Kapitel 43 - Ist Superman ein Gott?
Aurelia
Henry schaffte es einfach immer wieder mich zu erden. Mit jedem Wort, mit jeder Berührung und jeder zwischenmenschlicher Geste, die meine Seele aufblühen ließ.
Kurz bevor wir wie verabredet im Wohnzimmer erscheinen sollten, war ich reines Wachs aus Entspannung, Liebe und Gelassenheit.
Da störte es mich nicht mal, dass ich mein Make Up zwei Mal erneuern musste, weil ich mich durch Henrys nackten Antlitz nicht richtig konzentrieren konnte und das einzig richtige getan hatte, was wohl jede Frau an meiner Stelle getan hätte.
Aber auch angezogen sah Henry perfekt aus. Mit seiner dunklen Jeans, einen einfachen dunkelblauen Pullover und den dunkelbraunen Schnürstiefelette.
Ich hatte mir mein grünes Kleid angezogen, mit dem ich damals Henrys Eltern kennengelernt hatte. Meinen dunkelbraunen Bob hatte ich mir ordentlich frisiert, Henrys Ohrringe eingesetzt und hatte ein dezentes Make Up gewählt. Bis auf den Lippenstift. Der war ein kräftiges Beerenrot.
Henry schien es wohl zu gefallen, denn das Beerenrot musste ich mir mehrere Male nachziehen und ihm selbst immer wieder von den Lippen wischen.
Pünktlich wie verabredet standen wir im Wohnzimmer und warteten auf Chris und seine neue Freundin.
Allerdings erschien das Paar nicht sofort, was Henry nutzte um Kals Halstuch, das ich ihm geschenkt hatte, nochmal gerade zu rücken. „Was machst du nur immer damit?" murmelte Henry und rückte das Tuch wieder grade. Stolz sah Kal zu mir auf. Bin ich nicht hübsch? Guck mal, wie schön ich aussehe!
Grinsend beugte ich mich zu dem Rüden herab, den mein Verlobter gerade am Kopf streichelte. Liebevoll tippte ich Kal auf die Nase, was er mit einem freudigen Hecheln beantwortete. „Du bist schon ein Hübscher, mit deinem Tuch. Kein anderer Hund würde so schön damit aussehen!"
Henry schnaufte neben mir erheitert auf. „Wenn du ihm weiter so schmeichelst, läuft der Hund noch rot an. Oder er rennt wieder zurück in unser Zimmer, um sein Schaf zu holen, damit er dir zeigen kann, dass er alle deine Geschenke mag. Ich staune, dass er keinen Aufstand deshalb macht."
Kals Miene wurde ernster und er sah zu seinem Herrchen hinüber und schnaufte aufgebracht. Tu ich nicht!
Henry zog eine Braue scharf an und erhob sich. Dabei verschränkte er die Arme vor der breiten Brust. „Doch tust du! Dich von Dodger zu reißen, war bereits ein Mammutaufgabe gewesen! Wehe, ihr rennt gleich wieder in den Garten!"
Nun erhob auch ich mich und streichelte nun Henrys Oberarm. Das bügeltest zumindest die tiefste Zornesfalte auf seinem Gesicht weg. „Er sitzt doch brav hier, Henry. Und selbst wenn. Es ist auch sein Urlaub und er und Dodger mögen einander doch. Lass ihn seinen Spaß haben."
Der Geralt von Riva Schauspieler schnaufte sanft auf. Er löste sein starre Haltung und nahm nun meine Hand in seine. „Du sagst das soll, als sei ich ein schlechter Dad."
Unschuldig zuckte ich mit den Schultern. „Früh übt sich, Cielo."
Da war sie wieder. Die Sorgenfalte zwischen seinen Brauen. „Was meinst du damit?"
Ehe ich antworten konnte, hörten wir allerdings auch schon Chris und Alba.
Kal sprang sogleich schwanzwedelnd auf und wartete auf seinen Hundekumpel, der eher um die Ecke preschte, als Chris noch Stop rufen konnte.
Es war ein Anblick für die Götter, wie sehr sich die beiden Rüden mochten. Erst tänzelten sie umeinander her, beschnüffelten sich - dann ging Kal auch schon in die Yoga-Haltung des herabschauenden Hundes, was Dodger mit einem lauten Bellen begrüßte. Henrys Hund sprang aus dieser Haltung nach oben und die beiden Hunde fingen an Fange im Wohnzimmer zu spielen.
