Kapitel 9 - Ritter Cavill
Henry
Ich fiel nach dem Training im Fitnessstudio fast ohnmächtig ins Bett. Ich schaffte es gerade so noch, mir die Sachen auszuziehen und Kal ins Bett zu pfeifen. Ich schlief wie ein Stein, bis mich das Klingeln meines Handys weckte.
Müde öffnete ich ein Auge und sah auf das Display. Ohne zu zögern ging ich ran. „Auri, was ist los?" fragte ich mit verschlafener Stimme.
„Henry?" hörte ich sie nur am Ende der Leitung laut rufen. „Henry?" wiederholte sie es ein zweites Mal. Im Hintergrund hörte ich Leute lachen, rufen und jaulen. Ich dächte sogar, sie singen zu hören.
„Am Apparat. Was ist los? Es ist kurz nach zwei Uhr?!"
Auri räusperte sich am Telefon. Dann hörte ich, wie sie versuchte eine Tonleiter zu singen. Tatsächlich klang das alles andere als schlecht. „Auri?" fragte ich vorsichtig nach.
„I've been tryna kick myself back in my body
And tell you sorry, mhm" begann sie plötzlich zu singen und ließ meine Kinnlade nach unten zu klappen. Ich hatte keine Ahnung, was für eine zarte schöne Singstimme sie hatte.
„We've been tryna get us back to where we started - But it's half-hearted.
Fight until the morning.
Little bit in love, then a little bit over
Pushing you away when you're pulling me closer to you
Days are feeling longer
And I really hate that I'm starting to wonder
If it's really worth holding on any longer to you" sang sie weiter und raubte mir damit sämtlichen Atem.
Ich konnte hören, dass sie betrunken war -
Aber, Fuck, wenn sie so klang, wenn sie betrunken war, wie schön war ihre Stimme dann nüchtern? Ich würde nie wieder eine andere Frau singen hören können.
Ich hörte sie tief Luft holen und dann feuerte sie den Refrain heraus.
„But when you're sleeping, you look so pretty
When you touch me, I get all dizzy
And I remember why I'm so in it
I forget all of our flaws
I just want you close
When you look so pretty!" Das Lied wurde mit einem lauten Hicksen beendet, ehe sie am Ende der Leitung lachte.
Alleine das reichte, um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. „Das war unglaublich schön, Darling." gestand ich ihr und setzte mich im Bett auf. Ihr neuer Kosenamen rutschte mir dabei glatt über die Lippen, als wenn ich sie bereits Jahre so genannt hätte. ... So wie ich es in meinen Gedanken schon so oft getan hatte.
An schlafen war jetzt absolut nicht mehr zu denken. Weder für mein Gehirn noch für andere meiner Körperteile, die von Auris Gesang genauso angetan waren, wie mein Hirn.
Ich hörte sie kichern. „Danke, Henry. Ich find einfach dieses Lied passt soooo gut zu uns."
Fuck, sie war wirklich betrunken. Ihre Stimme war ein einziges Auf und Ab und klang alles andere als nüchtern.
Allmählich bereitete sich Unbehagen in mir aus. „Aurelia, seid ihr immer noch unterwegs? Es ist mitten in der Nacht und dein Wecker wird in ein paar Stunden klingen."
„Du bist ja nicht mit-je-kommen!" feuerte sie sofort vorwurfsvoll zurück.
Ich fuhr mir frustriert übers Gesicht. Nein, war ich nicht. Konnte ich nicht. Ich musste trainieren gehen und hatte Chris gebeten, auf sie aufzupassen. Aber allmählich bekam ich den Eindruck, dass Chris eher wild mitgefeiert hatte, als auf sie aufzugepassen.
„Es tut mir leid." sagte ich daher ganz vorsichtig und fragte weiter: „Ist Chris bei dir?"
„Singt mit Andreas zusammen. If I could turn back time."
