Kapitel 49 - Und dann wusste es jeder

Aurelia

„Und du bist dir sicher, dass wir hier richtig sind?" hörte ich Henry hinter mir fragen.

Wir liefen zusammen durch einen langen schmalen Gang, der etwas verborgen hinter der Küche losging.

Wahrscheinlich hätten wir hier gar nicht hingedurft. Oder vielleicht doch. Ich schätze, wenn man von Serena Williams einen Schlüssel in die Hand bekommt, der für ein brauchbares Zimmer für sexuell gereizte Paare sein soll, dann ist es am Ende wohl ein offizieller Weg.

Der Flur war dunkel und wendig mit Lichtern ausgestattet und ich musste mit der Hand an der langen Wand herumtasten. Bis ich einen Türknauf fand.

Rasch schloss ich auf, tastete an der nächsten Wand los, bis ich den Lichtschalter gefunden hatte und das Licht anmachte.

Sofort packte ich Henry bei seiner Krawatte und zerrte ihn in den Raum.

Doch der erste Einblick war enttäuschend. „Das ist ein Schlüssel für den Hausmeisterraum?"

Henry zuckte mit den Schultern und legte seine beiden Hände auf meine Taille. „Reicht doch aus. Was willst du mehr?"

Ein Bett. Oder ein Whirlpool? Eine Liebesschaukel? ... Einen Spiegel?

Aber für das, was gerade mit mir los war, würde es reichen.

Unsere Münder fanden begierig aufeinander. Mein geschickter Freund schloss die Tür nebenbei ab und drängte mich anschließend gegen sie.

„Wie nahe bist du dran?" fragte er flüsternd, während er meine Unterlippe zwischen seine Zähne nahm.

Ich gab nur einen erhitzten Laut von mir und seufzte dann vor Verlangen und auch ein bisschen Erleichterung. Immerhin würde ich nun endlich diese Kugeln loswerden.

Ein hungriger Kuss entbrannte zwischen uns. Henrys Hand streichelte meinen Bauch entlang. Tiefer zu meinen Oberschenkeln.

„Auri?" fragte er flüsternd noch einmal nach.

„Nahe genug dran, dass wir nicht lange brauchen werden."

Er grinste an meinen Lippen. „Armes Mädchen."

Mir war nun aber gerade alles andere als zum Lachen.

„Ich helfe dir. Ich helfe dir dabei."

Ich konnte nur heiß in seinen Mund seufzen.

Sein gesamter Körper drückte sich gegen mich. Sein Daumen und Zeigefinger reizten meine empfindliche Knospe durch den Stoff des Kleides hindurch. Die Kugeln taten ihr Übriges.

Mir wurde warm. Furchtbar warm und ich wollte ihn einfach nur noch in mir haben.

Ohne Umschweife packte ich Henrys Gürtel und öffnete ihn. Im gleichen Atemzug griff mein schöner Verlobter mein Kleid am Rock und zog es nach oben. Mit meinem Zahnseidenslip machte er kurzen Prozess und riss ihn auseinander.

„Ich hab kein Kondom dabei. Meinst du, du schaffst das bis zur nächsten Toilette?"

Ach, was für ein fürsorglicher Gentleman! Ich lachte an seinen Lippen auf. „Wir beide haben es schon an schlimmeren Stellen getrieben, wo die nächste Toilette wesentlich weiter weg war."

Sein Gürtel ging endlich auf. In Sekundenschnelle auch seine Hose, die ihn dann nur noch in den Knien hing.

„Das ist wahr, Darling."

Während er mit einer Hand den Rock meines Kleides oben hielt, umfing die andere Hand meine Lust. Mir entfuhr ein lautes Wimmern. Das Verlangen nach ihm schmerzte so sehr, dass ich den Tränen nahe war.

„Ganz ruhig, Darling. Alles ist gut. Ich kümmere mich um dich. Es wird gleich besser werden. Versprochen."

Seine Finger drangen in mich. Ich war nicht mehr im Stande, zu denken. Zu fühlen. Alles wurde für mich zu eng. Zu warm. Mein Kopf drohte zu explodieren.

Doch Henry reizte mich weiter. Spielte, drückte und reizte meine Lust, bis ich seinen Lippen an meinen Mund nicht mehr stand halten konnte und den Kopf sinken ließ.

Endlich zogen seine Finger in mich und packten die Schnüre der Liebeskugeln. Und zogen sie raus. Unendlich langsam. Aber er zog sie raus.