Ganz zum Unmut der beiden Herrchen.
„Dodger!"
„Kal!"
Ich kam nicht umhin über die beiden Männer zu Schmunzeln, die nun damit beschäftigt waren, die herumtollenden Hunde wieder zu bändigen. Super Erziehung!
Keiner der beiden Rüden hörte.
Ich bemerkte wie sich Alba zu mir stellte und ebenfalls grinsend das Spektakel verfolgte. „Wahre Meisterleistung, der beiden Superhelden. Die Hunde hören ja auf jedes Kommando."
Ich nickte einstimmend. „Kal ist eine kleine Naturgewalt. Er kann hören. Wenn er will. Sein eignes Vergnügen stellte er aber meistens immer etwas höher als seine Erziehung."
„So ist es bei Dodger auch. Er kann ein richtiger Engel sein. Wenn er nur will."
Ja, das konnte er.
Allerdings hatte ich nicht viel mehr Lust, den beiden Männern weiter dabei zuzusehen, wie sie eindrucksvoll zeigten, wie Hundeerziehung nicht ging.
Daher musste ich wieder das Opfer bringen.
Seufzend ging ich in die Hocke und pfiff ein paar mal, was die Aufmerksamkeit von Kal und Dodger sofort anzog. Freudig klatschte ich auf meine Oberschenkel.
Eine Geste, die ich bei Leckermäulchen anwendete, wenn ich ihm kraulen wollte. Schien bei den beiden Hunde aber auch bestens zu funktionieren.
Geschwind rannten beide Hunde freudig auf mich zu. Und ließen dann ihre volle Liebe an mir auf. Einer leckte meine Wange ab, der andere mein Ohr.
Ich hörte Henry lachen, Chris schien es sich zu verdrücken. Sein Kichern hörte ich trotzdem.
Immerhin waren die Hunde nun stehend und Henry und Chris konnten sie endlich anleinen.
Ich wischte mir mit der flachen Hand den Speichel von Kal von der Wange ab, während ich aufstand.
Mein Verlobte reichte mir ein Taschentuch, das ich dankend annahm.
„Das war das heroischte, was ich je gesehen habe." gab er grinsend von sich und half mir mit einem zweiten Tuch, mir das Ohr sauber zu machen.
Das kann nur einer sagen, der selbst kein Hundespeichel im Ohr hat! Wieder ein Grund mehr Katzen zu mögen!
Als die Hunde endlich angeleint waren und Henry und ich fertig waren mir den Sabber aus dem Gesicht zu wischen, konnte ich endlich einen Blick auf Chris und Alba werfen.
Alba hatte sich wirklich rausgeputzt. Sie trug ein kurzes dunkelblaues Hemd-Kleid. Dazu passende beige High Heels. Das braune Haar hatte sie offen über ihren Rücken fallen lassen. Das Make Up war dezent. Verdammt dezent, dass ich mir vorkam, als wäre ich in einen Farbeimer gefallen!
Nur Chris sah aus wie immer. Graue Hose, eine dunkles T-Shirt, Turnschuhe, Basecap und Sonnenbrille.
Ich zog die Brauen zusammen. „Chris, meinst du nicht, dass du ohnehin auffallen wirst, sobald wir aus der Tür gehen? Ich glaube kaum, dass man uns vier nicht erkennen wird. Dafür sind alleine die Hunde zu bekannt."
Er antwortet nicht, sondern zuckte nur unschuldig mit den Schultern, was Alba mit einem Schmunzeln belohnte. „Ich glaube, Chris ist in all den Jahren mit seiner Sonnenbrille und dem Cappi verschmolzen. Es gehört quasi schon zu ihm, wie sein linker Arm."
Das konnte gut sein, dachte ich mir und grinste.
„Machen wir uns los!" sagte Chris und lief heran.
Alba, Henry, Dodger, Kal und ich folgten brav.
Chris schien uns bereits ein Taxi bestellt zu haben, das bereits schon vor der Tür auf uns wartete.
Die Fahrt ging etwas außerhalb des Zentrum Hollywoods. Dort, wo man als Star nicht so sehr auf Paparazzis achten musste.
