Kapitel 30 - Wahrheit oder Knoblauch
Henry
Ich hätte noch Ewigkeiten und Aurelias Bett weiterschlafen können. Es war nicht allzu groß gewesen. Reicht gerade einmal dafür, dass wir auch nebeneinander schlafen konnten, obwohl es kaum eine Nacht gab, in der sie nicht an mich geschmiegt da lag und ich sie die Nacht über in meinen Armen hielt.
Die Matratze war angenehm hart. Die Kissen waren wesentlich schmaler als die normalen rechteckigen, dafür konnte man auf ihnen aber deutlich besser und weicher schlafen.
Die Decke war schön locker leicht, wärmte trotzdem gut. Und dazu roch es hier drin überall so herrlich schön nach ihr. Ich wäre am liebsten nie wieder aufgestanden.
Was soll's? Dann würden wir eben in keine Kneipe gehen! Und? Gegen dieses Bett empfand ich mein eigenes in England wie ein Stein. Ich musste sie unbedingt fragen, wo sie das her hatte.
Apropos! Wo war meine Freundin überhaupt?
Ich öffnete ein halbes Auge und sah neben mich. Alles leer. „Auri?" fragte ich verschlafen und drehte mich vom Bauch auf den Rücken.
Alles leer.
Ich hab einen brummenden Laut von mir, sah kurz auf den kleinen Wecker, der neben dem Bett auf den rechten Nachttischschränkchen stand, und brummte noch tiefer. Es war kurz nach achtzehn Uhr. In einer Stunde hatte uns Aurelia einen Tisch in ihrem Lieblingslokal bestellt.
Noch bevor wir zu ihrer Wohnung gefahren waren. Noch bevor sie mir ihre schicke kleine Wohnung gezeigt hatte.
Noch wie uns in der Küche tief in die Augen gesehen hatte.
Noch bevor wir uns der Leidenschaft hingegeben hatte und ich sie an die Wand gepresst im Flur nahm.
Ich wusste nicht mal mehr wie wir es von dort aus in ihr kleines Schlafzimmer geschafft hatten.
Hier drin gab es nur das Himmelbett mit den dünnen weißen, fast transparenten Vorhängen, die fast komplett alle geöffnet waren, die Nachtschränkchen, einen alten braunen Kleiderschrank und ein schönes großes Fenster, dass offen stand und eine frische Brise ins Schlafzimmer brachte.
Aurelia hatte die Farben hier drin bewusst hell gelassen. Eine Seite war in einem zarten Rosé gestrichen. Die anderen blieben weiß. Dafür holte der dunkle Schrank und das dunkle knarrende Parkett den Kontrast zwischen Hell und Dunkel wieder gut vor.
„Auri?" fragte ich erneut und setzte mich nun auf.
Die Holztür zum Schlafzimmer stand einen Spalt offen und ich meinte die Dusche zu hören. Na super.
Ich müsste nach dem Training auch dringend duschen. Aber dieses Bett ...
Ich verdrehte die Augen und stand auf. Es nützte nichts. Wir würden ohnehin bald hierher wiederkommen. ... Ehe wir in einer Woche nach Österreich fliegen müssten. Der nächste Drehort für die Witcher Serie.
Ich durfte gar noch daran denken. Ich vermisste allmählich wirklich mein Zuhause in England. Mein Haus. Mehr Platz als nur in einem Trailer zu leben oder einem Hotelzimmer. Aurelias Wohnung hier war zumindest schon eine schöne Abwechslung. Vor allem, wenn außerhalb schönes angenehmes Wetter war. Und das für Anfang September.
Ich sollte das hier wirklich genießen. Endlich mal ankommen. Endlich mal abschalten und genießen. Nichts was uns hetzt. Nichts was uns stresst. Außer die verdammte Uhrzeit.
*
Der Laden in den uns Auri gebracht hatte, war wirklich gut. Und da sprach nicht nur der Wein aus mir.