Ich strich mir frustriert durchs Haar. Es wurde immer später und das Gefühl, dass sie in diesem Zustand in Gefahr war, ließ meinen Bauch verkrampfen. Sie waren alleine und völlig betrunken. Wie hatte Chris vor Aurelia zurück zum Set zu bringen? Fuck. „Aurelia, hör mir zu, du-"
Doch sie unterbrach mich sofort mit ihre sanften zarten Stimme. „Henry?"
Ich hielt an. „Ja?"
„Chris und ich sind nur Freunde."
Ein leichtes Lächeln schob sich auf mein Gesicht. Ich hatte immer gehofft, genau das von ihr zu hören.
„Ich mag dich, Henry. So richtig. Auch mit dieser Superman-Vergangenheit. Ich glaube, ich kann damit schon irgendwie umgehen. Auch wenn es für einen Hardcore-Fan wie mich, echt schwer ist." fuhr sie hicksend weiter.
Ich schnaufte freudig auf und senkte den Blick im Bett. Was würde ich jetzt nur drum geben, bei ihr zu sein? „Du bist ein sehr mutiges Mädchen, Auri und ich danke dir für diesen Mut. Ich mag dich auch. Mehr als du dir vorstellen kannst."
Wieder ein Hicksen am Ende der Leitung. „Irgendwie hab ich es ja schon die ganze Zeit gewusst, aber nach meinem Gespräch mit Chris war's mir dann so richtig klar. So klar wie Wodka oder Tequila oder -"
Jetzt wurde ich hellhörig. „Welchem Gespräch?"
Sie stöhnte frustriert auf. „Na halt das Gespräch, was Freunde führen, wenn sie Freunde werden, Henry!"
"Ach, das Gespräch!" sagte ich im ironischen Ton. Ich hatte absolut keinen Plan, von welchem Gespräch sie sprach.
Aber mein Gott, war sie sternhagelblau. Mir war langsam bewusst, dass ich es wohl sein würde, der sie da rausholen musste. Ich warf die Decke von mir und stand auf. „Wo bist du, Auri? Seid ihr immer noch in der Karaoke-Bar?"
„Jab!" sagte sie stolz.
„Hör zu. Ich hol dich und Chris jetzt ab."
Sie stöhnt laut auf. „Nein! Es ist gerade so lustig hier! Wir haben noch garnicht Moment in Time gesungen! Sei kein Spielverderber, Henry."
Als sie so meinen Namen ausprach, lief mir überrachend ein Kribbeln durch den Bauch bis zu meinen Lenden. Aber aber das war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
„Bin ich nicht. Ich will nur zu dir und sehen, dass es dir gut geht."
„Mir" wieder ein Hicksen, „Geht's jut."
Ich hob eine Braue fragend an, während ich die restlichen Sachen vom Boden aufsammelte. „Du willst nicht, dass ich zu dir komme?"
„Doch!" fuhr sie sofort auf.
Ich grinste zufrieden. „Dann tu mir bitte den Gefallen und geh zurück zu Chris, okay? Ich bin gleich da." Und verfrachte sie anschließend ins Bett. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie furchtbar der Kater in ein paar Stunden bei ihr sein würde.
„Okay." gab sie kleinlaut nach, stockte dann aber für einen Moment. „Kannst du mir vielleicht was zu essen mitbringen?"
Auch das noch. „Wann hast du das letzte mal gegessen?"
Sie gab einen nachdenklichen Laut von sich. „Ich glaube die halbe Bretzel kurz nach dem wir hier angekommen sind."
„Und davor?"
„Ich glaube, das war das Mittag."
Fuck. Leerer Magen und eine Menge Alkohol darauf. Dass Auri nicht schon bewusstlos war, glich einem Wunder. Mit Chris werde ich ein ernstes Wort sprechen müssen. Er sollte doch auf sie aufpassen! Und ein voller Magen bei einer Sauftour gehörte dazu.