Ich wusste, dass Chris dahingehend wirklich gut informiert war. Er wusste, welche Ecken gut besucht waren und in welchen man sich problemlos bewegen konnte.
Die Bar schien dazu zu gehören.
Chris lief vor und hielt uns die Tür auf. „Immer hereinspaziert."
Die Bar recht dunkel. Überall war dunkles edles Holz verlegt. Mahagoni, schätzte ich.
Doch es wirkte schön. Luxuriös. Lud dennoch ein zum sitzen und trinken. Trotzdem wirkten die Dunkeln Möbel mit den roten Bezügen edel genug, um eindeutig klarzustellen, dass das Glas Wein hier nicht nur fünf Dollar kostete.
Genau solche Läden mochte ich gar nicht. Ich hatte kein Problem mit günstigen Preisen. Ganz im Gegenteil. Wie viele gute Weinsorten hatte ich auf diese Weise schon gefunden?
Allerdings waren Chris und Henry da wohl anderer Meinung. Abgrenzung von der normalen Bürgerschaft schienen beide zu mögen. Einfach um ihre Ruhe zu haben und mal keine Bilder und Autogramme geben zu müssen.
„Alles okay bei dir?" hörte ich Henrys dunkel samtige Stimme plötzlich in meinem Ohr.
Als ich zu meinem Freund aufsah, blockten mir tiefblaue besorgte Augen entgegen.
Sah ich so enttäuscht über den Laden aus?
Ich hänkelte mich bei ihm ein. „Ja." sagte ich langsam und sah mich wieder um. „Ich vermisse nur gerade die Bar in Madrid. Mag sein, dass sie für alle geöffnet hat ... nur"
„Nur lädt sie mehr für jung und alt ein Spaß zu haben. Hier werden wir wahrscheinlich mehr für ein Getränk zahlen als wir in Madrid für den ganzen Abend hingelegt haben."
Ich mochte es, wie er immer sofort wusste, was in meinem Kopf vorging. Als hätte er eine Direktleitung.
„Gib den Laden eine Chance, Darling. Chris scheint mir auch nicht der Typ zu sein, der viel auf Luxus und edeln Wein gibt. So wie ich ihn kenne, reicht doch ein Glas Bier und er ist glücklich. Es wird schon werden."
Unsere Blicke verfingen sich ineinander. Mir wurde warm. Nicht nur durch seine Körpernähe, sondern durch seine Augen, die mir wohl gerade tief bis in die Seele sahen. „Henry, ich" fing ich an und -
„Was tuscheltet ihr denn so?" platzte Chris dazwischen und legte meinen Verlobten eine Hand auf die Schulter.
Obwohl die beiden fast gleichgroß waren, hätten sie von der Statur inzwischen kaum unterschiedlicher sein können.
Seit Chris seine Rolle als Captain America an den Nagel gehangen hatte, waren Seine Muskel nun deutlich geschrumpfter. Sein Bart wuchs und seine braunen Haare waren wieder so lang, dass er sie sich nach hinten kämmen konnte. Ich würde nicht behaupten wollen, dass er sich gehen ließ. Viel mehr schien er in diesen einfachen Look sich wohler zu fühlen. Wie eine Art Schutzschicht.
Henry dagegen war immer noch ein Berg aus Muskeln. Wahrscheinlich weil er dem Bobybuildersport inzwischen doch verfallen war und es sein Ausgleich zum Beruf war.
Auch legte er ziemlich hohen Wert auf sein Aussehen. Rasierte sich regelmäßig, wenn er einen Schnauzer nicht gerade für eine Rolle brauchte und ließ sich die Haare regelmäßig schneiden, um sie in Form zu behalten.
Man sah ihn selten in Lümmelsachen. Höchstens mal beim Gassi gehen oder für einen faulen Sonntagnachmittag.
Henry wirkte immer konzentrierter, nachdenklicher, vorausschauender und auch verschlossener anderen gegenüber. Ich wusste, dass er nur wenigen an seinen privaten Leben teilnahmen ließ. Vor allem bei seinen jüngeren, plapperfreudigen Schauspielkolleginnen.