Das Ambiente war wirklich gut. Es waren zwar allerhand Leute da, die auch hin und wieder ein Foto von uns wollten, aber in der Regel waren wir doch alleine und für uns. Wir saßen recht mittig im Raum in einer kleinen Seitennische mit zwei gepolsterten Bänken, einen dunklen Holztisch zwischen uns und am rechten Ende gab es eine halbhohe Trennwand, die uns auch nochmal gut vor den anderen abschirmte.
„Also gut." erklärte Aurelia, die gerade dabei war, unsere vier Shortgläser übereinander zu stapeln.
Ja, bei einem Wein war es lange nicht geblieben. Erst recht nicht als ich gelesen hatte, was dieser Laden alles für selbstgebraute Schnäpse hatte.
„Wir sollten unser Spiel mal wieder fortsetzen."
„Welches?" fragte ich und war mir nicht ganz sicher, ob man meine leichte Betrunkenheit schon hören konnte. Zumindest fühlte ich mich rundum wohl, warm und zufrieden. Der Rest zählte erstmal nicht.
Aurelias Blick fand kurz meinen, ehe sie sich die Getränkekarte wieder zur Hand nahm. „Na unser Frage und Antwort Spiel."
„Ach das meinst du. Klar. Schieß los."
„Okay. Aber dieses Mal machen wir die Sache interessanter." erklärte sie grinsend und hob einen Arm um einen Kellner zu uns zu ordern. Rasch stand er da. Der Typ, der erst vor ein paar Minuten von uns beiden ein Foto mit sich gemacht hat. „Bringen Sie uns bitte zehn Kurz mit Ihren leckeren Knoblauchschnaps bitte?"
„Wird gemacht!"
Ich machte große Augen als sich der Kellner wieder entfernte. „Zehn? Bist du wahnsinnig? Wir müssen den Weg noch zurück zu deiner Wohnung finden! Abgesehen davon, dass ich nicht mal Ahnung hab, wie wir dahin überhaupt wieder kommen!"
„Easy, Cow Boy. Wenn du nichts zu verbergen hast, bleibt der Schnaps unberührt. Willst du dagegen nicht sprechen, fließt der Knoblauch. Und ich sage dir, den willst du wirklich nicht trinken."
"Du hast den Kellner was von lecker gesagt!"
"Das war gelogen! Das weiß er, das weiß ich - das weiß der ganze Laden. Wenn du den trinkst, hast du die erste Pforte zur Hölle überwunden."
Irgendwie hatte mir meine Version des Spiels besser gefallen. Andererseits hatten wir morgen einen freien Tag. Und ein bisschen Neugierig war ich auf das Zeug auch.
Rasch wurden uns die Shots gebracht und Aurelia baute jeden fünf Stück in einer Reihe vor ihr und mir auf.
Ich zeigte auf sie. „Ladys First."
Sie lächelte charmant. „Wie reizend, mein Liebster. Also starte ich mal mit einer Frage, die mir schon eine Weile auf der Seele liegt. Kräme dich bitte nicht; sei einfach nur ehrlich. Ich kann damit umgehen."
Das konnte doch nur in die Hose gehen. Da war ich mir jetzt schon sicher.
Aurelia legte einen wirklich lasziven Blick auf, legte den Kopf leicht schief, zog eine Braue an und öffnete leicht die Lippen.
Dieser Anblick reichte, damit das Blut auf direktem Wege von meinem Kopf im untere Regionen floß. Fuck.
„Also, Mr. Cavill. Wie viel Frauen waren es, mit denen du im Bett gelandet bist? Egal ob Beziehung oder One Night Stand."
Ich seufzte schwer auf. Das war ein Thema, über das ich Gras wachsen ließ. Gerade für Aurelia. Sie war mir verdammt wichtig geworden. Wichtiger als alle anderen Frauen, die ich zuvor getroffen hatte. Ich wollte sie nicht verlieren. Nicht wegen so einer Sache. „Auri!"
