesicht geschrieben. Wie konnte er das mir nur antun?! Wollten die mich eigentlich alle verarschen?

Wütend trat ich gegen das Plattenregal, wobei unabsichtlich der Fuß abbrach und somit die Hälfte aller antiken Platten auf den Boden fielen. Eigentlich hätte ich jetzt einen Anschiss kassiert, aber mein Vater wusste ganz genau, dass Luke und ich keine Schulfreunde waren. Und er wusste ebenso, wie viel mir dieser Laden bedeutete.

Er wollte dem Typen, der ihm seinen Laden kaputt gemacht hat eine Chance geben, es wieder gut zu machen, ohne den Ruf des Jungen kaputt zu machen. An mich dachte hierbei aber keiner.

,,Geh dich Abreagieren und verunstalte nicht meinen Laden, Junge", es war nichts verwunderliches, dass ich ihm nicht antwortete. Meine Eltern wussten beide ganz genau, dass es mir verdammt schwer fiel mich vor anderen Menschen zu öffnen, erst recht vor einem reichen Schnösel, der mit einem goldenen Löffel im Arsch geboren wurde. Der hatte doch so ‚ne richtige Bilderbuchfamilie. Ich hätte kotzen können!

Auch wenn ich am liebsten alles in Schutt und Asche treten wollen würde, rannte ich nach draußen und schlug einfach abermals gegen eine Mauer. Dieses Abteil war nämlich heilig für mich.

Ich liebte es im Musikgeschäft vor mich hinzusummen und an den Gitarrensaiten entlang zu streichen, sodass sich eine schöne Melodie entwickelte. Hier habe ich mir mein zu Hause gebildet, wenn meine Eltern sich unzählige Male gestritten haben, als sie sich trennten. Manchmal schlief ich auch einfach hier, wenn ich es zu Hause nicht mehr aushielt. Obwohl ich der einzige Mensch in diesem großen Laden war, fühlte ich mich nie an diesem Ort alleine. Im Gegenteil. Hier konnte ich mir eine magische Welt zusammenbauen, quasi wie mein eigenes zu Hause. Jetzt wo Luke hier arbeitete, fühlte es sich eher an, als ob sich ein Einbrecher im Raum befindet. Die Zeit, in der ich unbeschwert reden konnte, außerhalb meines Schlafzimmers, war nun endgültig vorbei.

,,Wow, hasst du mich wirklich so sehr?'', Mein Blick wich von der Mauer zu Luke und augenblicklich sah ich in eisblaue Augen, die gefühlt durch meine Seele stachen und es machte mich rasend. Er musste jetzt wirklich nicht so tun, als ob wir die Best Buddies sind. So einen Scheiss kann er mit seiner Freundin oder allen anderen Weibern machen, die auf ihn so abfahren. Trotz allen Versuchen konnte ich seinem Blick nicht standhalten, weshalb ich einfach tonlos zu Seite sah, während mein Brustkorb sich auffällig hob und senkte. Ich würde einfach nicht mehr auf ihn reagieren. Ihn ignorieren und meine Arbeit wo weit es ging ohne ihn absolvieren und dann nach Hause. Es war zwar kein guter, aber immerhin irgendein Plan. Ich würde mich definitiv nicht mit so einem Blender anfreunden.

,,Es tut mir Leid, dass meine Freunde dich so bedroht haben. Das war allein meine Schuld und ich trage dafür die Konseuenzen''

>>Das sehe ich! Arschloch<< antwortete ich ihm in Gebärdensprache und lachte in mich hinein, denn auch wenn ich sie nicht perfekt konnte. So konnte ich ihn immerhin beleidigen, ohne dass er davon mitkriegen würde. Ich habe die Sprache als Kind mal gelernt, weil ich in der Sprachschule einen Jungen kennengelernt habe der Taubstumm war. Allerdings verließ ich die Schule mit zehn, weil sich dort meine Eltern getrennt haben und die Kosten nicht mehr tragen konnten.

Ich seufzte. Wie sollte ich die nächste Zeit nur überleben?

Scandalmonger POV:

Kennt ihr die Redewendung; Erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor man mit dem Finger auf andere zeigen darf?

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie die Leute, die beim nächsten Drama anderer Menschen am lautesten auf sich aufmerksam machen, die jenigen mit den größten und dreckigsten Geheimnissen sind. Aber zum Glück habt ihr ja mich!

Chloe... Chloe, Chloe... Wie geht es dir meine Süße? Liebeskummer? Wegen wem das denn? Doch nicht etwa deinen Halbbruder, oder? Das wäre ja Inzest! Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich hierbei um Photoshop oder zumindest ein großes Missverständnis handeln muss!

Alles Gute und bleibt gesund ihr süßen. Adios, Ciao und Bye von mir. Bis zum nächsten Shitstorm."

[...]
Die liebe Andra kommt leider nicht in Wattpad rein, weswegen ich jetzt für sie übernehme (:

Vielen Dank für die Kommentare und Leser in den ersten drei Kapiteln, wir sind euch super dankbar dafür!

Bleibt gesund ihr Lieben und bis bald :-) lasst uns doch was schönes zum lesen da ❤️

xoxo Michelle

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