Chris war auch hier das Gegenteil. Er wirkte offener, freundlicher. Er gab vieles seines privaten Lebens öffentlich. Außer um sein Liebesleben. Man kannte seine Nichten und Neffen, seine Geschwister, seine Eltern. Er veröffentlichte auch regelmäßig Bilder und Videos von ihnen.
„Aurelia und ich haben uns nur gefragt, dass das hier nicht gerade wie ein Pub aussieht, zu den wir dich eher zugeordnet hätten." erklärte mein Verlobter mit warmer sanfter Stimme.
„Oh, da täuscht ihr euch! Hier wird es euch gefallen. Los kommt mit!"
Wir folgten Chris durch die gutbesuchte Bar. Es saßen bereits einige Leute drin. Leute allen Alters. Jedoch konnte ich deutlich erkennen, dass hier niemand von den Gästen ohne ein Jahreseinkommen von 100.000 Dollar nach Hause ging.
Chris führte uns zum Tressen, wo er den glatzköpfigen schweren Mann dahinter sofort begrüßte. Der Mann lächelte breit auf. „Chris! Hi! Schön, dich hier wieder zu sehen! Setzt euch. Wollt ihr noch was essen. Wir hätten heute Lachs im Angebot!"
Oh Bitte nicht!
„Habt ihr Hunger?" fragte Chris und zeigte uns unsere Plätze. Es war an der Kante der Bar. Henry und ich saßen links. Alba und Chris recht. So konnten wir alle miteinander reden und saßen nicht direkt nebeneinander, was praktisch war.
Mein Magen meldete sich sofort. „Gern. Was haben sie denn noch außer ... Lachs?"
Ehe Chris antworten konnte, war auch schon der Barkeeper wieder bei uns und reichte uns vieren die Karten.
Das Winzeln hinter mir ließ meine Aufmerksamkeit jedoch erst mal zu Kal gehen, der mit trauriger Miene hinter mir stand und mich ansah. „Was ist denn los, Bär? Auch hungrig? Du hattest doch vorhin noch einen Napf voll Trockenfutter."
Er lief zu mir herum und stellte sich an die Kante zwischen Chris und mich. Wieder ein Winseln.
Da wollte wohl jemand Aufmerksamkeit. Und da ich nun seine neue Adoptivmutter war, musste ich mich selbstverständlich um das Befinden meines Hundes kümmern. Meines Hundes. Oh je. Dass es je soweit gekommen ist.
Kaum richtete ich die Hand in Richtung seines Kopfes, sprang auch schon wieder seine Gute Laune Maschine an und er wedelte mit den Schwanz auf. „Ist mein kleiner Kuschelbär, traurig, weil er sich die Kuscheleinheiten mit Dodger teilen muss?" fragte ich mit einer leichten Babystimme.
Kal sprang leicht auf und drückte dann den Kopf noch weiter gegen meine Hand. „Feines kleines Bärchen."
Mit einem tiefen Seufzer lenkt nun aber Kals Herrchen die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Freundlicherweise war Kal so nett und tänzelte gleich um meinen Platz herum, um sich zwischen Henry und mich zu drücken. Sodass ich gar nicht aufhören musste ihn zu streicheln.
Henry sah mich frustriert an. „Sieht schlecht aus für dich, Darling."
„Tut mir leid, Aurelia. Das ist es was ich dir gerade sagen wollte. Super Bar. Nur gibts quasi zu jedem Gericht ein Steak dazu." erklärte mir nun auch Chris.
Ich hatte ja nie Probleme damit, wenn die Leute um mich herum Fleisch aßen oder Rücksicht auf mich nehme sollten, beim Aussuchen des Restaurants. Ich fand immer was. Auch wenn es nur Salat war.
Ich schlug die Karte auf. Steak mit Ziebeln. Steak mit Ananas. Steak mit Kartoffeln. Steak mit Pommes. Reis. Mir wurde schlecht und traurig zugleich.
Mein letzter Ausweg waren die Salat.
Ich weinte innerlich auf. Salat mit Schafskäse. Salat mit Schinkenwürfeln. ... Salat mit Steak.
Mitfühlend streichelte mir Henry über den Rücken. „Das tut mir leid, Darling."
Mir auch.
„Bist du Veganerin, Aurelia?" hörte ich jetzt Alba fragen.