„Ich weiß doch worauf ich mich mit dir eingelassen habe." erklärte sie plötzlich ziemlich nüchtern und sachlich. „Ich weiß, dass du es nicht leicht hattest als Kind. Ich weiß, welchen Druck Hollywood auf einen ausübt und wie es ist, wenn sich plötzlich alle für einen interessieren und deinen Namen rufen. ... Wobei es bei mir noch weniger ist als bei dir. Ich habe wirklich kein Problem damit, wenn es hundert sind." Plötzlich verzog sie für einen Moment das Gesicht, ehe sie kurz mit den Kopf schüttelte. „Na ja. Ich würde dich in diesen Fall vielleicht nochmal einen Tripper-Test machen lassen, auch wenn das vielleicht seit ein paar Wochen dafür zu spät sein sollte."
War es. Aber darum musste sie sich als letztes irgendwelche Gedanken machen.
Ich seufzte wieder schwer auf und fuhr mir durchs Haar. Sie gab mir die Möglichkeit zu schweigen, aber was das anging, hatte sie die Wahrheit verdient. Auch wenn sie mir nicht gefiel. „Geschätzte Zahl oder die konkrete?"
Sie zuckte unschuldig mit den Schultern. „Je konkreter desto besser."
Na super. Ich holte nochmal tief Luft, ehe ich sie ansah. „Du bist meine 67."
Ich erwarte Entsetzen. Wut. Trauer. Ekel.
Doch sie tat etwas ganz anderes. Sie sah mich einfach nur an. Und zuckte dann mit den Schultern und verzog das Gesicht zu einer unbeeindruckten Miene. „Ich dachte, das wären mehr." sagte sie ganz nüchtern und ließ meine Kinnlade herunterfallen.
„Mehr?" fragte ich schief nach und nahm mir einen der fünf Kurzen. Den brauchte ich jetzt wirklich. In einem Zug schluckte ich die trübe Brühe herunter - und hätte sie am liebsten wieder ausgespuckt.
Jetzt verstand ich wieso sie ausgerechnet den Schnaps gewählt hatte. Da überlegte man sich drei Mal, ob man wirklich schweigen wollte.
Ich schluckte ich ihn trotzdem hinter. Und hoffte, der würde auch da bleiben.
Gott war der ekelhaft. Einfach nur wie flüssiger Knoblauch, gepaart mit Klarem. Jab. Ich hatte die erste Pforte zur Hölle gemeistert.
„Und zu meiner Verteidigung." sagte ich mit belegter Stimme und schob das Glas so weit von mir weg wie möglich. „Ich hab nie jemanden betrogen. Ich habe mir nie einfach so eine Frau mit ins Hotel genommen, weil ich es durch meinen Status konnte, sondern weil mich diese Frau angesprochen hatte. Ich hätte mir im Prinzip mit jeder von ihnen eine Beziehung vorstellen können. Nur ... manchmal sahen die Dinge am Morgen anders aus als am Abend zuvor."
Aurelia nickte nachdenklich. „Jab. Da sprichst du mir aus der Seele."
„Aber das hat fast alles mit Kal geendet. Er hat mich wirklich zu einem besseren Menschen werden lassen. Sicherlich bin ich danach noch Beziehungen eingegangen, aber lang nicht mehr so kurzfristig wie vor ihm."
Auri lächelte matt. „Ja. Manchmal können uns Tiere wirklich retten. Umso wichtiger, dass wir nett und respektvoll zu ihnen sind."
Das war wahr. Doch mir fiel noch etwas wichtigeres ein.
„Ich habe aber auch immer verhütet. Egal mit wem und wenn mir versichert wurde, dass die Frau selbst aufpasst. Ich stecke dich also sicherlich nicht mit irgendeiner Krankheit an." versicherte ich ihr nochmals, wobei ich dabei meine Stimme besonders tief und ruhig hielt, damit es ja keiner der anderen Tische mitbekam. „Hättest du nicht vor ein paar Wochen gesagt, wir können auf den zusätzlichen Schutz verzichten, hätte ich keine Probleme gehabt, auch weiterhin-"
Jetzt lachte sie laut auf. So laut, klar und herrlich, dass sich einige Köpfe schon zu uns umdrehten.