„Okay." versuchte ich sanft zu sagen, während ich immernoch die Boxershorts anzog. „Ich bin gleich da. Dann besorgen wir dir was zu essen. Lass dir ein Glas Wasser bringen und trink bitte keinen weiteren Alkohol mehr. Ich würde ungern die Frauentoillette nach dir durchsuchen."
Ihr Seufzen war ewig lang, doch sie bejaht meine Forderung schließlich. "Ja, Papa. Kein Tropfen mehr, bis du daha bist."
Sie versicherte mir anschließend nochmal zurück zu Chris zu gehen und legte dann auf.
Rasch zog ich mich an und beschloss Kal und Dodger, die beide tief schliefen, weiterschlafen zu lassen.
Als ich aus meinem Trailer stieg, schlief der Trailerpark bereits ruhig vor Sicht hin. Nur ein paar Lampen brannten noch. Die Luft war angenehm frisch, sodass es sich tatsächlich gelohnt hatte, den Pullover anzuziehen. Ich lief rasch in Richtung Ausgang des Filmsets.
Kurz vor dem Tor gab es ein paar Autos, die extra für uns Schauspieler da standen, um sie in der freien Drehzeit zu benutzten. Meiner war ein schwarzer Ford. Die Türen waren offen und der Schlüssel steckt noch.
Ich ließ den Motor erklingen und machte das Licht an, ehe ich ins Navi den Namen der Bar angab. Eine Dreiviertelstunde Autofahrt. Ich musste fast komplett bis Madrid.
Na super.
Doch die Fahrt war angenehm. Die Straßen waren leer und ich konnte recht schnell die Bar reichen.
Ich roch bereits den Alkohol, bevor ich die Bar betreten hatte. Mehrere Leute standen außerhalb der Bar, rauchten und unterhielten sich wild.
Ich zog das Basecap tiefer ins Gesicht und trat ein. Ich musste durch einen langen Flur, in denen weitere Menschen standen und sich angeregt unterhielten und auch schon die laufende Musik samt Gesang. Hier und da hörte ich Aurelias und Chris Namen. Die Leute wussten also wer hier war.
Kaum hatte ich die richtige Bar erreicht, hörte ich Chris schon singen. Er stand mitten auf der Bühne und gab sein bestes zu Warwick Avenue.
Aurelia stand allerdings nicht neben ihm.
Ich suchte weiter, drängelte mich zur Bar und suchte weiter nach ihr. In der hintersten Ecke, ganz alleine und zurückgezogen fand ich sie schließlich. Auch wenn sie ihren Cowboyhut tief ins Gesicht gezogen hatte.
Ich quetschte mich durch die Masse hindurch hin zu ihr. „Alles gut?" fragte ich sie, bevor ich vor ihr stehen blieb.
Sie hob den Kopf an und strahlte mich an. „Du bist da!"
Mein Herz machte einen Salto, als ihre Arme meine Mitte fanden, sie mich umarmte und ich mitbekam, dass ihre Stimme schon wieder deutlich nüchterner klang.
Vorsichtig legte ich die Arme um sie herum und drückte sie an mich. „Habe ich doch gesagt, Cowgirl."
Sie drückte ihr Gesicht gegen meine Brust und in diesem Moment fiel der Hut von ihrem Kopf herunter und landete auf ihrem Rücken, wo er durch die Schnüre an ihrem Hals hängen blieb.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so dastanden und es war mir tatsächlich auch egal, ob die Leute von uns so Fotos aufnahmen. Jetzt zählte nur dieser Moment. Sollten sie doch reden und spekulieren, wie sie wollten.
„Immer noch Hunger?" fragte ich irgendwann und löste mich ein Stück weit von ihr.
Sie nickte traurig. „Die Küche hat vor Stunden zugemacht. Ich habe wahnsinnigen Hunger. Ich wollte Chris und Andreas aber auch nicht stören."