„Haben sie dir gefallen?" wollte er mit seiner tiefen samtigen Stimme wissen.

Ich war nicht im Stande, zu antworten. Nur ein weiteres Wimmern drang aus mir heraus. So wollte ich nicht sein. Aber ich bekam kaum noch Kontrolle über mich.

Da waren nur noch meine grundlegendsten Bedürfnisse in mir.

Ich hatte keine Ahnung, wohin Henry die Kugeln verstaute. Sie waren einfach weg, als er mich bei den Oberschenkeln packte. Sofort schlangen sich meine Beine um seine Mitte und endlich - endlich - versank er in mir.

Er schien zu merken, was mit mir los war und beließ es bei allen Nebensächlichkeiten. Er bewegte sich schnell und kräftig. Stieß mich immer wieder gegen die Tür.

Meine Arme legten sich um seinen Nacken. Unsere Stirnen aneinander.
Wir schnauften nach Luft, bis wir wieder beide so heftig kamen, dass es wohl wirklich jeder im Umkreis von einer Meile gehört haben musste.

Erschöpft stöhnte ich und schloss die Augen. Endlich war mein Gehirn kein Gelee mehr, auch wenn ich regelrecht nach Atem rang. „Mach das nie wieder mit mir."

Henry gab einen bejahenden Laut von sich. „Auf keiner öffentlichen Veranstaltung mehr. Versprochen."

Das nahm ich mal so hin und ließ meinen erschöpften Körper gegen seinen fallen.

Ich war wohl endgültig im Sexhimmel angekommen.

*

„Mit bestem Dank zurück." Mit einem zuckersüßen Lächeln ließ ich den Schlüssel in Serenas Hand fallen.

Alleine das Gesicht meiner bester Freundin dabei anzusehen, wie es sich langsam zu einer  schelmischen Miene verzog, war schon einen Oscar wert.

„Bitte. Ich hoffe, ich konnte dir helfen."

„Hast du. Und Henry auch."

Serena ließ den Schlüssel in ihrer Clutch verschwinden. Dann sah sie sich kurz um. „Apropos. Wo ist dein Zukünftiger denn? Hast du ihn gleich dort gelassen?"

„Nein." sagte ich und zog den Barhocker neben ihr an der Theke vor und setzte mich neben sie. „Er ist ein wahrer Gentelman. Er ist mit Jason zur nächsten Bar in diesem Lokal gezogen, damit ich ein bisschen mit meiner besten Freundin schnattern kann, die ich seit mindestens zwei Jahren nicht mehr real gesehen habe."

Serena grinste breit. „Da hast du dir wirklich einen Schatz ausgesucht. Barkeeper!" rief sie dem Typen hinter der Bar zu, der sich sofort zu der Tennislegende umdrehte. „Für mein Girl und mich zwei Cosmopolitan! Und zwei Tequila! Wir haben heute einiges zu feiern, Man!"

Eh weh ... Noch mehr Alkohol.

Doch ich sagte nichts und lächelte nur mild, ehe ich mich zu Serena umdrehte. „Wo ist Venus?"

Serena deutete hinter sich in die Menge an Leuten, die sich gerade Mut antranken, bevor sie zur Tanzfläche gehen würden. „Irgendwo dort. Mit Will Smith. Sie hält ihm gerade eine Moralpredigt, dass man keine anderen Männer schlägt, nur weil der Mistkerl seine Frau beleidigt hat."

Ich zog die Brauen zusammen. „Und du lässt das zu?" Ich kannte Serena. Sie hätte wohl genauso gehandelt wie Will, wenn jemand einen ihrer Liebsten beleidigt hätte.

Serena verdrehte die Augen. „Da bin ich machtlos, Girl. V ist die ältere von uns beiden. Sie mag keine Gewalt. In keinerlei Hinsicht. Du weißt ja. Wegen Dad und so."

„Wie gehts ihm? Leidet er immer noch unter dem Schlaganfall von 2016?"

Serena nickt langsam und drehte sich wieder zu mir ein. „Ja. Aber wer hätte nicht damit gerechnet, dass es ihm eines Tages passieren würde, bei all dem, was er durchmachen musste und durchmacht. Einige seiner Kinder sind echt angepisst, von unserem Film. Er muss sich ganz schön was anhören."