Das war kein höfliches, zartes Lachen. Das war echt. Herzlich. Tief. Voller Freude und Ehrlichkeit. So echt und authentisch, dass es ihr nichts ausmachte, dass sie alle sie ansahen und auch nicht, wie sie sich auf der Bank vor Lachen krümmte und verbog.
Gott, was war ich in diese Frau verliebt gewesen. In ihr Lachen. In ihre Weisheit. In ihre Seele. In ihr Erscheinungsbild.
Sie war einfach mein Gegenstück.
Trotzdem lief ich rot an. Ich wusste doch, dass mich dieses Thema was kosten würde!
Als sie endlich fertig war mit lachen, wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkel und kicherte noch ein paar Mal leise auf, ehe sie seufzte. „Ich weiß doch, das dir das wichtig ist. Alles gut, Henry. Ich wollte das nur wissen, damit ich dich noch besser verstehen kann. Egal ob ich es mag oder nicht; ich kann deine Vergangenheit genauso wenig ändern wie meine. Aber sie hat dich zu den Mensch werden lassen, zu dem ich mich heute angezogen fühle und mit dem ich unglaublich gerne Zeit verbringe und bei dem ich mich rundum wohl und sicher fühle.
Ich meine, es tut mir wirklich leid, was dir damals widerfahren ist und wäre ich in deiner Klasse gewesen, hätten dich die andern Kinder sicherlich nicht mehr ausgelacht.
Aber das Leben spielt wie es will und wie Sokrates schon sagte; Das Geheimnis der Veränderung ist, alle Energie nicht auf die Bekämpfung des Alten zu legen, sondern auf den Aufbau des Neuen.
Daran halte ich mich."
Ich war wieder einmal unheimlich beeindruckt von ihr. Philosophie hatte ich nie wirklich als etwas sehr wichtiges angesehen. Für mich sollte jeder Mensch denken, was er denken sollte. Doch Aurelia, die nun dieses Gebiet auch studiert hatte, zeigte mir eindrucksvoll, dass es sich vielleicht doch lohnen würde, sich mal mit ein paar Philosophen auseinander zu setzen. Und wenn es am Ende nur darum ging, andere Menschen besser verstehen zu können.
Ich atmete schwer aus und nahm einen Schluck von meinem Wein. Eine Sache wollte ich dazu trotzdem noch erklären. „Ich habe mehr als einmal mitbekommen, wie es Kollegen ergangen ist, wenn eine Frau behauptet von ihm schwanger zu sein. Wie viel Geld und Nerven das kostet und wie hart sich das auf den Ruf verbreitet. Da geh ich lieber drei Mal auf Nummer sicher."
„Aber trotzdem willst du irgendwann Kinder."
Ich nickte sofort und grinste sie an. „Mit der richtigen Frau sofort. Aber ich lasse den Thema trotzdem Zeit. Auch wenn ich vielleicht nicht mehr der jüngste Vater werden sollte. Es muss vieles stimmen, damit es funktioniert. Aber das war schon deine zweite Frage, Darling."
Tatsächlich fühlte ich eine Welle der Erleichterung durch mich fahren. Es war endlich raus und Aurelia schien sich daran nicht mehr oder wenig zu stören als bisher.
Sie vertraute kurz die Augen und ließ sich auf der Bank nach hinten fallen. „Schieß los."
Ich war wirklich nicht auf dieses Spiel vorbereitet. Also nahm ich das erst beste. „Wie viele Bettgeschichten hattest du schon?"