Ich gab einen brummenden Laut von mir. So sah aufpassen in meinen Augen nicht aus. „Lass uns Chris einsacken und nach Hause fahren. In nicht mal drei Stunden klingelt der Wecker und ein bisschen Erholung scheinst du auch zu brauchen."
Sie atmete frustriert tief ein. „An die blöde Arbeit habe ich gar nicht mehr gedacht."
Ich wippte mit den Augenbrauen. „Gott sei Dank haben wir aber viele Drehpausen, bei denen du dich aufs Ohr hauen kannst. Ich geb dir auch Deckung. Allerdings wird dich das was kosten. Aber ich bin ja mit Erdbeeren gut käuflich."
Ihr Lächeln wurde verträumt. „Was würde ich nur ohne meinen Ritter Henry machen?"
Ich grinste tief und ließ meine Zähne blecken. „Ich glaube, du hast keine Probleme, alleine zurecht zu kommen."
Ihr schönes Gesicht verzog sich zu einem lasziven Grinsen. „Vielleicht will ich aber nicht mehr alleine zu recht kommen."
Ich streichelte ihr eine lose Strähne hinter ihr Ohr. „Dann bin ich als Ritter gern bereit, der jungen Maid zu helfen, wo ich nur kann. Wenn sie mich denn zu ihrem persönlichen Ritter erklärt."
Sah ich da Tränen in ihren Augen? Nein. Oder doch? Zumindest funkelten ihre smaragdgrünen Augen hell auf. „Macht sie."
Wir versanken erneut in eine Umarmung, aus der ich mich am liebsten nie wieder befreit hätte. Doch selbst durch die laute Musik hindurch konnte ich ihren Magen knurren hören.
Nun lösten wir uns endgültig voneinander. "Okay. Sammeln wir Chris ein und verschwinden von hier. Dieses Leid kann ich mir nicht länger mit anhören."
Sie lächelte mir zu und nahm meine Hand in ihre. Gemeinsam gingen wir zu Chris und einen langgewachsenen Mann, den mir beide als Andreas vorstellten. Kaum schien er erkannt zu haben, wer ich war, flippte er vor Freude beinahe aus.
Prima.
Drei Autogramme und dem Versprechen, dass ich den Tennisplatz zusammen mit Aurelia auch mal besuchen würde, konnten wir alle vier nun endlich gehen - und ich spielte Taxi.
Andreas lud ich auf halbem Wege zurück zum TrailerPark ab. Chris brachten wir bis zu seinem Trailer und versprach ihm, Dodger morgen früh, nach dem Gassi Gehen vorbei zu bringen. Wenn ich ohnehin mit Kal Gassigehen musste, dann konnte ich auch gleich einen zweiten mitnehmen. Und Kal schien Dodger auch zu mögen. Win Win für uns alle drei.
Übrig blieb nun nur noch meine neu erkorene Maid, deren Magen lauter quietschte, als die Bremsen meines alten Jugendfahrrads.
"Hast du noch Essen da?" fragte ich, während wir zum Auto zurückgingen. "Ein bisschen Obst und einen Joghurt. Am Set wird man ja in der Regel vollkommen verpflegt, da kaufe ich mir nur ein paar Sachen für den Sport."
Na super. Mit ein bisschen Obst und einen Joghurt konnte ich sie wirklich nicht zurücklassen. Mit einem Lächeln öffnete ich ihr die Autotüre. "Steig ins Auto, ich hab da eine Idee, wie wir deinen Magen zum Schweigen bekommen."
Ihr Blick wurde neugierig und zugleich auch freudig. Doch auch etwas Skepsis war zu erkennen. Aber sie stieg ein und ließ von mir auch die Türe schließen.