Ich lächle sanft und tätschle ihre Hand. „Richard musste sich immer viel anhören. Von euch. Von anderen. Er wurde immer kritisiert und immer gab es jemanden, der schlecht hinter seinem Rücken gesprochen hat. Aber er hat euch zu Legenden werden lassen."

Der Barkeeper brachte uns Serenas Bestellung und zischte wieder ab.

Serenas Miene blieb weiterhin angespannt. Doch wieder nickte sie. „Ja. Dad war niemals leicht zu ertragen. Aber ohne ihn ... ohne seine Pläne ... . Weißt du, ich bin ihm dankbar. Deshalb haben V und ich auch sofort als Produzentinnen des Filmes zugesagt. Dad zu Liebe. Ja. Er hat uns nicht ohne Grund gezeugt. Er hatte Pläne. Immer. Aber dafür bin ich ihm dankbar. Und auch, dass er sie so eisern durchgezogen hat."

Ich nahm mein Tequila zwischen die Finger und hob ihn hoch. „Auf King Richard. Und für seinen Tipp, dass ich auch mir die offene Fußstellung antrainieren soll. Hat mich weit gebracht damals."

Serena lachte nun laut los und zog die ersten Blicke auf sich. Es war ein ehrlich herzliches Lachen. Dann nahm auch sie Shotglas und stieß mit mir an. „Er und seine dämliche offene Fußstellung!"

*

Es vergingen die Stunden. Ich hatte weder Ahnung wie spät es war, noch ganz mehr wo ich war.

Aber Serena war neben mir. Trank mit mir. Lachte mit mir. Wir waren wieder wie damals in den Tenniscamps. Auch wenn zwischen uns zehn Jahre Alterunterschied lagen, störte uns das nie wirklich. Sie war im Herzen immer jung geblieben und alberte einfach nur zu gern mit mir herum.

Betrunken waren wir allerdings ein wirkliches ... gefährliches Duo. Wir sangen, wir lachten, wir machten Blödsinn und Serena und ich brauchten auch nicht allzu viel Alkohol, um diese Grenze zu erreichen.

Meine beste Freundin hatte bereits ihre Grunzlache wiedergefunden, die immer dann auftauchte, wenn der Tequila zu stark war. Ich dagegen musste aussehen wie nach einem Unfall. Ich lachte so viel, vergoss dabei soviel Tränen, dass mein Make Up inzwischen völlig ruiniert sein musste.

„Girl!", fing Serena an und schob mir den vierten Shot zu. „Sind wir beide mal ehrlich. Du wirst mich brauchen, wenn du und dein Märchenprinz an diesem Tennisturnier von Sascha teilnehmen wollt. Das weißt du, oder?"

Ich nahm ihr den Tequila entgegen und kippte ihn sogleich hinter. Ich verzog die Miene sofort angeekelt. „Ich weiß." hauchte ich bitter und stellte das Glas ab. „Wir werden dich brauchen. Ich werd dich brauchen. Henry spielt gut. Spielte gut ... hat ja ewig nicht mehr gespielt. Keine Ahnung, wo wir demnächst wieder anfangen müssen.
Wir haben null Erfahrungen beim zusammenspielen. Außerdem brauche ich jemanden, mit dem ich üben kann. Für mein Einzelspiel."

Serenas Lächeln wurde breiter. „Girl, das wird das beste Spiel unseres Lebens!"

Ich hob erstaunt die Brauen an. „Du kommst auch?"

Sie lehnte sich auf ihren Hocker zurück. „Zum Zuschauen. Wie du weißt, werde ich im September aufhören. Bei den Grand Slames. Ein letztes Mal dort zu gewinnen wäre geil. Aber ich glaub nicht dran. Aber das heißt ja nichts. Deswegen muss ich üben. Fit bleiben. Und mich so wenig wie möglich in Gefahr begeben, mich zu verletzen. Und du weißt, wie ich abgehen kann, wenn ich mit Freunden spiele."

Mein Herz zog sich zusammen. Ja, Serena würde dieses Jahr den Profischlöger an den Nagel hängen. Für ihre Familie.

Und auch Roger hatte mir schon angedeutet, dass dieses Jahr Schluss wäre.

Es war jetzt schon ein trauriges Tennisjahr. Dafür, dass wir erst März hatten.

„Weißt du was? Ich werd euch helfen! Ja! Die alte Serena wird Eure Trainerin sein!"

„Du weißt, dass wir bis Mai in England bleiben?"