Entweder lag es an meinen zunehmenden Hunger oder an der Frage selbst, aber am liebsten hätte ich Alba dafür vom Sitz geworfen.
Doch ich lächelte nett. „Ja. Seit vielen Jahren."
„Und da stört es dich nicht, wenn wir Fleisch essen und dein Partner auch?"
Allmählich platzte mir die Hutschnurr. Ruhig bleiben. Ruhig bleiben. Die arme Alba konnte auch nichts für meine Gereiztheit. Mein Magen knurrte und ja, vielleicht hatte Henry auch recht gehabt, als er noch aus Spaß sagte, ich würde zum Biest werden, wenn ich Hunger hatte. Mein letztes Essen war im Flugzeug gewesen. Ein kleines Sandwich.
„Stört mich nicht, nein. Dafür gibt es genügend andere Veganer, die ihre Meinung und ihren Lebensstil kundtun. Ich glaube auch nicht, dass man mit viel Gedöns und harten Worte, mit Prostet und Besserwisserei, die Leute vegan macht. Das ist ein Prozess, den Leute selbst durchlaufen müssen. Meiner Meinung nach. Ich kann dir natürlich zwei Stunden Fakten um die Ohren hauen und sagen, dass das Steak, was du dir bestellen wirst, immer noch ein Tier war und für fünf Minuten Genuss sterben musste, weil wir uns einen schönen Abend machen wollen. Dass es alleine dazu geboren wurde, damit irgendwelche reichen Menschen einen schönen Abend haben. Und, dass dieses Stück Fleisch, sobald es deine Speiseröhre hinabgerusscht ist, anfängt Entzündungen bei dir freizusetzen. In allen möglichen Bereichen. Aber ich glaube meine Worre würden nichts bewirken. Eher noch mehr Wut auf die Veganer und noch mehr Ablehnung."
„Auri." hörte ich Henry leise flüstern. Seine Hand lag bereits auf meinen Oberschenkel und drückte ihn sanft.
Ja. Ein Gang zurückfahren. Ja. Schon kapiert.
Ich wusste, dass er helfen wollte. Dass er den Barkeeper wahrscheinlich eher angesprungen wäre. als mich hungrig zu sehen. Aber auch das war ein Kampf, den ich schlagen musste und wollte. Mag sein, dass ich empfindlich gegenüber meiner Größe war, aber für meine vegane Lebensweise konnte ich Tag und Nacht für kämpfen. War ja etwas, was ich für mich selbst ausgesucht hatte - im Gegensatz zu meiner Größe.
Ich hielt den Blickkontakt mit den Barkeeper konstant, bis er mich endlich ansah und zu mir kam. Ich lächelte nett auf, obwohl mein Bauch laut knurrte. „Haben Sie hier auch irgendwas ohne tierische Produkte?" fragte ich höflich nach.
Dem kahlköpfigen Mann schien meine Freundlichkeit egal. Er verzog keine Miene. „Tut mir leid, Lady. Nur so wie es auf der Karte steht."
„Kann ich was wegfallen lassen?"
„Ja. Das geht."
Zufrieden grinste ich auf. „Dann bitte das Steak Pommes, ohne Steak. Das Steak Gemüse ohne Steak und das Steak Salat ohne Steak und Joghurtsoße bitte. Ein bisschen Ölivenöl reicht mir. Zu trinken nehme ich erst mal ein Wasser. ... Und ein Aperol Spritz."
Der Mann sah mich verwirrt an. Nickte dann aber, ging und holte seinen Block heraus um es sich aufzuschreiben.
„Worin werden die Pommes gebraten?" wollte ich wissen.
„Fett oder Öl."
„Welches?"
Ich spürte wie sich Henry das Grinsen verkneifen musste und studierte dadurch akribisch die Karte.
„Fett halt!"
„WELCHES FETT? Es gibt einen Unterschied zwischen tierischen und pflanzlichen."
Der Mann verdrehte die Augen. „Normal halt. Wir kaufen kein tierisches. Da ist eine Pflanze darauf abgebildet."
Ja. Super. Auf meinen veganes Süßkram war auch ein lachender Fuchs abgebildet, der aber noch lange nicht in der Tüte war.
Da mein Hunger aber inzwischen neue Maßstäbe setzte, nickte ich einverstanden.