Ihre Wangen färbten sich rot. Entweder lag es am Alkohol oder an meinem Blick, den ich ihr zuwarf. Sie sah so unheimlich erregend schön in ihrem schwarzen kleinen Kleid aus mit der kurzen dünnen dunkelblauen Jacke darüber. „Du bist meine verfluchte Sieben."
„Verflucht bin weder ich noch die sieben." grinste ich zurück, beugte mich vor, um ihre Hände in meine zu nehmen. Sie waren so warm und weich. „Sieben ist unsere Glückszahl, wetten?"
Sie kicherte und setzte wieder auf. Unsere Köpfe bewegten sich immer näher aufeinander zu.
„Du schuldest mir noch eine zweite Frage, Darling."
„Raus damit."
Ich näherte mich noch weiter ihrem Kopf, bis unsere Nasen sich fast schon berührten. Da gab es tatsächliche eine Sache, die mir schon seit letzter Woche nicht mehr aus dem Kopf ging. „Was hältst du davon, wenn wir, wenn die Außendrehs zur Witcher Serie vorbei sind und ich bis Anfang nächstes Jahr warten muss, bis es in den Studios für mich weiter geht, wir beide eine Weile bei mir in England leben? In meinem Haus. Und danach könnten wir vielleicht zusammen Urlaub machen? Natürlich nur, wenn es deinen Terminkalender zusagt."
Aus ihrem Grinsen wurde ein Lächeln. Ein ehrliches, freudiges, warmes Lächeln, in das ich mich in den letzten Wochen so oft verliebt hatte. „Das klingt nicht verkehrt, Cielo. Von dir Zuhause aus kann ich auch gut arbeiten. Sofern du mir etwas Platz machen könntest. Und Urlaub klingt auch nicht verkehrt."
Mein Herz machte einen Salto rückwärts.
Ja, es war jetzt kein Umzug in mein Haus für sie. Das würde es wahrscheinlich sowie nie wirklich geben, wenn ihr Standort in Madrid war und wir beide ständig reisen mussten.
„Sicherlich ist der nächste Tennisplatz auch nicht weit weg." fügte ich noch hinzu, ehe Auri sich nach weiter nach vorne beugte und mich kurz küsste.
„Ich bin dran."
„Na dann." Ich lehnte mich wieder zurück und ließ ihre Hände los.
„Wie viele meiner Turniere hast du inzwischen im Internet angesehen? Also nach unserem ersten Treffen beim Vorsprechen." Ihr Grinsen war so verdammt frech geworden. Als würde sie schon die Antwort kennen.
Aber den Schuh zog ich mir nicht an. Ich hatte schon eine Schatten von mir gezeigt. Diese hier blieb verschlossen. „Vergiss es!" Ich griff nach meinem zweiten Glas und kippte es mir runter.
Ich verzog das Gesicht sofort und hätte die Brühe am liebsten sofort wieder ausgespuckt. Sowas ekelhaftes konnte man doch nicht ernsthaft verkaufen.
Aurelias Schmunzeln war jedoch Erkenntnis genug, um zu wissen, dass sie wohl auch damit keine Probleme hatte, wenn ich sie bis ins kleinste Detail gestalkt hatte. Dass ich jedes verfügbare Spiel gesehen hatte und mich damit in sie verliebt hatte.
Kein Blick war schöner als der, sie hochkonzentiert, verschwitzt und mit rotem Sand beschmutzt zu sehen. Wie auch immer sie letzteres immer und immer wieder geschafft hatte.
Ich liebte den Klang, den sie machte, wenn sie zum Aufschlag servierte und wie heiß sie aussah, wenn sie über das Feld stürmte, um den Ball zurückzuschießen.
Alleine dafür, um sie irgendwann selbst mal in diese Situation zu bekommen, würde ich an diesem Sport dranbleiben.
„Und du? Wie viele meiner Filme hast du schon gesehen?"
„So ziemlich alle Filme nach 2010. Batman vs. Superman habe ich auch noch nicht gesehen. Den konnte ich nirgendwo streamen."
