Kapitel 14 - Carmen
Aurelia
Henry bestellte uns ein verfügbares Caddy, dass uns zu Carmen fahren würde.
Auf dem Weg dahin schwieg er lange und hatte die Gedanken auf Kal gerichtet, der immer wieder zwischen seinem Herrchen und mir hin und her sah.
Irgendwann reichte mir sein Schweigen. „Henry, ich glaube nicht, dass sie uns zu sich bittet, weil sie von uns beiden Wind bekommen hat."
Er hob den Blick an und sah mich prüfend an. Sagte jedoch nichts.
Also fuhr ich fort. „Wie soll sie von uns wissen, wenn wir es selbst erst seit gestern Abend entschieden haben? Ich glaube kaum, dass sie Spitzel am Dreh hat, die ihr über alle möglichen Affären und Beziehungen berichten. Sowas passiert. Das einzige, was sie sagen könnte, sofern sie von gestern Wind bekommen hat ist, dass sie von einer Beziehung während des Drehs abrät. Sie kann es niemandem verbieten, Gefühle füreinander zu hegen."
Henry sah wieder von mir ab und streichelte seinen Hund. „Ich will dich nicht in irgendwelche Schwierigkeiten bringen."
Er will mich nicht in Schwierigkeiten bringen? Ich schnaufte belustigt auf und musste fast schon aufpassen, nicht aus dem Caddy zu fallen. Sanft stupste ich mit meiner Schulter gegen seine. „Wir wären nicht die ersten und werden nicht die letzten sein, denen das passiert. Und davon abgesehen, bist du mein Rowan. Du gehörst ab sofort genauso zum Team wie Aelin. Wir nehmen die Dinge so, wie sie kommen. Da kann selbst Carmen nichts ändern. Wenn es nicht klappt, klappt es eben nicht. Dass heißt nicht, dass wir nicht so unprofessionel sind, danach nicht mehr unsere Rollen zu spielen.
Nur eines will ich ganz bestimmt nicht; mich zu verstecken. Das bin ich nicht.
Wenn ich glücklich bin, und das bin ich gerade mit dir vollkommen - wenn mir die Sache mit meinem Fuß nicht gerade durch den Kopf geht - dann will ich das allen zeigen."
Den Blick, den mir Cavill darauf schenkte, dieses nachdenkliche gemischt mit diesem bist-du-sicher-damit-Blick, ließ mich wohl noch mehr Lust auf ihn bekommen, als bisher schon.
Er beugte sich nach oben und zu mir vor. Unsere Gesichter berührten sich beinahe. Wie sehr hatte ich mich nur in den letzten Wochen in diesen blauen Augen verloren, in denen auch dieser Schokoton war.
„Du bist unglaublich, weißt du das eigentlich?" raunte er zu mir herüber und brachte mich damit zum Schmunzeln. „Manchmal schon, mein großer starker Bär."
Ja. Ich gebe zu, ich war süchtig nach seinen Küssen geworden. Nach seinem glatten weichen Kinn. Seinen warmen anschmiegsamen Lippen. Dieser unheimlich betörende Duft seines Aftershaves.
Dass ich jemals das Schicksal dafür danken würde, dass ausgerechnet Supermann so ausdauernd mit mir war und meine Zuneigung für ihn herausgekitzelt hatte, damit hätte ich nie gerechnet.
Doch jetzt war ich Henry Cavill ausgeliefert. Ich wollte mir einfach keine Nacht mehr vorstellen, in denen er mich nicht im Arm hielt und mich streichelte. Ich wollte mir keinen Tag vorstellen, an denen er mich nicht mit seinen Küssen lockte und wollte mir keine Sekunde mehr vorstellen, in der ich nicht mehr in diese wunderschönen blauen Augen sehen durfte.
Ich war dankbar dafür, dass Henry nichts dagegen hatte, dass was sich da zwischen uns entwickelte, geheim zu halten. Dafür war ich einfach viel zu glücklich mit ihm. Gerade weil er mir so viel Kraft wegen meiner Verletzung gab.
Henry löste grinsend unseren Kuss auf und streichelte mir erneut über die Wange. „Habe ich schon gesagt, dass ich mich unheimlich auf unser erstes Date freue?"
„Du meinst auf Tofu, Seitan und Jackfruit?" fragte ich ihn grinsend und ließ es mir gefallen, als er seinen Arm um meine Schultern legte.
Er schnaufte freudig auf und küsste meine linke Schläfe. „Ich freue mich darauf mit dir essen zu gehen. Nur du und ich. Der Rest ist mir egal."
Sein dominanter wohlriechender Duft vernebelte mir den Verstand. Ich wusste, dass diese sexuelle Anspannung zwischen uns noch wirklich zum Problem werden würde, wenn wir es nicht schnellstens lösen würden.
Ich wollte ihn so dringend in mir spüren, dass es mir inzwischen egal war, wo es passieren würde. Hauptsache ich es war mit ihm.
Und Henry schien es nicht anders zu gehen. „Wie wäre es heute zum Mittag? Ich habe den ganzen Tag Drehfrei. Wir könnten in die Stadt fahren."