Als ich einstieg, sah ich kurz auf die Amaturenuhr. Es war nach drei Uhr nachts. In nicht mal zwei Stunden würde unser Wecker klingen und wir mussten zum Set. Aber irgendwie würden wir auch diesen Tag schaffen. Vielleicht mit eins, zwei oder fünf Tassen Kaffee mehr.
Ich ließ den Motor erneut aufheulen und fuhr uns vom Filmset herunter, direkt auf die Straße, die in die Stadt führte.
"Wo gehts hin?" fragte sie neugierig nach.
Ich setzte den Blinker und bog links ab auf eine kleine Straße, die uns in die Innenstadt führte. "Tatsächlich war ich vor ein paar Tagen erst hier gewesen und habe durch Zufall einen kleinen Imbissstand gefunden, der damit wirbt, 24 Stunden zu bewirten."
Ihren fragenden Blick auf mich merkte ich sofort. "Burgerladen. Und ja, sie haben auch ein Veganes Angebot. Ich denke dran. Glaub mir." Zumindest gab ich mir größte Mühe damit.
Dieses zuckersüße Lächeln, das mir den ganzen Körper kribbeln ließ, breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Nichts hätte ich gerade lieber getan, als sie für dieses Lächeln zu küssen und ihr zu sagen, dass sie es nie wieder ablegen soll. Doch leider musste ich den Ford noch durch die Straßen jagen und dafür sorgen, dass sie endlich etwas zu essen bekam. "Welch edle Rittertat!"
Ich lächelte ihr zurück und setzte erneut den Blinker.
Als wir ankamen, parkte ich das Auto direkt vor dem kleinen Imbiss, der sich fast an der Straße befand.
Tatsächlich gab es sogar noch Kundschaft, die sich an den runden Stehtischen versammelt hatte und ihre Burger aß.
Der Imbisswagen war mehr oder weniger in Form eines blechernem Wohnwagens gebaut, an dessen Längsseite das Bedienungsfenster war. Uns lächelte ein gut genährter Mann mit Glatze entgegen. Ich befürchtete sofort, dass er wusste, wer wir waren. Doch er ließ sich zunächst nichts anmerken.
„Schönen guten Abend. Was kann man euch verkaufen?"
Aurelia und ich sahen beide auf die große quadratische Tafel, die man vor dem Imbiss platziert hatte. Es gab tatsächlich drei fleischlose Alternativen.
Aurelia bestellte zuerst. „Ich nehme den Akropolis Burger."
„Und ich nehme den Olymia Burger. Und bitte eine große Portion von den selbstgemachten Pommes und zwei mal Wasser."
Der Mann grinste nun so breit, dass man wirklich nicht umhin kam, zu erkennen, dass er tatsächlich wusste, wer wir sind. „Sehr gern! Macht dann siebzehn dreißig."
Ehe ich mein Portmonee aus meiner Gesäßtasche ziehen konnte, hatte sich Aurelia längst vor mich gedrängelt und bezahlte. Der Mann nahm es dankend an, gab uns die Becher mit Wasser und begann dann mit den Burgern.
Ich zeigte auf den freien Picknicktisch, der direkt neben dem Imbiss stand. Auri folgte mir und nahm am Tisch mit gegenüber Platz.
„Ich hoffe, es ist okay für dich, wenn ich mir einen Burger mit Rind bestellt habe."
Sie zuckte mit den Schultern. „Kein Ding. Ich sage da immer Leben und Leben lassen. Kann jeder selbst entscheiden, wie er mit sich und seiner Umgebung leben will." Das klang nicht wirklich so, als wolle sie wirklich tiefer darüber reden, daher nahm ich es an und sah mich kurz um. Insgesamt war für diese Uhrzeit wirklich ein reger Betrieb.
Mindestens zehn Laute standen hier. Zwei weitere kamen gerade an und begutachten die Karte.
Ich hoffte, dass Aurelia nicht enttäuscht wurde. Mir hatte zumindest mein erster Burger hier geschmeckt.