Serena winkte ab. „Girl, ich kann in England trainieren. Ich kann in den USA trainieren. Ich kann in Island trainieren. Ich habe in meinem Leben schon auf den schäbigsten Plätzen trainiert. Ist mir egal wo. Klar, Madrid bei deinen Eltern wäre schon wirklich echt geil. Aber England passt auch. Weißt du, ich bring Alexis mit. Das wird gut."

Ich grunzte auf. „Meinst du damit deinen Mann oder deine Tochter?"

„Girl!" lachte Serena finster auf und gab mir einen brüderlich Stups gegen die Schulter. „Was hat mir dein loses Mundwerk gefehlt!"

„Ich weiß." lachte ich auf. Dann jedoch fiel mir etwas ein. „Wo ist eigentlich mein hübscher Verlobter? Der wollte doch eigentlich mit mir noch tanzen gehen!"

Wieder grunzte Serena. „Du meinst der hübsche schnuggelige Typ, der da gerade Sturz betrunken auf uns zuläuft?"

Was?

Ich drehte mich auf meinem Stuhl herum - und war urplötzlich wieder nüchtern. Tatsächlich! Henry schien ja noch Betrunkener zu sein als Serena und ich zusammen!

Er torkelte zusammen mit Jason und Chris zusammen auf uns zu.

Klebte da Likör an seinem Kinn? Oh, bitte lass es Likör sein und nichts anderes!

Sein schönes wildes dunkles Haar, das ihm die Stylistin an den Seiten gekürzt hatte und die oberen Haare geglättet hatte, stand wild von seinem Kopf ab. Als wäre er sich duzende Male mit der Hand hindurch gefahren.

„Da ist ja meine zukünftige, wunderschöne, clevere und keineswegs kleine Frau!" schrie er halb durch den Raum, als er mich erblickte und zu Grinsen anfing.

Ach, du lieber Waldgeist! Was hatten die drei Männer nur gemacht?

Auch Jason und Chris wirkten alles andere als nüchtern.

„Jetzt weiß wohl jeder hier, dass du verlobt bist!" grunzte Serena schelmisch.

„Ich glaube auch!" gab ich leise zu und sah mit an, wie Henry auf mich zustolperte. Und alle anderen Superstars sahen ihm dabei zu.

Ich stand nun auch von meinem Barhocker auf und lief Henry entgegen, der bereits die Arme links und rechts von sich streckte.

Kaum stand er vor mir, legten sich seine Hände an meine Wangen an. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Meine schöne, schöne, Verlobte."

Ich lachte nervös auf. Er war total niedlich, wenn er so betrunken war. Doch waren wir hier alles andere als allein.

Spätestens morgen würde irgendjemand von hier zur Zeitung rennen und für eine Unsumme an Geld alles ausplaudern.

So ein Mist.

„Henry, dir ist bewusst, was du hier gerade vor aller Welt erzählst, oder?"

Er sah mich eine Weile fragend an. Als würde er ernsthaft überlegen, was ich meinte. Dann schien es ihm jedoch wieder einzufallen. „Bin ich. Kann doch jeder wissen, dass ich nur dich will. Dass ich die beste Zeit meines Lebens mit dir habe."

Plötzlich waren seine Lippen an meinem Ohr. „Und den besten Sex. Noch nie zuvor hatte ich so gern Sex mit jemanden wie mit dir. Das ist ein dauerhaftes Bedürfnis in meinem Kopf geworden. Ich kann von dir einfach nicht genug bekommen. Du bist wie meine persönliche Droge geworden. Vor allem als ich diese Bilder mit dir in dieser unsagbar schönen Unterwäsche gesehen habe. Ich liebe mein Weihnachtsgeschenk. Wirklich. Hat mich bestens durch diese wirklich harten drei Monate gebracht."

Ach du liebes Bisschen.

Vorsichtig löste ich mich von Henry. „Baby, ich find das wirklich wunderbar von dir, dass du damit kein Problem hast. Aber sollten wir beide es nicht der Öffentlichkeit sagen, anstatt dass irgendein Kellner oder Z-Promi es morgen an die Klatschpresse weitergibt?"

Eigentlich brauchte es keiner außerhalb unseres Freundes- und Familienkreises zu wissen.

Ich liebte Henry wirklich. Ich würde für diesen Mann wohl nicht nur durchs Feuer gehen, sondern mich auch mit all seinen Gegnern persönlich anlegen.