„Oder wir könnten einfach zu mir oder dir fahren und das Date heute Abend genießen." Wenn diese sexuelle Spannung endlich weg ist.
Henry kicherte in seiner dunklen wohlklingenden Stimme auf. „Langsam bekomme ich das Gefühl, dass du statt einer Beziehung nur Sex willst."
Beziehung?
Bei dem Wort machte mein Herz einen Sprung.
„Das eine schließt das andere ja nicht aus."
„Tut's nicht." sagte er noch grinsend, lehnte sich dann aber zu mir vor, um mir ins Ohr zu flüstern: „Aber ich brauche mehr als nur einen Vormittag, um mit dir das anzustellen, was mir seit Tag eins durch den Kopf geht. Eine volle Nacht wäre zumindest ein Anfang."
Seine Stimme war so dunkel, so rau, so tief und kitzelte zugleich mein Ohr, dass ich automatisch meine Beine enger zusammenpresst.
„Ich will dich, Aurelia."
Mein Mund öffnete sich leicht bei diesen Gedanken an seinen Körper, der sich mit meinem vereinigen würde.
Mein Blick suchte seinen. Hunger traf auf Hunger. „Wie gut, dass es mir dabei nicht anders geht."
Henry schenkte mir einen weiteren Kuss, der verboten hätte sein müssen. Er legte all seine Zuneigung und Hingabe für mich hinein und ich fragte mich ein weiteres Mal an diesem Tag, ob Henry nicht doch bei mir die Liebe auf den ersten Blick ausgelöst hatte. Auch wenn ich sie so lange nicht erkennen wollte ...
„Mr. Cavill, Ms. Halle, wir sind da." erklärte der Fahrer, der wohl heute Ronny vertritt und ließ Henry und mich auseinanderschnepsen. Zu sehr waren wir im Spiel aus Händen, Lippen, Zungen und Hingabe gefangen gewesen.
Ich lief puterrot an, während mein Serienpartner dem Fahrer dankte und mir half, vom Caddy aufzustehen.
Wir standen direkt vor Carmens Büro.
Irgendwie überfiel mich jetzt doch die Angst. Ich liebte meinen Job. Ich wertschätzte Carmen ungemein. Und Henry? Beim Allmächtigen, wenn sie von ihm und mir wusste und es uns doch verbieten würde, würde ich Wege finden müssen, ihn trotzdem zu sehen.
„Doch kalte Füße?" scherzte Henry und nahm meine Hand in seine.
Unsicher biss ich mir in die Unterlippe und sah das kleine Gebäude, was mehr oder weniger nur ein Baucontainer war, an. „Vielleicht."
Henry schenkte mir einen zarten Kuss auf die Schläfe. „Ich bin an deiner Seite, Auri. So schlimm wird es schon nicht."
Ich hoffte er würde Recht behalten und ging zusammen mit ihm an die Tür des Containers und klopfte an.
Ich wusste ja, dass Carmen gerne sehr nahe am Set lebte, aber den Container gleich neben das aktuelle Setbild zu stellen, erschien auch mir etwas zu nahe am Geschehen. Aber das war Carmen. Und der Erfolg, den sie der Serie brachte, schien ihr Recht zu geben.
„Herein, meine Süßen!" flötete es in einer hellen weiblichen Stimme.
Henry und ich sahen uns kurz an und grinsten. Allzu schlimm, schien es bei ihrer guten Laune wirklich nicht zu werden.
Ich drückte den Türknopf nach unten und öffnete für uns die Tür - und wurde sofort von Carmen in den Arm genommen.
„Ach, meine arme, arme Elli! Ach, Mädchen, was tust du mir leid!"
Ihre Umarmung wurde noch fester und ich bekam kaum mehr Luft und musste Henrys Hand loslassen, um irgendwie Abstand zu Carmen zu bekommen.
Doch die Chefin in Sachen Schauspieler ließ nicht von ihr ab und rieb ihre Wange gegen meine. „Mrs. Garden hat mir bereits alles berichtet. Sei dir gewiss, dass durch diesen unglücklichen Unfall trotzdem alles weiterlaufen wird. Wir haben all deine Szenen nach hinten verlegt. Es ist alles gut, mein Täubchen."
Ich hörte, wie Henry mit einem Hüsteln sein Kichern unterdrücken wollte. Aber es gelang ihm mehr schlecht als recht.
Irgendwann löste sich Carmen jedoch von mir, grüßte Henry lieb und ging dann zu ihrem Schreibtisch zurück. Vor dem auch zwei Stühle standen. Sie deutete uns an, uns zu setzen.
Kaum saßen wir, fing die langgewachsene Frau mit dem silberblonden Haar, dass sie stets als Banane eingedreht trug, an zu reden. „Ich fing gestern, nachdem mir Henry von deinem Unfall erzählt hat, an, die Drehtage umzuändern."
„Das ist so lieb von dir, Carmen." sagte ich und wollte noch erwähnen, dass ich gerne bereit war, auch während meiner Krankscheibung zu arbeiten, doch Carmen sprach schon weiter.