Henry schlug neben mir seine Karte hörbar zu. Wieder legte sich seine Hand auf meinen Rücken. Unterstützend. Tröstend. Liebend. „Für mich bitte die Offenkartoffel mit dem Rosmarin-Steak. Und ein Whisky on the Rocks."
Auch Chris und Alba gaben ihre Bestellung auf, während der Mund meines Verlobten an mein Ohr kam. „Hab ich dir schon mal gesagt, wie heiß ich es finde, wenn du jemanden strickte Anweisungen gibst?"
Fast schon erschrocken sah ich ihn an. „War ich zu gemein gewesen?"
Henry schmunzelte sacht und schenkte mir einen zarten Kuss auf die Wange. „Du hast reagiert wie es sich gehört. Genauso wie ich es liebe."
Ich grinste breit. „Schleimer!"
„Veganerin!"
„Nerd."
„Nerdin!"
Ich lachte auf und brachte meinen Verlobten zum breiten zufrieden Grinsen.
„Komm, Aurelia! Da sind wir beiden in der Beziehung wohl fast gleichauf."
„Fast?"
„Du kannst mehr Comic Figuren aufzählen als jeder andere im Umkreis von 1000 Meilen. Du bist schlimmer als ich."
Ich zog eine Braue an. „Sagt der Typ der mich letztens über eine halbe Stunde über griechische Götter aufgeklärt hat. Nur weil ich Tesseus als Halbgott sehe."
„Er ist ein Gott. Genau wie Superman."
Mir sprang die Kinnlade herunter. „Wie bitte? Superman ist doch kein Gott!"
„Ist er wohl."
„Achja? Weil er ein Alien ist und Superkräfte hat? Dann sollten wir wohl auch demnächst eine Kirche für den mächtigen gnädigen ET bauen! Nicht zu vergessen die dazu passende Dreifaltigkeit. Telefon, Fahrrad und den Heiligen Fahrradkorb.
Henry schüttelte grinsend den Kopf. „Selbstverständlich ist ET kein Gott. Es geht darum, was er den Menschen bedeutet und anders herum. Er ist stark. Er ist mächtig. Er ist ein Held für die Menschen. Sie sehen zu ihm auf."
Ich hob die Augenbrauen an. „Ja. Er besitzt mächtige Kräfte, die einen Gott ähnlich sind. Aber du wirst dich auch daran erinnern, dass Kal El nicht unbesiegbar ist. Er kann sterben."
Henry grinste mich herausfordernd an. „Ich muss dich, als Mythologie-Expertin, die du doch bist, nicht daran erinnern, dass Götter durchaus sterben können."
„Es kommt auf die Mythologie an, Cavill!"
„Aha! Also hast du damit dein erstes Argument schon mal selbst entkräftet!"
Argh!
Das dürfte doch nicht wahr sein. „Fein!" Gab ich frustriert zu. „Was ist aber mit seiner Schwäche für Kryptonit? Die meisten Götter haben keine Schwäche! Sie sind perfekt und dienen den Menschen als Vorbildfunktion."
Henry zuckte nur mit den Schultern. „Na und? Das macht ihn vielleicht noch attraktiver für die Menschen ihn als Gott zu sehen. Weil er Schwächen hat. Haben die Götter auf dem Olymp doch auch, Darling. Von den nordischen mal ganz abgesehen."
Ob ich das gelten lassen würde, glaube ich kaum.
Henry tätschelte meine Hand. „Sieh es ein, Auri. Er ist ein Gott. Für einige Menschen. Genauso wie es Allah für einige ist, oder es den Gott der Christen gibt. Die Menschen sehen zu ihm auf. Glauben durch ihn an Wunder. Glauben an ihn, sehen in ihm Hoffnung und schöpfen Mut. Für mich braucht es nicht mehr, um ein Gott zu sein. Vielleicht grenzt er sich technisch von den heute noch bestehenden Götter ab, an welche die Menschen noch glauben. Aber implizieren wir die Götter aus dem Norden und aus der Antike, ist Superman in keinen Fall anders als sie.
Immerhin war er ja auch im Stande ein eigenes Universum zu erschaffen."
Ich seufzte tief und drückte mir mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. „Ja, Henry."