Aber unsere Verlobung an diese Presse zu geben, war etwas, was mir einfach nicht recht gefallen würde. Und Henry, der teilweise Kollegen verbot, mit ihm über sein privates Leben zu reden, doch eigentlich auch nicht. Oder?

„Das ist mir heute absolut ehrlich egal, corazón de melón."

Das war doch zum Mäusemelken! Niemand. Wirklich niemand auf dem Planeten Erde konnte so betrunken noch so gut Spanisch reden! Niemand! Henry Cavill sollte da keine Ausnahme bleiben!

Wieder war sein Mund an meinem Ohr. „Aurelia, cariño, dulzura, corazón de melón."

Bei der allmächtigen Göttin der Vernunft! Gib mir Kraft, diesem Mann stand zu halten. Denn ich stand kurz davor, mich komplett seinem Betrunkenen Ich hinzugeben.

„Me estás volviendo loco, mi amor." flüsterte ich heiß. Plötzlich war mir wieder so warm.

„Hey, ihr beiden! Hier wird kein Kind in meiner unmittelbaren Nähe gezeugt!" rief plötzlich Serena und ließ Henrys und meine Blase plötzlich platzen.

Jetzt schienen wir beide wieder nüchtern zu sein.

Mein Kopf folgte Henrys, der meine Freundin wie ein begossener Pudel ansah.

Serena schien bemerkt zu haben, wie sie mir damit das Leben gerettet hatte und lachte laut los. „Sucht euch beiden ein Zimmer. Diese Turtelei kann man sich ja nicht mit ansehen. Und dann sehen wir uns in ein paar Tagen zum Training in England!"

*

Es gibt immer ein Nachspiel. Immer. Egal wie schön ein Abend, eine Verabredung oder ein schöner Ausflug auch war. Irgendwann trat auch das Gegenteil ein. Denn auf Sonnenschein folgte immer auch der Regen. Vielleicht nicht sofort. Vielleicht erst in ein paar Wochen. Aber der Regen würde kommen. Gute Tage wurden von schlechten abgelöst.

Und in meinem Fall, hatte ich so viel schöne perfekte Tage gehabt, dass meine Regentage wahrscheinlich ein Tsunami sein würden.

Oder einfach nur verkörpert in Gestalt einer Frau, die bereits vor unserer Limousine wartete.

Eine Frau, die ich zwar noch nie wirklich in Fleisch und Blut gesehen hatte, aber sofort erkannte.

Es war inzwischen weit nach vier Uhr am Morgen und wir gehörten mit zu den wenigen, die die Party bis zum Ende ausgelebt hatten. Am Ende auch wieder nüchtern.

Leider.

Ansonsten würde wohl Henry nicht das imaginäre Messer so gewetzt haben und anfangen mit den Zähnen zu knirschen, als er Gina Carano vor unserer Limousine entdeckte.

„Hey!" fauchte ich ihn mehr oder minder schon zu und zog ihn leicht zu mir zurück. „Mach bitte keinen Aufstand! Ich weiß nicht, wie das zwischen euch zu Ende gegangen ist. Wahrscheinlich nicht im Besten, so tief wie deine Zornesfalte gerade ist, aber das ist kein Grund, gleich wie ein wilder Stier loszurennen."

„Ich renn nicht los!" knurrte er finster zurück und zog mich nun in eine andere Richtung. Natürlich entging das Gina nicht, die sofort breit grinste.

Henry taxierte mich zurück zum Ausgang des Gebäudes und stellte sich vor mich. Mit den Rücken zu Gina. „Ich ruf uns ein neues Taxi."

„Nein!" Schritt ich sofort ein und packte seine Hand, die bereits in Richtung seiner Hosentasche gleiten wollte. „Sie steht doch nur dort! Lass uns einfach an ihr vorbei gehen und einsteigen. Da ist doch nichts dabei. Wer weiß, weshalb sie überhaupt dort steht!"

„Nein." Das war mal eine Antwort!

Ich schüttelte frustriert den Kopf. Bis gerade eben war das ein super Abend gewesen. Wir hatten Spaß. Haben gefeiert. Haben das Leben genossen. Wir beide waren in absoluter bester Stimmung gewesen. Und jetzt kam Gina und schlagartig war alles anders? Eine Person reichte, um unseren gemeinsamen schönen Abend zu vernichten? „Henry, was ist denn los? Du drehst ja gerade total durch!" vorsichtig hob ich eine Hand an und legte sie ihm an die Wange.