„Du ruhst dich diese Woche aus. Uns geht nichts mit einer Woche verloren. Danach fangen wir mit den Szenen an, bei denen man dich ohnehin nur ab der Taille aufwärts sieht.
Colin und ich dachten, wir würden mit den intensiveren Szenen zwischen dir und Henry anfangen. wir würden gleich mit der Badewanne und mit dem Finale beginnen, in denen Rowan und Aelin ihre Kräfte bündeln."
Henry zog die Stirn kraus. „Das geht?"
Carmen nickte eilig. „Natürlich. Unser Set zeichnet sich dadurch aus, dass wir über zwei Regisseure und viele bereits fertige Setbilder verfügen. Wir lassen die einen Schauspieler hier vor Ort drehen, andere im Außendreh und nochmal andere in den Studios, ein paar Kilometer weiter von hier. Das kostet uns zeitlich kaum etwas."
„Das klingt wirklich super, Carmen." sagte ich erneut, worauf die schmale dünne Frau eilig wieder nickte.
„Ich habe euch beide hergebeten, damit wir kurz die nächsten Szenen durchgehen. Wir würden direkt nächsten Montag mit der Szene anfangen, in der Rowan die ausgebrannte Aelin vom Übungsfeld zurückbringt und sie im Eiswasser badet. Im Vorfeld hatte Aurelia bereits zugestimmt, diese Szene größtenteils nackt zu spielen, nur würde ich gerne, dass wenn du, Henry, Aurelia in deinen Armen an die Wanne trägst, bereits die Leidenschaft für sie in den Augen hast."
Nun musste ich hüsteln, als ich sah, wie Henrys Wangen bei dem Wort nackt, rot wurden.
Ich hatte von Anfang an kein Problem nackt vor der Kamera zu stehen. Aber Henry hatte anscheinend doch noch nicht alle Folgen unserer Serie gesehen.
„Unsere Serie lebt von Emotionen. Von Gefühlen und Eindrücken. Mir ist es sehr sehr wichtig, dass man diese Verbindung zwischen euch beiden spürt. Dieses Verlangen, diese Verliebtheit, obwohl ihr wisst, dass die Liebe zwischen euch beiden nicht sein dürfte."
Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Das sollten Henry und ich hinbekommen."
Verständnisvoll nickte Carmen. „Die Chemie zwischen euch beiden muss stimmen. Man kann mir sagen was man will, aber man spürt sowohl vor als auch hinter der Kamera, wenn sich die Schauspielpartner verstehen und mögen. Schauspieltalent ist das eine, die natürliche Chemie zwischen zwei Menschen das andere. Und zwischen euch, scheint sie zu stimmen, also würde ich euch beiden bitten, bevor wir mit der Nacktszene anfangen, dass ihr beide euch vielleicht noch besser kennenlernt. Geht zusammen essen, spielt Gesellschaftspiele miteinander oder redet einfach miteinander. Mir ist es nur wichtig, dass dieser Funke zwischen euch beiden auftaucht."
Er soll auftauchen? Ich hatte das Gefühl zwischen Cavill und mir, war inzwischen ein ganzes Feuerwerk im Gange.
Henry schien seine Chance zu schnuppern und zog spielerisch eine Augenbraue an. „Solche Aktionen könnten ungewollt auch mehr zwischen Aurelia und mir aufkommen lassen. Die Presse ist immer nahe am Set."
Carmen winkte ab, stand auf und öffnete das einzige Fenster ihres Büros, das direkt hinter ihr war. „Ach, Mr. Cavill. Sehen Sie das als eine Art Chance an. Sie beide sind doch Single, oder nicht? Vielleicht entsteht daraus ja mehr. Oder einfach nur guter leidenschaftlicher Sex. Am Ende ist es mir egal, was sie beide machen. Mein Anliegen betrifft nur das Endprodukt des Serie. Was zwischen euch beiden passiert ist mir im Prinzip egal, solange es zu einem perfekten Endprodukt führt. Wobei ich natürlich schon finde, dass so zwei außergewöhnlich schöne Menschen, wie ihr beiden, euch wirklich, wirklich kennenlernen solltet. Es wäre eine absolute Verschwendung, wenn ihr euch nur morgens Hallo sagen würdet. Aber das ist nur meine bedeutungslose Meinung."
Henry schenkte mir ein unwiderstehliches Lächeln. Damit hatten wir wohl auch Carmens Segen.
„Dann vielen Dank, Carmen." sagte ich und stand auf. Henry war sofort neben mir und half mir besser, das Gleichgewicht zu finden.
„Keine Ursache, ihr beiden. Wir sehen uns."
Wir gingen hinaus und nur wenige Meter nach Carmens Büro, steckte Henry die Hände in die Hosentaschen und sah mich voller Euphorie an. „Ein Dinner haben wir ja schon. Ich habe da allerdings eine Idee, wie wir uns noch besser kennenlernen, um diesen Funken zu finden."
Meine Hände legten sich wie fast von alleine auf seine starke Breite Brust. „Ich bin gespannt, Mr. Cavill."
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