Ich wusste, dass er ein geballtes Wissen rund um Superman hat, das er nur allzu gern blicken ließ.
„Nachdem er bei der Verteidigung der Erde zu viel Sonnenenergie verbraucht hatte, merkte er, dass er daran sterben würde. Allerdings hatte er Angst, dass ohne ihn die Menschen wieder anfangen würden, sich gegenseitig zu töten und keinen richtigen Beschützer mehr hätten.
Er glaubte, dass sie noch nicht bereit dafür waren, ohne ihn zu leben.
Also flog er in den Weltraum und erschuf mit den letzten bisschen Sonnenenergie, das ihm noch zur Verfügung stand, eine neue Welt und auch Leben, Aurelia."
Super. Einfach super.
„Er sah sich an, wie die Menschen sich entwickelte. Wie sie ihre Gesellschaften gründeten. Feuer fanden. Werkzeuge schmiedeten.
Und dabei entdeckte er auch irgendwann seine Schöpfer. Jerry Siegel und Joe Shuster. Auch in dieser neuen Welt schaffte sie einen Superhelden. Einen Mann, der für sie Einstand. Sie beschützte und ihnen half, den rechten Weg zu finden."
„Also ist Superman auf den Idealen zwei Zeichner gewachsen, ja?"
„Genau wie jeder andere Gott auch. Jeder von ihnen hat einen Erfinder, Darling. Ob du es wahrhaben willst oder nicht."
Genüsslich grinste mein Verlobter. Er wusste, dass er gewonnen hatte.
Aber ich war noch nicht fertig. „Also macht einen Gott für dich aus, dass er Leben erschaffen kann. Dass er mächtig ist und die Leute anführen kann. Sie auf den rechten Weg leitet. Vielleicht sogar noch fliegen kann."
„Ja."
Ich zuckte mit den Schultern. „Dann ist das Captain America auch."
Nun wurde auch Chris hellhörig, der bis gerade eben Alba erklären musste, dass Henry und ich uns nicht stritten, sondern wieder in unsere geliebten Diskussion verstrickt hatten.
Henry lachte unglaubwürdig auf. „Auf keinen Fall! Weder hat er große Macht, noch kann er fliegen. Ja, ich geh mit dir mit, dass er rechtschaffen ist und Leute anführen kann. Aber ich würde ihn eher als Messias bezeichnen als die Rolle eines Gottes."
„Er trägt in seinem Herzen wohl die gleiche Liebe zu den Menschen und gibt ihnen Hoffnung und Zuversicht wie Kal El. Darin sind wir uns einige, Ja?"
Henry nickte.
„Steve Rogers ist durch dieses Liebe, diese Selbstlosigkeit und diese Hoffnung, die er um sich herum verbreitet, würdig Thors Hammer zu halten und zu benutzen. Und damit quasi über Ashard zu regieren.
Thor ist ein nordischer Gott. Er kann nicht selbst fliegen. Dazu hat er seinen Hammer, den ja auch der Captain benutzen kann und verfügt über die gleich Macht wie er.
Thor kann zwar Leben schaffen, genau wie Steve Rogers im ... ganz natürlichen Stil - aber ich würde bei beiden behaupten, dass sie keine Welt erschaffen können. Trotzdem ist Thor ein Gott. Ergo ist es Captain America auch. Und ich würde sogar behaupten, dass er noch ein besserer Gott ist als Thor."
„Danke, Aurelia!" hörte ich Chris neben mir stolz sagen, während mich mein Freund grinsend musterte.
Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist Superman mächtiger als Captain America, aber vom Prinzip sind beide gleich. Gewinnst du mit deiner Theorie, dass wir antike und nordische Götter mit einfließen lassen, gewinne ich auch."
Henry ließ die Zähne aufblitzen. Vor Stolz. „Fein. Unentschieden, Darling."
„Oh, nein, nein, nein!" sagte ich und grinste breit. „Du kennst meine zweite Therorie ja noch nicht."
Henry lehnte sich interessiert zu mir vor. „Welche ist das?"
„Jean Grey alias der Phoenix würde Captain America und auch Superman in der Hinsicht komplett die Show stellen und auch fertig machen! Sie ist wohl die einzige Person, die Superman in den Erdboden stampfen könnte."
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