Er seufzte aus. Schloss die Augen und schien innerlich bis zehn zu zählen. Dann sah er mich wieder an. „Sie ist deinetwegen da. Unseretwegen. Ich kann und werde nicht zulassen, dass diese Frau auch nur ein schlechtes Wort über dich verliert. Sie hat uns schon mal einen schönen Abend ruiniert. Es wird keinen zweiten geben. Das lasse ich nicht zu. Außerdem", brummte er, „hat sie hier nichts zu suchen. Sie hat sich mit ihren faschistischen Äußerungen selbst aus Hollywood katapultiert. Ich will damit nichts mehr zu tun haben."

Ah! So langsam ging mir ein Licht auf.

Natürlich glaubte ich Henry, dass er um mich besorgt war. Das war er wahrscheinlich häufiger, als er es überhaupt sein müsste. Aber ich wusste auch, dass da noch ein Grund war.

Vorsichtig versuchte ich den Wunden Punkt zu drücken. Einfach nur, um zu erkennen, ob ich Recht hatte. „Und deshalb bist du sauer auf sie, weil sie deinen Namen mit in den Dreck gezogen hat. Nicht wahr? Weil aller Welt glaubt, dass du genau wie sie warst, als ihr noch zusammen wart. Dass sie dieses faschischten Zeug nicht erst seit gestern redet."

Er braucht mir nicht antworten. Das tat sein Gesicht alleine schon.

Da waren sie also wieder. Seine ehemaligen Frauenprobleme. Und das hier hätte ich wirklich gern an einem anderen Tag ausgetragen. aber Henry half mir auch immer dann, wann ich ihn brauchte. Jetzt war ich wieder dran.

Allerdings, dass wusste ich bereits jetzt schon, saß dieser Gina-Splitter tiefer in der Wunde, als er oberflächlich aussah.

Ich wusste nicht viel über die Beziehung. Wollte ich auch nicht. Ich wusste nur, dass sie intensiv war. Dass sie ihn zu Sätzen beflügelt hatte, die er heute wohl nicht mehr in der Öffentlichkeit sagen würde. Und ich wusste, dass sie es gleich mehrmals wieder miteinander versucht hatten. Warum auch immer.

Intensiv.

Hmm.

So ging wohl auch die Trennung einher. Wer intensiv liebt, kann am Ende wohl auch nur intensiv hassen.

Wieso verdammt noch einst, konnten nicht alle Beziehungen so enden wie zwischen Benjamin und mir?

Aber ich hatte es mir so ausgesucht. Jetzt musste ich dadurch. Und ich wusste ja für wen ich das machte.

Ich lächelte sanft. „Wir haben jetzt zwei Wege, Henry, die wir zusammen bestreiten können. Ich streite mich hier nicht rum und mache irgendeine Szene, haue ab und spreche nicht mehr mit dir. Das bin nicht ich. Ich weiß, wer du bist und für was du stehst. Ich kenne Gina nicht, aber ich meine eine ziemlich gute Menschenkenntnis zu haben, um zu wissen, dass sie nicht nur freundlich gesinnt sein kann. Du warst in sie verliebt. Sie in dich. Okay. Fertig. Vergangenheit. Unschöne Schlagzeilen? Passiert. Wächst Gras drüber. Trolle, die meinen, dass du auf selber Ebene wie sie stehst? Wird es immer geben. Lass sie reden. Ich und die meisten deiner Fans da draußen, wissen aber wer du bist. Und zwar ein wirklich liebevoller, charmanter Typ, der nie jemandem etwas Böses will. Nicht absichtlich zumindest. Wie wir alle.
Und Gina dort, knappe dreißig Meter entfernt, ist deine persönliche Herausforderung, dass allen zu zeigen."

Sein Blick wurde intensiver. Er sah mich interessiert, dankend und auch wieder zärtlicher an.

Ich zuckte mit den Schultern. „Plan A; Du bestellst uns ein neues Taxi. Wir warten hier und geben den Gina damit ein gefundes Fressen, weil sie glaubt, dass sie Macht über dich hat.
Dann wird sie sich das nächste Mal auch auf irgendeine Veranstaltung schleichen und dich vorführen.
Plan B; wie gehen da jetzt hin. Du hältst mir die Tür auf. Wir lächeln so als hätten wir einen echt schönen Abend gehabt, den wir auch hatten und den wir uns von niemandem kaputt machen lassen. Wir ignorieren sie und fahren los.
Ja, sie wird garantiert etwas sagen, was auf mich, meine Größe, eure Bettgeschichten und die unsere abzielt, aber damit müssen wir leben."