„Isst du gerne Burger? Oder überhaupt deftiges Essen?" versuchte ich es erneut.
Aurelia war schlank. Hatte aber trotzdem die richtigen Kurven. Es war nicht zu übersehen, dass Sport ihren Körper geformt hatte. Aber auch nicht, dass sie ihre Weiblichkeit mochte.
Sie seufzte auf. „Das Thema."
Fuck.
Sie schüttelte kurz den Kopf und nahm einen tiefen Zug aus ihrem Pappbecher. „Ich finde es furchtbar, wenn diese Aussage von einem Mann kommt, dass er unheimlich froh darüber ist, dass sich die Frau keinen Salat, sondern für den Rinderbraten oder das Hüftsteak entschieden hat.
Man verliebt sich doch in eine Person, weil sie genauso aussieht, wie sie sieh aussieht. Wie ihr Charakter ist und nicht, ob sie Salat, frittierten Tofu oder Eisbein isst.
Ja, dieses Bild einer magersüchtigen Frau auf dem Catwalk ist nicht mehr zeitgemäß. Da gehe ich mit.
Aber genau solche Fragen oder Aussagen zwingen doch eine Frau schon wieder dazu, sich unwohl zu fühlen."
„Wieso?" fragte ich sofort nach. Ich hatte mir nie darüber Gedanken gemacht. Ich war meist einfach froh darüber, wenn meine Partnerin eben nicht nur an ihrem mageren Salatblatt hing.
„Weil wir immer wieder mit Druck zu kämpfen haben. Du sollst als Frau schlank und schön sein. Aber bitte nicht zu schlank. Bitte nur zu dick. Du sollst die richtigen Kurven haben, aber bitte auch nicht zu viel Brust und Hüfte.
Du sollst Kinder wollen, sonst bist du egoistisch. Du sollst Karriere machen, aber auch brav Zuhause bleiben, wenn das Baby da ist. Und wenn Kinder, dann mehr als eins, aber bitte auch nicht drei, weil dass dann einfach zu viele wären. Es muss im richtigem Alter mit dem richtigen Partner sein. Aber bloß dabei nicht die Karriere vergessen."
Ich zog verwundert die Brauen an. „Was hat das mit einem Salat zu tun?"
Aurelia seufzte tief aus. „Dass ich eben nicht nur deftig fettig essen kann, um zu zeigen, dass mir das magermodel Bild egal ist. Ich will gesund sein - und dazu gehört nun mal auch Salat. Und wenn ich Hunger auf einen Salat habe, will ich mir den auch nicht verbieten lassen oder doof angesehen werden."
Darüber hatte ich mir nie tatsächlich nie Gedanken gemacht. Ja, die Frauen in Hollywood hatten es nie leicht. Frauen hatten es nicht leicht in dieser Welt. Diesem Schönheitsideal zu entsprechen, den die Männer ihnen legen.
Ohne Aurelia hätte ich es wohl nie so bewusst wahrgenommen.
Gerade sie mit ihrer Rolle als Aelin hatte zu kämpfen. Sie sollte eine unabhängige starke Frau spielen, die junge Frauen und Mädchen inspirieren sollte. Aber dafür musste sie selbst erstmal so werden, um es später in ihrer Rolle auch zu verkörpern. Aurelia schaffte das perfekt.
Ich griff mit meiner Hand über den Tisch zu ihrer. „Das verstehe ich, Auri. Auch wenn ich mir selbst nie wirklich darum Gedanken gemacht habe, wie meine Frage auf Frauen wirkt und was sie beeinflussen kann. Tut mir leid, wenn ich damit ins Fettnäpfchen bei dir getreten bin. So meinte ich das nicht."
Gott sei Dank tauchte ein mildes Lächeln wieder auf ihren vollen schönen Lippen auf. „Ich weiß und es ist auch alles gut. Solange du verstehst, was ich meine und das akzeptierst, ist alles okay für mich."