Mir fiel erneut die Kinnlade herunter. „Ich dachte, du würdest zu den Frauen zählen, die sich nie Filme ihres Partners ansehen."
„Falsch gedacht." erklärte sie. „Du warst zwei Wochen nicht da und ich habe dich vermisst."
„Wie süß."
Sie schnaufte auf. „Ja. Nur bitte tu der Welt und mir den Gefallen und lass das mit dem Schnurrbart und dem kurzgeschoren Haare."
„Was?" spielte ich den entrüsteten Mann. „Du würdest Syverson und August Walker nicht in dein trautes Heim lassen?"
Wieder lachte sie auf und wieder fiel mir dabei auf, wie leicht und schön Konversationen mit ihr waren. „Nein. Wäre auch kein Platz mehr zwischen Napoleon, Geralt von Riva, Will Shaw, Melot, Sherlock Holmes, Randy Lee James und Charles Brandon." Ihre Augen wurden größer. „Oh, mein Gott. Und nicht zu vergessen Marshall! Heiliger Falter, das war ein mega guter Film. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso der Film so schlecht bewertet wurde. Die Handlung waren logisch, schlüssig und du warst darin so verdammt heiß, dass man dir dafür einen Oscar hätte geben müssen."
Nun war ich es, der sich nicht mehr zurückhalten konnte und lauthals loslachte. Einen Oscar für Nomis. Ich konnte mir Aurelia schon in der Juri der Oscar Verleihung vorstellen - wie sie für den Film und mich kämpfte.
„Ich sag dir" Auri griff nach einem Shotglas und trank es in einem Zug leer und ohne eine Miene zu verziehen. „Wären wir in dem Film Kollegen gewesen, wären wir beide definitiv im Bett gelandet. Also ich zumindest mit dir. Du hättest da wenig Mitspracherecht gehabt."
„Definitiv!" bestätigte ich ihr lachend und wischte mir die Tränen aus den Augen. „Und du hättest mehr aus der Rolle meiner Filmkollegin, Alexandra Daddario, rausgeholt als sie selbst."
Auri tätschelte meine Hand. „Sei nicht so hart mit ihr."
„Bin ich nicht. Nur wenn ich die Auswahl zwischen dir und ihr hätte, müsste ich keine Sekunde drüber nachdenken. Ich habe in deinen neuen Film gesehen wie gut du selbst in solchen Thriller Filmen bist. Du wärst eine bessere Besetzung gewesen."
„Danke." sagte sie voller Stolz. „Was wäre denn deine absolute Traumrolle oder ein Film, den du unbedingt mal mitspielen wolltest."
Darüber brauchte ich keine Sekunde nachdenken. „Wenn ich könnte und dürfte auf jeden Fall 007."
„Unbedingt!" stimmte Auri voller Euphorie zu. „Aber nur, wenn ich dein Bond-Girl werden darf."
„Das wäre Teil des Deals, Darling."
Wir lachten beide noch ein bisschen darüber ehe ich weiter erzählte. „Ansonsten würde ich gerne mal Alexander den Großen spielen wollen. Ich mag das Zeitalter der Griechen und Römer. Oder falls sie je War Hammer verfilmen sollten, würde ich auch gern mitmachen. Wenn man das richtig macht, könnte ich mir vorstellen, dass es Herr der Ringe in den Schatten stellen könnte."
„Die kleinen Minifiguren?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Ja. Wenn du dann erstmal in London bei mir bist, zeig ich dir das mal."
Begeisterung sah anders aus. Aber komplett ablehnen tat sie es auch nicht. Schließlich hatte ich in ihrer Wohnung selbst Figuren gefunden, die sie selbst angemalt hatte. Kleine Disney Prinzessin. Sehr hochwertig und schön bemalt.
„Und du? Was wäre deine Traumrolle?"
„Persephone. Oder Psyche. Vorzugsweise aber Persephone. Ich mag die Geschichte rund um Hades und Persephone. Man müsste sie in die Neuzeit übertragen. Aber es gibt so viel schönes Potential zwischen den beiden."