„Kommentarlos?"

Ich zuckte mit den Schultern und zog eine belanglose Miene. „Ja. Für dich."

Jetzt grinste er endlich wieder.

„Wir hätten natürlich auch ein Plan C." erklärte ich und deutete nach rechts, wo sich die Taxis befanden. „Ich rufe Serena an. Dürfte bestimmt noch nicht im Bett liegen. Die legt sich mit jedem an, wenn sie und ich will. Von Gina würde nichts mehr übrig bleiben wie bei einer gerupften Gans. Was schwierig für Serena ist, weil sie und auch V beide Veganerinnen sind. Aber da würde sie garantiert eine Ausnahme machen." Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Vor ein paar Jahren hat sie der Linienrichterin gedroht, sie umzubringen, weil sie Serenas Aufschlag als ungültig angesehen hat. Danach musste Sery zwei Jahre auf Bewährung spielen. Aber ich glaube, sie würde es wieder machen. Wir Tennisspielerinnen sind da hart im nehmen."

„Weißt du eigentlich, wie wundervoll du bist, Aurelia?" Endlich sah er wieder richtig entspannt aus. So wie ich ihn liebte.

Ich wedelte es mit der Hand ab. „Manchmal mehr. Manchmal weniger. Aber wenn ich etwas wirklich von mir weiß, dann dass ich es hasse, jemanden eine Szene zu machen. Oder Unruhe zu bringen. Ich bin eine Problemlöserin. Keine Macherin."

„Genau deshalb liebe ich dich so sehr."

Mein Herz flatterte auf. Aber noch, so verbot ich mir selbst, mussten wir erstmal den Tsunami schaffen, bevor ich wieder in sonnige Zeigen blicken durfte.

Ich lächelte freundlich und hielt ihm meine Hand hin. „Bereit?"

Sofort nahm er seine Hand in meine. „Bereit!"

Und so liefen wir los. Wir schenkten Gina gar keine Aufmerksamkeit und gingen immer weiter.

„Weißt du, was das tolle an einer Problemlöserin wie mir ist?" fragte ich ihn bei der Hälfte des Weges.

„Was?" fragte er lächelnd nach und ignorierte gekonnt Ginas erstes Hey, Cavill!

„Dass ich nicht nur dir helfen kann!" Und damit eröffnete ich meinen persönlichen Plan B Teil 2, den ich zuvor Henry nicht offengelegt hatte.

Wie besprochen, kamen wir an der Limousine an. Ginas Mund öffnete sich und einige Sachen kamen dabei raus, die deutlich machten, welche Kinderstube sie genossen hatte.

Henry ging nicht drauf ein. Öffnete mir meine Seite der Tür und ging dann zu seiner und stieg ein.

Ich tat es jedoch nicht.

Ich atmete einmal tief durch und setzte mir dann meine imaginäre Rüstung auf. Ich lächelte fröhlich. Ließ meinen Blick arglos werden. Ich streckte den Rücken durch und setzte die Hände in ruhiger Postion vor meinem Bauch.

„Gina! Hi! Schön dich endlich mal kennenzulernen!"

Scheiße. Die Frau war so groß wie Henry. Dazu nicht weniger trainiert. Sollte ich mich hier im Ton vergreifen, würde mich nur meine Schnelligkeit retten können. Gott sei Dank war ich schnell und war das auch auf hohen Schuhen. Aber da war immer noch ein bisschen Alkohol in meinem Blut. Verzögerte Reaktionen.

Was machte sie in ihrer Freizeit gleich? War es Kampfsport oder nur Musclebuilding? Ich hoffte auf zweites. Dann wären meine Überlebenschancen größer.

Ginas Blick war nicht weniger unfreundlich als liebreizend. Ich stellte sie mir als durchnässtes unfreundliches dickes Streuner-Kätzchen vor, dass eigentlich nur ein warmes Zuhause suchte. Sei nett, Aurelia! Sei nett!

„Du bist das kleine Mädchen, dass Cavill also ins Bett lässt!" Ihr Blick scannte meinen zarten Körper einmal von oben bis unten durch.