„Tu ich." versicherte ich ihr.
Wir redeten noch ein wenig weiter bis wir die Pommes und die Burger bekamen.
Mir lief sofort das Wasser im Munde zusammen. Es roch köstlich und auch der erste Biss war ein reines Geschmackserlebnis.
Ich war gerade einmal mit der Hälfte meines Burgers fertig, als Auri sich jeden einzelnen Finger ableckte und nach den Pommes griff.
„Wo zum Henker ist dein Burger hin?"
Sie grinste breit und schnappte sich die nächsten Pommes. „Habe ich erwähnt, dass ich Hunger hatte?"
„Arme kleine Maus."
„Nenn mich nicht klein." sagte sie beiläufig und mampfte die Hälfte der Pommes in einem Zug weg.
Schnell war das Essen weggefuttert und wir machten uns auf den Heimweg - doch kaum saß Aurelia im Auto drin, fielen ihr auch schon die Augen zu. Das Fresskoma hatte Besitz von ihr genommen.
Es war kurz nach vier Uhr als ich den Wagen vor ihrem Tailer parkte. Sie war so tief eingeschlafen, dass ihr Kopf zur Seite gekippt war und sie gleichmäßig tief ein und wieder ausatmete.
Ich stieg aus dem Wagen und ging zum Kofferraum, in den ich ihre Tennistasche gepackt hatte und suchte darin nach ihrem Schlüssel. Es dauerte nicht einmal drei Versuche, bis ich ihn fand und den Wohnwagen aufschloss.
Ich ging zurück zum Wagen, öffnete die Beifahrertür und gurtete Auri ab. Vorsichtig, als wäre sie aus Porzellan, nahm ich sie in meine Arme auf und trug sie in ihr Heim.
Nicht einmal das merkte sie.
Ich lief zu ihrem Bett, zog mit einer Hand die Bettdecke zur Seite und legte sie ab. Rasch zog ich ihr die Schuhe von den Füßen und bemerkte dabei erst einmal, dass sie immer noch ihre Tennissachen trug. Ein schwarzer Rock mit einem schönen tiefblauen Top. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie sie damit über den Platz jagte.
Vorsichtig deckte ich sie wieder zu. Langsam senkte ich den Kopf.
Ich roch den süßen Duft ihres Parfüms, den sie sich auch hinter ihre Ohren gelegt hatte, aber auch noch der Geruch der Bar war zu riechen.
In meinem Bauch tobte trotzdem die Freude auf. Ich kam nicht mehr umhin, meine Lippe auf ihre Wange zu drücken.
Ich hörte sie zufrieden summen.
„Schlaf gut, Darling." flüsterte ich ihr zu und küsste sie ein weiteres Mal auf die Seite.
Ich sah, wie ihre Mundwinkel nach oben gingen, während sie sich tiefer in die Matratze kuschelte. Sie murmelte etwas. Etwas, was sich im ersten Moment für mich wie deutsch anhörte.
Das war mir immer wieder mal aufgefallen. Die einzelnen Endungen bei wenigen Worten, die einen Deutschen Akzent hören ließen. Dann aber wiederum sprach sie so gut Oxfurt Englisch, dass ich glaubte, mir alles eingebildet zu haben. Und dann gab es Momente, wo ich glaubte, einen leisen Hauch spanisch zu hören.
Dessen musste ich unbedingt auf den Grund gehen. Ich liebte es, Sprachen zu lernen und Deutsch und Spanisch konnte ich tatsächlich sprechen. Die eine Sprache besser, die andere schlechter. Aber ich verstand zumindest viel.
Ich gab ihr noch einen dritten kurzen Kuss auf die Schläfe ehe ich ging - obwohl ich am liebsten bei ihr geblieben wäre.
Aber ein Ritter musste nun mal tun, was er tun musste - und dieser hier wäre für die nächste Stunde Schlaf ziemlich dankbar.
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