Da staunte ich nicht schlecht. „Griechische Mythologie. Interessant."
Auri nickte kurz. „Na ja. Die Geschichten um die griechisch - römischen Götter mit ihren Herzschmerzgeschichten war auch nichts anderes als eine Seifenoper der Antike und wohl Grundstein für den Blödsinn, mit dem manch ein daher gelaufener Schauspieler ohne Ausbildung und Erfahrung, heute sein Geld verdient."
Ich kicherte und nahm einen Schluck Wein. „Du willst doch nicht das Realty-TV in Frage stellen."
„Das und alle Seifenopern mit schlechter besetzen Schauspielern. Wenn ich mit vorstelle, wie viele zusätzliche Trainerstunden ich gegeben habe, um mir neben dem Studium und der Tenniskarriere noch die Schauspielschule leisten zu können" Sie schüttelte den Kopf. „Und heute hat man große Brüste, künstliche Fingernägel und sauerstoffblondierte Haare und alle drehen sich nach dir um und werfen dir Rollen zu wie in den achtzigern. Es hat sich doch kaum was verändert!"
„Na, doch." sagte ich sofort „Ich sag nicht, dass Frauen und Männer heute, was das Gehalt und die Fairness angeht, auf Augenhöhe sind, aber es hat sich schon viel getan. Und ich glaube, so fern ist der Tag nicht mehr, bis es wirklich soweit sein wird.
Abgesehen davon, glaube ich auch noch daran, dass es immer Unterschiede zwischen Hollywoodschauspielern und diesen ungelernten Laienschauspielern geben wird. Aber der Markt explodiert halt gerade bei der Nachfrage nach Schlichtheit und Augenhöhe. Tattoos, Piercings, teilweise Künstlichkeit, egal ob Haare, Brüste, Lippen oder Po, gehören halt immer noch dazu."
Sie gab einen brummenden Laut von sich. „Sollte es aber nicht."
„Das ist deine Meinung, Darling." erklärte ich beschwichtigend und nahm wieder ihre Hand in meine. „Aber darum musst du dir doch keine Sorgen machen. Du hast es sehr weit geschafft. Mit harter Arbeit. Hatte Arbeit, die sich nicht nur beruflich gelohnt hat. Andernfalls hätte ich dich nie kennengelernt."
Ein leichtes schelmisches Lächeln zauberte sich wieder auf ihr Gesicht. „Du hättest ja meine Spiele sehen können."
„Hätte ich müssen, Darling. Und was hättest du gemacht, wenn dir nicht der Weg der Schauspielerei nach dem Karriereaus offen gestanden hätte?"
„Das war schon deine zweite Frage, Henry!"
Ich verdrehte die Augen. „Dann hast du halt danach zwei frei."
Sie überlegte einen Moment lang. „Länger als Profi zu spielen, hätte ich nicht geschafft. Mein Knieverletzung und der Druck bei den Spielen war zu groß gewesen.
Ich wäre höchstwahrscheinlich ins Verlagswesen gestartet. Deshalb hatte ich ja studiert."
Stimmt. Das hatte sie schon mal gesagt. „Trotzdem bin ich froh, dass du diesen Weg genommen und zur Verfügung stehen hattest."
Sie lächelte verliebt. „Ich auch, Henry."
„Auri?"
Mein Herz schlug schneller als sich ihre smaragdgrünen Augen neugierig auf mich richteten. „Ja, Henry?"
„Ich ... ich liebe dich." Platzte es aus mir heraus.
Ich hatte nie darüber nachgedacht, wann der richtige Moment sein würde, es ihr zu sagen, obwohl ich es schon so lange wusste. Doch heute passte einfach alles.
Und als sie mich anstrahlte wie es wohl nur ein Mensch mit reinem Herzen konnte, wusste ich, dass dieser Tag so besonders war und noch werden würde. „Ich liebe dich auch, Henry."
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