„Ja. Bin ich. Und wir teilen uns sehr gern das Bett. Allerdings werde ich dieses Jahr dreißig, dass heißt, wer grob der Mathematik fähig ist, weiß, dass ich wohl mehr als Dame anstelle eines Mädchens angesehen werde. Auch wenn ich durch meine Größe vielleicht nicht so wirke. Hab ich ein Glück, wenn ich jünger geschätzt werde. Manch andere Frau hat da mehr Pech." sagte ich mit zuckersüßer Stimme.

Ich hielt ihrem finsteren Blick stand, den sie mir zuwarf. Da hatte ich wohl den ersten Punkt gelandet. Der zweite folgte zugleich. „Ich habe unlängst von deinen bezaubernden Nachrichten über mich auf Twitter gehört. Ich finde es zwar nicht sehr nett, wie du über mich urteilst, ohne irgendwas über mich zu wissen und mich nur auf meine knappen ein Meter fünfzig zu reduzieren. Aber ich glaube zu wissen, dass du mich dann wohl doch magst, schließlich scheinst du ja ziemlich interessiert daran zu sein, wie ich mit meiner Körpergröße, Henrys sexuelles Verlangen nach mir stillen kann." Ganz dünnes Eis, Aurelia. Ganz dünnes Eis! Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
„Aber damit muss man wohl umgehen können, wenn man die Freundin des begehrtesten Junggesellen der Welt wird. Ich bin dir nicht böse Gina. Überhaupt nicht. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie es ist, selber die Chance verloren zu haben, diesen Mann für immer an sich gebunden haben zu können. Und das gleiche mehrere Male."

Ihr Blick wurde immer verbitterter. Ich musste mich beeilen, bevor sie zu Wort kommen konnte. Oder doch mit der Faust schneller wäre, als ich mit meinem immer noch leicht benebelten Gehirn es mitbekommen würde.
Oder Henry eingreifen würde. Ich wusste, dass er mir vertraute und mir die Chance für meine Pläne gab. Aber hierbei ging es um seine Ex. Da war die Zeit begrenzt.

„Gina", fing ich erneut an und ließ mein Lächeln zu der einer Queen werden. Breit. Stolz. Mutig. Tapfer. Und auf keinen Fall unterwürfig. „Mir tut es leid, was dir alles widerfahren sein muss. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer leicht für dich war und das manche Rückschläge fiese Narben auf unseren Seelen hinterlassen können.
Aber ich bitte dich doch bitte um eins; lass Henry und mich in Ruhe. Heute. Morgen. Für immer.
Kümmere dich um deine Sache. Rette was bei dir zu retten ist und lebe so wie es dir gut tut. Aber lass uns da raus. Wir helfen dir nicht. Weder als Unterstützung noch als Polster, um Deiner Wut freien Lauf zu lassen. Dafür könnte die Sache für dich zu teuer werden. Glaub mir. Gut gemeinter Rat. Du bist ja sicherlich im Bilde, wie gut Henrys Anwälte sind. Meine sind nicht schlechter. Du kennst dich ja mit Profisport aus. Denn ... sollte das hier nicht aufhören, werde ich dich nicht mehr nett bitten, sanft lächeln und mir versuchen einzureden, dass du es eigentlich bist, die Mitleid braucht, anstelle von uns. Das nächste Mal, wenn es so sein sollte, wird das anders laufen. Und dieser Weg würde dann sehr teuer, lange und für dich ziemlich nervenaufreibend werden. Das willst weder du noch ich. Glaub mir. Also höre auf meine Bitte."

Sie sah mich an, als wäre ich ein Alien. So hatte wohl noch niemand mit ihr redet.

Nun nahm ich die Tür des Autos in die Hand und tat so, als würde ich sofort einsteigen. Hielt dann jedoch an und lächelte ihr nochmal zu. „Hab noch einen schönen Abend, liebe Gina. Es ist spät und auch du solltest langsam ins Bett. Wer weiß, wie lange du hier schon stehst und auf uns warten musstest. Dann erlebst Du auch noch so eine enttäuschende Überraschung!"

Mit diesen Worten stieg ich nun endgültig ein und wurde sofort von Henrys Lippen begrüßt.

Ich wusste gar nicht recht, wie mir geschah. Gab mich aber nach wenigen Sekunden unserer Leidenschaft hin und entspannte mich. „Ich liebe dich, Aurelia Halle." flüsterte er zwischen zwei tiefen und leidenschaftlichen Küssen. „Du bist das Beste, was mir je passiert ist!"

Ich grinste ihn vielsagend an. „Sag das nochmal, wenn wir die ersten Stunde mit Serena auf dem Tennisplatz haben."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top